Die geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes.Erklärungsansätze, Mechanismen und Maßnahmen zurRealisierung von Chancengleichheit


Hausarbeit, 2005

46 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes und ihre Erklärungsansätze
2.1 Segregation
2.2 Die Herstellung struktureller Differenzen durch Grenzziehung
2.2.1 Doing Gender und Boundary work
2.2.2 Der männliche Abgrenzungstrieb (?)
2.3 Erklärungsansätze der Segregation
2.3.1 Akteurorientierte Ansätze
2.3.2 Sind Frauen nur zu dämlich?
2.3.3 Strukturorientierte Ansätze
a) Statistische Diskriminierung
b) Theorie des dualen Arbeitsmarktes in Verbindung mit dem Queuing Approach
c) Gendered Organizations
d) Tokenism
e) Theorie der „Männerbünde“
2.3.4 Fazit

3. Maßnahmen zur Realisierung von Chancengleichheit
3.1 Moderne Gleichstellungspolitik – eine Herausforderung für Organisationen
3.1.1 Voraussetzungen und Ansatzpunkte
3.1.2 Chancengleichheit erfordert ein Umdenken in der Personalpolitik
3.2 Gender Mainstreaming
3.3 Diversity Management
3.4 Netzwerkarbeit als eine Eigeninitiative der Akteurinnen
3.5 Das Mentoring

4. Fazit

Literaturliste

Tabellen und Abbildungen:

Abb. 1: Der Gender Mainstreaming Prozess

Tab. :1 Horizontale Segregation: erwerbstätige Frauen verteilt auf Berufsgruppen

Tab. 2: Vertikale Segregation in Dachverbänden der Wirtschaft,

Tab 3: Hindernisse für den beruflichen Aufstieg (Zustimmung in Prozent)

Tab 4: Charakteristika monokultureller und multikultureller Organisationen

Tab5 : Die fünf höchst eingeschätzten Aufstiegsstrategien

1. Einleitung

Seit um 1900 die ersten deutschen Universitäten ihre Pforten für Frauen öffneten[1] sind viele Jahrzehnte vergangen, in denen die Gleichberechtigung von Mann und Frau in allen Bereichen des täglichen Lebens große Fortschritte gemacht hat. Das Gesetz der Bundesrepublik Deutschland kennt heute offiziell keinen Unterschied mehr in der Behandlung beider Geschlechter, die Gleichberechtigung ist seit 1994 im Grundgesetz verankert. Ihren Bildungsrückstand haben die Frauen längst aufgeholt. Mädchen bringen in der Schule heute im Schnitt bessere Leistungen als Jungen und verlassen die Schule mit besserem Abschluß als ihre Mitschüler. Der Frauenanteil an den Universitäten ist in den letzten zehn Jahren stark angestiegen, das Geschlechterverhältnis ist ausgeglichen. Doch dies alles heißt nicht, dass man den zu erwartenden Anteil Frauen später auch in den Chefetagen der großen Unternehmen antrifft. Lediglich 2,5% aller Topmanagementpositionen in der deutschen Wirtschaft waren 2003 mit Frauen besetzt[2]. Auch in Wissenschaft und Politik ergibt sich ein ähnliches Bild. Im Bundestag sind aktuell 30,9% Frauen vertreten, in keinem Landesparlament übersteigt der Frauenanteil 40%, Kommunalpolitik wird durchschnittlich zu 75% von Männern gemacht. In den entscheidenden Positionen in Regierungen und Verwaltungen sind Frauen kaum vertreten[3]. Der prozentuale Anteil an Professorinnen liegt bei etwa 6%, womit Deutschland auch im internationalen Vergleich zusammen mit den Niederlanden und Irland das Schlusslicht bildet[4]. Wie kommt es, dass Frauen im Berufsalltag so selten in Führungspositionen zu finden sind?

Schon bei der Studienfachwahl entscheiden sich junge Frauen hierzulande nach wie vor für Fächer wie Germanistik, Anglistik, Erziehungswissenschaften oder Psychologie, mit wenig Aussichten auf Chefsessel und hochdotierte Posten in Zukunftsbranchen. In einer Umfrage des Magazins „Der Spiegel“ unter Studenten gaben 1995 nur 28% der Frauen an, dass sie einen hohen sozialen Status anstrebten, was hingegen 40% der Männer als ihr Ziel sahen. Nur rund ein Drittel der befragten Frauen steuerte eine leitende Stellung an, wohingegen sich mehr als die Hälfte der Männer zum Chef berufen fühlte (Der Spiegel 25/95, „Die Machtfrage“). Auch im nicht-akademischen Bereich konzentrieren sich die weiblichen Arbeitnehmer nach wie vor in den klassischen „Frauenberufen“, wie etwa Friseuse, Lebensmittelverkäuferin oder Arzthelferin. Im Allgemeinen sind dies Tätigkeiten außerhalb der gesellschaftlichen Machtzentren mit wenig Aufstiegsmöglichkeiten und durchweg schlechterer Bezahlung als ver-

gleichbare Männerberufe. Welche Mechanismen bewegen die Frauen dazu, immer wieder in das alte Rollenmuster zu verfallen und die typisch weiblichen Berufe zu ergreifen? Warum sind trotz gleicher Bildungsvoraussetzungen (Abitur) letztendlich kaum Frauen in den Machtpositionen in Wirtschaft und Politik zu finden?

In dieser Arbeit soll es darum gehen, Erklärungsansätze für die geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes, insbesondere die Marginalität der Frauen in Führungspositionen, sowie Konzepte zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im Berufsleben vorzustellen.

Zu Beginn der Arbeit werden Begrifflichkeiten und Grundannahmen der Segregationsforschung erläutert (Kapitel 2.1/2.2). Es folgen die unterschiedlichen soziologischen Erklärungsansätze der geschlechtsspezifischen Segregation des Arbeitsmarktes, mit einem Schwerpunkt auf den strukturorientierten Theorien (2.3). Kapitel 3 beschäftigt sich nach einer Einführung zur betrieblichen Gleichstellungspolitik mit Konzepten zur Realisierung von Chancengleichheit, die aktuell in der Praxis von Bedeutung sind: Gender Mainstreaming (3.2) ist ein auf EU-Ebene gefördertes Konzept für Politik und Verwaltung; Diversity Management (3.3) ist seit einigen Jahren in den großen Konzernen der privaten Wirtschaft auf dem Vormarsch. Als von den Akteurinnen selbst initiierte Maßnahmen werden Netzwerkarbeit (3.4) und spontanes Mentoring (3.5) vorgestellt.

2. Die geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes und ihre Erklä­rungsansätze

2.1 Segregation

Im Bereich der Soziologie beschäftigt sich die Segregationsforschung mit der geschlechtsspezifischen Aufteilung des Arbeitsmarktes in „männliche“ und „weibliche“ Berufe. Von einem segregierten Beruf spricht man in der Regel, wenn der Anteil des anderen Geschlechts unter 30% liegt (Heintz 1997, S. 16). Verschärfend wird der Ausdruck „Männerdomäne“ für Berufe mit einem Frauenanteil unter 15% gebraucht (Rastetter 1998, S. 169).

Obwohl sich in den letzten Jahrzehnten die Unterschiede in der Qualifikation der Geschlechter positiv entwickelt haben, ist die Segregation in den Industriestaaten erstaunlich konstant. Es gibt zwar nationale Unterschiede, aber insgesamt nehmen Frauen überall eher die untergeordneten und prestigeärmeren Berufe ein, Männer dominieren in den leitenden und angeseheneren Tätigkeiten und besetzen die Machtpositionen der Gesellschaft. Der sogenannte
Dissimilaritätsindex gibt an, wie viel Prozent des anderen Geschlechts den Beruf wechseln müssten, um eine Gleichverteilung der Geschlechter auf die Berufe zu erreichen. In der Bundesrepublik lag dieser 1990 bei 0,54%, das heißt, es müssten 54 von 100 Frauen den Beruf wechseln, um ein ausgeglichenes Verhältnis zu erlangen (Hördt 2002, S. 7).

Die Segregation zeigt sich auch innerhalb eines Berufsfeldes in der Aufteilung in männliche und weibliche Arbeitsfelder. Sie hat eine horizontale und eine vertikale Dimension: Männer und Frauen arbeiten nicht nur in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern (horizontale Segregation), sie besetzen auch hierarchisch unterschiedliche Positionen (vertikale Segregation). Auf der vertikalen Ebene ist Hierarchie einer der wichtigsten geschlechtertrennenden Faktoren, und da die meisten Organisationen hierarchisch aufgebaut sind, ist eine asymmetrische Geschlechterverteilung über die Hierarchieebenen praktisch überall auffindbar.

Im Bereich der horizontalen Segregation ist auffällig, dass Frauen sich auf wenige Berufe und Berufsfelder konzentrieren, nämlich auf die prestigearmen und eher schlechtbezahlten Tätigkeiten und dass sie zugleich stärker von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Die durchschnittliche Einkommenshöhe der Frauen in Deutschland liegt bei nur etwa 70% der Einkommenshöhe der Männer (Hördt 2002, S. 5). Selbst dort, wo Frauen und Männer in gleichen Positionen arbeiten, bekommen Frauen für die gleiche Arbeit oft einen geringeren Lohn.

Tab. :1 Horizontale Segregation: erwerbstätige Frauen verteilt auf Berufsgruppen[5]:

Vert. Frauen auf Berufsgruppe Frauenanteil

1. kaufmännische Angestellte oder Bürokräfte, 22,2% 70,9%
2. Warenkaufleute, 12,4% 62,4%
3. Gesundheitsberufe, 10,0% 85,9%
4. Reinigungs- und Entsorgungsberufe, 3,9% 76,9%
5. Land- Tier-, Forstwirtschaft/Gartenbau, 2,7% 37,7%
6. Rechnungskaufleute, Informatiker, 3,3% 52,2%
7. Lehrer, 4,1% 52,1%
8. Soziale Berufe, 5,2% 81,9%
9. Bank, Bausparkasse, Versicherung, 3,0% 46,8%
10. Hotel- und Gaststättenberufe 2,5% 59,3%

Es stellt sich die Frage, ob Frauen bestimmte Berufe besetzen, weil sie ihnen einfach mehr „liegen“ und ihrem Naturell entsprechen, weil sie durch ihre Sozialisation dazu tendieren oder ob sie gezwungenermaßen auf bestimmte Berufsfelder begrenzt sind, weil die prestigehöheren Berufe durch bestimmte Hindernisse verwehrt sind[6]. Männerberufe sind im Allgemeinen stärker segregiert als Frauenberufe, was vermuten lässt, dass Frauen es schwerer haben, im gegengeschlechtlichen Beruf zu arbeiten, als Männer. Untersuchungen belegen, dass beispielsweise Frauen in Führungspositionen (also einer Männerdomäne im vertikalen Sinne) im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen mehr Stress und Überlastung durch familiäre und sonstige Verpflichtungen empfinden (Rastetter 1998, S. 169). Erklärungen hierfür sind einerseits in der doppelten Vergesellschaftung der Frau durch Familie und Beruf zu finden, andererseits stoßen Frauen in Männerdomänen auf die Erschwernisse durch strukturelle Grenzen, welche in Kapitel 2.3 erläutert werden.

Auch Statistiken zur vertikalen Verteilung von Frauen auf bestimmte Positionen sprechen eine deutliche Sprache. In Großunternehmen der deutschen Wirtschaft gab es 1999 gerade mal 5,03% Frauen im Topmanagement, 7,89% im mittleren Management. Nach einer Analyse des Hoppenstedt-Verlags lag der Frauenanteil im Management deutscher Unternehmen 1995 bei 8,17%, 1999 waren es 9,2%. Diese geringe Steigerung von 1% ist umso nichtiger, da die Positionen, auf die sich die Prozentzahl bezieht, in dem Zeitraum von 306.104 auf 352.104 anstiegen (Domsch, Hadler & Krüger 2001, S. 404). Im Vorstand der großen Dachverbände der deutschen Wirtschaft findet sich keine einzige Frau:

Tab. 2: Vertikale Segregation in Dachverbänden der Wirtschaft, 2003[7]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In dieser Arbeit soll ein besonderes Augenmerk auf diese Marginalität von Frauen in Führungspositionen gelegt werden. Zunächst soll an dieser Stelle auf die Bedeutung von Geschlecht und das soziologische Phänomen der „Grenzziehung“[8] als grundsätzliche Themen der Geschlechterforschung eingegangen werden.

2.2 Die Herstellung struktureller Differenzen durch Grenzziehung

2.2.1 Doing Gender und Boundary work

Die soziale Ordnung, in der wir leben, beruht auf einer strikten Grenzziehung, durch welche die Zuordnung von Menschen in unterschiedliche soziale Räume vorgenommen werden kann. Um Individuen in unterschiedliche Gruppen einteilen zu können und sie durch symbolische Grenzen (symbolic boundaries) voneinander abzugrenzen, muss eine Ungleichheit unter ihnen gegeben sein. Da diese eine Grundlage für unsere soziale Ordnung ist, brauchen wir Mechanismen, durch die sie inszeniert und reproduziert wird. Die „Arbeit“, die Menschen leisten, um die sozialen Grenzen sichtbar zu machen, bezeichnet man in der Soziologie als boundary work (Heintz 1997, S.36). Die Geschlechterdifferenz ist ein besonders geeignetes Beispiel, um zu untersuchen, wie symbolische Grenzen gezogen werden und welche Folgen Grenzüberschreitungen haben.

Die Unterscheidung von „Sex“ und „Gender“ hat sich in der Soziologie inzwischen durchgesetzt. Während „Sex“ das biologische Geschlecht ist, bezeichnet „Gender“ das sozial-konstruierte Geschlecht, welches durch Symbole, Gesten und Verhaltensweisen ausgedrückt wird. Die geschlechtliche Differenz macht aus einem kleinen biologischen Unterschied eine große Unterscheidung in allen Bereichen des Alltags. Das Geschlecht hat eine Ordnungsfunktion. Es beginnt damit, dass Mädchen rosa Strampelanzüge tragen und Jungs blaue und endet mit der Aufteilung auf männliche und weibliche Berufe in der Arbeitswelt. Unsere Gesellschaft nutzt Geschlecht als Differenzierungsmerkmal. Wie sehr diese Differenzierung uns prägt, kann man daran feststellen, welche Verwirrung es auslöst, wenn man eine Person nicht eindeutig als Mann oder Frau identifizieren kann. Personen, die nicht ihrer Rolle zugedachte Symbole und Verhaltensweisen nach außen tragen, begehen sozusagen eine Grenzüberschreitung und verlassen die gewohnten Strukturen. Bei der Wahl eines gegengeschlechtlichen Berufes, stoßen solche Männer und Frauen (go-betweens)[9] auf Hindernisse. Man unterscheidet zwischen zwei Formen von Grenzen:

- Strukturelle Grenzen sind in sozialen Strukturen verfestigt. Bis ins 20. Jahrhundert hinein haben formale Zulassungsbeschränkungen, durch die Frauen gezielt aus der Männerwelt ausgeschlossen wurden, eine wesentliche Rolle für die Aufrechterhaltung der beruflichen Segregation gespielt. Erst in den 70er Jahren sind diese Einschränkungen in vielen Ländern für verfassungswidrig erklärt worden. Seit 1976 untersagt die EU-Gleich­behandlungsrichtlinie die geschlechtliche Diskriminierung in der Arbeitswelt. Aber noch heute finden sich strukturelle Grenzen im Beruf in Form von betrieblichen Regelungen und Bewertungskriterien, die ein Geschlecht privilegieren, beispielsweise Ancienitätsregeln, Arbeitszeitnormen und Arbeitsbewertungssysteme.
- Grenzen auf der Handlungsebene sind solche, die durch das Umfeld (Kollegen, Klienten, Vorgesetzte) gesetzt werden. Kooperationsverweigerung, Ausschluss aus informellen Netz­werken oder offene Diskriminierung und sexuelle Belästigung sind häufige Ausgrenzungspraktiken, mit denen geschlechtliche Grenzgänger konfrontiert werden.

Während früher den Frauen durch strukturelle Grenzen ganz legal Hindernisse gesetzt waren (Ausschluss von höherer Bildung etc.), werden Grenzen heute eher durch Abgrenzung in Form von doing gender gesetzt. Das doing gender, also die Darstellung von Geschlechtszugehörigkeit durch Gesten, Kleidung, Verhaltensweisen, wird von Männern wie Frauen betrieben, um sich vom anderen Geschlecht abzugrenzen. Dieser Mechanismus ist auch auf dem Arbeitsmarkt von Bedeutung. Bettina Heintz (1997) hat in einer Studie gezeigt, dass Frauen in Männerberufen jedoch eher dazu neigen, ihre Geschlechtszugehörigkeit herunterzuspielen und sich „unweiblich“ zu geben (undoing gender) während Männer in Frauenberufen sich stark als männlich herausstellen und die Differenz betonen. Dies wirft die Frage auf, ob es so etwas wie einen männlichen Abgrenzungstrieb gibt.

2.2.2 Der männliche Abgrenzungstrieb (?)

Das Bedürfnis der Männer, sich im Berufsleben vom anderen Geschlecht abzugrenzen und unter sich zu sein, wurde in der Vergangenheit durch verschiedene Ansätze erklärt.

Die Identitätsthese beispielsweise geht davon aus, dass Jungen in einer Gesellschaft, in der Frauen (Mütter, Kindergärtnerinnen) die primären Bezugspersonen sind, ihre Geschlechtsidentität über Abgrenzung vom Weiblichen entwickeln. Männlich sein heißt für das Kind, nicht wie die Mutter zu sein. Während Mädchen sich mit der Mutter identifizieren können, ist der Vater oft selten zuhause, so dass dem Jungen ein ständiges Vorbild fehlt. Er hat es also schwerer, seine Geschlechtsidentität zu finden. Auch als Erwachsene stehen Männer unter einem größeren Druck, ihre Geschlechtszugehörigkeit zu markieren, als Frauen. Sie haben Angst davor, weibliche Seiten an sich zu akzeptieren und reagieren auch ablehnend auf Geschlechtsgenossen, die sich unmännlich verhalten. Auch im Berufsleben hat die Abgrenzung von den Frauen eine identitätsstabilisierende Funktion und das Eindringen von Frauen in Männerdomänen wird als Angriff auf die Männlichkeit empfunden.

Die Dominanzthese geht davon aus, dass die Geschlechtertrennung ein Instrument zur Aufrechterhaltung männlicher Dominanz ist. Der Geschlechtsunterschied wird von den Männern so explizit markiert, weil die Differenz Voraussetzung für die Geschlechterhierarchie ist. Ohne die Differenz wäre die Dominanz der Männer nicht gerechtfertigt. Männerberufe sind in der Regel besser bezahlt und angesehener als Frauenberufe. Das Eindringen von Frauen wird als Abwertung des Berufes und Angriff auf die männliche Vormachtstellung empfunden.

An der Dominanzthese wird kritisiert, dass sie die Männer als einheitliche Interessengruppe betrachtet und die unterschiedliche Herkunft, Status und Lebenslage nicht berücksichtigt. Sicherlich kann Männern kaum ein geschlossenes, gegen Frauen gerichtetes Interesse unterstellt werden. Anstatt den Männern einen Abgrenzungstrieb und einheitliche gegen die Frauen gerichtete Interessen zu unterstellen, sollte man lieber die Frage stellen, unter welchen Bedingungen Männer die Bereitschaft und die Möglichkeit haben, gemeinsame Interessen zu vertreten und durchzusetzen (Heintz 1997, S. 40).

Das geschlechtsspezifische Abgrenzungsverhalten spielt auch in den unterschiedlichen Erklärungsansätzen für die berufliche Segregation ein Rolle, welche im folgenden Kapitel vorgestellt werden.

2.3 Erklärungsansätze der Segregation

Zur Erklärung der geschlechtsspezifischen Segregation des Arbeitsmarktes wurden in der Vergangenheit unterschiedliche Ansätze entwickelt, die im Folgenden kurz dargestellt werden. Diese Erklärungsansätze lassen sich einteilen in solche, welche die Ursache der geschlechtspezifischen Segregation auf individuelle Merkmale zurückführen und die sich unter dem Oberbegriff akteurorientierte Ansätze zusammenfassen lassen, sowie strukturorientierte Ansätze, welche die Arbeitswelt mit ihren Zwängen und Hindernissen verantwortlich machen.

2.3.1 Akteurorientierte Ansätze

Akteurorientierte Theorien sind eine Gruppe soziologischer Erklärungsansätze, welche, in den 60er bis 80er Jahren entwickelt, heute vielfach als veraltet angesehen werden. Sie suchen die Ursachen für geschlechtsspezifische Segregation in individuellen Merkmalen und Prozessen, die außerhalb der Arbeitswelt liegen und schon vor der eigentlichen Berufswahl wirksam sind. Diese Ansätze lassen sich grob in Sozialisations- und Humankapitalstheorien gliedern.

Die Sozialisationstheorien sehen die Ursachen für späteres geschlechtspezifisches Verhalten in der Primärsozialisation: Mädchen und Jungen bekommen demnach im Laufe von Kindheit und Jugend ihre Geschlechtsrollen anerzogen. Sind sie zu Beginn noch frei von Werten und Normen, so erlangen sie durch die Sozialisation schnell eine Vorstellung über die angemessene Geschlechtsrolle und passen später auch ihre Berufswünsche dem geschlechtsspezifischen Arbeitsmarkt an. Die Wahl eines gegengeschlechtlichen Berufes wird dabei – unbewusst – gar nicht mehr in Erwägung gezogen. Kritik wird an der Tatsache geübt, dass die Sozialisationstheorie die in der Kindheit internalisierten Geschlechterstereotype als unveränderbar ansieht. Schließlich kann Sozialisation auch als ein lebenslanger Prozess gesehen werden, welchen das Individuum aktiv mitgestaltet (Hördt 2002, S. 12f).

Elisabeth Beck-Gernsheim und Ilona Ostner entwickelten Ende der 70er Jahre die Theorie des weiblichen Arbeitsvermögens. Sie gingen davon aus, dass Hausarbeit und Berufsarbeit Gebiete mit völlig unterschiedlichen Arbeitsgegenständen und Arbeitslogiken seien und spezifische Fähigkeiten verlangten. Frauen und Männer entwickeln laut dieser These durch die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und die damit korrespondierende geschlechtsspezifische Sozialisation ein unterschiedliches Arbeitsvermögen, das auf die beiden Bereiche zugeschnitten ist. Demnach liegt Frauen die Hausarbeit besonders gut, da sie Fähigkeiten wie Empathie, Intuition und Geduld verlangt (Hördt 2002, S. 13). Auch in den hausarbeitsnahen Frauenberufen sind diese Fähigkeiten gefragt, weshalb sie von Frauen mit Vorliebe gewählt werden, da sie die Realisierung des weiblichen Arbeitsvermögens auch außerhalb des Reproduktionsbereiches ermöglichen. Die Basis der Benachteiligung der Frau liegt Beck-Gernsheim zufolge in der historisch-gewachsenen geschlechtlichen Arbeitsteilung, die sich nachteilig für die Frauen auswirkt (Beck-Gernsheim 1981, S. 11 zit. n. Hördt 2002, S. 15).

Die Theorie des weiblichen Arbeitsvermögens wurde vielfach kritisiert, da sie Frauen als eine homogene Gruppe betrachtet und die Differenzen zwischen den Frauen und die Brüche im weiblichen Lebenszusammenhang vernachlässigt (Heintz 1997, S. 28). Ferner ist in diesem Zusammenhang fragwürdig, wieso Frauen heute vielfach in ehemaligen Männerberufen arbeiten, bzw. wieso Felder wie Büroarbeit, die nichts viel mit weiblichem Verhalten zu tun haben, inzwischen typische Frauenberufe sind. Heute wird in der Soziologie das Augenmerk mehr auf die Dekonstruktion der Geschlechterdifferenz gelegt, weshalb ein Ansatz, welcher von einer grundsätzlichen Differenz ausgeht, überholt scheint.

Die Humankapitalstheorie führt die Berufswahl nicht auf kulturelle Werte und Normen zurück, sondern auf eine individuelle Kosten-Nutzen-Rechnung: Danach entscheiden sich Frauen ganz rational für Frauenberufe, weil diese sich am besten mit ihrer Familienplanung vereinbaren lassen, also Teilzeitarbeit und Unterbrechungen (Kinderpause) ermöglichen. Nach diesem Ansatz setzen Frauen ihre Prioritäten anders als Männer und investieren weniger in ihr Humankapital[10]. Bei ihnen steht die Familie im Vordergrund, der Beruf ist nebensächlich. Daher investieren Frauen weniger in ihre Ausbildung und sind kürzer berufstätig, was wiederum ihr geringeres Gehalt erklärt. Fazit: Frauen werden nicht aus Männerberufen ausgeschlossen, sie entscheiden sich ganz bewusst dagegen (siehe 2.3.2). Dieser Ansatz ist oft kritisiert worden und gilt ebenfalls heute als überholt, da er voraussetzt, dass Frauen über Alternativen und Folgen ihrer Berufswahl ausreichend informiert sind, dass sie durch keine informellen oder formellen Grenzen in ihrer Wahl eingeschränkt sind und dass Familie und Beruf für Frauen nicht zu kombinieren sind. Außerdem dürfte es nach der Humankapitalstheorie bei gleicher Ausbildung auch keine vertikale Segregation und keine Einkommensunterschiede bei gleicher Tätigkeit geben (Hördt 2002, S. 10).

Insgesamt lässt sich über akteurorientierte Ansätze sagen, dass sie empirisch wie theoretisch stark kritisiert werden und insbesondere vor dem Hintergrund der heutigen Lage unzureichend sind. Weibliche Arbeitnehmer weisen heute eine hohe zwischenberufliche Mobilität[11] auf, was eine frühkindliche Fixierung von typisch weiblichen Einstellungen und beruflichen Präferenzen ausschließt. Man geht eher davon aus, dass die berufliche Segregation eine Folge von strukturellen Hindernissen auf dem Arbeitsmarkt ist, der es Frauen erschwert, in bestimmten Feldern und Positionen Fuß zu fassen. Bevor die strukturorientierten Erklärungsansätze erläutert werden, soll an dieser Stelle noch auf ein Buch der Journalistin Barbara Bierach verwiesen sein, welches die Diskussion um eine akteurorientierte Sicht wieder entfacht hat.

2.3.2 Sind Frauen nur zu dämlich?

Barbara Bierach brachte 2002 mit ihrem Buch „Das dämliche Geschlecht- Warum es kaum Frauen im Management gibt“ die Diskussion um die männlichen Ausgrenzungsmechanismen neu ins Rollen. Darin provoziert die Autorin mit der These, dass Frauen in vielen Bereichen der deutschen Gesellschaft nicht unterdrückt werden, sondern sich einfach falsch verhalten. „Gegen Frauen muss Mann sich nicht verschwören, Frauen erledigen sich schneller und gründlicher selber, als Männer das je könnten“, heißt es dort. Frauen, so Bierach, überlassen den Männern kampflos das Feld, indem sie sich bewusst gegen eine Karriere entscheiden. Einige ihrer Thesen sollen hier beispielhaft aufgegriffen werden.

[...]


[1] Baden ließ 1901 als erstes Land Mädchen zur höheren Schulbildung und Frauen zur Immatrikulation an Universitäten zu

[2] www.db-decision.de/wid%2002/Unternehmen/Privatunternehmen_beschäftigte.html

[3] www.frauenbeauftragte.de/bag/sn0206berlin_erkl.htm

[4] http://lnhf.gwdg.de/ciwm/dokumente/peerreview.htm

[5] Tabelle: Ergebnisse des Mikrozensus April 1996 (Hördt 2002, S. 5)

[6] siehe dazu Kapitel 2.3.1/2.3.2

[7] www.db-decision.de/wid%2002/Verbände/Intro_D.html: Bundesministerium Familie, Senioren, Frauen und Jugend

[8] „Grenzziehung“ ist der Sammelbegriff für die Mechanismen und das Erscheinungsbild der beruflichen Segregation (Heintz 1997, S. 35)

[9] Als go-betweens bezeichnet man Männer und Frauen, die einen gegengeschlechtlichen Beruf ergriffen haben

[10] Unter dem Humankapital eines Individuums versteht man „die Summe seiner spezifischen Bildungs-, Ausbildungs- sowie Weiterbildungsinvestitionen“ (Hördt 2002, S. 8)

[11] damit ist das Wechseln von einem Frauen- in einen Männerberuf gemeint

Ende der Leseprobe aus 46 Seiten

Details

Titel
Die geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes.Erklärungsansätze, Mechanismen und Maßnahmen zurRealisierung von Chancengleichheit
Hochschule
Universität Lüneburg  (Institut für Pädagogik)
Veranstaltung
Gender Mainstreaming
Note
1,5
Autor
Jahr
2005
Seiten
46
Katalognummer
V51451
ISBN (eBook)
9783638474221
ISBN (Buch)
9783656794028
Dateigröße
689 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Zu Beginn werden Begrifflichkeiten und Grundannahmen der Segregationsforschung erläutert. Es folgen soziologische Erklärungsansätze der geschlechtsspezifischen Segregation des Arbeitsmarktes, mit einem Schwerpunkt auf den strukturorientierten Theorie. Kapitel 3 beschäftigt sich nach einer Einführung zur betrieblichen Gleichstellungspolitik mit aktuellen Konzepten zur Realisierung von Chancengleichheit: Gender Mainstreaming, Diversity Management, Netzwerkarbeit und Mentoring.
Schlagworte
Segregation, Arbeitsmarktes, Erklärungsansätze, Mechanismen, Maßnahmen, Chancengleichheit, Gender, Mainstreaming
Arbeit zitieren
Lena Ahlborn (Autor:in), 2005, Die geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes.Erklärungsansätze, Mechanismen und Maßnahmen zurRealisierung von Chancengleichheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51451

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