Bachelorarbeit, 2016
45 Seiten, Note: 2,7
1. Einleitung
2. Theorieteil
2.1. Grundlagen des Fachsprachenbegriffs
2.1.1. Ganzheitliche Betrachtung von Fachsprache bzw. Fachtexten
2.1.2 Eingrenzung des Fachsprachenbegriffs
2.1.3. Fachsprache und Gemeinsprache
2.1.4. Fachsprache als Varietät der Gesamtsprache
2.2. Klassifizierung von Fachsprachen
2.2.1. Horizontale Schichtung der Fachsprachen
2.2.2 Vertikale Schichtung von Fachsprachen
2.3. Historischer Überblick von Sportsprache
2.4. Eingrenzung des Sportsprachenbegriffs
2.4.1. Definition des Begriffs „Sport“
2.4.2. Definition von „Sportsprache“
2.4.3. Sportsprache als Sondersprache?
2.4.4. Zusammenfassung
3. Methode
4. Empirischer Teil
4.1. Der Sport und die Linguistik
4.2. Sprachwandel und Sprachkontakte
4.3. Lexikalische Beeinflussungen der deutschen Sportsprache
4.4. Entlehnungen in der deutschen Tennissprache
4.4.1. Historischer Hintergrund
4.4.2. Untersuchung zum Sprachgebrauch von Tennisspielern
4.4.2.1. Äußeres Lehngut
4.4.2.2. Inneres Lehngut
4.4.2.2.1. Lehnbedeutung
4.4.2.2.2. Lehnübersetzung
4.4.2.2.3. Lehnübertragung
4.4.2.2.4. Lehnwendung
4.4.3. Ergebnisse
5. Schluss
5.1. Zusammenfassung
5.2. Ausblick
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Das Stadium aller Wissenschaften beginnt mit der Terminologie![1]
Sport als dominierendes Phänomen unserer Alltags- und Freizeitkultur ist über alle sozialen Schichten und Altersstufen hinweg in der Gesellschaft verankert. Es ist ein Marktsegment, der vor allem von Fußball, Tennis und Handball stark beherrscht wird. Diese Sportarten sind in der Spitze marktwirtschaftlich organisierte Branchen, die in den modernen Massenmedien sprachlich und bildlich inszeniert werden[2]. „Der Sport ist etwas von Menschen künstlich Geschaffenes“[3], wobei sich die Sportwelt in verschiedene Disziplinen gliedert. Diese muss man einzeln betrachten, da jede für sich durch Regeln und Definitionen konstituiert ist und die ohne diese keinen Bestand hätte. Was in einer Sportart als Tor, Treffer, Punkt, Fehler, Foul oder überhaupt als relevante Handlung zählt und zu Sieg oder Niederlage beträgt, ist außerhalb der jeweiligen Sportart ein relativ gleichgültiges Ereignis[4]. Die Mediensprache des Sports ist allgegenwärtig und beeinflusst den Bereich der Lexik in der allgemeinen sprachlichen Entwicklungen. In der Berichterstattung spielt die jeweilige Fachsprache eine große Rolle: Tiebreak (Tennis), Tsukahara (Turnen), Catenaccio (Fußball), Rochade (Schach), Ippon (Judo), Todesspirale (Eiskunstlauf) sind Fachbegriffe, mit denen eine systematische Sicht auf die jeweiligen Fachinhalte verbunden ist[5]. Neben der Berichterstattung sind auch die Kommunikationsebenen zwischen Fans, Sportlaien, Sportlern und Fachleuten wichtige Einflussfaktoren für die Alltagssprache. Die Beschäftigung mit diesem Thema ist deswegen nicht nur für eine kleine Gruppe der Bevölkerung, sondern für die gesamte Gesellschaft von Bedeutung.
Laut der Dudenredaktion und dem damit veröffentlichten Thema Deutsch Band 10 zum Thema „Der Sport und seine Sprache“ von 2009 seien Fachtermini in der Regel klar definiert, wohingegen Wörter aus dem „Sportjargon“ eher salopp und umgangssprachlich seien. Ein Fußball heiße auf dem Bolzplatz auch Pille, Nille, Kirsche, Plaume, Pocke, der Eishockeypuck bekommt auch mal den Namen Scheibe und der edle Springer Gaul (im Reitsport und im Schach). Jmdn. nass machen für ‚schneller als ein Konkurrent schwimmen‘ hat sich als umgangssprachliche Wendung im Sinne von ‚jmdn. besiegen‘ etabliert. Die Grenzen zwischen Jargonismen und umgangssprachlichen Wörtern und Wendungen seien demnach fließend.
Da die Welt des Sports einen eigenen Benennungsraum darstellt, der durch Sprache konstituiert wird und daher einen reichen Schatz an fachsprachlicher und jargonaler Lexik hervorbringt, der stetig ausgebaut wird und schon Spezialwörterbücher füllt (die deutsche Turnsprache[6], Wortschatz und Regeln des Sports[7], Terminologie der Leibeserziehung[8]), hat es zu fast allen Zeiten der Geschichte des modernen Sports vereinzelte Studien gegeben, die sich mit dessen Sprache beschäftigten[9]. Die Blütezeit dieses Teils der Sprachwissenschaft l in den 70er- und 80er-Jahren. Seitdem beschäftigen sich nur noch vereinzelt Arbeiten mit der Sportsprache[10]. Jedoch zeigt sich die Tendenz zu einer immer zunehmenden Übernahme von Begriffen des Sports in alle möglichen Alltagssparten des menschlichen Lebens. Sportsprache scheint längst universal zu sein und durch das Prinzip Wettkampf allgegenwärtig. Vor allem im Bereich Politik undArbeitswelt.
Bevor man sich nun der Sportsprache widmet, muss man die Sprache universell betrachten und sich vergegenwärtigen, dass die Sprache in jedem Bereich dem historischen Wandel unterworfen ist und somit bestimmte Sprachphänomene von heute auf morgen auftauchen und auch wieder verschwinden können. Man muss zwischen sprachwissenschaftlichen, psychologischen, sportwissenschaftlichen und journalismusorientierten Zugängen unterscheiden[11] und das Thema der Arbeit eingrenzen.
Zunächst sollen vorweg die Begriffe Fachsprache und Sondersprache sowie Sportsprache, die in dieser Arbeit gebraucht werden, definiert werden, um einen einheitlichen Blick auf das Thema zu gewährleisten. Im ersten Kapitel werden die Grundlagen des Fachsprachenbegriffs geklärt und der Begriff Fachsprache eingegrenzt, indem sich der Verfasser dank Hoffmanns Fachsprachentheorie der horizontalen und vertikalen Schichtung von Fachsprache widmet und demnach eine Abgrenzung zur Gesamtsprache vornimmt.
Weiter soll ein kurzer historischer journalistischer Einblick in die Sportsprache gegeben werden, bevor der Verfasseranhand dieser bis hierhin erarbeiteten Ergebnisse die Sportsprache in einem empirischen Teil genauer untersucht. Es wird anhand von Entlehnungen in der deutschen Tennissprache ein Bezug zur Sportsprache im Tennissport hergestellt. Es wird herausgestellt wieso gerade Tennis im Vergleich zum Fußball eine Sonderstellung in der Sportsprache einnimmt und welche Rolle dabei vor allem Lehnwörter spielen. Abschließend soll die Bedeutung der Fachsprachenforschung im Bereich der Sportsprache nochmal in einem zusammenfassenden Fazit und Ausblick dargestellt werden.
In diesem Teil der Arbeit soll der theoretische Hintergrund des Fachsprachenbegriffs erläutert und klassifiziert werden, um auf dieser Grundlage die Möglichkeiten und Methoden des Anwendungsbereichs zu erklären. Die Diskussion und Bewertung der Untersuchungen soll die Bedeutung der Sportsprache näher darstellen, um danach speziell auf sportartspezifische Terminologie einzugehen.
Nach Klaus-Dieter Baumann entwickeln sich in einem bestimmten System von gesellschaftlichen Verhältnissen typische, durch soziale Verhaltensnormen gekennzeichnete Kommunikationsbeziehungen und Formen der Informationsübermittlung. Ihnen würden häufig relativ umfangreiche Texte entsprechen mit einem hohen Maß an inhaltlicher Standardisierung, welche die kommunikativen Prozesse in den gesellschaftlichen Bereichen begleiten. Diejenigen Elemente der verschiedenen sprachlichen Ebenen, die eine Verständigung zwischen Menschen mit einem unterschiedlichen oder gleichen Wissensniveau aus einem bzw. mehreren abgrenzbaren Kommunikationsbereiche(en) ermöglichen, würden das komplexe Phänomen der Fachsprachen bilden. Dabei liege einer jeden Fachsprache in Abhängigkeit vom Entwicklungsstand der sie determinierenden Einzelwissenschaft ein mehr oder weniger vollständiges Begriffssystem zugrunde, das von einem entsprechenden terminologischen System zum Ausdruck gebracht wird. Das Ausmaß der fachlichen Spezialisierung würde sich in der Differenziertheit des fachspezifischen Wortschatzes widerspiegeln und beschreibe präzise die theoretischen Elemente und praktischen Prozesse des Berufes, Faches bzw. der Wissenschaft[12].
In den sechziger Jahren wurde bei der Erforschung der Fachsprachen im nationalen und internationalen Rahmen immer deutlicher, dass der Fachwortschatz nicht isoliert untersucht werden sollte, sondern als Teil eines funktionalen Ganzen betrachtet werden müsste (Eis, 1962; Möhn, 1983; 315-348). Dabei wurden die Charakteristika von Fachsprachen nicht länger auf lexikalische Merkmale reduziert[13]. Somit existiere Fachsprache nicht als selbstständige Erscheinungsform der Sprache, sondern wird in Fachtexten aktualisiert. Im Mittelpunkt bei fachsprachlich orientierten Untersuchungen stehen Texte, deren Funktion es ist, als Ensembles verschiedener morphologischer, semantischer und syntaktischer Konstituenten bzw. textorganisierender Prinzipien die Fachkommunikation möglichst umfassend zu gewährleisten[14].
Bis hierhin wird deutlich, dass sich Fachsprache durch einen Fachwortschatz auszeichnet und für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe mit gleichem Wissensniveau (z.B. Mediziner, Organausdrücke; Techniker, Computerfachausdrücke) zur Verfügung stehen soll, um eine verständigende Kommunikation und Aufnahme zu ermöglichen. Hierbei hängt das Ausmaß der fachlichen Spezialisierung von der Differenziertheit des fachspezifischen Wortschatzes ab, wobei man Fachsprachen nicht nur auf die Terminologie begrenzen kann.
„Sprachen sind lebendig – organische Strukturen und einem ständigen Wandel unterworfen“[15], weshalb es ein häufig hoffnungsloses Unterfangen ist, eine hundertprozentig zutreffende Definition sprachwissenschaftlicher Termini zu geben, die alle Eventualitäten abdeckt. Deshalb ist es nicht ungewöhnlich, dass es viele Definitionen des Fachsprachenbegriffs gibt, die zwar relativ deckungsgleich sind, aber unterschiedliche Schwerpunkte haben[16]. Anfänglich wurden Fachsprachen noch als synonym mit ihrer lexikalischen Ebene angesehen, da sie sich insbesondere durch ihren spezifischen Fachwortschatz von der Gemeinsprache abheben[17].
Eine Fachsprache besteht jedoch aus mehr als nur einem spezifischen Wortschatz (s. weiter oben). Es gibt eine charakteristische Syntax, innersprachliche, außersprachliche und funktionale Merkmalskomplexe, die gemeinsam die sogenannte Qualität der ‚Fachlichkeit‘ konstituieren. Für Klaus-Dieter Baumann (1992) stellt dieses dynamische System von Determinationszusammenhängen eine „komplexe Vergleichsgröße“ dar, „die im Prozeß [sic!] der Kommunikation verschiedenen Veränderungen unterliegt“[18]. Nach Baumann, Dörr & Klammer (2014) lassen sich folgende Hauptmerkmal von Fachsprachen nennen (Zusammenfassung aus Definitionen von Schmidt, 1968, S. 17; Beneš, 1971, S. 126; Drozd/Seibicke, 1973; 81; Gläser, 1979, S. 15f.; Möhn/Pelka, 1984, S.26 und Hoffmann, 1987, S. 52):
- Fachsprachen sind in einem historischen Prozess aus einer gesellschaftlichen Notwendigkeit heraus entstanden.
- Fachsprachen sind ein System hauptsächlich, jedoch nicht ausschließlich sprachlicher Mittel
- Fachsprachen sind funktional ausgelegt, um die Kommunikation innerhalb einer bestimmten Gruppe bzw. eines spezifischen Ausschnitts der Wirklichkeit (eines Fachs) zu ermöglichen.
- Fachsprachen sind Subsysteme der Gesamtsprache.
- Fachsprachen enthalten gemeinsprachliche Elemente, ermöglichen jedoch in bestimmtem Umfang eine präzisere Kommunikation.
Hoffmanns (1999) Fachsprachenbegriff hat diese Merkmale zusammengefasst und in einer in der Linguistik weithin anerkannten Definition formuliert[19]:
„Fachsprache – das ist die Gesamtheit allersprachlichen Mittel, die in einem fachlich begrenzbaren Kommunikationsbereich verwendet werden, um die Verständigung zwischen den in diesem Bereich tätigen Menschen zu gewährleisten.“ Hartwig Kalverkämpfer (1999) sieht noch einen weiteren Differenzierungsbedarf und unterscheidet vier verschiedene Facetten von Fachsprachen im Sinne L. Hoffmanns[20]:
1. „Fachsprache“ als Bezeichnung eines separaten einzelsprachlichen Subsystems (Bsp.: die deutsche Fachsprache der Chemie)
2. „Fachsprachen“ als Bezeichnung der Gesamtheit einzelsprachlicher Fachsprachen (Bsp.: die Fachsprachen im Deutschen)
3. „Fachsprachen“ als Bezeichnung der Gesamtheit übereinzelsprachlicher Fachsprachen (Bsp.: die Fachsprachen des Englischen, Deutschen, …)
4. „Fachsprache“ als übereinzelsprachliche Bezeichnung „des Fachsprachlichen“ als Textqualität (Bsp.: die Fachsprache in Abgrenzung zum Gemeinsprachlichen)
Hiermit sollte ein Einblick in die Fachsprache gegeben werden, insbesondere in die fach(sprach)lichen Qualitäten bestimmter Varietäten der Gesamtsprache.
Der Fachsprachenbegriff wird meist als Antonym zum Gemeinsprachenbegriff gesehen, obwohl man sagen muss, dass keine Fachsprache nicht aus der Gemeinsprache entstanden ist. Fach- und Gemeinsprache befinden sich in kontinuierlichem Austausch und bereichern sich gegenseitig[21]. Einige fachsprachliche Ausdrücke sind demnach fest in die Gemeinsprache eingebunden, wodurch ihre Fachsprachlichkeit kaum wahrgenommen wird. Für Claudia Fraas (1999) lässt sich in diesem Zusammenhang eine „Entterminologisierung“ der Fachlexik erkennen, die aus ihrem fachlichen Kontext herausgelöst, erweitert und in gemeinsprachliche Kontexte eingeführt wird, in denen sie von Laien verstanden und angewendet werden kann[22]. Das passiert insbesondere in Bereichen, in denen das Fach bzw. der Fachgegenstand für die breite Öffentlichkeit von Interesse, Alltäglichkeit oder Relevanz ist[23] über Kanäle der Massenmedien und der Konsumtion[24]. Es zeigt sich auch eine zunehmende Fachsprachlichkeit in der alltagssprachlichen Syntax. Dieter Möhn und Roland Pelka (1983) vermuten, dass hinter den zunehmenden fachsprachlich-syntaktischen Merkmalen wie Nominalisierung, erweiterte Attribuierung und Deagentivierung die hohe Präsenz wissenschaftlicher und institutioneller Fachsprachen steht[25].
Nach Heinz L. Kretzenbacher (1999) bietet die Gemeinsprache durch ihre Vagheit einen heuristischen Mehrwert für die wissenschaftliche Theoriebildung[26]. In den Fachsprachen geschieht die Begriffsbildung durch Entlehnung, Lehnübersetzung, Metaphorisierung, Metonymie[27], definitorische Festlegung oder in seltenen Fällen auch völlige Wörterneubildungen. Die Verwendung gemeinsprachlicher Ausdrücke zur Begriffsbildung erleichtert in den Wissenschaften die Bezeichnung abstrakter Konzepte, Modelle und Beziehungen. Es wird deutlich, dass Fach- und Gemeinsprache in einem dynamischen Wechselverhältnis stehen und keine Antonyme sind. Nach Wimmer (1982) lassen sich jedoch bestimmte Merkmalskomplexe erkennen, die eine Gegenüberstellung von Fach- und Gemeinsprache erlauben[28]:
1. Präzision vs. Vagheit
2. Eindeutigkeit vs. Bezeichnungsvielfalt
3. Ökonomie vs. Redundanz
4. Situationsinvarianz vs. Situationsvielfalt
5. Fach- du Sachbezogenheit/Deskription vs. Themenvielfalt/Wertung
6. Theoretisches Niveau vs. Alltäglichkeit
Weiter definiert L. Hoffmann die Gemeinsprache als „jenes Instrumentarium an sprachlichen Mitteln, über das alle Angehörigen einer Sprachgemeinschaft verfügen und das deshalb die sprachliche Verständigung zwischen ihnen möglich macht“[29]. Für ihn besteht allerdings die Problematik darin, dass es unmöglich ist, „den Umfang der gemeinsprachlichen Lexik genau zu fixieren, ein vollständiges Verzeichnis davon aufzustellen oder bei jedem Wort zu sagen, ob es dazugehört oder nicht“[30]. Für ihn ist der Begriff ‚Gesamtsprache“ angebrachter. Dieser Begriff umfasst alle theoretischen Ausprägungen einer Einzelsprache, die jedoch in ihrer Gesamtheit praktisch von keinem Individuum verwendet und von keinem noch so umfangreichen Wörterbuch beschrieben wird. Dieses linguistische Universum lässt sich vielmehr in unzählige Subsysteme (Varietäten) aufteilen[31].
‚Varietät‘ wird laut des Lexikon der Sprachwissenschaft wie folgt definiert:
Spezifische Ausprägung eines sprachlichen Verhaltens in einem mehrdimensionalen (regional, sozial, situativ, historisch differenzierten) „Varietätenraum“; betroffen sind jeweils unterschiedliche bzw. unterschiedlich viele sprachliche Merkmale einer bzw. mehrerer linguistischer Ebenen (Phonetik, Phonologie, Morphologie, Syntax, Lexik, Semantik, Pragmatik). Die einzelnen außersprachlichen Variationsparameter (Region, Gruppe/Schicht, Situation, historische Dimension) sind dabei varietätendefinierend. Für die jeweiligen Ausformungen haben sich Bezeichnungen mit dem Grundwort à Lekt eingebürgert[32].
Verglichen mit L. Hoffmanns Definitionsbegriff würden Fachsprachen demnach vor allem soziale und situative Parameter aufweisen, da sie primär von einer bestimmten sozialen Gruppe (Fachleuten) in einem bestimmten situativen Umfeld (Fachbereich) verwendet werden. Fachsprachen sollen als ein Hauptzweck die Verständigung seiner Angehörigen in einem abgrenzenden Fachbereich gewährleisten und sind demnach funktionaler Natur, weshalb der Begriff ‚Funktiolekte‘ zutreffend erscheint[33]. Da dieser Funktiolekt nur auf eine bestimmte Gruppe beschränkt ist, kann man auch von Gruppensprache bzw. ‚Soziolekt‘ sprechen. Jedoch mahnt Rosemarie Gläser (1979):
„Wir können die Frage, ob Soziolekt und Fachsprach identisch sind, nicht pauschal mit „ja“ beantworten. Sofern man den Soziolekt auf den berufsspezifischen Sprachgebrauch einer durch die gesellschaftliche Produktion gebildeten Kommunikationsgemeinschaft einschränkt, ist er mit Fachsprache gleichzusetzen. Sofern man ihn auf andere Geltungsbereiche wie Altersgruppen und andere langzeitliche Gemeinschaften, die sich einer Sondersprache bedienen, ausweitet, ist er nicht mit Fachsprache identisch“[34].
Walter von Hahn (1980) beschreibt hingegen drei verschieden gängige Klassifizierungen[35] ohne dabei die Fachsprache als
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Hier sieht man, dass nach Hahn die Fachsprachen für sich stehen oder entweder als Fach- oder Sondersprache zu kennzeichnen sind.
Die Definition von Hoffmann wird umso verständlicher, wenn die „horizontale Gliederung“ und „vertikale Gliederung“ der Fachsprachen, als Charakteristika hinzukommen[36].
Die „horizontale Gliederung“ stelle nach Hoffmann die Breite der Fachsprachen dar und entspreche der Breite der Fächer. Dabei würden verschiedene Ansätzeexistieren, die sich in Umfang, Differenziertheit und Praxistauglichkeit stark unterscheiden. Fachsprachen analog zu den Fachgebieten nach einer inhalts- und schwerpunktorientierten Klassifikation wie dem Dewey Decimal System o.Ä. einzuordnen, scheine dabei zunächst am einfachsten, aber es gibt noch weitere Schemata, deren Taxonomie sich nach anderen Kriterien richte.
Roelcke (2010) ordnet Fachsprachen anhand ihres Praxisbezugs den zwei entgegengesetzten Polen Theoriesprache und Praxissprache zu[37]. Andere Ansichten sehen eine Dreiteilung für angemessen, die zwischen den Fachsprachen von Wissenschaft, Technik und Institutionen unterscheidet[38]. Nach D. Möhns und R. Pelkas (1984) Fächerklassifizierung lassen sich Fachsprachen außerdem in die „Berufssektoren“ ‚Urproduktion‘ ‚Fertigung‘ und ‚Dienstleistung‘ gliedern[39]. Hier lässt sich eine hohe Kongruenz von Fachsprachen und Berufssprachen feststellen.
Nach Hoffmann sei eine horizontale Gliederung von Fachsprachen an sprachliche „Verwandtschaftsgrade“ der einzelnen Fachsprachen gebunden. Er beginnt mit den Geisteswissenschaften, geht über zu den Technikwissenschaften und endet mit den Naturwissenschaften, wobei er keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt[40]. Auf diese Art werden die reziproken Beziehungen von einer Fachsprache auf eine „benachbarte“ besonders deutlich, aber das heißt nicht, dass benachbarte Fachbereiche a priori große sprachliche Gemeinsamkeiten aufweisen[41].
Die „vertikale Schichtung“ beziehe sich auf eine genauere Beschreibung der einzelnen Fachsprachen und ihrer Varietäten[42]. Hoffmann teilt Fachsprachen in bestimmte Schichten (von A bis E) auf, wobei die Schichten nach folgenden Kriterien differenziert werden:
[...]
[1] Tscherne, Friedrich, 1964, S.9.
[2] Vgl. Burkhardt & Schlobinski, 2009, S.7
[3] Ebd., S. 9
[4] Vgl. Ebd., S. 9
[5] Vgl. Ebd., S. 8
[6] Z.B. Zeidler, 1942 oder Bertram, 1952
[7] Z.B. Wehlen, 1972
[8] Z.B. Tscherne, 1964 oder Bernett, 1968
[9] Vgl. Burkhardt & Schlobinski, 2009, S. 9
[10] Vgl. Ebd., S. 9f
[11] Nach Born & Gloning, 2015
[12] Vgl. Hoffmann, 1987, S. 10
[13] Vgl. Ebd.
[14] Vgl.Ebd.
[15] Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 28
[16] Vgl. Ebd.
[17] So etwa Schirmer, 1981, S. 37. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 28
[18] Baumann, 1992, S.33; 1994, S. 66. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 28
[19] Hoffmann, 1999, S. 33. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 29
[20] Kalverkämpfer, 1999, S. 33. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 29
[21] Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 30
[22] Frass, 1999, S. 437. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 30.
[23] Möhn/Pelka, 1983, S. 142f. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 30
[24] Fluck, 1996, S. 161f., Fraas, 1999, S. 437. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 30
[25] Möhn/Pelka, 1984, S. 146. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 30f
[26] Kretzenbacher, 1999, 135. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 31
[27] Etwa die Benennung physikalischer Maßeinheiten nach Personen (Pascal, Volt…)
[28] Vgl. Wimmer, 1982, S. 17. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 31
[29] Hoffmann, 1987, S. 48. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 31
[30] Hoffmann, 1999, S. 162. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 31f
[31] Fluck, 1996, S. 11; Hoffmann, 1999, S. 162. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 32
[32] Bußmann/Gerstner-Link/Lauffer, 2008, S. 772. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 32
[33] Baumann, 1994, S. 96. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 33
[34] Gläser, 1979, S. 17. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 33
[35] Hahn, 1980, S. 395. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 33
[36] Vgl. Hoffmann, 1976, S.185ff. Zitiert aus Skiba, 1998, S. 18
[37] Roelecke, 2010, S. 31. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 35
[38] Steger, 1988. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 35
[39] Kalverkämpfer, 1999, S. 10. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 35
[40] Hoffmann, 1987, S. 58ff. Zitiert aus Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 35
[41] Vgl. Baumann, Dörr & Klammer, 2014, S. 35
[42] Hoffmann, 1976, S. 185f. Zitiert aus Skiba, 1998, S. 18
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