Die Rolle der Frau im „Iwein“ von Hartmann von Aue


Seminararbeit, 2007

17 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung in die Thematik
1.1. Quellen und Handschriften

2. Die Frauen im „Iwein“
2.1. Die Rolle der Laudine
2.2. Die Rolle der Lunete
2.3. Die Gräfin von Narison und ihre beiden Zofen
2.4. Die Tochter des Burgherren und der Riese Harpin
2.5. Die Töchter des Grafen vom Schwarzen Dorn (Teil A)
2.6. Die 300 gefangenen Jungfrauen
2.7. Die Töchter des Grafen vom Schwarzen Dorn (Teil B)
2.8. Die Versöhnung

3. Schussbemerkungen

Quellenangaben

1. Einführung in die Thematik

Da sich das Frauenbild in der Gesellschaft seit Menschengedenken im ständigen Wandel befindet, ist es auch immer ein aktuelles Thema, die Frau und ihre Stellung in dem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext zu sehen. In der vorliegenden Arbeit möchte ich mich mit den verschiedenen Rollen der Frauen im „Iwein“ von Hartmann von Aue beschäftigen. Nicht nur die weiblichen Hauptfigur Laudine ist hierbei zu betrachten, auch ihre Zofe Lunete muss näher charakterisiert werden. Weiter Frauenrollen werden auch analysiert, hierbei sind besonders die Gräfin von Narison mit ihren beiden Dienerinnen, die Töchter des Grafen vom Schwarzen Dorn, die Tochter des Burgherren von Malaventiure und die dreihundert gefangenen Edelfrauen zu erwähnen. Das Hauptaugenmerk soll jedoch in der Deutung der zwei Erstgenannten liegen.

Das Thema der Frauenrollen in der mittelalterlichen Epik ist von Interesse, da sich beinahe allen Abhandlungen nur mit den männlichen Helden beschäftigen und er häufig die Aufmerksamkeit der Wissenschaft für sich beansprucht. Dies ist sehr schade, da der Held ohne Frau an seiner Seite doch als etwas Unvollständiges wahrgenommen werden würde. Hat er eine Frau, so ist sie es oft, die ihn zu bestimmten Taten verführt oder er vollbringt die unterschiedlichsten Leistungen nur, um das Objekt seiner Begierde ganz für sich zu gewinnen. Das Bild, welches mittelalterliche Dichter in der höfischen Epik vermitteln, fasst Petra Kellermann-Haaf sehr treffend zusammen, „Die höfische Dame erhält ihre Daseinsberechtigung nur durch ihre Minnebindung an den Ritter. Ihre Werte und Eigenschaften haben dieser Funktion zu entsprechen. Gerade ihre Hilflosigkeit, ihre Herrschaftsunfähigkeit sind solche wichtigen Qualitäten, weil sie dem Ritter erlauben, die Rolle des tapferen uneigennützigen Retters anzunehmen“.[1] Das eigentlich relevante politische Handeln der weiblichen Figuren geschieht oft nur unterschwellig und die Damen müssen sich einiger Tricks bedienen, damit sich der Held in die gewünschte Richtung lenken lässt und es somit zur Durchsetzung ihres Willens kommt. Die Fragestellung dieser Hausarbeit ist somit, ob und wenn ja, wie die weiblichen Figuren im „Iwein“ ihr Handlungspotenzial ausschöpfen. Die Arbeit ist wie folgt gegliedert: beginnen möchte ich mit einer epochalen Einordnung des Werks um auch kurz die gesellschaftlichen Frauenbilder dieser Zeit darzulegen. Darauf folgt ein Überblick über die weiblichen Hauptfiguren und ihr Rollenbeschreibung. Danach möchte ich die Charakterisierungen vertiefen und näher betrachten indem ich jede Frau in Bezug auf ihre Stellung im Werk und ihr Verhalten gegenüber den anderen agierenden Personen hin untersuche.

1.1. Quellen und Handschriften

Hartmann von Aue gilt als der erste Autor, der Artusromane in die deutsche Literatur eingeführt hat. Als Quellen für den Iweinroman diente ihm vermutlich die Abhandlung „Le chevalier au lion“[2] von Chrétiens de Toyes. Diese Annahme setzt allerdings voraus, dass Hartmann von Aue sowohl französisch sprach als auch, dass er die Handschriften überhaupt zur Verfügung hatte. Diese Aspekte sind historisch nicht belegt, können aber laut Cormeau und Störmer nicht in Frage gestellt werden, da sich zu viel Parallelen zwischen den Vorlagen und den Texten von Hartmann von Aue ergeben.[3] Der „deutsche Iwein“ ist aber keine reine Übersetzung, sondern von Aue wusste geschickt, seine eigenen Akzente zu setzen, ganz nach seinem literarischen Gespür. Er erweiterte die Vorlage um 20 %, bei diesen Erweiterungen handelt es sich hauptsächlich um die Ausschmückung der weiblichen Rollen, denen er mehr Handlungsspielraum gibt, als sie bei Chrétiens hatten. Primär waren die Artusromane Hartmanns als Bildungsliteratur für die gehobene Gesellschaftsschicht bestimmt. Dabei wurden die Texte meist einem jungen adligen Publikum vorgetragen. Bemerkenswert ist die große Zahl[4] erhaltener Handschriften des Iwein, der somit also als mittelalterlicher „Bestseller“ angesehen werden muss. Die älteste Handschrift lässt sich auf das erste Jahrzehnt des dreizehnten Jahrhunderts zurückdatieren, die jüngsten Handschriften stammen aus dem sechzehnten Jahrhundert. Über dreihundert Jahre nach Ersterscheinung hatte das Werk nichts an seiner Bedeutung und Beliebtheit verloren.

2. Die Frauen im „Iwein“

Ich werde in diesem Abschnitt die Frauenfiguren, die im Iwein vorkommen, kurz beschreiben und erst im späteren Teil der Arbeit näher auf ihre Charakterisierung eingehen. Hierbei folge ich der Architektur des Stückes und nicht der Bedeutsamkeit der Personen für die Abfolge der Handlung.

Lunete ist die erste Frau, der Iwein nach dem Kampf mit Askalon begegnet, er, hinter Gitter eingesperrt und sie, die rettende Hand, welche ihm zur Flucht verhilft.[5] Hier schon wird auf die herausragende Rolle von Lunete verwiesen. Sie ist der „…gute Geist der Geschichte“.[6] Die nächste Frau, mit der Iwein zusammentrifft, ist die wohl vielschichtigste und zugleich auch wichtigste im weiteren Verlauf, nämlich Laudine.[7] Sie ist die Gemahlin des von Iwein erschlagenen Königs Askalon und somit in der sozialen Hierarchie nicht unter Iwein anzusiedeln. Sie ist nun Witwe und gleichzeitig Herrin über ein Land und die Leute, die in ihrem Herrschaftsgebiet leben. Laudine behält den Stand ihres verstorbenen Gatten, bis sie einen neuen Mann ehelicht, um dann dessen Stand anzunehmen. Problematisch für sie ist allerdings der Aspekt, dass Waffendienste von einem Mann bzw. ihrem Ehemann abzuleisten sind[8] und sie somit ihr Land ohne einen Mann an ihrer Seite nicht verteidigen kann. Laudine entspricht somit im Stück dem Rollenbild einer „…Herrscherin in Zugzwang“.[9] Die Gräfin von Narison und deren Dienerinnen sind die nächsten weiblichen Figuren, mit denen Iwein in Berührung kommt.[10] Ihre Aufgabe, wie fast bei allen auftretenden Frauen, ist es, die verlorene Ehre des Protagonisten wieder herzustellen. Die Zofen der Gräfin heilen Iwein nach seiner Absonderung, die Gräfin braucht Schutz vor dem nahenden Heer des Grafen Aliers und Iwein verhilft ihr zum Sieg, somit kann die unverheiratete Gräfin ihr Land weiterhin ihr Eigen nennen.[11] Auf seiner weiteren Reise begegnet er einem anfänglich unbekannten Mädchen, das in einem Kerker auf die Hinrichtung wartet. Wie sich im Verlauf des Gesprächs zwischen den beiden jedoch hinausstellt, ist sie Lunete.[12] Diese ist, nach heutigem Rechtsempfinden, unverschuldet in Not geraten und Iwein verspricht sie zu retten, da er sich für ihr Schicksal mitverantwortlich fühlt. Hier hat sie dieses Mal nicht die Funktion der Retterin, sondern bedarf selbst der Hilfe. Hilfe bedarf auch die Tochter des Burgherren, welche sich in der Gefahr befindet, dass Hurpin, ein Riese, sie zur Frau nehmen will.[13] Auch in dieser Situation ist Iwein äußerst ritterhaft und bietet sich als Retter an. Nun kommt es zu einem Bruch in der Beschreibung der bisher stets hilfsbereiten und humanen Frauenbilder im „Iwein“. Das erste Mal im Buch kommt es nun zur Darstellung einer unsympathisch wirkenden weiblichen Figur. Die Töchter des Grafen von Schwarzen Dorn nämlich entsprechen nicht beide den Idealvorstellungen der höfischen Dame. Die Ältere wird als eine machtgierige und skrupellose Frau porträtiert und die Jüngere hingegen versucht auf legalem Wege an das Streitobjekt, nämlich das Erbe des verstorbenen Vaters, zu gelangen. Durch die Kampfeskraft von Iwein und die Rechtssprechung von König Artus wird auch hier dem Recht zum Sieg verholfen. Genauso verhält es sich mit den dreihundert gefangenen Edelfrauen. Durch den gewonnenen Kampf mit den zwei Riesen[14] hat Iwein die Möglichkeit, eine junge schöne Frau zur Gemahlin zu nehmen, schlägt dies aber wegen seiner anhaltenden Liebe zu Laudine aus. Hier wirkt er in seiner Haltung wieder sehr ritter- und ehrenhaft. Er möchte nur die Freilassung der dreihundert gefangenen Damen und erreicht dieses auch.[15]

2.1. Die Rolle der Laudine

Laudine ist die Witwe des von Iwein erschlagenen Königs Askalon.[16] Die Herrin weiß um die Gefahr, ihr gesamtes Hab und Gut zu verlieren, sie ist zwar Erbin des Landes[17], kann aber ohne Mann ihr Land nicht vor Übergriffen beschützen. Frauen sind im 12. Jahrhundert nicht waffenfähig und benötigen zur Verteidigung einen Kämpfer der für sie, ihr Land und ihr Volk einsteht. Da sie eine geschickte Herrscherin ist, ist sie sich der Zwickmühle, in der sie sich befindet bewusst, aber die Bereitschaft zur Ehe hat sie anfänglich nicht und erwähnt dies auch explizit: „und doch mîn man niht wære“[18] Die Idee, einen Mann zu finden, der auch ohne Ehe das Land mit all seinen Kräften verteidigt, wird aber von Lunete, ihrer Zofe, verworfen und somit findet die eigentlich ungewollte Ehe doch statt. Iwein steht somit also auf dem Gipfel des ersten Ascensus, er hat sowohl Land als auch Frau, der gesellschaftliche Stand und die êre sind vorerst gesichert. Laudine wird in diesem Abschnitt durch einige ihrer Aussagen als berechnend wahrgenommen, so sagt sie z.B. dass sie Iwein heiratet, damit dieser sie für den Kummer entschädigt, welchen er ihr bereitete hat.[19] Sie ist in diesem Teil schon eher als dominant wahrzunehmen, so zeigt sie schon am Anfang des Gesprächs mit Iwein auf, welche Macht sie hat: „sô nim ich iu lîhte den lîp“.[20] Für Iwein, der trunken vor minne ist, spielt das alles aber keine Rolle und sogar ihre Ehrlichkeit bezüglich der Ehemotive[21] lässt ihn nicht davor zurückschrecken, diese Ehe einzugehen. Laudines ausschlaggebende Rolle beginnt aber eigentlich erst an dem Punkt, an dem sie Iwein urloup[22] gibt, um mit Gâwein neue aventiure zu erleben und zu turnieren.[23] Hier gibt sie der Bitte statt und ebnet somit den Weg für den weiteren Verlauf der Geschichte. Hätte sie sich an diesem Punkt dazu entschieden, ihn nicht gehen zu lassen, dies war aber durch das Versprechen im Vorfeld unmöglich, wäre Iwein bei ihr geblieben. Es bestünde die Chance, dass wir Iwein nicht diese Sympathie, die sich am Ende der Geschichte für ihn aufgebaut hat, entgegen bringen würden.

[...]


[1] Petra Kellermann-Haaf: Frau und Politik im Mittelalter. Untersuchungen zur politischen Rolle der Frau in den höfischen Romanen des 12., 13. und 14. Jahrhunderts, Göppingen, 1986. S.337

[2] auch „Yvain“

[3] Christoph Comerau/ Wilhelm Störmer: Hartmann von Aue. Epoche-Werk-Wirkung. München: Beck. 1993. S. 170

[4] fünfzehn ganz oder größtenteils erhaltene und dreizehn fragmentarische Hnadschriften

[5] Benecke, Lachmann und Wolff.(Hg): Hartmann von Aue: Iwein. Übersetzung und Anmerkung von Thomas Cramer. 3. durchgesehene u. ergänzte Auflage. Berlin und New York: De Gruyter. 1981. V. 1153 ff

[6] Robert Braunagel: Die Frauen in der höfischen Epik des Hochmittelalters. Entwicklungen in der literarischen Darstellung und Ausarbeitung weiblicher Handlungsträger. Ingolstadt: Publishers Consults Ltd. 2001. S. 35

[7] Bene>

[8] ebd. V. 1820 ff

[9] Braunagel: S. 28

[10] Bene>

[11] ebd. V. 3755 ff

[12] ebd. V. 4210 ff

[13] ebd. V. 4476 ff

[14] ebd. V. 6799

[15] ebd. V. 6839f

[16] ebd. V. 1122

[17] dies resultierte aus den im 11. und 12. Jahrhundert entstandenen, aus Frankreich stammenden, neuen Regelungen zur weiblichen Lehensfolge

[18] Bene>

[19] ebd. V. 2069f

[20] ebd. V. 2293

[21] ebd. V. 2304ff

[22] meint nicht Urlaub, sondern die Erlaubnis zu gehen, Beate Hennig: Kleines mittelhochdeutsches Wörterbuch. Tübingen: Niemeyer.2001

[23] Benecke: V. 2803

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Rolle der Frau im „Iwein“ von Hartmann von Aue
Hochschule
Universität Leipzig
Note
2,5
Autor
Jahr
2007
Seiten
17
Katalognummer
V81165
ISBN (eBook)
9783638860376
ISBN (Buch)
9783638859790
Dateigröße
464 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rolle, Frau, Hartmann
Arbeit zitieren
Dorina Kind (Autor:in), 2007, Die Rolle der Frau im „Iwein“ von Hartmann von Aue, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81165

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