Weiblichkeit Anfang der zwanziger und dreißiger Jahre am Bespiel des Romans „Das kunstseidene Mädchen“ von Irmgard Keun


Hausarbeit, 2007

25 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die historische Entwicklung der Frau
2.1 Frauen im Kaiserreich
2.2 Die Weimarer Republik und die ‚neue’ Frau

3. Die Frauenfiguren in „Das kunstseidene Mädchen“
3.1 Doris
3.2 Therese
3.3 Doris Mutter
3.4 Margrete Weißbach und Tilli Scherer
3.5 Ernsts Frau Hanne
3.6 Irmgard Keun

4. Resümee

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema Weiblichkeit Anfang der zwanziger und dreißiger Jahre. Dieser Themenkomplex soll anhand des Romans „Das kunstseidene Mädchen“ von Irmgard Keun untersucht werden.

Zu Beginn der Arbeit werde ich die historische Entwicklung der Frau in der Gesellschaft des Kaiserreichs und der Weimarer Republik betrachten. In der Weimarer Zeit entstand durch die veränderte gesellschaftliche Rolle der Frau ein neues Frauenleitbild der zwanziger Jahre. Dieses neue Frauenbild sowie die gesellschaftliche Stellung der Schauspielerinnen sollen anhand der Protagonistin in Keuns Roman, die dem Glanz der Schauspielerei verfallen ist, charakterisiert werden. Im folgenden Kapitel werde ich die ausgewählten weiblichen Figuren aus dem ‚kunstseidene Mädchen’ im Hinblick auf die traditionelle Rolle der Frau und dem neuen Frauenleitbild der Zwanziger untersuchen.

Kann man die weiblichen Figuren aus dem Roman von der traditionellen Frauenrolle des Kaiserreichs abgrenzen? Und in wieweit entsprechen die Protagonistin Doris und andere weibliche Figuren aus Keuns Roman „Das kunstseidene Mädchen“ der neuen Frauenrolle?

Diese Fragestellungen sollen anhand der Darstellung der historisch entwickelten Frauenrolle und der Charakterisierung der weiblichen Figuren aus dem Roman geklärt werden.

In einem abschließenden Resümee werde ich die Erkenntnisse meiner Arbeit zusammenfassen und reflektieren.

2. Die historische Entwicklung der Frau

In diesem Kapitel möchte ich die historische Entwicklung der Frau vom Kaiserreich bis zur neuen Frau in der Weimarer Republik skizzieren. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit sollen dann die weiblichen Romanfiguren aus Irmgard Keuns ‚kunstseidenem Mädchen’ mit dem neuen Frauenleitbild verglichen und von der traditionellen Rolle abgegrenzt werden.

2.1 Frauen im Kaiserreich

Betrachtet man die Rolle der Frau im 19. Jahrhundert, stellt man fest, dass diese durch verschiedene Faktoren beeinflusst und determiniert wurde. Als maßgeblichster Faktor ist hier der ‚Geschlechtscharakter’ zu nennen, der im Zentrum der Rollendefinition steht und versucht auszudrücken, welche wesentlichen, von der Natur gegebenen, geschlechtsspezifischen Eigenschaften die Rolle von Mann und Frau bestimmen. Diese physischen wie psychischen Faktoren beeinflussen die Einordnung der Frau in die bürgerliche Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Die weiblichen Merkmale dienen als Ergänzung des männlichen ‚Geschlechtscharakters’. Das Wechselspiel männlicher und weiblicher Eigenschaften, die durch die Natur vorbestimmt und legitimiert seien, soll die Vervollkommnung der menschlichen Rasse bewirken. Diese Einteilung legt weiter die gesellschaftliche Position der Geschlechter in der bestehenden patriarchalischen Gesellschaft großteilig fest. „Physis und Psyche der Frau werden primär nach dem Fortpflanzungs- bzw. Gattungszweck und der dazu sozial für optimal erachteten patriarchalischen monogamen Ehe bestimmt, die des Mannes hingegen nach dem Kulturzweck.“[1] Für bürgerliche Frauen galten sittenstrenge Maßstäbe wie z.B. das Verbot vorehelichen Geschlechtsverkehrs, jedoch war es weiter üblich, dass sich Männer vor der Ehe mit Frauen aus der Unterschicht für eine begrenzte Zeit einließen, um sexuelle Bedürfnisse auszuleben.

Die durch die ‚Geschlechtscharakteristika’ begründete Stellung der Frau im Bürgertum des 19. Jahrhunderts wurde durch die finanziellen Gegebenheiten dieser Schicht zusätzlich geprägt. „Die ökonomische Situation bürgerlicher Schichten eröffnete die Möglichkeit, die meisten Familienmitglieder von Erwerbsarbeit freizustellen“[2], denn der Mann konnte durch seinen Verdienst die Familie finanziell ausreichend unterhalten. Die Frau erhielt dadurch vor allem die Aufgaben, ihren Mann zu unterstützen und für Haushalt und Kinder zu sorgen. Je nach Verdienst des Mannes konnten diese Tätigkeiten durch Dienstpersonal erledigt werden. Somit entbunden von ihren haushaltlichen Pflichten hatte die Frau die Möglichkeit, ihre Zeit frei einzuteilen. Doch diese Freizeit wurde auch in Bezug auf die Geschlechtszugehörigkeit gestaltet und mit weiblichen Tätigkeiten ausgefüllt. Aufgrund der finanziellen Abhängigkeit von ihrem Mann war es der Frau nicht gestattet, sich selbständig im öffentlichen Leben zu präsentieren. Im gesellschaftlichen Leben fiel es der Frau zu, neben ihrem Mann repräsentativ zu erscheinen. Zurückhaltung, Bescheidenheit, Anpassung an den Ehemann, Schicklichkeit, Liebenswürdigkeit und nicht zuletzt Anmut und Schönheit wurden von den Männern begehrt.[3] Erst die aufkeimende Frauenbewegung, die zunehmende Emanzipation der Frauen Ende des 19. Jahrhunderts, hat für „die ideelle Seite der Frage nach Wesen und Stellung der Frau ihren Ausgang gebildet, ihr ihre Eigentümlichkeit und ihre Kraft verliehen.“[4] Beispielsweise versuchte die Frauenbewegung mit dem Programm ‚Organisierte Mütterlichkeit’ gleichberechtigt an den Privilegien und der Entwicklung der männlichen Kultur teilzunehmen, ohne die weibliche Identität aufgeben zu müssen. Dies kann als Abwehrkampf gegen eine ökonomische, politische und geschlechtsneutral erscheinende Entwicklung beschrieben werden, die aber tatsächlich die ungleiche Machtverteilung und die unterschiedlichen Lebenssituationen der Geschlechter überspielten und verschärften. Die isolierte Beziehung einer Frau zu einem Mann sollte somit aufgesprengt werden. Dabei war nicht beabsichtigt die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen aufzuheben, sondern neu zu organisieren und damit die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zu überwinden. „Einflu[ss] sei für Frauen nur dann durchzusetzen, wenn sie zur ‚Kulturentwicklung’ etwas beitrügen, was Männer nicht könnten.“[5]

Die bürgerliche Frauenbewegung kämpfte u.a. für bessere Bildungsmöglichkeiten für Frauen. Ein Erfolg war im Jahre 1900 das Immatrikulationsrecht für Frauen.

2.2 Die Weimarer Republik und die ‚neue’ Frau

Mit der Gründung der Weimarer Republik erhielten Frauen das Wahlrecht. Auch brachte die Weimarer Republik den grundsätzlichen Gleichstellungsanspruch der Geschlechter in der Verfassung. Das Verhältnis zur Sexualität wandelte sich. Erstmals wurde öffentlich über Verhütung gesprochen und die Entmystifizierung der Sexualität durch naturwissenschaftliche Betrachtungsweisen erreicht. Weiter fanden Diskussionen über die steigende Zahl der Abtreibungen statt, da durch die sinkende Kinderzahl die Bedrohung der Familie gesehen wurde. Als eine mögliche Ursache der geringer werdenden Geburtenrate sah man auch die steigende Erwerbstätigkeit der Frauen.

Durch die Veränderung der Normen geschlechtsspezifischen Verhaltens, welche sich in der Reorganisation der Lohnarbeit während des ersten Weltkrieges entwickelte, entstand Mitte der 20er Jahre ein neues Frauenleitbild. Die Integration der Frauen in die Lohnarbeit stagnierte zwischen den zwei Weltkriegen und erfüllte somit nicht die Hoffnung der meisten Frauen, die eroberten qualifizierten Arbeitsplätze in der Industrie und im Dienstleistungsbereich, in denen die Frauen die im ersten Weltkrieg kämpfenden Männer ersetzt hatten, nach dem Krieg behalten zu können. Die von den Frauenbewegungen geforderte

zunehmende Integration der Frauen in die Lohn- bzw. Berufsarbeit sollte zur Folge haben, dass die Frauen gleiche Fähigkeiten der Berufsausübung, der Teilnahme an den entsprechenden Interessenorganisationen, des Erwerbs rationaler Denk- und Handlungsstrukturen oder der Befähigung zu klassenbewusstem Handeln, im Gegensatz zu den an den rückständigen häuslichen Kreis gebundenen Frauen, entwickeln und unter Beweis stellen würden.[6]

Weiter sollte so die Angleichung der Geschlechter geschehen. Es entstand so eine neue weibliche Lebensweise und Mode, ein neues Frauenbild von der berufstätigen und großstädtischen Frau. Mode und Frisur zeichneten sich durch Sportlichkeit und praktische Handhabbarkeit aus, bspw. kurze Kleider und ein männlichem Garçonschnitt*. Weiter legten Frauen in der Öffentlichkeit Verhaltensweisen an den Tag, die vorher Männern vorbehalten waren, wie bspw. Rauchen, Radfahren, Wandern und einige Sportarten, die dank der neuen Mode ausgeübt werden konnten. Dies beschreibt auch den Beginn der Entwicklung einer neuen Freizeitkultur für die Masse, der als ein Versuch der Schicht der Angestellten gesehen werden kann, sich eine kollektive Identität zu schaffen und sich über den Konsum definieren zu können.

Das neue Frauenbild zeichnete sich weiter durch eine offensive und aktive Sexualität aus, wozu kurze Röcke und Schminke gehörten und für junge Frauen einen Gewinn an persönlichem Spielraum darstellten.

Es zeigte sich aber auch ein Widerspruch zwischen dem Bild der jungen, attraktiven berufstätigen Frau, wie in Romanen, Filmen und Magazinen der Weimarer Zeit dargestellt, und der Realität der jungen weiblichen Angestellten. Diese waren aus dem Kleinbürgertum und Bürgertum abgestiegen oder aus dem Arbeitermilieu aufgestiegen und unterstützten meistens noch die Familie mit ihrem geringen Lohn. Wahrscheinlich mussten sie der Mutter nach Arbeit und Überstunden noch im Haushalt helfen und standen unter dem Regiment eines patriarchalischen Vaters.

Das traditionelle Frauenleitbild der Ehefrau, Mutter und Hausfrau verschwand jedoch nicht ganz aus dem neueren Frauenbild:

Die weiblichen Reize sollten schließlich von der harten, rationalisierten Übergangsberufstätigkeit ohne Aufstiegsmöglichkeiten erlösen und in der Ehe, einer neuen Kleinfamilie mit kleiner und kontrollierter Kinderzahl enden.[7]

Aber auch die kinderlose Ehe, in der beide Partner berufstätig sind, und die Kameradschaftsehe wurden positiv dargestellt. Als Folge dieser Ehegemeinschaften kann die sinkende Kinderzahl am Ende der Weimarer Republik gesehen werden.

Die Dienstleistungsarbeit dehnte sich aufgrund der technologischen Veränderungen in der Produktion und durch Unternehmenszusammenschlüsse sehr stark aus. Die so genannte Massenfertigung bewirkte die Ausweitung von Verwaltungsarbeiten. Somit wurden mehr Arbeitskräfte in dieser Sparte benötigt. Durch die weibliche Berufstätigkeit entwickelt sich eine neue Konsumkultur in der die neuen Konsummöglichkeiten, wie synthetische Stoffe, Seidenstoffe, kurze Röcke, Zigaretten, Alkohol und Kosmetika, der modernen Frau eine ausgeprägtere individualisierte Selbstdarstellung bot. Durch Schminke wurde in der neuen Zeit auch der Übergang vom Mädchen zur Frau symbolisiert.

[...]


[1] Hausen, Karin: Die Polarisierung der „Geschlechtscharaktere“ - Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben. In: W. Conze (Hg.): Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas. Stuttgart 1976, S. 369.

[2] Frevert, Ute: „Mann und Weib, und Weib und Mann“. Geschlechter-Differenzen in der Moderne, München 1995, S. 140.

[3] Vgl. Hausen, Die Polarisierung der „Geschlechtscharaktere“, S. 368.

[4] Oekinghaus, Emma: Die gesellschaftliche und rechtliche Stellung der deutschen Frau, Jena 1925, S. 29.

[5] Stoehr, Irene: „Organisierte Mütterlichkeit“. Zur Politik der deutschen Frauenbewegung um 1900. In: Hausen, Karin: Frauen suchen ihre Geschichte. Historische Studien zum 19. und 20. Jahrhun dert. München 1983, S. 223.

[6] Kramer, Hildegard: Veränderungen in der Frauenrolle in der Weimarer Republik. In: Sozialwis senschaftliche Forschung und Praxis für Frauen e.V.: Frauengeschichte. Beiträge zur feministi schen Theorie und Praxis 5. Dokumentation des 3. Historikerinnentreffen in Bielefeld, April 81. München 1981, S. 19 Spalte 2. * männlicher Kurzhaarschnitt

[7] Kramer, Veränderungen in der Frauenrolle in der Weimarer Republik, S. 20 Spalte 2.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Weiblichkeit Anfang der zwanziger und dreißiger Jahre am Bespiel des Romans „Das kunstseidene Mädchen“ von Irmgard Keun
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Veranstaltung
Kästner, Keun und Co. Kunst und Literatur der zwanziger und dreißiger Jahre
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
25
Katalognummer
V78357
ISBN (eBook)
9783638829120
Dateigröße
565 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Weiblichkeit, Anfang, Jahre, Bespiel, Romans, Mädchen“, Irmgard, Keun, Kästner, Keun, Kunst, Literatur, Jahre, Thema Das kunstseidene Mädchen
Arbeit zitieren
Katharina Plottke (Autor:in), 2007, Weiblichkeit Anfang der zwanziger und dreißiger Jahre am Bespiel des Romans „Das kunstseidene Mädchen“ von Irmgard Keun, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78357

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Weiblichkeit Anfang der zwanziger und dreißiger Jahre am Bespiel des Romans „Das kunstseidene Mädchen“ von Irmgard Keun



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden