Die Alte im Wald - Zur Darstellung der Hexe im Grimmschen Märchen


Seminararbeit, 2008

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die historische Hexe
2.1 Die Stellung der Frau in der mittelalterlichen Gesellschaft
2.2 Weiber, die mit dem Teufel buhlen
2.3 Hexenverfolgung

3. Die Hexe in den Märchen der Gebrüder Grimm
3.1 Charakterisierung
3.1.1 Das freundliche alte Mütterchen
3.1.2 Die böse Zauberin
3.2 Bedeutung der Hexe für die Handlung

4. Fazit:

Die Märchenhexe bleibt als Figur eine Gefangene der Handlung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Beschäftigt man sich mit den Märchen der Gebrüder Grimm, so wird man unweigerlich mit ihnen konfrontiert. Hexen treten im Märchen zahlreich auf und stehen dabei mit ihrer Verbindung zum Bösen und ihren übermenschlichen Fähigkeiten stets dem Märchenhelden gegenüber.

Ziel dieser Arbeit ist es, die Darstellung der Hexe im Grimmschen Märchen zu untersuchen, um dabei mögliche Regelmäßigkeiten zu finden und zu erklären.

Da die Hexe des Märchens zahlreiche Parallelen zu jenen Frauen aufweist, die während des Mittelalters und zu Beginn der frühen Neuzeit als Hexen verfolgt wurden, soll zunächst auf den historischen Hintergrund eingegangen werden. Dabei sind sowohl die soziale Stellung der Frau im Mittelalter als auch die Vorstellung von der Teufelsbuhlschaft und die Hexenverfolgung von besonderer Bedeutung. Im zweiten Teil der Arbeit soll die Darstellung der Hexe in einigen ausgewählten Märchen der Gebrüder Grimm genauer untersucht werden. Zu diesen Märchen zählen Brüderchen und Schwesterchen, Das blaue Licht, Das Rätsel, Hänsel und Gretel und Rapunzel. Sie wurden ausgewählt, da sie durch zahlreiche Unterschiede ein vielseitiges Bild von der Hexe als Märchenfigur ergeben, aber dennoch Gemeinsamkeiten erkennen lassen. Zuletzt soll im Zusammenhang mit der Darstellung ebenfalls auf die tatsächliche Bedeutung der Hexe für die Handlung, sowie ihre Rolle im Märchen eingegangen und in einem abschließenden Fazit das Ergebnis der Arbeit zusammengefasst werden.

Bei der Recherche und Textarbeit wurden folgende Werke besonders stark genutzt und zu Rate gezogen: Die 1977 bei Suhrkamp erschienene Text- und Materialsammlung mit dem Titel „Aus der Zeit der Verzweiflung. Zur Genese und Aktualität des Hexenbildes.“, geschrieben u.a. von Becker, Bovenschen, Brackert; sowie die 2005 erschienene 11. Auflage Max Lüthis „Das europäische Volksmärchen“ und die Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm, herausgegeben von Heinz Rölleke und 1980 in Stuttgart erschienen.

2. Die historische Hexe

2.1 Die Stellung der Frau in der mittelalterlichen Gesellschaft

Welchen Platz Frauen in der mittelalterlichen Gesellschaft hatten, lässt sich nicht ohne weiteres bestimmen, da sich Norm und Realität oft unterscheiden und die Rolle der Frau auch in den verschiedenen Gesellschaftsschichten sehr unterschiedlich darstellte. Es fällt dennoch nicht schwer zu behaupten, dass die mittelalterliche Gesellschaft aber vor allem eins war: Frauenfeindlich. Betrachtet man die Schöpfungsgeschichte, so werden zwei Aspekte der weiblichen Existenz sichtbar. Aus einer Rippe Adams geformt, damit dieser im Paradies nicht allein sein sollte, stellt Eva einen Teil des Mannes dar, der ihm auf immer untergeben sein wird. Gleichzeitig ist sie es, die den Apfel vom Baum der Erkenntnis pflückt und somit die Verantwortung für die Vertreibung aus dem Paradies trägt.[1] Dieses kirchliche Verständnis des Frauenbildes führte dazu, dass Frauen in der mittelalterlichen Gesellschaft nicht nur Untertan ihres Mannes, sondern ohne ihn praktisch nicht lebensfähig waren (eine Ausnahme bilden hier Klöster und andere Versorgungsanstalten). Nach Thomas zu Aquin ist die Frau „dem Manne gegenüber sowohl in ihrer Biogenese (Akt des Werdens) als auch ihrer Qualität (Aspekt des Seins) als auch schließlich ihrer Funktion nach (Aspekt der Tätigkeit) minderwertig“[2]. Luther verbannt die Frau in den Haushalt, da sie ihrem Mann dort nicht schaden könne, erkennt jedoch zumindest an, dass die Frau dort einen Zweck erfüllt und das nicht zuletzt, weil sie für die Zeugung von Nachkommen unverzichtbar ist[3]. Dennoch wurden Frauen rechtlich gesehen nicht als Teil des öffentlichen Lebens akzeptiert und waren demnach auch in allen rechtlichen Belangen auf einen Mann angewiesen, der ihre Interessen vertritt.[4]

Es gilt jedoch zu beachten, dass sich die reale Situation auf dem Lande und in den Städten nicht immer so darstellte, wie es, besonders von der Kirche, gefordert wurde. So verstanden die Bauern die Frau als einen unverzichtbaren Teil ihres Lebens und ihrer Arbeit, denn sie waren nicht nur diejenigen, die die Kinder bekamen, sondern sie übernahmen auch zahlreiche Arbeiten in der Wirtschaft. Frauen auf dem Lande unterhielten nicht nur den Haushalt, sondern „kümmerten sich um Keller, Stall und Garten, besorgten die Flachsbereitung, das Bierbrauen, Lichterziehen und Seifensieden (…) und mußten zum großen Teil überdies noch Dienste für den Feudalherren leisten“[5].

In den Städten zeichnete sich in der Zeit des Hochmittelalters, eine Entwicklung ab, die den Frauen zumindest eine teilweise Gleichberechtigung eingestand. Sie arbeiteten vor Allem in der Textilfabrikation als „Kämmerinnen, Nopperinnen, Bleicherinnen, Färberinnen oder Spinnerinnen“[6] und konnten bei entsprechender Qualifikation als Meisterin selbst eine Weberei unterhalten. Weitere Tätigkeitsbereiche umfassten lediglich den Kleinhandel, in dem viele Frauen als Krämerinnen oder Händlerinnen sehr erfolgreich waren.

Etwas abseits dieser Entwicklung stehen die so genannten weisen Frauen, welche sich der Frauenheilkunde, aber auch der allgemeinen Medizin verschrieben hatten. Ihre Kenntnisse über heilende Kräuter und heidnische Bräuche wurden ihnen während der Verbreitung des Christentums zum Verhängnis, denn sie waren es, die während der Zeit der Hexenverfolgung als erste als „Hexen, Quacksalberinnen, Kurpfuscherinnen, böse Zauberinnen usw. attackiert und verfolgt wurden“[7].

2.2 Weiber, die mit dem Teufel buhlen

Dem mittelalterlichen Denken zufolge ist es die Frau, die für die Verführung durch den Teufel am anfälligsten ist, denn sie ist schwach und konnte schon der Verführung durch die Schlange im Paradies nicht widerstehen. Die Versammlung der Frauen zum so genannten Hexensabbat stellte dabei ein Sinnbild für ihre Verschwörung gegen die bestehende Ordnung dar. Brenner und Morgenthal führen zahlreiche Quellen an, die deutlich machen, wie der Sabbat im Allgemeinen verstanden wurde. So sei er das Chaos, welches von den Frauen, durch Lärm und Sinnestäuschungen, immer wieder neu erzeugt würde.[8] Begleitet würde dies durch Fressgelage, ausgelassene Tänze und offen ausgelebte Sexualität, welche jedoch einzig der Lust und nicht der Fortpflanzung diene.[9] Während der späteren Hexenprozesse sagten viele Frauen, von denen die meisten sich nicht einmal als Hexe verstanden, sondern den Sabbat besuchten, um den Zwängen des Alltags zu entfliehen, dass oftmals der Teufel selbst bei den Versammlungen der Hexen anwesend war und an den Orgien teilnahm. Die meisten sahen den Teufel dabei nicht als eine Bedrohung an, sondern vielmehr als Instanz, die ihnen alles das erlaubte, was ihnen von der Kirche verboten worden war. Da sie ihren christlichen Glauben trotz der Besuche auf dem Sabbat weiter ausübten und täglich in die Kirche gingen, sahen sie ihren Platz im Paradies nicht bedroht oder wären, wenn sie doch in der Hölle landeten, zumindest schon mit dem Teufel vertraut.[10]

Neben dem Vorwurf, das Chaos zu verbreiten und mit dem Teufel im Bunde zu sein, wurde den Hexen vor allem eines zu Lasten gelegt: Die Fähigkeit, mit bösem Zauber Schaden zu verursachen und Unglück über die Menschen zu bringen. Während das Wissen der weisen Frauen um heilende Kräuter und Fruchtbarkeitszauber den Menschen von Vorteil hätte sein können, so wurde im Besonderen von der Kirche nur eine Schlussfolgerung gezogen: Wer Gutes tun kann, der kann auch Schaden zufügen. Bei der Anklage der Hexen ging es im Grunde aber nur noch um den Schadenszauber, der immer dann angewendet worden sein muss, wenn eine Frau ein krankes oder gar totes Kind zur Welt brachte, wenn schwere Krankheiten grassierten oder die Ernte, bedingt durch Trockenheit, zu viel Niederschlag oder Krankheiten, schlecht ausfiel. Insbesondere zum letzten Vorwurf liefern Brenner und Morgenthal einen interessanten Begründungsversuch, welcher besagt, dass die Entwicklung der Hexe zu einem Verursacher jeglichen Übels eng mit der Herausbildung der Geldwirtschaft zusammenhinge. Demnach sei zu jener Zeit ein starker Konkurrenz- und Überlebenskampf unter den Bauern entstanden, bei dem jede Missernte fatale Folgen haben konnte. Die Hexe diente der Bevölkerung dabei als „Projektionsobjekt allen widerfahrenen Unheils“[11] und lieferte den Menschen, die zu jener Zeit noch nicht viel von der Gewalt der Natur verstanden, eine greifbare Ursache für ihr Unglück.

2.3 Hexenverfolgung

Aus dem Versuch, eine Erklärung für das eigene Unglück zu finden, entwickelte sich in vielen christlichen Ländern des 14. bis 17. Jahrhunderts ein wahrer Hexenwahn, bei dem tausende vermeintlicher Hexen von der Inquisition verfolgt, gefoltert und getötet wurden. Jedoch war es nicht nur jene Instanz der kirchlichen Ketzerverfolgung, die den Wahn um die Verbündeten des Teufels trug, denn die extreme Verfolgung ging oftmals von der Bevölkerung selbst aus. In dem 1487 in Köln veröffentlichten Hexenhammer (Malleus Maleficarum) werden drei Möglichkeiten angebracht, die zur Anklage einer Hexe führen können:

„1. der Ankläger tritt selbst den Beweis seiner Anklage an;
2. der Denunziant bleibt als solcher anonym;
3. der Inquisitor leitet auf ein Gerücht hin selbst den Prozess ein“[12].

[...]


[1] Vgl. Becker, Gabriele, Helmut Brackert, Sigrid Brauner, Angelika Tümmler (1977). Seite 15f.

[2] Ebd., Seite 20.

[3] Vgl. ebd., Seite 21.

[4] Vgl. ebd., Seite 36.

[5] Ebd., Seite 54.

[6] Ebd., Seite 65.

[7] Ebd., Seite 82.

[8] Brenner, Ines, Gisela Morgenthal (1977). Seite 214.

[9] Ebd., Seite 222f.

[10] Ebd., S. 220.

[11] Ebd., S. 222.

[12] Brackert, Helmut (1977). Seite 141.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Alte im Wald - Zur Darstellung der Hexe im Grimmschen Märchen
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Isolation und Allverbundenheit - Europäische Volksmärchen im Vergleich
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V116494
ISBN (eBook)
9783640186549
ISBN (Buch)
9783640188314
Dateigröße
450 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Alte, Wald, Darstellung, Hexe, Grimmschen, Märchen, Isolation, Allverbundenheit, Europäische, Volksmärchen
Arbeit zitieren
Janine Börstler (Autor:in), 2008, Die Alte im Wald - Zur Darstellung der Hexe im Grimmschen Märchen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116494

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