Case Management im Krankenhaus


Ausarbeitung, 2003

28 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Case Management
1.1 Einleitung
1.2 Definition
1.3 Geschichte
1.4 Case Management in amerikanischen Krankenhäusern

2 Situation in Deutschland
2.1 Netzwerkgedanke in der Sozialarbeit
2.2 Situation im Krankenhaus
2.2.1 Konsequenzen der DRG's in der Krankenhausfinanzierung

3 Case Management als Organisationsverfahren
3.1 Verschiedene Case Management Modelle
3.2 Ziele des Case Managements
3.3 Weitere Aufgaben des Case Managements
3.4 Case Management unter dem Blickwinkel der Imagepflege
3.5 Persönliche Voraussetzung eines Case Managers und Fragen der Besetzung

4 Schlußbetrachtung

Grafische Darstellung

Anlage

Glossar

Literaturverzeichnis

1 Case-Management

1.1 Einleitung

Seit der Einführung des Gesundheitsstrukturgesetzes werden in der Gesellschaft verschiedene Wege und Möglichkeiten diskutiert, wie das gesamte Gesundheitswesen in Deutschland effizient gemacht werden kann. Unter Effizienz verstehen dabei die Verantwortlichen auf Seiten der Politik, Krankenversicherungen, Bürgern, Unternehmen und Betreibern bzw. Trägern von Krankenhäusern einerseits Qualitätsverbesserungen in der Patientenversorgung, die andererseits Kostenreduzierung ermöglichen. Dies scheint zunächst ein Widerspruch zu sein. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf (staatlich verordnetem) Wettbewerb der Institutionen untereinander, aber auch innerhalb der Institutionen, Beide Aspekte haben den Begriff "Gesundheitsmarkt" hervorgebracht hat, da das Gesundheits-wesen in zunehmendem Umfang Markt- Merkmale im Sinne von Angebot und Nachfrage aufweist. Dem entsprechend befindet sich auch die Terminologie im Wandel.

Der Wettbewerb soll gewährleistet werden durch Transparenz der Aufbau[1] - und Ablauforganisation[2] der unterschiedlichen Einrichtungen als Voraussetzung für Vergleichbarkeit: Organisationen werden systematisch überprüft und nach sinnvollen, das heißt dem Anspruch der Effizienz fördernden Veränderungsmöglichkeiten untersucht.

Case Management greift zudem den Aspekt der "Fallführung" auf. Als "Fall" versteht es den Patienten/Klienten, der individuell durch den Prozeß des Krankenhausaufenthaltes geführt wird: von der
Aufnahme über die Behandlung bis zur Entlassung. Case-Management ist eine Methode, die Wirtschaftlichkeit, Fallführung sowie Qualitätsverbesserung der Versorgung in Einklang zu bringen sucht.

1.2 Definition

In der Literatur findet sich keine einheitliche Definition von Case-Management. Neben einer Vielzahl anderer trifft nachfolgende Definition von Allen Rubin aus dem Jahre 1987, aus Sicht der Patienten, wohl am ehesten die Kernforderungen:

"Case-Management ist ein Ansatz der Erbringung von Dienstleistungen, der für Klienten mit komplexen und vielfältigen Problemen und Behinderungen sicherzustellen sucht, daß sie rechtzeitig und in angemessener Form die Leistungen erhalten, die sie benötigen. Es handelt sich um einen bereichsübergreifenden Ansatz, der nicht einen spezifischen direkten Dienst bietet, sondern Case Manager einsetzt, die den Klienten an das unübersichtliche Angebot der Erbringer direkter Leistungen heranführen. Von diesen Case Managern wird erwartet, daß sie die letzte Verantwortung dafür übernehmen, daß das System der Leistungserbringung den Erfordernissen bei jedem einzelnen Klienten nachkommt (...)."[3]

Ein entsprechendes Pendant, das tendenziell die Sichtweise und Interessen der Organisation widerspiegelt, findet sich bei der "Case Management Society of America" (CMSA)[4], die 1995 folgende Formulierung (nach deutscher Übersetzung) gebilligt hat:[5]

"Case Management ist ein Prozeß der Zusammenarbeit, in dem eingeschätzt, geplant, umgesetzt, koordiniert und überwacht wird und Optionen und Dienstleistungen evaluiert werden, um dem gesundheitlichen Bedarf eines Individuums mittels Kommunikation und mit den verfügbaren Ressourcen auf qualitätvolle und kostenwirksame Ergebnisse hin nachzukommen"[6].

Die unterschiedlichen Perspektiven, aber auch die unterschiedlichen Entwicklungen in verschiedenen Ländern mit jeweils eigenen Sozialgesetzgebungen und Sozialsystemen, sowie die Tatsache, daß sich Case Management noch immer weiterentwickelt, bedingen, daß bis heute für Case Management noch keine eindeutige Definition gefunden wurde. Es ist wohl eher eine Grundhaltung, dessen Wesenskern so schlicht und unspezifisch ist, daß er den unterschiedlichen Ausformungen ausreichend Raum bietet: Michael Ewers schreibt dazu in seinem Buch:

"Kurz gefaßt besteht das Proprium (Wesenskern)[7] des anglo - amerikanischen Case Management darin, daß es in Anlehnung an die Zielvorstellung einer kontinuierlichen und integrierten Versorgung (continuum of care) der zeitlichen und räumlichen Dimensionen des Versorgungsgeschehens überbrückt und insofern auf zentrale Herausforderungen in komplexen und hochgradig arbeitsteiligen Sozial- und Gesundheitssystemen reagiert (Rothman 1991, Bower 1995)"[8]

1.3 Geschichte

Die Entwicklung des Case Managements nimmt seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts ihren Lauf und ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Case Management hat seinen Ursprung in den USA, und ist Folge einer umfangreichen "Deinstutionalisierung" in der Behandlung psychisch Kranker mit chronischem Verlauf. Es setzte sich einerseits die Erkenntnis durch, daß es menschlich unwürdig ist, die Patienten in Anstalten festzuhalten. Andererseits stellte man fest, daß die Versorgung in kommunal finanzierten Einrichtungen zu teuer war, und überdies die Patienten immer lebensuntüchtiger wurden. Man entließ die Patienten und mußte schließlich ein "externes Versorgungsnetz" aufbauen, das für die Betroffenen individuelle Hilfe bot. 1977 legte das National Institute of Mental Health (NIMH) ein Community Support Program auf, das die Bereitstellung eines Koordinators in den betreffenden Gemeinden vorsah. Seine Aufgabe bestand darin, sowohl steten Kontakt zu dem Klienten zu halten, als auch die für ihn nötigen (Versorgungs-) Dienste zu koordinieren. Seine Bedeutung war dadurch immens, weil er persönlich für die Koordination und den Erfolg verantwortlich war.

In Großbritannien nahm die Entwicklung des Case Management einen etwas anderen Verlauf. Es war im Gegensatz zu Amerika von Staats wegen im ganzen Land aufgebaut. Es wurde hier Care Management genannt, da die Versorgungsleistung und nicht die Person, welche Versorgung beansprucht, als "Fall" empfunden wird. Es umfaßte ebenfalls das Ziel, hilfsbedürftigen Personen eine möglichst selbstbestimmte Lebensweise anzubieten, allerdings sollte es sich, umfassender als in den USA, für Personen mit "Problemen des Alters, einer psychischen Erkrankung, mit geistiger oder körperlicher Behinderung oder einer Sinnesbehinderung" erstrecken. Auch hier standen unter anderem monetäre[9] Kriterien dafür ein, daß ambulante, deinstitutionalisierte Versorgungssysteme aufgebaut wurden. Staatlich beauftragte Sozialarbeiter bekamen ein Budget für
jeden einzelnen Klienten, das zwei Drittel der Kosten betrug, die für die Unterbringung in Heimen und Anstalten hätten aufgewendet werden müssen. Dieses Budget mußte ausreichen, das genannte Klientel außerhalb von Heimen oder Anstalten zu versorgen.

Im britischen Comunity Care war eine strenge Trennung zwischen "Leistungskäufern" und "Leistungserbringern". Kommunale Stellen der sozialen Versorgung waren die Käufer, welche jeweils nach eingehender Entscheidung des "Falls" Verträge mit den Leistungserbringern abschlossen. Hier hat der Care Manager eine beratende Funktion. Er hält den Kontakt zwischen Klient, Leistungseinkäufer und Leistungsanbieter und versucht optimale Leistung für den Klienten bereitzustellen.

Dieses System wurde später, mit Abwandlungen, auf andere europäische, vornehmlich skandinavische Länder projeziert. Ansatzweise findet sich das System in Deutschland wieder, welches hier seinen Ausdruck im Pflegeversicherungsgesetz von 1994 hat.

Retrospektiv hat sich in Großbritannien herausgestellt, daß das Community Care kaum Verbesserung in der Betreuung Hilfsbedürftiger gebracht hat, weil am Personal gespart wurde; schon allein für die Feststellung des Bedarfs.[10]

1.4 Case Management in amerikanischen Krankenhäusern

Case Management entwickelte sich zunächst, wie beschrieben, hauptsächlich in den Sozialen Diensten und Sozialstationen. Wegen der in den USA üblichen Krankenhaus- Organisationsform des Belegarztsystems ohne fachspezifische Abteilungen, war es gerade die (Disziplin übergreifende) professionelle Krankenpflege, welche das System des Case Management im Zuge zunehmenden Wettbewerbs im Gesundheitsmarkt, für sich entdeckte. Die im Gegensatz zu den Ärzten dauernde Anwesenheit des Pflegepersonals sowie die Präsenz in allen Bereichen, prädestinierte[11] es, die Organisation betreffende Merkmale und Faktoren zu erkennen und Lösungen von, bzw. Änderungen der Struktur- und Prozeßorganisation zu implementieren. Zunächst beschränkte sich seine Anwendung als "internes Case Management" auf den stationären Bereich, von der Patientenaufnahme über die Behandlung bis hin zur Entlassung. Als konsequente Weiterführung kam dann das "externe Case Management" dazu, welches die Überleitungspflege und die Nachsorge beinhaltet. Die Hauptaufgabe des Case Managements ist demnach, Prozesse zu steuern und Strukturen bei Bedarf einem Wandel zu unterziehen. Damit die Forderungen des Case Managements sich nicht nur nach den Bedürfnissen der Organisation richteten, mußten die Betroffenen stets in die sie selbst betreffenden Prozesse eingebunden werden.[12]

Da die Initiative, Case Management auch im Krankenhaus zu nutzen, vom Pflegepersonal ausging, welches selbstbewußt genug war, sich dafür auch zuständig zu fühlen und Verantwortung zu übernehmen, wurde 1985 der Begriff "Nursing Case Management" (NCM) von ihm geprägt. Diese Methode wurde damals zunächst von zwei Krankenhäusern eingesetzt und weiterentwickelt: im "New England Medical Hospital" (Nemch) in Boston, Massachussets, sowie im "Carondelet Saint Mary's Hospital" in Tucson, Arizona.[13] Inzwischen ist Case Management eine weitverbreitete Organisationsform in Krankenhäusern der USA. Seine Aufgabe ist die Versorgung des Patienten durch Koordination aller Pflegekräfte und des übrigen medizinischen Personals vor dem Hintergrund optimaler Mittelnutzung und der Freisetzung von Ressourcen. Es trägt Verantwortung für einen erfolgreichen Behandlungsverlauf.[14] Hierzu knüpft es "persönliche Netzwerke", um jenen Erfolg bei den Patienten zu erreichen, den die Case Management Abteilung für ihn vorsieht.[15]

2 Situation in Deutschland

2.1 Netzwerkgedanke in der Sozialarbeit

Nach eigener Recherche findet sich in Deutschland bis jetzt noch kein Krankenhaus, das die Einführung eines Case Management Systems proklamiert[16] hat. Bislang ist der Klienten orientierte Netzwerkgedanke jedoch in der Sozialarbeit vertreten. Hier findet er teilweise sehr ausdifferenzierte und konkrete Anwendungen und Beispiele, die schon als Leitlinien dienen. Unter anderem:

- Case Management in der AIDS Hilfe[17]
- Case Management in der Rehabilitation[18]
- Case Management in der Familienhilfe[19]
- Case Management in der Straffälligen- und Bewährungshilfe[20] usw.

Durch die Spezialisierung der einzelnen beteiligten Einrichtungen (Versicherungen, Hilfeeinrichtungen, Ärzte, Sozialstationen...), das daraus resultierende detaillierte Spezial- Fachwissen können hohe Qualitätsniveaus der einzelnen Bereiche erreicht werden. Doch oft mangelt es an der Kooperation und Koordination zwischen den Beteiligten, so daß viele Prozesse parallel und autonom verlaufen, trotz der teils wechselseitigen Abhängigkeit.

Dies hat sowohl Auswirkung auf die Versorgung des Klienten wegen mangelnder Kommunikation der Einrichtungen untereinander; es kann sich aber auch negativ auf das gesamte Versorgungssystem auswirken, nicht nur im monetären Sinn. Stellt man sich überdies noch vor, daß diese Prozesse, welche stets auch erbrachte Dienstleistung bedeuten, von der Allgemeinheit bezahlt werden müssen, vermag man leicht einzusehen, welche finanzielle und organisatorische Potentiale brach liegen, effektive Versorgung unter den Blickwinkeln Wirtschaftlichkeit, Qualitätsverbesserung sowie individuelle "Fall"- Führung zu erreichen.

Die Folge könnten sein:

- Unter-, Über- oder Fehlversorgung
-Bedarf bei Doppeldiagnosen wird nicht gedeckt, weil eine spezialisierte Einrichtung nur für ihren Spezialbereich, nicht aber für andere Bereiche, nicht für alle Belange des Klienten, verantwortlich ist
- "unangenehme" Klienten werden "weitergereicht"
- Selbständigkeit des Betroffenen wird durch zu viel Hilfsangebote "abgewürgt" anstatt gefördert oder unterstützt
- Individuelle Wünsche und Bedürfnisse des Klienten werden zu wenig berücksichtigt

Die Unüberschaubarkeit der Anbieter von sozialen Diensten, die ihrerseits durch die Liberalisierung und den Gesetzen des Marktes enormem Konkurrenzdruck ausgesetzt sind, macht es Betroffenen oft schier unmöglich, sich selbst zurechtzufinden, zumal sie sich meist in einer Notlage befinden. Falsche oder unbedachte Entscheidungen können Folge dieser Überforderung der Klienten sein.

Gerade hier ist die Aufgabe eines Case Managers angebracht. Er ist Koordinator und Mittler zwischen dem Betroffenen und seinen sozialen Netzwerken und strebt eine optimale Versorgung unter der Prämisse Versorgungsqualität und Finanzierbarkeit, unter Einbeziehung jedweder sozialer Bezüge des Betroffenen (formelle und informelle), an. Darunter fällt die Familie, der Freundeskreis, der Verein, die Arbeitswelt ebenso wie wohltätige Einrichtungen, Kirchen, die Gemeinde sowie alle oben genannten, "offiziellen" Institutionen.

Im formellen Netzwerk könnte das "Hausarztmodell" einen Beitrag zur besseren Betreuung leisten, allerdings ist es noch sehr umstritten, da die "freie Arztwahl" eingeschränkt bzw. modifiziert würde und die Fachärzte den Allgemeinmedizinern häufig keine ausreichende Kompetenz zubilligen. Es stellt sich nunmehr wieder die Frage des Vertrauens zwischen Patient und Arzt. In diesem Modell hat der Patient seinen Hausarzt als Ansprechpartner und Vermittler. Dieser überweist ihn sodann bei Bedarf an einen dem (regionale) Ärzte- Verbund angehörenden Facharzt.

"Der Hausarzt als Lotse!"[21] - so titelt eine Publikation aus dem Bundesministerium für Gesundheit, die in genau die selbe Kerbe schlägt. Hier wird das Hausarztmodell beschworen. Es soll mit finanziellen Anreizen die Versicherten dazu bringen, sich bei ihrem Hausarzt "einzuschreiben" und sich von ihm durch die Behandlung "lotsen" lassen.[22]

[...]


[1] Aufbauorganisation: siehe Glossar

[2] ebd.

[3] Vgl. Wendt, 1997, S.48

[4] Case Managemant Gesellschaft von Amerika

[5] Vgl. Schweiberger, S. 17

[6] Schweiberger, S. 17 f.

[7] Vgl. Ewers, S. 54

[8] ebd.

[9] monetär: Geld betreffend

[10] Vgl. Wendt, S. 14 ff.

[11] Prädestination: Vorherbestimmung,

[12] Vgl. Wendt, S. 19

[13] Vgl. Wendt, S. 19 f.

[14] Vgl. Wendt, S .146

[15] Vgl. Wendt, S. 147

[16] proklamieren: öffentlich bekanntgeben

[17] Sellin in Löcherbach et al. In Case Management, S.137 ff.

[18] Wendt, S. 170 ff.

[19] Wendt, S. 177 ff.

[20] Wendt, S. 186.ff.

[21] BMGS (Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung) (2002)

[22] Vgl. BMGS (Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung) (2002)

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Case Management im Krankenhaus
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
28
Katalognummer
V48067
ISBN (eBook)
9783638448680
Dateigröße
568 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Case, Management, Krankenhaus
Arbeit zitieren
Bernhard Bischof (Autor:in), 2003, Case Management im Krankenhaus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48067

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