Familie und Identitätsbildung im Jugendalter


Vordiplomarbeit, 2002

18 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhalt:

1.Identität
1.1 Soziologische Dimension der Identität
1.2 Psychologische Dimension der Identität
1.3 Erik H. Eriksons Ich – Identität
1.4 Die Theorie des Selbst bei G. H. Mead
1.5 Patchwork – Identität

2. Identitätsbildung in der Familie
2.1 Jugend als Lebensphase im Wandel der Zeit
2.2 Identitätsbildung als Aufgabe der Erziehung in der Familie

3. Wer übernimmt die Identitätsbildung neben der Familie? Aufgaben und Funktionen und deren Wirklichkeit.
3.1 Schule
3.2 Weitere soziale Netzwerke
3.3 Neue Medien

4. Resümee

5. Literatur

1 Identität

Kann man Identität; als die Möglichkeit eines Individuums auf die Fragen „Wer bin ich?“ oder „Wer bist Du?“ eine klare, verlässliche und widerspruchsfreie Antwort zugeben; definieren?

Lässt dies die Schlussfolgerung zu, dass das mit Identität behaftete Individuum automatisch ein verlässlich funktionierendes Mitglied der Gesellschaft ist?

1.1 Soziologische Dimension der Identität

Die soziologische Dimension der Identität ist gegenüber der psychologischen Dimension der Identität eine Andere. Die Soziologie betrachtet mehr die Geschlossenheit des sozialen Systems, als das System der Persönlichkeit des einzelnen Subjekts. Die Identität des Einzelnen hat seinen bestimmten Platz in der Gesellschaft. Der Soziologe abstrahiert das Individuum von der Gesellschaft.

„Indem der Soziologe Gesellschaftlichkeit und Kultur aus ihrer subjektiven Fraglosigkeit herausführt, schafft er sich jene Distanz zum subjektiven Bewusstsein, aus der heraus er dieses zum sozialen Bewusstsein zu erklären vermag. Zugleich bringen seine Erklärun-gen den Begriff der sozialen Wirklichkeit hervor, entwickeln die Idee zu einer Gestalt, zum System, das von den Subjekten absieht. In dieser Abstraktion objektiviert stellt sich soziale Wirklichkeit im Begriff dem subjektiven Bewusstsein schließlich gegenüber, ..., Subjektives beginnt sich aus Objektiven zu versachlichen.“[1]

Wenn man die subjektive Identität nun aber als von der Gemeinschaft sozialisiert betrachtet, wird sie auch für die Soziologie greifbar. Identität als Ergebnis der Sozialisation des Individuums lässt sich intrigieren in eine soziale Identität der Gesellschaft, wobei in der Soziologie der individuelle Erwerb der Identität gesondert betrachtet wird.

Die soziologische Dimension der individuellen Identität – ein „Mosaiksteinchen“ aus dem „Gesamtkunstwerk“ Gemeinschaft.

1.2 Psychologische Dimension der Identität

Die psychologische Dimension der Identität, kann man auf die Betrachtung der individuellen Identität reduzieren. Es geht in der Psychologie in erster Linie um Betrachtung des Weges der Identitätsbildung und der Betrachtung des Gelingens oder Nicht - Gelingens. Schlagworte wie: Ich – Identität (Erikson), das Selbst (Mead) oder das Über – Ich (Freud) prägen die psychologische Identitätslehre.

„Identität, Selbigkeit. Die Einheit und letzthinnige Unveränderlichkeit eines Selben (Ding, Individuum, Begriff usw.) in seinem Selbstsein.“[2]

Die psychologische Dimension betrachtet, wertet und analysiert das „Mosaiksteinchen“ Identität und restauriert es in der Psychoanalyse, sofern erforderlich.

1.3 Erik H. Eriksons Ich – Identität

Erik Homburger Erikson deutschstämmiger amerikanischer Psychologe 15.06.1902 bis . Schüler von Sigmund Freud immigrierte 1933 in die USA, Professur an mehreren Universitäten, unter anderem an der Harvard University. Seine Hauptwerke im Original:

„Childhood and society „ 1950, „Young man Luther“ 1958, „Insight and responsibility” 1964, “Identity, youth and crisis” 1968 und “Ghandhis truth” 1970.

Das 1973 in Deutschland erschienende Buch „Identität und Lebenszyklus“ (Identity, youth and crisis) setzt sich zum Großteil aus einem Aufsatz für das U.S. Children´s Bureau für eine White House Conference 1950 zusammen und ist eine Überarbeitung des 1971 in Deutschland erschienene Buch „Kindheit und Gesellschaft“ (Childhood and society).

Erikson gilt als Urheber des sozialpsychologischen Identitätsbegriffs, der eine Art Brücke zwischen Soziologie und Psychologie respektive Psychoanalyse schlagen soll.

„Das Studium der Identität wird daher in dieser Zeit zu einer genau strategischen Frage, wie es das Studium der Sexualität zu Freuds Zeiten war.“[3]

Erikson unterteilt den Identitätsbegriff in drei verschiedene Ebenen: die eigenen Erfahrungen, das beobachtbare Verhalten und unbewusste Prozesse. Die Ich – Identität stellt er als das Produkt der während der Kindheit erfahrenen Werte und Normen da. Auf diese gesammelten „Kindheitsidentifikationen“ greift das sich in der Adoleszenz befindende Kind dann zurück und stellt sie in Frage.

„Die Integration, die nun in der Form der Ich – Identität stattfindet, ist mehr als die Summe der Kindheitsidentifikationen. ... , ich habe darzustellen versucht, dass die in der Kindheit gesammelten Ich – Werte in die Ich – Identität münden.“[4]

„Die Ich – Identität entwickelt sich also aus einer gestuften Integration aller Identifikationen; aber auch hier hat das Ganze eine andere Qualität als die Summe der Teile.“[5]

Die Identität als organisierende Tätigkeit des Ich (ego), das Identitätsbewusstsein als Ausdruck einer Krise. Von der persönlichen Identität unterscheidet er die Ich – Identität, die für sein Identitätsverständnis bestimmend ist. Er definiert die Identität:

„Das bewusste Gefühl, eine persönliche Identität zu besitzen, beruht auf zwei Beobachtungen: die unmittelbaren Wahrnehmungen der eigenen Gleichheit und Kontinuität in der Zeit, und der damit verbundenen Wahrnehmung, dass auch andere diese Gleichheit und Kontinuität erkennen. Was wir als Ich – Identität nennen wollen, meint also mehr als die bloße Tatsache des Existierens, vermittelt durch persönliche Identität; es ist die Ich – Qualität dieser Existenz. So ist Ich – Identität unter diesem subjektiven Aspekt das Gewahrwerden der Tatsache, dass in den synthetisierenden Methoden des Ichs eine Gleichheit und Kontinuität herrscht und das diese Methoden wirksam dazu dienen, die eigene Gleichheit und Kontinuität auch in den Augen anderer zu gewährleisten.[6]

Erikson betrachtet die Identitätsbildung nicht als einen Prozess, der in der Adoleszenz (Jugendalter) durch das Stadium einer sichtbaren Identitätskrise; Aufrechterhaltung des Abwehrmechanismus des Ichs gegen die verstärkte Intensität der Triebe; beginnt, sondern sieht Identitätsbildung als einen lebenslangen Prozess. Dieser Prozess beinhaltet auch einen sozialen Aspekt der Identität, dass die persönliche Identität immer auch ein Teil der sie umgebenen kulturellen Identität (Gruppenidentität) ist, respektive in ihr verankert ist.

„..., dass und wie die Gemeinschaft auf das Bedürfnis des jungen Menschen, von seiner Umwelt „erkannt“ zu werden, antwortet, so meinen wir damit mehr als die bloße Annerkennung seiner Leistungen. Denn es ist für die Identitätsbildung des jungen Menschen sehr wesentlich, dass er eine Antwort erhält und dass ihm Funktion und Stand zuerkannt werden als einer Person, deren allmähliches Wachsen und sich Wandeln Sinn hat in deren Augen derer, die Sinn für ihn zu haben beginnen.[7]

Die Identitätsbildung ist bei Erikson die stattfindende Sozialisation durch die umgebenden Netzwerke, kein einseitiger Anpassungsprozeß.

Das es auch vorgegebene Aspekte der Sozialisation gibt, zeigt er an einem Vergleich der Nutzung des Begriffes Identität durch Freud:

„Bei dem Versuch, seine [ Freuds] Bindung an das Judentum zu formulieren, sprach er von der „klaren Bewusstheit innerer Identität“ (1926b), die sich nicht auf Rasse oder Religion stütze, sondern auf eine gemeinsame Bereitschaft, in der Opposition zu leben, und auf die gemeinsame Freiheit von Vorurteilten, die den Gebrauch des Verstandes einschränkten. Hier weist der Begriff „Identität“ also auf das Band hin, das den einzelnen Menschen mit den von seiner einzigartigen Geschichte geprägten Werten seines Volkes verbindet.“[8]

Erikson führt mit dem Begriff der Identität einen ganzheitlichen Persönlichkeitsbegriff ein, der dem in der klassischen Psychoanalyse Strukturmodell von Ich, Es und Über – Ich sehr nahe kommt. Er hebt den Aspekt der Individuation hervor und unterstreicht deren Abhängigkeit von der aktiven Tätigkeit des Ich und dem sozialen – kulturellen Raum in dessen das Ich sich befindet.

1.4 Die Theorie des Selbst bei G. H. Mead

George Herbert Mead amerikanischer Philosoph 27.2.1863 bis 1931. Ab 1893 war er Professor in Chicago. Seine Hauptwerke, teils gesammelte Vorlesungen, wurden alle postum veröffentlicht. Seine wichtigsten Werke im Original: „The philosophy of present“ 1932, „Mind, self and society“ 1934 und “The philosophy of the act” 1938.

Mead hat im Unterschied zu Erikson den Begriff Identität nicht verwendet. Im Zentrum von Meads Theorie der Sozialisation steht das Selbst, das er vor allem unter dem Aspekt des Selbstbewusstseins betrachtet. Mead betrachtet das Selbst im Sinne von Selbstbewusstsein. Mead koppelt die Entwicklung des Selbst an die Sprachentwicklung.

„Sprache als sozialer Prozess ermöglicht es uns, Reaktionen auszuwählen und sie im Organismus des Individuums zurückzuhalten.“[9]

Nach Mead kann man nur über die Sprache, in der man sich selbst und anderen zugänglich ist, den Prozess der Selbstentwicklung vorantreiben. Die Sprache als Werkzeug zur reflexiven Selbst -Auseinandersetzung, Selbsterfahrung. Durch die Sprache ist das Indivi-duum dann in der Lage mit den Anderen zu kommunizieren, den Abgleich des Selbst an der Gesellschaft vorzunehmen. Mead schließt ein funktionierendes Selbst ohne Teilnahme am sozialen Prozess, Sozialisation, aus. Über den Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Kooperation und der Ausbildung des Selbst, der Abhängigkeit von Individuation und Sozialisation, bildet er das Begriffspaar „I“ und „me“.

Das I wird von Mead als das aktive von sich aus handelnde Selbst definiert. Das I ist mit der Fähigkeit ausgestattet, kreativ auf Erwartungen, Situationen zur reagieren und für sozialen Wandel sowie Neugestaltung seiner selbst zu sorgen.

[...]


[1] Krieger, Wolfgang 1985 S.56

[2] Dorsch, Friedrich 1982 S.298

[3] Erikson E.H. 1971 S. 278

[4] Erikson E.H. 1973 S. 107

[5] Erikson E.H. 1973 S. 108

[6] Erikson E.H. 1973 S. 18

[7] Erikson E.H. 1973 S. 138

[8] Erikson E.H. 1973 S. 124

[9] Mead, G.H. 1972 S. 137

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Familie und Identitätsbildung im Jugendalter
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg  (Soziologie)
Note
1,5
Autor
Jahr
2002
Seiten
18
Katalognummer
V31632
ISBN (eBook)
9783638325677
ISBN (Buch)
9783638772129
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Arbeit wurde mit 1 und 2 bewertet
Schlagworte
Familie, Identitätsbildung, Jugendalter
Arbeit zitieren
Diplom Sozialwissenschaftler Thomas Kruthaup (Autor:in), 2002, Familie und Identitätsbildung im Jugendalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31632

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