Die Systemtheorie von Niklas Luhmann aus politischer Sicht


Hausarbeit, 2007

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das System
2.1. Die Ebenen der Systembildung
2.2. Komplexität und funktionale Differenzierung als Hauptmerkmal moderner Gesellschaften
2.3. Autopoiesis und Kommunikation – Die Erweiterung des Systembegriffes
2.4. Der Prozess der Legitimation in funktional differenzierten Gesellschaften

3. Die Theorie des politischen Systems
3.1. Gemeinwohl, Macht, Regierung/ Opposition und politische Programme
als zentrale Begriffe
3.2. Die Differenzierung der Politik
3.3. Die Differenzierung im Bereich der politischen Willensbildung
3.4. Die Vernetzung der verschiedenen Teilsysteme
3.5. Schlussbetrachtung: Das politische System - nur noch Eines von vielen

4. Anhang

5. Literatur

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die Einteilung von Systemen

Abbildung 2: Der Machtkreislauf zwischen Publikum, Politik und Verwaltung in Demokratien

Abbildung 3: Die Zentrum/Peripherie-Differenzierung des engeren Bereichs der Politik

1. Einleitung

Der Soziologe Niklas Luhmann (1927-1998) gilt als der bedeutsamste, deutsche Vertreter und Begründer der Systemtheorie. Er hat mannigfaltige Forschungen nicht nur in der Soziologie, sondern auch in den Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, in der Theologie und Politik, der Geschichtswissenschaft, Kommunikationswissenschaft und in der Literaturwissenschaft angeregt. Grund hierfür ist sein Anspruch, alle gesellschaftlichen Teilbereiche mit denselben Kategorien beschreiben zu können. Die Systemtheorie von Luhmann kann man in zwei Entwicklungsstränge einteilen. Einmal ist das die Theorie von gesellschaftlichen Teilsystemen wie der Politik, der Kunst oder der Wirtschaft. Zum anderen ist das die Theorie der Gesellschaft selbst, also der Gesellschaft als Gesellschaft im engeren Sinne (vgl. Reese-Schäfer 2007: 713). Luhmanns Theorie soll nicht nur Ausschnitte erfassen, wie z.B. die soziale Ungleichheit, sondern sie erhebt den Anspruch alles Soziale zu erfassen. Sein Gesamtwerk umfasst mehr als 30 Bücher und einige hundert wissenschaftliche Arbeiten (vgl. Buchstein 2006: 249). Die Gesellschaft ist die zentrale Kategorie innerhalb seiner Systemtheorie. Die Politik ist nur eines ihrer Teilsysteme und die Demokratie ist nur eine von vielen möglichen Organisationsformen des politischen Systems. Die Politik wird nicht mehr als ein losgelöstes Phänomen verstanden, vielmehr ist sie eingebettet in andere gesellschaftliche Probleme.

In dieser Hausarbeit werden die Grundelemente der Systemtheorie von Niklas Luhmann darstellt. Ausgangspunkt soll dabei das System an sich sein. Ohne eine genaue Beschreibung des Systems, ist keine weitere Betrachtung der Systemtheorie möglich. Darauf folgend werden die essentiellen Begriffe der Systemtheorie wie z.B. den Prozess der Systembildung, die Differenzierung und die Autopoiesis dargestellt. Der zweite Teil dieser Hausarbeit soll sich mit den politischen Aspekten der Systemtheorie befassen. Hierbei soll es um die zentralen Begriffe der Politik gehen. Des Weiteren werden die Differenzierungsformen der Politik und der politischen Willensbildung beschreiben. Neben der Differenzierung der Systeme stellt auch die Kopplung der Systeme einen wichtigen Punkt in der Systemtheorie da. Durch die Kopplung der Politik mit anderen Systemen wird deutlich, dass die Politik als ein Funktionssystem neben anstatt über anderen gesehen wird (vgl. Fuhse 2005: 97f.) Den Abschluss soll eine kritische Auseinandersetzung mit der Systemtheorie als politische Theorie bilden, dabei werden die Stärken und Schwächen der Theorie diskutiert.

Da die Systemtheorie ein umfangreiches Werk ist, kann die Darstellung in dieser Hausarbeit nur oberflächlich geschehen daher beschränkt sie sich auf die zentralen Begriffe.

2. Das System

Was ist eigentlich ein System? Seit der griechischen Philosophie steht der Begriff „System“ für einen Zusammenhang, für etwas Zusammengehöriges, schlicht für ein bestimmtes Ordnungsprinzip. Er bezeichnet natürliche oder künstliche Gebilde, die wiederum ein Ganzes bilden. Das Ganze ist als eine Summe der einzelnen Teile aufzufassen. Die einzelnen Teile dieses Ganzen stehen in Beziehung und Abhängigkeit zueinander. Damit weisen sie eine bestimmte Ordnung auf. Das System wird dabei als ein geschlossenes System verstanden, das ganze System hat damit einen Vorrang gegenüber den einzelnen Teilen des Systems(vgl. Schülein/ Brunner 1994: 102).

2.1.Die Ebenen der Systembildung

Die Gesellschaft wird als ein weltgesellschaftliches System verstanden. Luhmanns Systemtheorie ist eine operative Theorie von Systemen.[1] Gesellschaftssysteme werden von Luhmann als nationenübergreifende Einheiten verstanden, welche alle die gleichen Probleme lösen müssen. Er versteht die gesellschaftlichen Systeme und die Subsysteme nicht als gegeben. Vielmehr fragt er nach dem Zustandekommen von Systemen und nach den Vorraussetzungen für die Bildung von Systemen (vgl. Treibel 2004: 34). Der Systembegriff ist nicht automatisch mit Gesellschaften verbunden. So können auch Gegenstände z.B. Maschinen Systeme sein. Soziale Systeme sind dadurch bestimmt, dass sie immer eine klare Grenze zwischen sich und der Umwelt ziehen. Sie entstehen durch die Stabilisierung einer Differenz von innen und außen. Das „Außen“ ist dabei die Umwelt, hierbei geht man aber nicht von der umgangssprachlichen Bedeutung von Umwelt im Sinne von Ökologie aus, vielmehr ist sie die Komplexität die sich um das System herum befindet. Die Welt kann kein System sein, weil sie keine Umwelt mehr hätte (vgl. Treibel 2004: 34f.).

Systeme, zumindest die sozialen und psychischen, sind laut Luhmann vor allem sinnkonstituierend. Ihrem Verhalten liegt ein Sinn zu Grunde, damit unterscheiden sie sich von Maschinen. Die sozialen und psychischen Systeme, sind laut Luhmann, vor allem sinnkonstituierend. Der Sinnbegriff umfasst jegliche Ordnungsform menschlichen Erlebens. Sinn reguliert die selektive Erlebnisverarbeitung und ist damit die notwendige Vorraussetzung für Kommunikation (vgl. Treibel 2004: 35). Die Sinngebung findet nicht in der gesellschaftlichen Ebene, sondern in funktional differenzierten Systemen statt.

Zusammenfassend kann man sagen: „Von sozialen Systemen kann man immer dann sprechen, wenn Handlungen mehrerer Personen sinnhaft aufeinander bezogen werden und dadurch in ihrem Zusammenhang abgrenzbar sind von einer nichtdazugehörigen Umwelt“ (Luhmann 1975 In: Treibel 2004: 36). Grundlegend zeichnen sich Systeme wie folgt aus: hohe Komplexität, enge Verbindung der Teilsysteme untereinander, hoher Grad an Festgelegtheit, Geschlossenheit

Luhmann unterscheidet zwischen drei Ebenen der Systembildung: den Interaktionssystemen, den Organisationssystemen und den Gesellschaftssystemen. Interaktionssysteme sind durch Anwesenheit definiert und die gemeinsam anwesenden psychischen Systeme nehmen sich wechselseitig war z.B. Dozent und die Studierenden, die sich bei einer Vorlesung im Hörsaal befinden. Themen können in diesem System nur im zeitlichen Nacheinander abgehandelt werden. Organisationssysteme hingegen, sind durch Mitgliedschaftsregeln gekennzeichnet. Eintritt und Austritt sind von bestimmten Bedingungen abhängig. Die Funktion von Organisationen besteht darin, dass sehr unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Motiven durch den Eintritt in das Organisationssystem auf organisationsinterne Verhaltensweisen verpflichtet werden können. Die Hochschule an der die Vorlesung stattfindet gehört mit ihren Immatrikulations- und Exmatrikulationsvorschriften zum Typus eines Organisationssystems (vgl. Treibel 2004: 36f.). Das Gesellschaftliche System ist ein besonderer Typus. „Gesellschaft ist das umfassende Sozialsystem aller kommunikativ füreinander erreichbaren Handlungen“ (Treibel 2004: 37). Die BRD, zu der das Organisationssystem Hochschule gehört, kann man als gesellschaftliches System verstehen (vgl. Treibel 2004. 37f.).

Doch ab wann wird eigentlich eine Systembildung notwendig? Sie wird dann notwendig wenn aus Zweierbeziehungen Systeme mit mehr Personen werden und sich der Zeithorizont erweitert.

Das Interesse an einer längerfristigen Fortsetzung der Interaktion tritt dann ein, wenn die Handlungsfähigkeit des Systems als System und nicht der einzelnen Personen angestrebt wird (vgl. Schülein/ Brunner 1994: 113).

Luhmanns Systeme sind offen und geschlossen, allerdings in einem ganz neuen Bezugsrahmen. Der Kern liegt vielmehr in einer Unterscheidung, der sich immer weiter verästelnden Differenzierung, die der Systeme und ihrer Subsysteme zugrunde liegen, z.B. in wahr/ unwahr oder Regierung/Opposition. Alles was nicht in dieser Unterscheidung zu erfassen ist, gehört zur Umwelt (vgl. Reese-Schäfer 2007: 715). Wie sich Systeme funktional differenzieren und welche Rolle die Komplexität dabei spielt, soll im nächsten Abschnitt genauer betrachtet werden.

2.2. Komplexität und funktionale Differenzierung als Hauptmerkmal moderner Gesellschaften

Das erste Merkmal moderner Gesellschaften ist ihre enorme Komplexität. Im Begriff der Komplexität fasst Luhmann zusammen, was sonst unter den Stichworten „Moderne“ oder „Modernisierung“ diskutiert wird. Moderne Gesellschaften sind durch ihre Heterogenität, ihre hohe Mobilität, ein steigendes Bildungsniveau und schrumpfenden religiösen Glauben (an Göttinnen und Göttern) gekennzeichnet. Der Mensch ist auf Grund dieser Vielzahl an Möglichkeiten auf Orientierungshilfen angewiesen. Somit ist Komplexität die Haupteigenschaft moderner Gesellschaften und die Reduktion von Komplexität die Hauptaufgabe moderner Gesellschaften (vgl. Treibel 2004: 29). Da der Mensch nur begrenzte Fähigkeiten zur Erfassung und Reduktion von Komplexität besitz, übernehmen soziale Systeme diese Funktion und vermitteln zwischen der unbestimmten Komplexität der Welt und der menschlichen Kapazität zur Komplexitätsverarbeitung (vgl. Schülein/Brunner 1994: 109).

Nicht nur in der internen Differenzierung findet die Komplexität Anwendung. Komplexität bedeutet Vielschichtigkeit, da die modernen Gesellschaften hoch industrialisiert und verwissenschaftlicht sind. Ihre Funktionsweisen finden auf verschiedenen Ebenen Anwendung und greifen auf mehreren Ebenen ineinander. Jedoch können nicht mehr alle Elemente eines Systems miteinander verknüpft werden (vgl. Treibel 2004: 29). Für das Individuum gibt es „stets mehr Möglichkeiten des Erlebens und Handelns, als aktualisiert werden können“ (Luhmann 1970, in: Treibel 2004: 29). Aus dieser Vielzahl an möglichen Ereignissen selektiert das soziale System die Möglichkeiten, die für es sinnhaft sind und in seinen Sinnzusammenhang passen.

Das zweite Merkmal moderner Gesellschaften ist die wachsende, funktionale Differenzierung. Darunter versteht man, dass die verschiedenen Subsysteme der Gesellschaft, wie die Wirtschaft oder die Politik, immer weiter ausgebaut werden und sich immer weiter spezialisieren.

Dennoch bleiben sie in einem funktionalen Zusammenhang zueinander (Treibel 2004. 29f.). Luhmann benennt dabei verschiedene Differenzierungsformen für die Vergangenheit. Demnach existieren drei Stufen der gesellschaftlichen Evolution. Für die frühen archaischen Gesellschaften, war die segmentierende Differenz typisch, d.h. es gab nur wenige Unterschiede, beispielsweise zwischen Kriegern und Priestern. Die nachfolgenden Gesellschaften waren stratifikatorisch differenziert. Luhmann versteht darunter, dass die Gesellschaft in eine Art Unter-, Mittel- und Oberschicht aufgeteilt wurde. Solche vertikalen Schichtungen sind für Luhmann nicht von Interesse, seine Differenzierungsperspektive ist horizontal. Für ihn ist die moderne Gesellschaft nicht durch Klassen bzw. Schichten gekennzeichnet, sondern durch Funktionen (vgl. Schülein/Brunner 1994: 121f.). Im Wechsel von hierarchisch stratifizierten zu modernen funktional differenzierten Gesellschaften vergrößern sich die Komplexitätschancen und die Wahlentscheidungen (vgl. Reese-Schäfer 2007: 721). Später fügte Luhmann neben diesen drei Differenzierungsformen noch eine Vierte hinzu, die Unterscheidung nach Zentrum und Peripherie. Dieses beschreibt die Unterscheidung zwischen reicheren und ärmeren Regionen, zwischen Erster und Dritter Welt. Diese Differenz ist häufig auch innerhalb von Gesellschaften festzustellen (Treibel 2004: 30).

Zusammenfassend kann man sagen, dass funktionale Differenzierung und Komplexität zusammenhängen, ohne funktionale Differenzierung gäbe es keine Komplexität. „Komplexe Gesellschaften sind auf funktionale Differenzierungen angewiesen“ (Luhmann 1971 in: Treibel 2004: 30). In seinen späteren Werken erweiterte Luhmann seinen Systembegriff um zwei wichtige Begriffe, Autopoiesis und Kommunikation. Diese Begriffe finden in allen Teilbereichen, der Politik oder auch der Wirtschaft, starke Anwendung, jedoch sind auch noch die „älteren“ Begriffe bei der Betrachtung von Systemen relevant.

[...]


[1] Eine systematische Darstellung der Systeme nach Luhmann befindet sich im Anhang (Abbildung 1).

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Systemtheorie von Niklas Luhmann aus politischer Sicht
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Veranstaltung
Politische Theorie
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
21
Katalognummer
V73685
ISBN (eBook)
9783638742603
Dateigröße
454 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine Betrachtung der Systemtheorie von Niklas Luhmann aus politischer Sicht mit kurzer soziologischer Einführung
Schlagworte
Systemtheorie, Niklas, Luhmann, Sicht, Politische, Theorie
Arbeit zitieren
Ellen Ziegler (Autor:in), 2007, Die Systemtheorie von Niklas Luhmann aus politischer Sicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73685

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Systemtheorie von Niklas Luhmann aus politischer Sicht



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden