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Bachelorarbeit, 2015
50 Seiten, Note: 1,7
1. Einleitung
2. Religiöse und historische Wurzeln des Islamic Banking
2.1. Zinsverbot im Judentum und Christentum
2.2. Islamische Grundlagen gemäß der Scharia
2.2.1. Zinsverbot - „Riba“
2.2.2. Prinzip des realen Wirtschaftsgutes
2.2.3. Spekulationsverbot - „Gharar“.
2.2.4. Glücksspielverbot - „Qimar“ / „Maisir“
3. Funktionen und Ziele einer islamischen Bank
4. Instrumente des islamischen Finanzwesens.
4.1. Finanzierungsformen
4.1.1. Kreditverkauf und Handelsfinanzierung - „Murabaha“
4.1.2. Beteiligungsfinanzierung
4.1.2.1. Partnerschaft - „Musharaka“
4.1.2.2. Stille Gesellschaft - „Mudaraba“.
4.1.3. Leasing-Finanzierung - „Ijara“.
4.1.4. Finanzierung von Auftragsfertigungen - „Istisna“
4.1.5. Wohltätigkeitskredit - „Qard-Hassan“
4.2. Anlageprodukte
4.2.1. Sparkonten und Investmentkonten.
4.2.2. Anleihen - „Sukuk“
4.2.3. Scharia-konforme Aktien und Aktienindizes
5. Globaler Marktanteil und globales Marktvolumen.
6. Finanzkrisen-„Immunität“ des islamischen Finanzwesens
7. Marktpotenziale insbesondere im Europaraum
7.1. Großbritannien in der Vorreiterrolle.
7.2. Marktpotenzial in Deutschland und Frankreich
8. Glaubwürdigkeit und Umsetzung der Scharia-Prinzipien
8.1. Umgehungsmöglichkeiten islamischer Banken
8.2. Beurteilung anhand einer ausgewählten islamischen Bank.
8.3. Probleme und Herausforderungen des Islamic Banking
9. Thesen
10. Anhang
11. Quellenverzeichnis
Abbildung 1: Vereinfachte Darstellung einer Musharaka
Abbildung 2: Struktur eines Sukuk
Abbildung 3: Auswirkungen der Finanzkrise auf die Banken im Vergleich
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Islamische Banken, welche nun schon seit einigen Jahren zusätzlich durch ihre immensen Wachstumsraten und der weitaus geringeren Anfälligkeit für die letzte große globale Finanzkrise weltweit für Neugier sorgten, scheinen international immer mehr an Bedeutung zu gewinnen. Die Zinslosigkeit, das Spekulationsverbot, sowie die feste Ankopplung an die Realwirtschaft, welche das islamische Bankensystem hauptsächlich profilieren, strahlen eine Art Immunität gegen die Ursachen der Finanzkrise aus. Was in den 70er Jahren eher auf einen Nischenmarkt hindeuten ließ, entwickelte sich zu einem Marktanteil gewinnenden breitgefächertem Finanzmarkt. Schon im Jahr 2018 schätzen Experten den Anstieg der „scharia-konformen Assets“ auf über 3,4 Billionen USD1 und das obwohl das Marktvolumen erst in den 90er Jahren die 100 Mrd. USD erreichte.2 Da sich islamische Banken auf dem Markt gegen konventionelle Banken behaupten müssen, unterliegen sie dennoch den üblichen Marktkräften und -bedingungen. Wettbewerbsvorteile müssen gesichert und individuelles Marketing muss betrieben werden. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass neben den ethischen und moralischen Anforderungen einer islamischen Bank, welche im Rahmen dieser Arbeit noch hinreichend erläutert werden, auch ganz klare unternehmerische Charakteristika existieren. Damit und auch mit der zunehmenden Bedeutung des Islamic Banking und der Hervorhebung der Vorteile, welche aus der Vorgehensweise islamischer Banken resultieren, richtet sich das Augenmerk durch die erhöhte Aufmerksamkeit auch immer mehr auf die Glaubwürdigkeit und der authentischen Umsetzung dieses Bankensystems. Ziel dieser wissenschaftlichen Arbeit ist es deshalb herauszufinden, warum und inwieweit die islamischen Banken das Modell eines sozial und wirtschaftlich gerechten islamischen Wirtschaftssystems umsetzen können, oder ob sie sich lediglich eines scharia-konformen Deckmantels bedienen. Die konkrete Frage lautet: handelt es sich bei Islamic Banking um ein Umgehungsgesch ä ft oder um eine wieder auflebende Finanzinnovation? Um diese Frage beantworten zu können, muss vorerst die theoretische Grundlage zum Verständnis der Funktionsweise und der Zielsetzung des Islamic Banking geschaffen werden, welches sich auf bestimmte Kernsäulen des Islams und dessen Wirtschaftsideologie stützt. Anschließend soll nach der Differenzierung der wichtigsten dazugehörigen Finanzprodukte das globale und europaweite Marktpotenzial analysiert werden. Besondere Relevanz soll auch den Scharia- Prinzipien, als Grund für die Resistenz gegen die globale Finanzkrise, zugeordnet werden. Im Anschluss daran wird diese Arbeit um persönliche Erkenntnisse innerhalb einer ausgewählten islamischen Bank erweitert. Umgehungsmöglichkeiten und Verschleierungsmethoden der islamischen Banken sollen anhand der Modellierung ihrer Finanzprodukte, sowie deren Prozesse analysiert und beurteilt werden, um letztendlich die Forschungsfrage beantworten zu können.
Fragt man heutzutage einen arabischen Historiker oder einen Experten in Sachen Islamic Finance, was den Anfang des islamischen Bankwesens darstellt, so hört man oftmals folgende Geschichte: im Jahr 1963 wurde in der ägyptischen Kleinstadt Mit-Ghamr am Nil Delta ein Sparkassenprojekt entworfen, mit dem Ziel, einem Entwicklungsland wie Ägypten genügend Kapital zur Verfügung zu stellen, um es in entwicklungsfördernde Projekte investieren zu können. Das dafür notwendige Kapital musste dafür aus dem damals wirtschaftlich wichtigsten Sektor, dem Agrarsektor, akkumuliert werden. Dafür war es notwendig, die Landbevölkerung zur Eröffnung von Spareinlagen zu animieren, um als nächstes das eingezahlte Kapital in der näheren Umgebung so zu investieren, dass die Produktivität gesteigert werden konnte.3 Die Sparkassen wurden intern in drei verschiedene Fonds aufgegliedert:4 (a) einem Spar- und Kreditfond, der für die Einlagen der Sparer bereitstand und Ihnen später das Recht einräumte kostenlose Kredite zu erhalten (b) einem Investitionsfond, welcher nach dem Prinzip der Erfolgsbeteiligung den Einlegern und der Bank zur Investition in verschiedene Unternehmen verhalf, aus denen Gewinne generiert wurden (c) einem Sozialfond, in dem Pflicht-sozialabgaben der Muslime gesammelt wurden, um sie für soziale Zwecke bereitzustellen, wie etwa der Hilfe für sozial bedürftige Personen und Menschen in finanzieller Notlage. Die Zinslosigkeit, welche in der islamischen Wirtschaft eine große spielt, und auch die Anerkennung der Bedeutung für die sozialpolitische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes führten innerhalb kürzester Zeit zu 60.000 Kontoeröffnungen. Innerhalb weniger Jahre kam es durch dieses erfolgreiche Projekt zu diversen Errichtungen national und international agierender islamischer Banken.5 Somit könnte dieses Projekt vermeintlich als Initiator des Islamic Banking angesehen werden. Allerdings ist dieses Projekt, welches durchaus den Sinn einer Islamischen Bank hervorhebt, lediglich ein neuer Impuls für das Modell einer solchen Bank. Der eigentliche Ursprung liegt mehr als 1400 Jahre in der Vergangenheit. Schon seit der Existenz des Islam und der Überlieferung des Koran, der heiligen Schrift der Muslime, wurde für sozialpolitische Zwecke der sog. „Bayt-Al-Mal“ errichtet, eine staatliche Schatzkammer, welche drei Faktoren sicherstellen sollte: Wohlstand, Vertrauen und soziale sowie wirtschaftliche Gerechtigkeit.6 Den dafür notwendigen Bestand an Finanzmitteln erzielte man durch eine Pflicht- Sozialabgabe, der „Zakat“. Diese einmal jährlich anfallende Abgabe bezieht sich auf die Höhe des Vermögens eines jeden Muslims und beträgt nach wie vor genau 2,5 %.7 Die Finanzmittel die sich dadurch anhäuften, wurden nicht nur bei Bedarf u.a. an Waisen, Witwen und an Menschen in finanzieller Not verteilt, sondern auch für regelmäßige Transferleistungen an Bedürftige alloziert8. Dieser kleine geschichtliche Abriss soll aufzeigen, dass Islamic Banking keineswegs eine moderne Erfindung ist, sondern vielmehr die Aufbereitung altbewährter Modelle zur Sicherung sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit. In diesem Sinne soll das Hauptmerkmal des Islamic Banking, das religiöse Zinsverbot, welches seinen Ursprung nicht nur im Islam hat, im Folgenden intensiver beleuchtet werden.
Das Zinsverbot ist historisch gesehen in jeder abrahamitischen Weltreligion allgegenwärtig und bestimmt die Wirtschaftsgeschichte seit jeher. Denn die religiösen Richtlinien spielten schon immer eine Rolle bei der Ausgestaltung des wirtschaftlichen Umgangs.9 Das Judentum und das Christentum stützen sich bei dem Zinsverbot beide ursprünglich auf das Alte Testament,10 auf dem auch das kanonische Zinsverbot, dass seit Leo I. (gestorben 461 n. Chr.) besteht, aufbaut, sowie die Kirchenkonzile zu Elvira um 300 n. Chr. und zu Nikäa um 325 n. Chr.11 Diskussionen über das Zinsverbot gab es auch schon in der griechischen und römischen Philosophie. So lehnten Aristoteles und sein Lehrer Platon (griech.), sowie Seneca (röm.) den Zins entschieden ab.12 Beide waren der Ansicht, dass Geld nur eine Tauschfunktion besitzen sollte und nicht neues Geld hervorbringen dürfe. Sie bezeichneten den Zins als etwas Unnatürliches, als „eine vorgetäuschte Frucht des unfruchtbaren Geldes“.13 Darlehenszinsen galten gemeinhin als verfluchter Wucher, welcher unrechtmäßig erhoben wird. In der Praxis wurden jedoch Umgehungsmethoden entwickelt, wodurch sich das Kirchenrecht nicht durchsetzte, und in Europa letztendlich in kirchlichen Kreisen entschieden wurde, dass zwischen erlaubtem „Zins“ und unerlaubtem „Wucher“ zu unterscheiden sei. Durch diverse Auslegungsmöglichkeiten dieser Unterscheidung drifteten die moralischen Prinzipien und die wirtschaftliche Realität jedoch immer weiter auseinander, weshalb heutzutage kaum noch ein spürbarer Bezug mehr innerhalb der christlichen und jüdischen Gemeinden erkennbar ist.14
Zur Analyse islamischer Finanzprodukte ist es wichtig, die Scharia, das rechtliche Rahmenwerk der Islamic Finance, zu verstehen. Diese setzt sich zusammen aus den Überlieferungen des Propheten Mohammed (SAW), den sog. Hadithen und dem Koran. Beide bilden eine Art „Kodifizierung“ ganzheitlicher Verhaltensvorgaben, die auf die komplette Lebensführung eines Muslims ausgerichtet sind. Damit beziehen sie sich sowohl auf soziale als auch auf wirtschaftliche und politische Zusammenhänge.15 Man kann sagen, dass es keine Lebensphase oder Situation gibt, für die keine adäquate islamische Verhaltensnorm existiert.
Aus diesen Verhaltensnormen lassen sich somit auch für die islamische Wirtschaft bestimmte Grundsätze der Scharia ableiten, in denen das Wohl des Einzelnen stark mit dem Wohl und den Bedürfnissen der Gemeinschaft kohärieren muss.16 Diese werden im Folgenden etwas näher betrachtet.
Das Zinsverbot, das wichtigste Prinzip im islamwirtschaftlichen Zusammenhang, geht aus dem Koran ausdrücklich hervor. Es lassen sich viele Verse nennen, welche alle auf das gleiche abzielen: dem Verbot von Riba (auf Deutsch: Überschuss / Wucher). Der in diesem Kontext wohl passendste Koranvers ist: Diejenigen, die Zinsen verschlingen, sollen nicht anders dastehen als einer, der vom Satan erfasst und zum Wahnsinn getrieben wird [...] weil sie sagen: „ Handel ist dasselbe wie Zinsnehmen “ . Doch Allah hat den Handel erlaubt und das Zinsnehmen verboten. (Sure 2 Al-Baqara / Die Kuh; Vers 275).17 Abgesehen von den Koranversen gibt es auch einige Hadithe, welche das ausdrückliche Verbot untermauern. Neben dem Aspekt, dass das Zinsverbot göttlich angeordnet wurde, gibt es auch zahlreiche soziale und wirtschaftliche Gründe, die das religiöse Zinsverbot wissenschaftlich untermauern: Zinsen mehren das Kapital einiger weniger auf Kosten der restlichen Bevölkerung (ungerechte Einkommensverteilung). Damit weitet sich die Schere zwischen Arm und Reich.18 Hinzukommt, dass die Investitionsneigung negativ beeinträchtigt wird. Ökologisch sinnvolle Projekte sind aufgrund des geringen Gewinns nicht zinsdeckend und können dadurch zu selten verwirklicht werden.19 Bekannt ist auch, dass Konjunkturschwankungen und wirtschaftliche Instabilität durch den Zins verursacht werden (volatility). Ferner erhöhen Zinsen die Produktionskosten und damit auch die Güterpreise.20 Der Zinsmechanismus zwingt darüber hinaus die Wirtschaft zum ständigen Wachstum, da die Verschuldung eine Zinslast nach sich zieht, die durch den Zinseszins immer größer wird.21
Dieses zweite grundlegende Prinzip besagt, dass jedem Zahlungsstrom ein realer Güterstrom unterliegen muss. In der Praxis bedeutet dies, dass nichts gehandelt werden darf, was sich nicht im eigenen Besitz befindet oder noch gar nicht existiert. Somit distanziert sich das islamische Finanzwesen von abstrakten, spekulativen Finanzprodukten. Damit werden u.a. Leerkäufe, der An- und Verkauf von Schulden, sowie Derivate und Warentermingeschäfte indiskutabel abgelehnt.22
Das Spekulationsverbot, also das Verbot von Gharar, ist ebenfalls ein grundlegendes Prinzip und besagt, dass Transaktionen frei von Unsicherheit und Täuschung sein müssen. Allerdings ist Gharar nicht mit Risiko gleichzusetzen, da das Eingehen von Risiken im islamischen Wirtschaftsgeschehen keineswegs unerwünscht ist.23 Vielmehr verhindert das Gharar-Verbot, dass eine Vertragspartei auf Kosten der Anderen einen eigenen Nutzen zieht. Gharar lässt sich auch als ein Austausch definieren, dem eine Verschleierung zu Grunde liegt, welche entweder durch eine Unkenntnis des tatsächlichen Preises, eine unpräzise Beschreibung der Ware oder eine Täuschung entsteht.24 Dadurch sind Finanzderivate verboten, da sie einer Spekulation zu Grunde liegen, aber auch konventionelle Versicherungen, da nicht absehbar ist, ob, wann und in welcher Höhe der Schadensfall eintritt.25
Das Verbot von Glücksspiel (im Arabischen: Qimar oder Maisir) schließt diejenigen Geschäfte ein, bei denen der Gewinn nicht durch Arbeitsleistung, sondern durch Zeit und Glück generiert wird. Ferner gilt das Glücksspiel als ein sog. verbotenes Nullsummenspiel, bei dem der eine das gewinnt, was der andere verliert.26 Zusätzlich verboten sind im Islamic Banking Geschäfte, welche mit Alkohol, Schweinefleisch, Prostitution, Pornographie, Waffenhandel und Glücksspiel in Verbindung stehen.27
Eine islamische Bank gilt idealtypisch nicht primär als ein Unternehmen, welches nach Gewinnmaximierung strebt, sondern als eine Finanzinstitution deren eigene Bestrebung nach Gewinn an das Ziel einer sozioökonomischen Gerechtigkeit angebunden ist.28 Eine islamische Bank bezieht die Gesellschaft in ihre gewinnorientierte Geschäftstätigkeit zwingend mit ein. Dies impliziert, dass islamische Banken entwicklungs- und sozialpolitische Ziele verfolgen und abseits der Rentabilität eine klare soziale Verpflichtung besitzen. Die privatwirtschaftliche Gewinnausrichtung, darf nicht auf Kosten der Ärmeren und auf Kosten der sozialen Gerechtigkeit erfolgen. Eine zentrale Bedeutung spielt die Förderung von Entwicklungsprojekten, die Vergabe von Krediten für ökonomisch und sozial sinnvolle Investitionen, welche auf den Wohlstand des Kollektivs statt nur auf die Einzelperson ausgerichtet sind und der Akkumulation und Verteilung des Kapitals auf eine Weise welche die Wirtschaft ausgeglichen und stabil hält.29 Aus diesem Grund ist eine islamische Bank in gewisser Weise mit „sozialen Kredit- und Investitionsinstituten“ vergleichbar.30
Eine sehr passende Definition für islamische Banken wurde von Prinz Faisal Al Saud, Vorstandsvorsitzender der Dar Al-Maal Al-Islami Bank formuliert: „ Not only profitability is important. We consider profitability plus the service we can give to society “ . 31 Hieraus wird deutlich, wie klar der sozialpolitische Entwicklungsanspruch an die Geschäftstätigkeit dieser Banken geknüpft ist.
Zunächst sollen die wichtigsten und am stärksten nachgefragten islamischen Finanzprodukte vorgestellt werden, welche im Islamic Banking tagtäglich Verwendung finden. Während der Auseinandersetzung mit diversen Kredit- und Anlageinstrumenten, werden die verschiedenen Modalitäten, aber auch die Einwände, welche einige Gelehrte in bestimmten Fällen gegen die Scharia-Konformität haben, durch Betrachtung verschiedener Argumentationsweisen analysiert.
Unkompliziert ausgedrückt, ist die Murabaha die islamische Alternative zu einem konventionellen Darlehen. Die Murabaha macht ungefähr 80 % der Transaktionen einer islamischen Bank aus und ist dennoch ein teilweise umstrittenes islamisches Finanzinstrument,32 weswegen dieses nun besonders beleuchtet wird. Entscheidend bei der Murabaha ist, dass die islamische Bank dem Kunden kein Geld leiht und dafür Zinsen verlangt. Stattdessen kauft die Bank das Wirtschaftsgut, welches mit dem Kredit finanziert werden soll selbst ein und verkauft es zum gleichen Preis zzgl. eines Gewinnaufschlags an den Kunden weiter, entweder per Einmalzahlung oder auf Raten.33 Dies mag auf den ersten Blick wie ein Äquivalent zum Zins aussehen, jedoch unterscheidet sich der Gewinnaufschlag von einem Zins aufgrund folgender Prinzipien: Im Gegensatz zu konventionellen Banken, die den Zins als Abgeltung des Zeitwertes des Geldes verstehen, darf eine islamische Bank nur einen Gewinnaufschlag für eine realwirtschaftliche Aktivität erheben. Der Zeitwert spielt in der islamischen Finanzwelt zwar auch eine wichtige Rolle, allerdings darf sich dieser nicht auf das Tauschmedium Geld beziehen, sondern nur auf das Wirtschaftsgut.34 Eng damit verbunden ist die zwingend notwendige Risikobeteiligung der Bank an der Aktivität.
Das heißt, dass die Bank innerhalb der Transaktion ein direktes Risiko eingehen muss.35 Dies geschieht genau in dem Moment, wenn die Bank das Wirtschaftsgut vom Verkäufer erwirbt. Der Zeitwert spielt nun dahingehend eine Rolle (besonders bei einer Ratenzahlung), dass sich z.B. der Preis des Wirtschaftsgutes in der Zukunft verändern kann (Marktpreisrisiko) oder es zu einer steigenden Inflation kommt.36 Dem Argument einiger westlicher Wissenschaftler und muslimischer Gelehrter, dass es sich aufgrund des Zeitfaktors nur um ein normales festverzinsliches Darlehen handelt und ein höherer Gewinnaufschlag bei Ratenzahlung statt Einmalzahlung ungerechtfertigt ist,37 steht dieser Aspekt entgegen. Schließlich geht es um Risiken, die mit der Zeit verbunden sind und nicht um den eigenen Verzicht auf das ausgeliehene Geld innerhalb eines Zeitraums (wie bei konventionellen Banken). Ein allgemeines Risiko geht die Bank auch damit ein, dass das Wirtschaftsgut beschädigt oder fehlerhaft sein könnte, wofür die Bank vor dem Weiterverkauf an den Kunden durch das tatsächliche Eigentum vollständig die Verantwortung übernimmt.38 Der Kunde kann jederzeit vom Vertrag zurücktreten und den Kauf von der Bank verweigern.
Es lässt sich also zusammenfassen, dass die Gewinne der Bank nicht durch konventionelle Geldverleihung entstehen, sondern durch eine typische Handelstätigkeit. Der Gewinn ergibt sich aus der Abgeltung des Warenrisikos und der Dienstleistung (Kauf auf Ziel) die hier erbracht wird. Dass dabei drei Vertragsparteien involviert sind,39 spielt keine Rolle hinsichtlich der Scharia-Konformität, da es sich um zwei getrennte Kaufverträge handelt, die jeweils selbst auch ohne die Gültigkeit des Anderen gültig sind und die Bank tatsächlicher Eigentümer des Gutes ist, falls der Kunde den Kauf von der Bank verweigert.40 Somit ist das Argument, dass hiermit ein Umgehungsgeschäft (in Arabisch: hila) ohne ausgewogene Risikoverteilung erzielt werden kann, in welcher die Not des Kunden von der Bank ausgenutzt werden könnte, eher gegenstandslos. In Bezug auf dieses Argument wird die in der Realität oft geforderte Abnahmeverpflichtung des Kunden stark kritisiert.
Diese Abnahmeverpflichtung muss der Kunde vor dem Kauf der Ware vom Verkäufer seitens der Bank unterschreiben. Dadurch minimiere die Bank das Risiko, dass die Ware nicht weiterverkauft wird und könne trotzdem einen Gewinn aus dem Geschäft generieren.41 Allerdings herrscht noch viel Unwissen darüber, dass sich diese Abnahmeverpflichtung lediglich auf die Verluste der Bank bezieht, die ihr durch die Abnahmeverweigerung des Kunden entstehen. Das heißt, dass die Bank im Falle eines solchen Rücktritts des Kunden das Wirtschaftsgut (ihr Eigentum) nun selbst auf dem Markt verkaufen wird. Kann die Bank ihren eigenen Einkaufspreis nicht erzielen und damit ihre Kosten decken, so haftet der Kunde mit seiner Anzahlung für den Verlust. Falls mindestens der Einkaufspreis der Bank erzielt wird, hat dies keinerlei Konsequenzen für den Kunden. Wurde also beispielsweise ein PKW von der Bank für 10.000 Euro erworben, und erzielt dieses beim Verkauf auf dem freien Markt nur 9.000 Euro, so behält die Bank 1.000 Euro von der Anzahlung des Kunden ein. Konnte ein Verkaufspreis von 10.000 Euro erzielt werden, ist die Transaktion bereinigt und der Kunde hat keinerlei Verluste (bis auf die ohnehin gezahlten Bankgebühren, welche den abgeltbaren Aufwand der Bank darstellen).42
Die Scharia-Konformität der Abnahmeverpflichtung zeichne sich auch dadurch ab, dass die Makhater-Al-Tamaluk, also die Risiken die der Bank durch den Erwerb des PKW entstehen (Schäden, Preisrisiko etc.), nicht 0 % betragen dürfen und somit keine vollständige Risikoabsicherung erlaubt ist. Dies gilt aber nicht für die Makhater-Taraju'-Al'amil, d.h. für das Risiko einer Abnahmeverweigerung des Kunden.43
Ein Murabaha-Vertrag unterscheidet sich zusätzlich von einem konventionellen Darlehen durch seine Auslegung in Bezug auf einen Zahlungsverzug des Kunden. Werden von konventionellen Banken Verzugszinsen bei einer verspäteten Zahlung verlangt, so wird von einer islamischen Bank lediglich eine Strafgebühr vereinbart, welche einer wohltätigen Einrichtung (charity) zugute kommt. So bleibt einerseits die Zahlungsmoral des Kunden erhalten, andererseits bereichert sich die Bank nicht an der Notlage des Kunden.44
[...]
1 vgl. Ernst & Young (2014): o.S. ; vgl. Jimaa, H. (2014): o.S.
2 vgl. Thießen, F. / Saggau, M. (2009): S. 1
3 vgl. Nienhaus, V. (1982): S. 233
4 vgl. Ipektchi, M. (1997): S. 40 ff.
5 vgl. Ipektchi, M. (1997): S. 41
6 vgl. Elsergany, R. (2010): o.S.
7 vgl. Ashrati, M. (2008): S.10
8 vgl. Elsergany, R. (2010): o.S.
9 vgl. Ipektchi, M. (1997): S. 22
10 vgl. Rieger, A. (2011): S. 38 f. ; vgl. Ahmad, Shaikh Mahmud (1981): S. 47 ff.
11 vgl. Le Goff, J. (2008): S. 28-29
12 vgl. Gleitmann, R. (1989): S. 17 ff.
13 Ipektchi, M. (1997): S. 23 ; vgl. Rieger, A. (2011): S. 19
14 vgl. Ipektchi, M. (1997): S. 24
15 vgl. Gassner, M. / Wackerbeck, P. (2007): S. 21
16 vgl. Gassner, M. / Wackerbeck, P. (2007): S. 23
17 Rassoul, M. (2008): S. 129
18 vgl. Kennedy, M. (2006): S. 33 f.
19 vgl. Kennedy, M. (2006): S. 104 f.
20 vgl. Fuders, F. (2009): o.S. ; vgl. Kennedy, M. (2006): S. 27 f.
21 vgl. Rieger, A. (2011): S. 19 ff.
22 vgl. o.V. (2009): o.S.
23 vgl. Mahlknecht, M. (2009): S. 25
24 vgl. Ashrati, M. (2008): S.33 ff.
25 vgl. Paul, T. (2010): S. 34 f.
26 vgl. Ecke, D. (2012): S. 40
27 vgl. Gassner, M. / Wackerbeck, P. (2007): S. 31
28 vgl. Ipektchi, M. (1997): S. 32
29 vgl. Ipektchi, M. (1997): S. 31
30 vgl. Köhler, A. (1981): S. 60
31 Akkas, A. (1982): S. 135
32 vgl. Amereller, F. (1995): S. 128 f.
33 vgl. Mahlknecht, M. (2009): S. 101
34 vgl. Interview vom 04.01.2015 mit Dr. Omar Al-Sharif, Scharia Audit Manager der IIAB
35 vgl. Mahlknecht, M. (2009): S. 21
36 vgl. Mahlknecht, M. (2009): S. 101
37 vgl. Amereller, F. (1995): S. 129
38 vgl. Mahlknecht, M. (2009): S. 21
39 vgl. Lohlker, R. (1999): S. 66
40 vgl. Gassner, M. / Wackerbeck, P. (2007): S. 54
41 vgl. Ashrati, M. (2008): S.69
42 vgl. Interview vom 04.01.2015 mit Dr. Omar Al-Sharif, Scharia Audit Manager der IIAB
43 vgl. Interview vom 04.01.2015 mit Dr. Omar Al-Sharif, Scharia Audit Manager der IIAB
44 vgl. Gassner, M. / Wackerbeck, P. (2007): S. 87
Bachelorarbeit, 30 Seiten
Bachelorarbeit, 82 Seiten
Bachelorarbeit, 30 Seiten
Bachelorarbeit, 82 Seiten
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