Aristoteles "Poetik" und Bertolt Brechts "Die Dreigroschenoper"

Ein Vergleich


Hausarbeit, 2004

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Aristoteles
1.1 Die Poetik - Was meinte Aristoteles mit Nachahmung?

2. Bertolt Brecht
2.1 Die Dreigroschenoper
2.2 Die Entstehung und Publikation der Dreigroschenoper
2.3 Das epische Theater
2.4 Die Verfremdung
2.4.1 Die Musik und das epische Theater

3. Vergleich zwischen Aristoteles Poetik und Brecht

4. Literaturverzeichnis

1. Aristoteles

1.1 Die Poetik - Was meinte Aristoteles mit Nachahmung?

Poetik versteht sich als Dichtungstheorie, also als wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Wesen, Formen, Ausdrucksmitteln, Funktionen und Wirkungen der Dichtung. Die Poetik des Aristoteles stellt sowohl die Lyrik, Epik als auch Dramatik als Nachahmungen dar. Diese Aussage begründete Aristoteles wie folgt: „Die Epik und die tragische Dichtung, ferner die Komödie und die Dithyrambendichtung sowie – größtenteils – das Flöten- und Zitherspiel: sie alle sind, als Ganzes betrachtet, Nachahmungen."[1] Die genaue Bedeutung der Nachahmung wird von Aristoteles durch die nachahmenden Personen beschrieben, die „notwendigerweise entweder gut oder schlecht“[2] sind. Auch in der Realität würden sich die Menschen, was ihren Charakter betrifft, durch ihre „Schlechtigkeit und Güte“[3] unterscheiden. Die Unterscheidung Aristoteles, dass die Komödie `schlechtere´ und die Tragödie `bessere´ Menschen nachzuahmen vermag, behielt als Ständeklausel bis ins späte 18. Jahrhundert hinein Gültigkeit, derzufolge nur Menschen von Adel tragödienwürdig seien. Personen niederen Standes blieb die Komödie vorbehalten, eine Regel, mit der theoretisch erst Gotthold Ephraim Lessing, praktisch das bürgerliche Trauerspiel brach. Es ging darum, die `schlechteren´ Menschen nicht in ihrer Schlechtigkeit an sich darzustellen, „sondern nur insoweit, als das Lächerliche am Häßlichen teilhat. Das Lächerliche ist nämlich ein mit Häßlichkeit verbundener Fehler, der indes keinen Schmerz und kein Verderben verursacht."[4] Es entwickelten sich zwei Formen des Dramas, die auf die Autoren zurückzuführen sind, da sie in ihrer Dichtung zwei Klassen von Nachahmenden schufen. „Denn die Edleren ahmten gute Handlungen und die von Guten nach, die Gewöhnlicheren jedoch die von Schlechten.“[5] Somit ahmten „die Edleren“[6] die Tragödien und die gewöhnlichen Menschen die Komödie nach.

Ein weiterer Unterschied der literarischen Gattungen liegt in der Art und Weise der Nachahmung: „Denn es ist möglich, mit Hilfe derselben Mittel dieselben Gegenstände nachzuahmen, hierbei jedoch entweder zu berichten – in der Rolle eines anderen [...] – oder alle Figuren als handelnde und in Tätigkeit befindliche auftreten zu lassen."[7] Das Nachahmen sei dem Menschen angeboren und wäre Merkmal für einen Menschen[8].

Die Poetik des Aristoteles geht vom erweiterten Mimesisverständnis aus und bestimmt nicht nur Dichtung, Musik und Tanz als Mimesis (Kap. 1), sondern zieht ebenfalls die Parallele zu Malerei und bildender Kunst (Kap. 25). Hier jedoch dient der Mimesis-Begriff zur anthropologischen Begründung und philosophischen Rechtfertigung der Künste. Alles künstlerische Schaffen, wie auch das Vergnügen an Kunstwerken, wurzle in einem angeborenen Nachahmungstrieb: einem Trieb von höchster Dignität, denn ihm verdanke der Mensch auch sein Lernen und Erkennen und damit sein Menschsein überhaupt.

Neben der Nachahmung ist die geschlossene Handlung das wichtigste Merkmal, was Aristoteles wie folgt beschrieb: „Die Tragödie ist Nachahmung einer guten und in sich geschlossenen Handlung von bestimmter Größe, in anziehend geformter Sprache."[9] Mit der Sprache meint Aristoteles, dass sie nicht monoton ist, sondern in sich „Rhythmus und Melodie besitzt“[10]. Laut Aristoteles kann die Nachahmung nur dann perfekt sein, wenn der Nachahmende die im Vers geschriebenen Wörter spricht und durch die Melodik die Handlung bei den Zuschauern seine Wirkung hinterlässt und zugleich Sprache, Rhythmus und Melodie vereint sind.

Die Tragödie ist eine geschlossene Handlung, durch die Einheit von Ort und Zeit. Die Tragödie muss jedoch innerhalb eines Sonnenumlaufs enden „oder nur wenig darüber hinausgehen."[11] Sie besitzt als ein Ganzes Anfang, Mitte und Ende. Der Anfang leitet ein und ist zugleich Einstieg in die Handlung. Die Mitte ist, „was sowohl selbst auf etwas anderes folgt als auch etwas anderes nach sich zieht“[12]. Das Ende beendet die Handlung. Demnach darf die Handlung „nicht an beliebiger Stelle einsetzen noch an beliebiger Stelle enden, sondern sie müssen sich an die genannten Grundsätze halten."[13] Die Handlung muss eine bestimmte Ausdehnung haben, die sich der Zuschauer leicht einprägen kann. Es gibt keine Zeit, nach die sich der Dichter richten sollte, dennoch gibt Aristoteles eine Regel an, die die richtige Begrenzung der Handlung angibt. Wichtig an der Länge eines Stücks ist, dass ein Umschlag vom Unglück ins Glück dargestellt wird, demnach muss der Autor selbst entscheiden, wie lang seine Tragödie sein sollte, denn wichtig ist am Ende nur die nachgeahmte Handlung und ihre Dramaturgie. Die Handlung muss so zusammengefügt sein, dass die einzelnen Situationen „dramatisch sind und sich auf eine einzige, ganze und in sich geschlossene Handlung mit Anfang, Mitte und Ende beziehen“[14], damit es beim Zuschauer „Vergnügen bewirken kann“[15].

Die drei wichtigsten Arten von Nachahmung sind „die Mittel, mit denen nachgeahmt wird“[16], „die Art, wie nachgeahmt wird“[17] und „die Gegenstände, die nachgeahmt werden“[18]. Indem bei Aristoteles die Ideen zu Formprinzipien der Natur selbst wurden, verschmolzen Tatsächlichkeit und Verbindlichkeit so, dass der Künstler aus der Erscheinung das, was sein soll und wie es sein soll, zu erheben. Die Würde der Nachahmung als der Innbegriff der künstlerischen Tätigkeit ist nicht durch eine Umwertung der Mimesis herbeigeführt, sondern nur durch eine Verminderung der Zahl der Bezugsebenen.

Die Katharsis (griechisch katharsis: Reinigung) ist ein Begriff aus der griechischen Tragödie, wo das Durchleben heftiger psychischer Affekte wie Trauer oder Angst zu einer Läuterung bzw. Überwindung dieser Zustände führen soll.

In der Poetik des Aristoteles ist die Katharsis der zentrale Begriff der Dramentheorie. Katharsis bezeichnet die innere Läuterung des Zuschauers als Wirkung der Tragödie. Nach Aristoteles soll die Katharsis durch die Erregung von „Jammer“ und „Schaudern“ eine von Erleichterung begleitete innere „Reinigung“ des Betrachters über die durch die Handlung erzeugten seelischen Regungen bewirken. Aristoteles schieb diese Grundsätze mit dem Ziel der Nachvollziehbarkeit der Handlung durch das Publikum und der Reinigung. Die Reinigung sei weitaus wirksamer als die Vorstellung einer Dreigliederung. Der Zuschauer soll durch das in der Tragödie dargestellte Schicksal mittels Katharsis `gereinigt´ werden: Somit soll die Tragödie „Jammer“[19] (éleos) und „Schaudern“[20] (phóbos) beim Betrachter erwecken, um die Katharsis zu provozieren. Die Nachahmung hat somit nicht nur die geschlossene Handlung als Ziel, „sondern auch Schaudererregendes und Jammervolles“[21]. Dieses wird bewirkt, wenn unerwartete Ereignisse sich folgerichtig in den Handlungsstrang eingliedern. Die Handlung muss so zusammengefügt sein, dass jemand, der die Handlung nur hört und nicht sehen kann, bei den Geschehnissen „Schaudern und Jammer empfindet“[22]. Leid empfinde der Zuschauer nur dann, wenn sich etwas schreckliches innerhalb der Familie ereignet, wie z.B. „Bruder steht gegen den Bruder [...] der eine tötet den anderen“[23].

Formelemente der Tragödie sind: Umschwung (Peripetie), Wiedererkennung (Anagnorismos) und Leid.

[...]


[1] Aristoteles, 1982, S. 5

[2] ebenda S. 7

[3] ebenda

[4] ebenda S. 17

[5] ebenda S. 13

[6] Aristoteles, 1982, S. 13

[7] ebenda S. 9

[8] ebenda S. 11

[9] ebenda S. 19

[10] ebenda

[11] Aristoteles, 1982, S. 17

[12] ebenda S. 25

[13] ebenda

[14] ebenda S. 77

[15] ebenda

[16] ebenda

[17] ebenda

[18] ebenda

[19] Aristoteles, 1982, S. 19

[20] ebenda

[21] ebenda S. 33

[22] ebenda S. 43

[23] ebenda

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Aristoteles "Poetik" und Bertolt Brechts "Die Dreigroschenoper"
Untertitel
Ein Vergleich
Hochschule
Universität zu Köln  (Erziehungswissenschaftliche Fakultät)
Veranstaltung
Das deutsche Drama. Einführung in die Dramentheorie und Dramenanalyse
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
15
Katalognummer
V122530
ISBN (eBook)
9783640278855
ISBN (Buch)
9783640282845
Dateigröße
408 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aristoteles, Poetik, Bertolt, Brechts, Dreigroschenoper, Drama, Einführung, Dramentheorie, Dramenanalyse
Arbeit zitieren
Patricia Reisyan (Autor:in), 2004, Aristoteles "Poetik" und Bertolt Brechts "Die Dreigroschenoper", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122530

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