Biografiearbeit bei Menschen mit Demenz


Hausarbeit, 2006

30 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Biografiearbeit und biografische Grundhaltung
2.1 Ziele der Biografiearbeit

3. Der Begriff Demenz
3.1 Die (Lebens-) Welt von Demenzkranken
3.2 Biografiearbeit bei Menschen mit Demenz

4. Biografieorientierte Ansätze in der Arbeit mit Demenzkranken
4.1 Validation
4.2 Integrative Validation
4.3 Reminiszenz-Therapie
4.4 Selbst-Erhaltungs-Therapie
4.5 Psychobiografisches Pflegemodell
4.6 Personenzentrierter Ansatz als Methode zum Erhalt der Subjektivität

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Von der Geburt bis zum Tod durchläuft jeder Mensch viele einzelne Situationen, die ihn in seiner Entwicklung und seinem Verhalten prägen. Biografie stellt somit eine subjektiv-individuelle Lebensbeschreibung dar, die bei jedem einzelnen Menschen einzigartig ist. Die Biographie eines Menschen kennen zu lernen, ermöglicht oft ein besseres Verständnis seiner Äußerungen und Handlungen, Bedürfnisse und Gefühle. Dadurch ergeben sich Ansatzpunkte für eine positive Einflussnahme sowie zur Förderung des Wohlbefindens.

Auch im Bereich der Altenhilfe gewinnt die Biografiearbeit immer mehr an Stellenwert. Während in der Vergangenheit ein defizitäres Bild von alten Menschen herrschte, d.h. eine Betonung auf das, was der „alte Mensch“ nicht mehr kann, rückt immer mehr eine aktivierende und ressourcenorientierte Pflege in den Vordergrund. Der Fokus wird vermehrt darauf gerichtet, was der alte Mensch kann, welche Kompetenzen er noch besitzt. Es stellt sich immer häufiger die Frage „Wie wurde der Mensch zu dem was er ist?“.

Die Beschäftigung mit der individuellen Biografie kann dabei helfen, pflegebedürftige Menschen besser zu verstehen und Handlungsalternativen zu entwickeln. Dies trifft insbesondere auf demenzkranke Menschen zu. Einerseits gelingt es Außenstehenden häufig nur schwer, sich in die Welt der verwirrten Menschen hineinzuversetzen, sich dort zurechtzufinden und sie zu begleiten. Durch Kenntnisse von der Biografie können Verhaltensweisen und Äußerungen von demenzkranken Menschen besser gedeutet und interpretiert werden. Andererseits stellt für Menschen mit Demenz die Erinnerung an ihre Vergangenheit eine wichtige Ressource dar, weil das Kurzzeitgedächtnis eingeschränkt ist und das Langzeitgedächtnis, in dem sehr gut memorierte und meist lange zurück liegende Informationen gespeichert sind häufig noch relativ lange intakt bleibt. Menschen mit Demenz suchen häufig nach Identität und Vertrautheit, die ihnen Sicherheit geben, in einer Welt, die ihnen aufgrund der nachlassenden Erinnerungsfähigkeit immer fremder erscheint. Erinnerungen, die auf das Langzeitgedächtnis zurückgreifen, geben ihnen Halt. Eine an der jeweiligen Biographie orientierte Struktur, die an Gewohnheiten der alten Menschen anknüpft, schafft somit Vertrautheit.

Biografiearbeit dient weiterhin dazu, das gelebte Leben eines alten Menschen mit seinen Werten, dem Lebensstolz und den vertrauten Stationen in positiver Weise zu berücksichtigen. Insofern kann die Biografiearbeit einen Beitrag zur Lebensqualität im Pflege- und Betreuungsprozess leisten, da sie zur individuellen Betreuung, sinnvollen Tagesgestaltung und Aktivierung von Ressourcen beiträgt. Außerdem werden die Kommunikation und die soziale Kontaktaufnahme gefördert und die Rückbesinnung auf Erfolge und Leistungen im vergangenen Leben kann die Selbstachtung bei den alten Menschen stärken.

Im ersten Abschnitt meiner Hausarbeit beschäftig ich mich mit dem Begriff der Biografiearbeit und biografischer grundhaltung im Allgemeinen. Dazu zählen auch die Ziele von Biografiearbeit.

Im dritten Kapitel möchte ich aufzeigen, was unter einer Demenz zu verstehen ist und welche Auswirkungen dies auf die Betroffenen haben kann. Schließlich erläutere ich die speziellen Aspekte der Biografiearbeit im Hinblick auf demenzkranke Menschen.

Das vierte Kapitel gibt einen Überblick über biografieorientierte Ansätze in der Arbeit mit demenzkranken Menschen. Dort werden spezielle Konzepte und Methoden wie bspw. die Validation, Selbst-Erhaltungs-Therapie oder die Reminiszenz-Therapie etc. vorgestellt.

Im fünften Kapitel ziehe ich ein Fazit.

2. Biografiearbeit und biografische Grundhaltung

Das Wort Biographie stammt aus dem griechischen. Bio bedeutet soviel wie Leben und Graphie schreiben. Biographie ist demnach eine Lebensbeschreibung (vgl. Opitz 1998, S. 31). Unter Biographie wird „die Darstellung der Lebensgeschichte eines Menschen sowohl hinsichtlich der äußeren Umstände und Ereignisse (...) als auch der geistig-seelischen Entwicklung“ (Opitz 1998, S. 31 ff.) gesehen. In diesem Zusammenhang muss jedoch die „Biografie“ von dem Begriff „Lebenslauf“ abgegrenzt werden: Während der Begriff „Lebenslauf“ die äußeren (objektiven) Daten eines gelebten Lebens umfasst, bezieht sich die Biografie eines Menschen auf seine Innenseite, d.h. auf das, was der oder die Erzählende subjektiv zu seiner oder ihrer Lebensgeschichte macht (vgl. Weingandt 2001, S. 7). Lebensgeschichtliche Erzählungen sind somit immer Rekonstruktionen der Vergangenheit aus dem Heute und stellen nach Fuchs-Heinritz strukturierte Selbstbilder dar. Diese können sich mit jeder Veränderung der Lebenslage und des jeweiligen Selbstverständnisses ändern, dabei kommen andere Ereignisse in den Vordergrund der Erinnerung und andere werden vergessen (vgl. Fuchs-Heinritz 2000, S. 51 ff.). Somit stellt die Biografie eines Menschen kein statisches Gebilde dar, sondern sie kann sich im Laufe eines Lebens durch subjektive Umdeutungen oder Neudefinitionen von Ereignissen oder Erlebnissen ändern.

Erlemeier betont eine biografische Grundhaltung gegenüber anderen Menschen. Er versteht unter Biografiearbeit in erster Linie nicht nur eine reine Wissensansammlung über das Leben eines Menschen, sondern sieht es als eine Haltung der Offenheit gegenüber dem Leben und der Geschichte eines Menschen (vgl. Erlemeier 1998, S. 207). „Eine Haltung, die sich im Respekt vor der einzigartigen Lebensgeschichte des Gegenübers ausdrückt, in der Behutsamkeit des Fragens, im Schutz der Intimsphäre, aber auch in der Offenheit, Anlässe für biografische Gespräche im Alltag wahrzunehmen und aufzugreifen, in der Neugier auf die Lebenserfahrungen des Anderen, in der Bereitschaft sich auf Erzählungen einzulassen“ (Franke 2003, S. 73).

Biografiearbeit beinhaltet oft alle drei Zeitdimensionen (vgl. Klingenberger 2001):

1. Die Erinnerung an die Vergangenheit („Lebensbilanz“)
2. Die Begleitung in der Gegenwart („Lebensbewältigung“)
3. Die Perspektive für die Zukunft („Lebensplanung“)

Dieses Zusammenwirken der Zeitdimensionen ist sehr wichtig, da sich alle drei gegenseitig beeinflussen können, d.h. „was habe ich aus der Vergangenheit gelernt“, „wie gehe ich jetzt damit um“ und „was zeigt mir diese Erkenntnis für die Zukunft“.

Biographisches Arbeiten kann weiterhin auf drei verschiedenen Ebenen basieren (vgl. Malteser Trägergesellschaft gGmbH 2002, S. 13):

- emotional: positive und negative Lebenserinnerungen
- kognitiv: Stärkung des Erinnerungsvermögens, Erweiterung der Ressourcen
- sozial: Gruppenbildung, Erhalt sozialer Kontakte, Vertiefung des Vertrauensverhältnis bspw. zwischen Pflegenden und Bewohnern

Bei der Biografiearbeit können zwei Formen unterschieden werden: die gesprächsorientierte und die aktivitätsorientierte Biographiearbeit (vgl. Gereben/ Kopinitsch-Berger 1998, S. 17).

Zur gesprächsorientierten Biographiearbeit zählen bspw. Einzel- und Gruppenge­spräche, die zu vorgegebenen Themen angeboten werden. Solche Themen können z.B. sein: Familienleben, Schulzeit, Kindheit, Feste und Feiertage (vgl. ebd., S. 18 ff.).

Die aktivitätsorientierte Biographiearbeit zeichnet sich durch die Integration der Biographiearbeit in eine Tätigkeit aus. Dies kann beispielsweise der Einsatz von Gegenständen, ein Museumsbesuch, aber auch das Anfertigen einer Collage, das Singen von Liedern oder das Ausführen von Alltagshandlungen (z.B. Tisch decken) sein (vgl. ebd., S. 46 ff.).

2.1 Ziele der Biografiearbeit

Robert N. Bulter geht in seinem Konzept des „life-review“ (= Lebensrückschau) davon aus, dass viele Menschen mit zunehmendem Alter den Wunsch verspüren, dem vergangenen Leben einen Sinn zu geben (vgl. KDA 2001, S. I/60)). Auch Erikson beschreibt in seinem Entwicklungsmodell als wichtigste Anforderung für den letzten Lebensabschnitt die Herausbildung von „Integrität“. Der Mensch sollte nun lernen das zurückliegende Leben, so wie es war, und seine Verantwortung dafür akzeptieren. Im Idealfall ist der alte Mensch aus der Perspektive des Rückblicks in der Lage in seiner Biografie wichtige Personen und Ereignisse sowie eigene individuelle Eigenheiten auf neue und reifere Art anzunehmen (vgl. Weingandt 2001, S. 9)

Im Allgemeinen verleiht die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit persönliche Sicherheit, stärkt das Selbstvertrauen und hilft dabei sich mit schwierigen Situationen des

Älterwerdens auseinanderzusetzen und diese besser zu bewältigen (vgl. KDA 2001, S. I/33).

Allgemein können drei Grobziele der Biografiearbeit zusammengefasst werden:

- Die Stärkung autobiografischer Kompetenzen: d.h. fähig zu werden, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen; den Mut zum Erzählen vermitteln - denn besonders in den Geschichten der älteren Generationen liegen verborgene Schätze für die nachfolgenden.
- Die Rekonstruktion der Lebensgeschichte des Einzelnen: d.h. einzelne Geschichten sollen „wieder belebt“ werden, um so ein ganzheitliches Verständnis der eigenen Biografie zu bekommen.
- Die Integration der Lebensgeschichte: durch positive Verarbeitung können Brüche, Widersprüche und Scheitern zu einer versöhnten Lebensgeschichte reifen. Gewonnene Erkenntnisse können so sinnvoll für die Zukunft genutzt werden.

Besonders im Hinblick auf die Situation von hilfebedürftigen Menschen in stationären

Pflegeeinrichtungen können weitere Ziele der Biografiearbeit genannt werden (vgl. Gereben/Kopinitsch-Berger 1998, S. 19 ff.). Diese sind z.B.

- Aktivierung der kognitiven Fähigkeiten
- Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit
- Bewältigung von Einsamkeit
- Abbau von Ängsten und Erhöhung des Selbstwertgefühls
- Stärkung des Gemeinschaftsgefühls
- Förderung des gegenseitigen Verständnisses
- Wecken von positiven Emotionen

Besonders bei Menschen mit Demenz stellt die Biografiearbeit eine wichtige Methode dar, um Verständnis für die alten Menschen zu entwickeln und ihr Verhalten und Erleben zu verstehen. Durch das Abnehmen des Erinnerungsvermögens bei Demenzkranken kann Biografiearbeit somit ein Schlüssel zu noch vorhandenen Fähigkeiten sein, die es bewusst zu fördern gilt, um sie noch möglichst lange zu erhalten (vgl. Klie 2002, S. 56).

[...]

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Biografiearbeit bei Menschen mit Demenz
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Psychogerontologie)
Veranstaltung
Biografische Methoden in der gerontologischen Forschung und Intervention
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
30
Katalognummer
V75620
ISBN (eBook)
9783638801003
ISBN (Buch)
9783640708017
Dateigröße
1807 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Biografiearbeit, Menschen, Demenz, Biografische, Methoden, Forschung, Intervention, Altenpflege
Arbeit zitieren
Diplom-Pädagogin Cornelia Suchan (Autor:in), 2006, Biografiearbeit bei Menschen mit Demenz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75620

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