Bachelorarbeit, 2014
32 Seiten, Note: 1,3
Abbildungsverzeichnis
1 Einführung
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Innovation
2.2 Open Innovation
3 Kundenintegration als neuer Innovationsansatz
3.1 Klassische Ansätze der Kundenorientierung
3.2 Auslöser des Paradigmenwechsels
3.3 Kundenintegration als Erfolgsfaktor im Innovationsprozess
4 Motive der Kundenintegration in den Innovationsprozess
4.1 Die Kundenperspektive: Beteiligung an Open Innovation
4.2 Die Unternehmensperspektive: Wettbewerbsvorteile durch Kundenintegration
5 Risiken der Kundenintegration in den Innovationsprozess
5.1 Externe Risiken
5.2 Interne Risiken
6 Methoden der Kundenintegration in den Innovationsprozess
6.1 Die Lead-User-Methode
6.2 Toolkits für Open Innovation
7 Fazit
Literaturverzeichnis
Abb. 1: Modell des Innovationsprozesses
Abb. 2: Closed versus Open Innovation nach Chesbrough,
Abb. 3: Risiken und Gegenmaßnahmen der Kundenintegration
Abb. 4: Phasen der Lead-User-Methode
Übereinstimmend herrscht in der Wissenschaft die Meinung, dass Innovationen Voraussetzungen für den langfristigen Erfolg von Unternehmen sind. Die Unternehmen stehen heutzutage vor der Herausforderung eines dynamischen wirtschaftlichen Umfeldes. Die Produktlebenszyklen haben sich dramatisch verkürzt und in immer geringer werdenden Abständen erfolgen Produkteinführungen. So lag beispielsweise in der Automobilbranche der Produktlebenszyklus in den 1970er Jahren in der Regel bei zehn Jahren. In den 1990er Jahren waren es bereits nur noch acht Jahre. Heutzutage liegt er bei ungefähr fünf Jahren (Volpato und Stocchetti, 2008, S. 28). Unternehmen sehen sich außerdem mit den Problemen des zunehmenden globalen Wettbewerbs und den steigenden Kosten der Forschung und Entwicklung konfrontiert. Obwohl Innovationen von großer Bedeutung für ein erfolgreiches Unternehmertum sind, scheitern häufig viele Neueinführungen. Verschiedene Studien belegen, dass 50 bis 90 Prozent der Neuprodukte sich nicht auf dem Markt durchsetzen (Hilgers und Piller, 2009, S. 5). Dabei scheitern die wenigsten Produkte an der Vermarktung; der größte Teil der Innovationen kann sich nicht am Markt etablieren, da die Unternehmen die Bedürfnisse der Kunden nicht kennen (Grauel, 2006, S. 16). Der Management-Theoretiker Drucker erkennt Folgendes:
„Today no one needs to be convinced that innovation is important - intense competition, along with fast changing markets and technologies, has made sure of that. How to innovate is the key question.“
(Drucker, 1988, S. 149)
Vor diesem Hintergrund suchen Hersteller nach Lösungen um Produktentwicklung erfolgreich und langfristig am Markt zu platzieren. Dies macht eine Neuausrichtung des Innovationsprozesses notwendig. Gemäß des klassischen Ansatzes der „closed Innovation“ entwickeln Unternehmen in abgeschotteten Forschung und Entwicklung Abteilungen mit internen Experten neue Produkte. In dieser Arbeit soll dargestellt werden, dass diese Verfahrensweise heute nicht mehr erfolgsversprechend ist.
Unter den geänderten Rahmenbedingungen gehen Unternehmen in den letzten Jahren dazu über, unternehmensexterne Akteure in den Innovationsprozess zu integrieren. Neben Lieferanten, Hochschulen und Wettbewerbern sind insbesondere auch Kunden als externe Quellen von großer Bedeutung für den Innovationsprozess. Unternehmen erhalten dadurch Zugang zu externem Wissen. Gleichzeitig wird das Risiko einer Fehlentwicklung reduziert, da die Innovationen von potenziellen Abnehmern entwickelt werden. In der Praxis wird dieser Trend unter dem Begriff „Open Innovation“ diskutiert (Chesbrough, 2003). Somit ist auch nicht verwunderlich, dass laut einer 2013 veröffentlichten Studie des Fraunhofer Instituts, in Zusammenarbeit mit europäischen und amerikanischen Unternehmen, die Anzahl der Unternehmen die Open Innovation anwenden, in den letzten Jahren stetig gestiegen ist (Chesbrough, Brunswicker, 2013, S. 3ff.).
In dieser Arbeit, steht die Frage im Mittelpunkt, ob Kunden als aktive Partner im Innovationsprozess angesehen werden können und welche Motive diese beeinflussen ihre Ideen dem Unternehmen zu überlassen. Außerdem werden die Chancen und Risiken, die die Unternehmen durch die Öffnung des Innovationsprozesses erfahren, analysiert.
Um die Kernfrage der Arbeit zu beantworten, wird ausgehend von einer Definition der relevanten Begriffe, der Paradigmenwechsel analysiert, also der Übergang von der Kundenorientierung im klassischen geschlossenen Innovationsprozess zu der Kundenintegration im offenen Innovationsprozess. Dabei werden die „Voice-of-the-Customer-Ansätze“ und deren Kritikpunkte und Erosionsfaktoren, die entscheidend zur Aufgabe des closed Innovation Paradigmas beigetragen haben, vorgestellt. Somit wird eine klare Abgrenzung von der Kundenorientierung zu der Kundenintegration vollzogen.
Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die Motive für die Kundenintegration dargestellt. Die unterschiedlichen Motive, die den Kunden zur Teilnahme am Innovationsprozess bewegen, werden analysiert. Diese extrinsischen, intrinsischen und sozialen Motive sorgen für eine willentliche Handlungsintention in Form einer Teilnahmebereitschaft. Zudem werden die Motive der Unternehmen dargestellt. Diese dienen vor allem der Reduktion der Unsicherheiten und Verbesserung der Leistungsfähigkeiten des Innovationsprozesses.
Darauf folgend werden die Risiken von Open Innovationen beschrieben. Diese können in externe und interne Risiken aufgeteilt werden und können erheblich durch den Einsatz von Gegenmaßnahmen reduziert werden.
Im folgenden Kapitel werden zwei Methoden vorgestellt, die in der Praxis schon erfolgreich angewandt werden, um das kreative Potenzial der Kunden in den Innovationsprozess zu integrieren. Die von MIT-Professor von Hippel entwickelte Lead-User-Methode beschreibt ein prozessuales Vorgehen zur Produktentwicklung. Ausgehend von den Eigenschaften besonders fortschrittlicher Kunden, sogenannter Lead User, wird der Ablauf dargestellt. Als zweite Methode werden die sogenannten Toolkits für Open Innovation beschrieben. Diese meist internetbasierten Plattformen erleichtern den Zugang zu implizitem Kundenwissen.
Zum Abschluss dieser Ausarbeitung werden in einem Fazit die wesentlichen Ergebnisse zusammengefasst.
Um den weiteren Ausführungen folgen zu können, werden im Folgenden die Begriffe Innovation und Open Innovation erläutert.
In der wissenschaftlichen Literatur existierten viele Definitionen des Begriffes Innovation. Die Mehrzahl der Auslegungen nennt das Element der Neuartigkeit als Eigenschaft der Innovation. Dies lässt sich auf die etymologische Bedeutung des lateinischen Ursprungsbegriffs innovatio (Neuerung, Erneuerung oder Neuheit) zurückführen (Hauschildt und Salomo, 2011, S. 4). Das heutige Verständnis wurde vor allem durch Schumpeter geprägt. Er sieht das Wesen der Innovation in der „Durchsetzung neuer Kombinationen“, welche diskontinuierlich auftreten (Schumpeter, 1997, S. 100). Den Vorteil von Innovationen sieht er darin, dass diese zu einer temporären Monopolstellung verhelfen. Innovationen sind für Unternehmen besonders wichtig, da erfolgreiche Innovationen nicht nur das Unternehmensergebnis steigern, sondern auch die Zukunft von Unternehmen sichern. Aus diesem Grund investieren Unternehmen jährlich ungefähr 20 Prozent ihres Umsatzvolumens in die Forschung und Entwicklung (Möslein, 2009, S. 3).
Laut Hauschildt lässt sich der Innovationsbegriff in fünf Dimensionen unterteilen. Die inhaltliche Dimension klärt die Frage, was neu ist. Die Dimension der Intensität beantwortet die Frage, wie neu etwas ist. Die Frage nach der subjektiven Dimension klärt, für wen eine Innovation neu ist und die prozessuale Dimension zeigt, wo die Innovation beginnt und wo sie endet. Die abschließende Frage, ob die Innovation erfolgreich ist, zielt auf die normative Dimension ab (Hauschildt und Salomo, 2011, S. 11 ff.).
Neuerungen können noch nach einem weiteren Ansatz unterteilt werden, nämlich in produktorientierte und prozessorientierte Innovationen. Produktinnovationen sind neue Produkte oder Dienstleistungen. Sie dienen hauptsächlich zur Befriedigung von Kundenbedürfnissen. Eine Prozessinnovation hingegen ist eine neuartige Faktorkombination innerhalb einer Organisation, durch die die Effizienz der Produktion gesteigert werden kann. So soll beispielsweise ein bestehendes Produkt schneller, kostengünstiger und in besserer Qualität angeboten werden. Häufig besteht zwischen Produkt- und Prozessinnovationen eine hohe Interdependenz. So folgen auf eine Produktinnovation häufig Prozessinnovationen (Reichwald und Piller, 2009, S. 119).
Ebenso können Innovationen nach ihrem Neuheitsgrad abgegrenzt werden. Henderson und Clark unterscheiden dabei zwischen inkrementellen und radikalen Innovationen. Inkrementelle Innovationen stehen für geringe Verbesserung und nutzen das Potenzial etablierter Funktionen aus. Sie sind durch geringe, sowohl technisch als auch durch den Markt bedingte Unsicherheiten gekennzeichnet. Ein Beispiel hierfür ist die Produktverbesserung. Demgegenüber basieren radikale Innovationen auf neuartigen Prinzipien und eröffnen oftmals sogar neue Märkte. Radikale Innovationen sind demzufolge auch mit großen Unsicherheiten bezüglich der Akzeptanz und Umsetzbarkeit am Markt verbunden (Henderson und Clark, 1990, S. 13). Um langfristig erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen einen großen Umfang an Innovationsgraden abdecken: Inkrementelle Innovationen sichern den kurz- und mittelfristigen Erfolg, radikale hingegen das langfristige Überleben eines Unternehmens (Reichwald und Piller, 2009, S. 122).
Innovationen können auch nach der Quelle der Innovationsideen unterschieden werden. Die marktinduzierten Innovationen (market-pull), welche vom Markt bzw. Kunden induziert, basieren auf unbefriedigten Kundenbedürfnissen und werden durch die Kundennachfrage entwickelt. Demgegenüber stehen die technologieinduzierten Innovationen (technology-push), bei dem der Hersteller autonom ausgehend von neuen Technologien Neuprodukte entwickelt, welche auf Entwicklungen neuer technologischer Verfahren basieren.
In dieser Arbeit stehen die marktinduzierten Produktinnovationen als Resultat unerfüllter Kundenbedürfnisse im Vordergrund.
Der Innovationsprozess beschreibt den Ablauf von der Ideengenerierung bis zu der Einführung des Produktes auf dem Markt. In der Literatur wird der Innovationsprozess in mehreren Phasen dargestellt. Die Anzahl der Stufen reicht, je nach Modell, von drei bis 70. Die verschiedenen sequenziell aufeinanderfolgenden Phasen sind dabei durch verschiedene Problemlösungsverfahren und Informationsbedürfnisse charakterisiert und können bezüglich Dauer und Kosten erheblich voneinander abweichen (Reichwald und Piller, 2009, S. 122ff.). Ein bekanntes Beispiel ist das Phasenmodell von Herstatt und Verworn, die den Innovationsprozess in folgende Phasen unterteilen: Ideengenerierung und -bewertung; Konzepterarbeitung und Produktplanung; Entwicklung; Prototypenbau und Markttest; Produktion und Markteinführung (Herstatt, 1999, S. 73). Allgemein kann man Phasenmodelle in folgende drei Hauptphasen einteilen: der Ideen- und Entwicklungsphase sowie der Markteinführung.
In der Literatur wird die erste Phase des Innovationsprozesses häufig als „Fuzzy Front End“ beschrieben. Diese stellt die dynamischen, meist unstrukturierten und von hoher Unsicherheit geprägten Aktivitäten in dieser Phase dar. Die frühe Phase ist von besonderer Bedeutung, da dort bereits 75 bis 85 Prozent der Produktlebenskosten festgelegt werden. Die Unternehmen versuchen, in dieser Phase ihren Ideenpool für Innovation zu erweitern. Die im Rahmen der Ideengewinnung entwickelten Ideen werden in der zweiten Phase des Innovationsprozesses auf Realisierbarkeit und wirtschaftliche Attraktivität untersucht. In der dritten Phase wird das Produkt technisch realisiert. Außerdem werden das Projektbudget, ein Zeitplan und die Ressourcen bestimmt. Es werden Meinungen von
wichtigen Kunden eingeholt und Verbesserungen vorgenommen. Daraufhin erfolgt die Herstellung einer Vorserie. In der letzten Phase werden die Produkte der Vorserie mittels Produkt- und Markttests überprüft und danach über die Markteinführung entschieden (Reichwald et al., 2007, S. 22f.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Modell des Innovationsprozesses.
Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an: Herstatt, C. (1999): Theorie und Praxis der frühen Phasen des Innovationsprozesses, in: io Management, 68. Jg., S. 73.
Die Darstellung (Abb. 1) entspricht nicht immer der Realität. Studien haben gezeigt, dass der Innovationsprozess nicht linear erfolgt, wie es hier dargestellt wird, sondern in Schleifen und immer wieder durch Brüche gekennzeichnet ist. Im Unternehmen werden Ideen entwickelt, weiter verfolgt und dann wieder verworfen oder optimiert (Reichwald und Piller, 2009, S. 123ff.).
In der Vergangenheit wurde die unternehmensinterne Forschung und Entwicklung als wesentlicher Erfolgsfaktor des Innovationsmanagements betrachtet. Traditionell sind produzierende Unternehmen allein verantwortlich für die Entwicklung von neuen Produkten, wodurch die Anzahl der Mitarbeiter, die gleichzeitig Wissensträger und Innovatoren sind, begrenzt ist. Aufgrund des begrenzten Handlungsspielraums ist die Menge an intern vorhandenem Wissen limitiert und dadurch auch der Lösungsraum beschränkt. Externe Akteure, wie die Kunden, spielen daher keine aktive Rolle in der Produktentwicklung. Folglich erweitert sich der Lösungsraum bei einer Öffnung des Innovationsprozesses (Reichwald und Piller, 2009, S. 147f.).
Open Innovation steht für Innovationsprozesse, die über die Grenzen von Unternehmen hinausgehen, und externe Akteure als Ideengeber oder Innovationsumsetzer mit einbinden. Es beschreibt ein interaktives, verteiltes und offenes Innovationssystem. Somit kontrastiert es mit der klassischen Vorstellung eines geschlossenen Prozesses („closed innovation“), in dem Unternehmen nur eigene Ideen im Innovationsprozess nutzen. Einer der bekanntesten Vertreter der Öffnung der internen Forschung und Entwicklung ist Chesbrough. Laut Chesbrough ist Open Innovation
“a paradigm that assumes that firms can and should use external ideas as well as internal ideas, and internal and external paths to market, as the firm look to advance their technology’
(Chesbrough, 2003, S. xxiv)
Und später konkretisierte er Open Innovation als
„(...) the use of purposive inflows and outflows of knowledge to accelerate internal innovation, and expand the markets for external use of innovation, respectively"
(Chesbrough, Vanhaverbeke und West, 2006, S. 3)
Nach seinem Verständnis sind Netzwerkbeziehungen die Basis für Open Innovation. Nur durch offene Innovationsnetzwerke, in die externe Akteure ihr Wissen einbringen, können Unternehmen ihre Innovationsfähigkeit steigern. Potenzielle Interaktionspartner sind Lieferanten, Start-ups, Forschungslabore, Hochschulen und Kunden (Faber, 2008, S. 32). In einem offenen Innovationsmodell nutzen Unternehmen sowohl interne Ideen als auch externe Innovationen, beispielsweise durch Lizenzierungen. Nach Chesbrough umfasst Open Innovation mehr als die Suche nach Ideen außerhalb des Unternehmens. In seinen Arbeiten macht er deutlich, dass ein Umdenken nötig ist und das Geschäftsmodell angepasst werden muss. Durch die gezielte Nutzung von externen Ideen können Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit erweitern. Aber auch interne Ideen, die im eigenen Markt unbrauchbar sind, werden über Patente oder Ähnlichem kommerzialisiert (Reichwald und Piller, 2009, S. 147).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Closed versus Open Innovation nach Chesbrough,
Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an: Chesbrough, H. (2003), The new imperative for creating and profiting from technology, 1. Auflage, Boston, S.xxii ff.
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