Mindestlöhne und Arbeitsmärkte in einer globalisierten Welt: Das Modell von Davis


Seminararbeit, 2006

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1. Einleitung

2. Mindestlöhne in einer globalisierten Welt
2.1. Flexible Löhne in einer geschlossenen Volkswirtschaft
2.2. Mindestlöhne in einer geschlossenen Volkswirtschaft
2.3. Mindestlöhne in einer offenen Volkswirtschaft mit nur einem identischen Handelspartner
2.4. Mindestlöhne in einer offenen Volkswirtschaft mit einem unterschiedlich großen Handelspartner
2.5. Mindestlöhne in einer offenen Volkswirtschaft mit globalen Handelspartnern

3. Arbeitsmärkte in einer globalisierten Welt
3.1. Einfluss von Veränderungen im Faktorausstattungsverhältnis
3.1.1. Erhöhung der Ausstattung mit hochqualifizierter Arbeit in den USA
3.1.2. Erhöhung der Ausstattung mit hochqualifizierter Arbeit in Europa
3.1.3. Erhöhung der Ausstattung mit niedrig qualifizierter Arbeit in den USA
3.1.4. Erhöhung der Ausstattung mit niedrig qualifizierter Arbeit in Europa
3.2. Einfluss niedrig qualifizierter Zuwanderung

4. Entwicklung der Faktorpreisverhältnisse

5. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Arbeitslosigkeit im Gleichgewicht

Abbildung 2: Freihandel erhöht europäische Arbeitslosigkeit

Abbildung 3: Der amerikanische Import bestimmt die europäische Arbeitslosigkeit

Abbildung 4: Die Einführung der NIC erhöht die europäische Arbeitslosigkeit ohne Amerika zu beeinflussen

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

„Freihandel steigert den Wohlstand aller daran teilnehmenden Volkswirtschaften!“ Dies ist eine Botschaft, die bereits auf Ricardo (1817) zurückgeht und auch heute noch als gültig angesehen wird. Dieser Theorie folgend sollten die Effekte der immer weiter steigenden Globalisierung besonders in Europa und den USA positive Effekte auf den Wohlstand haben, da diese Länder den größten Anteil am Freihandel haben. Doch obwohl Globalisierung und Welthandel in Europa und den USA immer weiter zunehmen, haben diese beiden Volkswirtschaften derzeit mit zwei sehr wichtigen Problemen zu kämpfen: In Europa herrscht eine konstant hohe Arbeitslosenquote[1], während die USA Probleme mit einer immer ungleicher werdenden Lohnstruktur haben. Dort steigt nicht nur die Entlohnung hochqualifizierter Arbeitnehmer relativ zu der niedrigqualifizierter Arbeitnehmer, sondern parallel zu dieser auch ihre relative Beschäftigung (Krugman/Lawrence (1993) S.15), was zu einer immer größer werdenden Kluft zwischen den sozialen Schichten führt.

Den Ursachen für diese Entwicklungen versucht Davis (1998) mittels einer Modellbetrachtung auf den Grund zu gehen. Zwar gab es in der Literatur bereits vor Davis einige Versuche, den Gründen für die augenblicklichen Entwicklungen auf die Spur zu kommen, doch waren diese Untersuchungen bisher entweder isolierte Betrachtungen einzelner Länder oder sie gaben sich mit der Betrachtung der Beziehungen zwischen einzelnen Ländern zufrieden. Davis hingegen versucht es mit einem globalen Ansatz. Im Zentrum seiner Betrachtungen steht dabei die Untersuchung, wie sich die Existenz bindender Mindestlöhne[2] in Europa auf die Arbeitsmärkte in einer globalisierten Welt auswirken (vgl. auch Krugman (1995), Landmann/Pflüger (1996) und ob diese als Auslöser für die oben genannten Probleme in Frage kommen. Wie aktuell diese Betrachtung ist, zeigt beispielsweise ein Blick nach Deutschland, wo die Einführung von Mindestlöhnen derzeit diskutiert und beispielsweise von den Gewerkschaften[3] auch gefordert wird. Davis legt seinen Untersuchungen das Heckscher-Ohlin-Modell[4] zugrunde, das für die Untersuchung von relativen Lohnbewegungen weithin anerkannt ist.

2. Mindestlöhne in einer globalisierten Welt

2.1. Flexible Löhne in einer geschlossenen Volkswirtschaft

Ausgangslage für die Untersuchungen von Davis ist ein modellhaftes Europa ohne Außenhandel, auf dessen Märkten ein „Allgemeines Gleichgewicht[5] “ herrscht. Die Voraussetzungen für ein solches Modell sind: Polypolistische Marktform, vollständige Transparenz und Informa­tion auf den Märkten, Homogenität der Güter, Produktionsfunktionen mit abnehmenden Grenzprodukten, völlige Flexibilität der Preise und unendlich schnelle Anpas­sungsreaktionen. Als Produktionsfaktoren stehen in diesem Modell die Faktoren hochqualifizierte Arbeit H sowie niedrigqualifizierte Arbeit L zur Verfügung. Beide Faktoren sind vollbeschäftigt, solange die hier gemachten Modellannahmen zutreffen. Der Lohn der hochqualifizierten Arbeit wird im Folgenden mit dem Buchstaben r bezeichnet, der Lohn der niedrig qualifizierten Arbeit mit dem Buchstaben w. In dieser Volkswirtschaft werden einerseits das High-Tech Gut X sowie das Low-Tech Gut Y produziert. Für die Produktion des Gutes X wird der Faktor H verhältnismäßig stark beansprucht, während für die Produktion des Gutes Y der Faktor L verhältnismäßig stark eingesetzt werden muss. Da vollkommener Wettbewerb herrscht, entsprechen die Güterpreise den Grenzkosten der Produktion. Da in diesem Modell ausschließlich mit den beiden Faktoren H und L produziert wird, stehen die Grenzkosten in direkter Abhängigkeit zu den Faktorpreisen (w und r). Zusätzlich soll Gut Y als numéraire-Gut[6] sein. Daraus folgt, dass das Güterpreisverhältnis Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenvereinfacht werden kann zu Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Das Güterpreisverhältnis entspricht also dem Preis des (High-Tech-) Gutes X. Setzen wir die Faktorausstattungen der Faktoren L und H ins Verhältnis, so erhalten wir das Faktorausstattungsverhältnis Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anhand von Abbildung 1 soll jetzt erklärt werden, wie die Einführung eines bindenden Mindestlohnes zur Entstehung von Arbeitslosigkeit führt.

Betrachten wir anfangs ausschließlich den ersten Quadranten dieser Abbildung. Hier ist die Beziehung zwischen dem Faktorausstattungsverhältnis h und dem Güterpreisverhältnis P dargestellt.

Was geschieht, wenn sich das Faktorausstattungsverhältnis h verändert? Nehmen wir an, dass es (zum Beispiel durch Bildungsmaßnahmen) zu einer Verschiebung innerhalb der Bevölkerung kommt: Der Bestand an hochqualifizierten Arbeitskräften steigt, während der Bestand an gering qualifizierter Arbeit abnimmt. Durch diese Verschiebung kommt es dem Heckscher-Ohlin-Theorem[7] folgend zu einer Ausweitung der Produktion des High-Tech-Gutes X in Relation zur Produktion des Low-Tech-Gutes Y. Durch diese Veränderung in der Produktion kommt ein neues Allgemeines Gleichgewicht zustande, in dem P geringer[8] ist als zuvor.

Im zweiten Quadranten kann die Beziehung zwischen Güterpreisverhältnis P und dem Lohn der gering qualifizierten Arbeit (w) abgelesen werden. Je höher das Güterpreisverhältnis steigt, desto weiter sinkt der Lohn der gering qualifizierten Arbeit. Der hier abgebildete Mechanismus wurde ausführlich in dem von Wolfgang Stolper und Paul Samuelson 1941 auf dem Heckscher-Ohlin-Theorem basierenden Stolper-Samuelson-Theorem[9] beschrieben.

Da es in einem Modell des „Allgemeinen Gleichgewichts“ bei flexiblen Faktorpreisen zu einer Vollbeschäftigung der Faktoren kommt, kann in Abbildung 1 folgendes abgelesen werden: Das Faktorausstattungsverhältnis Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenbestimmt über das Heckscher-Ohlin-Theorem (erster Quadrant) das Güterpreisverhältnis Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Dieser bestimmt wiederum über das Stolper-Samuelson-Theorem (zweiter Quadrant) den Lohn der gering qualifizierten Arbeit Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

2.2. Mindestlöhne in einer geschlossenen Volkswirtschaft

Führt die Volkswirtschaft nun für den Faktor niedrig qualifizierte Arbeit den bindenden Mindestlohn w* ein, so sind die soeben genannten Mechanismen nicht ausgehebelt. Vielmehr muss bei der Betrachtung nun der umgekehrte Weg gegangen werden. Gemäß dem Stolper – Samuelson – Theorem (zweiter Quadrant) kann der Mindestlohn w* nur erreicht werden, wenn das

Güterpreisverhältnis dem Punkt P* entspricht. Durch die Einführung des Mindestlohnes wird also nicht nur der Mindestlohn auf w*, sondern auch das Güterpreisverhältnis auf P* fixiert. Dieser Preis kann gemäß dem Heckscher – Ohlin – Theorem allerdings nur erreicht werden, wenn das Faktorausstattungsverhältnis bis auf h* steigt. Wie klar zu sehen ist, weicht damit h* von dem im Inland gegebenen Faktorausstattungsverhältnis ab. Um dies zu erreichen, müsste theoretisch entweder der Einsatz des Faktors hochqualifizierte Arbeit H steigen oder der Einsatz des Faktors niedrigqualifizierte Arbeit L sinken. Da der Faktor H den Annahmen gemäß

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

jedoch bereits voll beschäftigt ist, kann das Faktorausstattungsverhältnis h nur erhöht werden, indem der Einsatz des Faktors L, also der niedrig qualifizierten Arbeit, reduziert wird. Dies führt zu einer „notwendigen Unterbeschäftigung (Arbeitslosigkeit)“ des Faktors L, die in einem festen Verhältnis zum gesetzten Mindestlohn w* steht. Dieser Zusammenhang kann im dritten Quadranten der Abbildung 1 abgelesen werden: Je höher der Mindestlohn w* gesetzt wird, desto stärker steigt die Arbeitslosigkeit U des Faktors niedrig qualifizierte Arbeit.

Betrachten wir nun Abbildung 2. Ohne einen festgelegten Mindestlohn könnte Europa jeden Punkt auf der Transformationskurve[10] zwischen C’C erreichen. Führt Europa einen Mindestlohn ein, so wird in Europa nur noch zwischen den Punkten C’ und A auf der Produktionsmöglichkeitengrenze produziert werden. Dies begründet sich wie folgt: Die Güterbündel zwischen diesen beiden Punkten werden von den Produzenten nur produziert, so lange Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenin Relation zuAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltensehr hoch ist, entsprechend das Güterpreisverhältnis P sehr klein ist. Annahmegemäß soll das Güterpreisverhältnis zwischen C’ und A unter P* liegen. Damit liegt der Gleichgewichtslohn w bei Vollbeschäftigung über w*(siehe Abbildung 1), eine „notwendige Arbeitslosigkeit“ entsteht nicht. Wir nehmen an, dass in Punkt A das Güterpreisverhältnis genau P* entspricht. Eine weitere Produktion auf der Produktionsmöglichkeitengrenze zwischen den Punkten A und C würde nun allerdings nur zustande kommen, wenn der Preis des Gutes X in Relation zum Preis des Gutes Y über P* hinaus steigt. Da dies aber, wie bereits erläutert, durch den bindenden Mindestlohn nicht möglich ist, werden die Produzenten ihren Output nicht über den Punkt A hinaus in Richtung des Punktes C verändern.

Wie der Indifferenzkurve[11] Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenentnommen werden kann, wünschen die Konsumenten zum im Punkt A herrschenden Preisverhältnis P* allerdings das Güterbündel in Punkt A’ zu konsumieren, da hier die Steigung des Güterpreisverhältnis mit der der Indifferenzkurve übereinstimmt. Es entsteht ein Nachfrageüberhang bezüglich des Gutes X und ein Angebotsüberhang bezüglich des Gutes Y. Im Normalfall würde dieses Ungleichgewicht durch Preisänderungen ausgeglichen werden. Durch den fixierten Mindestlohn kann dieser Anpassungsprozess jedoch nicht in Kraft treten. Nun muss ein Güterbündel gefunden werden, bei dem sich zum gegebenen Preisniveau P* Angebot und Nachfrage beider Güter entsprechen. Die Produzenten werden ihre Produktion des Gutes X ausweiten, um den Nachfrageüberhang zu befriedigen. Da der hierzu besonders intensiv benötigte Faktor H allerdings bereits im Punkt A vollbeschäftigt ist, ist eine Ausweitung der Produktion nur möglich, indem die Produktion des Gutes Y eingeschränkt wird. Es kommt zu der bereits weiter oben angesprochenen „notwendigen Arbeitslosigkeit“ des Faktors L. Eine Produktionsausweitung des Gutes X findet nur entlang der Rybczynski[12] – Linie zwischen Punkt A und Punkt B statt, bis sich Angebot und Nachfrage entsprechen. Dies ist, wie Abbildung 2 zeigt, im Punkt E der Fall. Hier entspricht die Steigung der Indifferenzlinie Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltendem durch den Mindestlohn fixierten Güterpreisniveau P* innerhalb der technischen Produktionsmöglichkeiten der Volkswirtschaft (und nicht außerhalb, wie im Punkt A’). Offensichtlich werden die Produktionsmöglichkeiten Europas (Linie C’C) nicht ausgeschöpft. Da die erreichte Indifferenzlinie Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltendeutlich innerhalb der technischen Produktionsmöglichkeiten (und damit näher am Ursprung) liegt, ist der Wohlstand in Europa geringer, als er es bei flexiblen Löhnen wäre.

2.3. Mindestlöhne in einer offenen Volkswirtschaft mit nur einem identischen Handelspartner

Nehmen wir nun an, dass Europa den Handel mit einem Land aufnimmt, in dem flexible Löhne herrschen, das sich ansonsten jedoch mit dem bisher betrachteten Europa als absolut identisch erweist. Davis nimmt die USA als ein Beispiel für ein solches Land an. Diese Annahmen führen dazu, dass die USA die selbe Produktionsmöglichkeitengrenze C’C aufweisen, wie Europa. Hierdurch gäbe es in einem Europa ohne Mindestlöhne keinen Außenhandel, da es hierfür keine Anreize gäbe.

Unseren Annahmen folgend kann sich aufgrund des in Europa herrschenden Mindestlohns jedoch nicht das gleichgewichtige Güterpreisverhältnis Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalteneinstellen. Stattdessen herrscht das Güterpreisverhältnis P*. Zu diesem Preis wünschen die USA jedoch Konsum entsprechend des Güterbündels A’. Dieses Güterbündel können sie jedoch mit eigenen Mitteln nicht erreichen, da es, wie in Europa, außerhalb der Produktionsmöglichkeitengrenze C’C liegt. Da es in unserem Modell nun die Möglichkeit des Außenhandels gibt, produzieren die USA zu dem aus Europa vorgegebenen Güterpreisverhältnis P* im Punkt A, denn sie produzieren also weniger X und mehr Y als in ihrem Land nachgefragt wird, da die Nachfrager die Möglichkeit haben, aus Europa die Mindermenge (Überproduktion) X (Y) zum dort herrschenden Güterpreisverhältnis zu importieren (exportieren). Dies führt zu einem Außenhandel, der im Umfang der Linie AA’ entspricht. Das bedeutet, dass die europäischen Produzenten die Produktion des Gutes X aufgrund der ausländischen Nachfrage ausweiten werden. Dies ist aufgrund des fixierten Mindestlohnes w* und des oben erläuterten Rybczynski – Theorems jedoch nur dann möglich, wenn in Europa die Produktion weiter auf der AB – Linie in Richtung des Punktes B verlagert wird. Die Verlagerung der Produktion muss bis zum Punkt F erfolgen, um die Importwünsche Amerikas befriedigen zu können (hier entspricht die AE – Linie in der Länge der EF – Linie). Da im Inland die Nachfrage durch die Steigung der Indifferenzkurve vorgegeben wird, wird das Güterbündel F’ konsumiert (Begründung siehe oben). Offensichtlich sind die Folgen des Außenhandels für Europa äußerst unangenehm. Im hier angenommenen Fall eines identischen Handelspartners kommt es exakt zu einer Verdopplung der Arbeitslosigkeit. Zudem kann im Konsumpunkt F’ nur eine wiederum näher am Ursprung liegende Indifferenzkurve erreicht werden. Der Wohlstand Europas sinkt damit weiter.

Für Amerika sind die Auswirkungen europäischer Niedriglohnpolitik hierbei ausschließlich positiv: Nicht nur, dass Amerika einen höheren Wohlstand für sich generieren kann (Indifferenzlinie Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, die außerhalb der technischen Produktionsmöglichkeiten eines Landes liegt), zusätzlich steigt in Amerika auch der Lohn w der gering qualifizierten Arbeitskräfte auf den in Europa festgelegten Mindestsatz w*. Und das bei weiterhin herrschender Vollbeschäftigung beider Faktoren in Amerika.

Zu erklären ist diese Angleichung des amerikanischen Lohnes w durch das Faktorpreisausgleichstheorem[13]. Europa exportiert den sozialen Wohlstand somit „frei Haus“.

2.4. Mindestlöhne in einer offenen Volkswirtschaft mit einem unterschiedlich großen Handelspartner

Da die Annahme eines identischen Handelspartners sehr realitätsfern ist, soll jetzt der Grad der Abhängigkeit zwischen der europäischen Arbeitslosigkeit und der Größe des Handelspartners untersucht werden. Hierzu soll die Abbildung 3 betrachtet werden: Auf der Ordinate ist der Preis des Güterpreisverhältnis abzulesen, auf der Abszisse kann rechts der Ordinate der europäische Export, links der Ordinate der europäische Import des Gutes X abgelesen werden. Im Außenhandelsgleichgewicht zweier gleicher Länder ohne Mindestlöhne wäre der Schnittpunkt beider Kurven direkt auf der Ordinate (Punkt G), ein Außenhandel fände (wie bereits weiter oben festgestellt) nicht statt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Durch den Mindestlohn in Europa erhält die Importnachfrage-/ Exportangebotskurve Europas nun allerdings einen Bereich, der parallel zur Abszisse verläuft. Im Falle der Autarkie in Verbindung mit Mindestlöhnen wird Europa den Punkt E wählen und eine geringe „notwendige“ Arbeitslosigkeit akzeptieren (siehe oben). Kommt nun allerdings Außenhandel mit Amerika hinzu, so ändert sich das Bild. Da Amerika weiterhin definitionsgemäß genauso groß ist, wie Europa wird sich die

Arbeitslosigkeit in Europa durch die Aufnahme des Handels verdoppeln. Der Punkt T wird relevant.

Wird die Annahme, Amerika und Europa seien zwei bis auf die Mindestlöhne identische Länder, nun aufgehoben, so wird sich auch der

Schnittpunkt der beiden Kurven verschieben. Eine Rechtsverschiebung in Richtung des Punktes B (gleichbedeutend mit einem größeren Handelspartner und entsprechend größeren Importvolumen dieses Partners) würde bedeuten, dass die europäischen Produzenten ihre Produktion des Gutes X aufgrund der immer größer werdenden Auslandsnachfrage immer weiter ausweiten würden. Dies würde wieder eine Wanderung auf der Rybczynski – Linie gem. Abbildung 2 bedeuten. Die Arbeitslosigkeit steigt weiter, der europäische Wohlstand sinkt. In Punkt B (Abbildung 2 und 3) wird in Europa nur noch das Gut X hergestellt. Wandert der Schnittpunkt über den Punkt B hinaus weiter nach rechts (ist das Land, mit dem Außenhandel betrieben wird, also wesentlich größer als Europa) so können die europäischen Produzenten die Auslandsnachfrage nicht mehr bedienen, da sie zum gegebenen Relativpreis Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltennicht bereit sind, mehr X zu produzieren. Erst wenn der Mindestlohn aufgegeben werden würde, der Preis Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenalso über P* steigen kann, weiten die europäischen Produzenten die Produktion des Gutes X in Richtung der Produktions-möglichkeitengrenze (Punkt C in Abbildung 2 und 3) aus.

Kommt es zu einem Schnittpunkt zwischen E und T, so steigt die Arbeitslosigkeit im Verhältnis zum Autarkiezustand zwar ebenfalls, es findet jedoch keine komplette Verdoppelung statt, wie bei der Annahme zweier gleich großer Länder.

Bei Schnittpunkten zwischen A und E kommt es gar zu einer Verbesserung der Lage im Vergleich zum Autarkiezustand, die Arbeitslosigkeit in Europa geht zurück, da wir gemäß Abbildung 2 vom Punkt E auf der Rybczynski – Linie in Richtung des Punktes A wandern würden.

Weiterhin ist auch der Fall denkbar, dass die ausländische Nachfrage derart wirkt, dass der Schnittpunkt über den Punkt A nach „links“ hinaus wandert. Das Preisverhältnis P ist in diesem Fall weltweit geringer als P*, der Weltlohn für den Faktor L liegt über w*, der gesetzte Mindestlohn kommt nicht zum Tragen, es findet keine Wohlstandsreduzierung statt, eine Unterbeschäftigung tritt nicht ein.

Wie diese Betrachtung zeigt, sind Mindestlöhne nur dann durchsetzbar, wenn die Volkswirtschaft, in der dieser Mindestlohn gilt, im Vergleich zur Weltwirtschaft ausreichend groß ist, da ansonsten ein Mindestlohn in einer offenen Volkswirtschaft nicht realisierbar ist.

2.5. Mindestlöhne in einer offenen Volkswirtschaft mit globalen Handelspartnern

Nachdem nun die Auswirkungen u>m die (sehr modellhafte) Annahme erweitert wurde, dass Europa nur mit einem einzigen Partner Handel treibt, soll das Modell in Abbildung 4 abschließend um einen weiteren Handelspartner erweitert werden. In seinem Modell geht Davis davon aus, dass es sich bei diesem neuen Handelspartner um eine bisher nicht in Erscheinung getretene, isolierte Region von Schwellenländern (NIC[14] ) handelt. Ziel dieser Erweiterung soll es sein, herauszufinden, ob der in seinem Umfang stetig steigende Welthandel Einfluss auf die Lohnniveaus in Europa und in den USA hat. Diese Frage wurde bereits mehrfach in der Literatur behandelt – mit unterschiedlichen Ergebnissen. So kam Wood (1994) zu dem Schluss, dass der Eintritt der Schwellenländer zum Welthandel die weltweiten Faktorpreise beeinflusst, während Modigliani (1995, S.7) die Annahme, dass steigender Welthandel die europäische Arbeitslosigkeit erhöht, gar als Zeichen ökonomischen Analphabetentums ablehnt. Betrachten wir nun (Abbildung 4), wie der Eintritt der NIC auf unser Modell wirkt. Angenommen, der europäische Mindestlohn habe bisher mit dem amerikanischen Freihandelslohn übereingestimmt, so sei ein Welthandel bisher nicht zu Stande gekommen (Schnittpunkt G der amerikanischen Nachfragekurve mit der europäischen Angebotskurve). Die europäische Arbeitslosigkeit ist in diesem Punkt lediglich die bereits weiter oben angesprochene „notwendige“ Arbeitslosigkeit bei Autarkie. Treten nun die NIC in dieses Modell ein, so verschiebt sich die Nachfragekurve nach rechts. Die Auswirkung dieser Verschiebung sind für Europa dieselben, wie bereits in Gliederungspunkt 2.4 ausführlich besprochen: Steigende Arbeitslosigkeit bei sinkendem Wohlstand. Die USA hingegen werden durch die europäische Mindestlohnpolitik komplett von diesen Einflüssen abgeschirmt, da das Güterpreisniveau P* (innerhalb der kapazitätsbedingt begrenzten Möglichkeiten Europas) weltweit unverändert bleibt. Somit trägt Europa die gesamte Last der neu eintretenden Marktteilnehmer.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


[1] Arbeitslosenquote Europa 2005: 8,1 % Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Referat Information (2005); Tabelle 9.14

[2] Unter einem bindenden Mindestlohn versteht man einen Mindestlohn w*, der sich oberhalb eines gleichgewichtigen Lohnniveaus befindet, das sich bei vollständig flexiblen Löhnen ohne Beschränkung bilden würde. Ein bindender Mindestlohn w* verhindert somit, dass der Markt geräumt wird.

[3] Die Position des DGB in der aktuellen Debatte: http://www.dgb.de/themen/themen_a_z/abisz_doks/m/mindestloehne.htm/

[4] Das Modell von Heckscher und Ohlin geht von Unterschieden in der Faktorausstattung verschiedener Länder als Grund für Spezialisierung und Handel aus. Für eine ausführliche Darstellung siehe auch Krugman/Obstfeld 2000, S. 66 ff

[5] Das „Allgemeine Gleichgewicht“ ist der Zustand, in dem auf allen teilnehmenden Märkten Angebot und Nachfrage übereinstimmen. Für eine ausführliche Darstellung siehe auch Wong (1995) S. 23 - 39

[6] Ein numéraire-Gut ist ein Gut, dessen Wert die Einheit darstellt, in der die Werte aller anderen Güter ausgedrückt werden. Vereinfachend setzt man den Wert dieses Gutes mit 1 an.

[7] Das Heckscher-Ohlin-Theorem: Eine Volkswirtschaft spezialisiert sich auf die Produktion eines Gutes, wenn sie mit dem Faktor besonders reich ausgestattet ist, der bei der Produktion des Gutes besonders intensiv zum Einsatz kommt (Ethier (1997), S. 146,ff).

[8] Das gestiegene Güterangebot X wirkt dämpfend auf den Preis , während die Verknappung des Gutes Y erhöhend auf den Preis wirkt. Somit sinkt das Güterpreisverhältnis

[9] Das Stolper-Samuelson-Theorem: Wenn der Relativpreis eines Gutes zunimmt, steigt die reale Entlohnung des Faktors, der bei der Produktion dieses Gutes intensiv genutzt wird, während die Realentlohnung des anderen Faktors sinkt. (Ethier (1997), S. 152-153)

[10] Die Transformationskurve (auch Produktionsmöglichkeitenkurve) zeigt die Produktionsmöglichkeiten einer Volkswirtschaft bei gegebener Größe der vorhandenen Produktionsfaktoren. Wird auf der Transformationskurve produziert, sind die verfügbaren Produktionsfaktoren voll ausgelastet.

[11] Die Indifferenzkurve stellt hier alle Kombinationen aus den Mengen zweier Güter (den so genannten Güterbündeln) dar, die dem Haushalt den gleichen Nutzen liefern. Je weiter die Indifferenzkurve vom Ursprung entfernt liegt, desto höher ist das Nutzenniveau.

[12] Rybczynski – Theorem: Bei konstanten Güterpreisen (also im Welthandelsgleichgewicht) wird bei der Zunahme eines Faktors die Produktion des Gutes gesteigert, bei der der zunehmende Faktor intensiv zum Einsatz kommt, während die Produktion des anderen Gutes abnimmt.(vgl. auch Ethier (1992) S. 153 – 157). Die „Rybczynski-Linie“ verdeutlicht dieses Theorem grafisch.

[13] Faktorpreisausgleichstheorem: Bei Freihandel wird in jedem Land der relativ teure, weil relativ knapp vorhandene Produktionsfaktor durch Spezialisierung relativ eingespart, was seinen Preis senkt. Dadurch passen sich die Grenzkostenverhältnisse dem Weltpreisverhältnis an, so dass am Ende die relativen und auch die absoluten Faktorpreise in beiden Ländern übereinstimmen. (vgl. auch Ethier (1992) S. 149 – 151)

[14] NIC: „Neu-industrialisierte Länder“ oder auch Schwellenländer sind Staaten, die traditionell noch zu den Entwicklungsländern gezählt wird, aber nicht mehr deren typische Merkmale aufweist. Deshalb wird ein solches Land begrifflich von den Entwicklungsländern getrennt. Gelegentlich wird ein solches Land auch als „take-off country“ bezeichnet, da es die typischen Strukturmerkmale eines Entwicklungslandes überwunden hat und im Begriff ist, sich von dieser Gruppe abzuheben.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Mindestlöhne und Arbeitsmärkte in einer globalisierten Welt: Das Modell von Davis
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
22
Katalognummer
V80204
ISBN (eBook)
9783638868969
ISBN (Buch)
9783638869126
Dateigröße
571 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mindestlöhne, Arbeitsmärkte, Welt, Modell, Davis
Arbeit zitieren
Diplom Kaufmann Kai Berding (Autor:in), 2006, Mindestlöhne und Arbeitsmärkte in einer globalisierten Welt: Das Modell von Davis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80204

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