Bachelorarbeit, 2016
89 Seiten, Note: 1.3
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Zur Bedeutung psychologischer Betrachtungen im wirtschaftlichen Kontext
2.2 Die Theorie des geplanten Verhaltens als Ansatz zur Erklärung der Intention
2.2.1 Die Theorie des geplanten Verhaltens als Ansatz zur Erklärung der Intention der Börsenteilnahme
2.2.2 Einstellung
2.2.3 Sozialer Druck – Soziale Motivation
2.2.4 Wahrgenommene Verhaltenskontrolle
2.2.5 Finanzwissen als Hintergrundfaktor
2.2.6 Prozess der Entscheidungsfindung
3 Hypothesen
4 Methode
4.1 Stichprobenbeschreibung
4.2 Versuchsmaterial
4.3 Versuchsablauf
5 Ergebnisse
5.1 Börsenwissen
5.2 Theorie des geplanten Verhaltens
5.2.1 Deskriptive Statistiken
5.2.2 Überprüfung der Hypothesen
5.3 Image der Börse
5.4 Laienverhalten am Börsenmarkt
6 Diskussion
6.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
6.2 Limitierungen
6.3 Ausblick
Literaturverzeichnis
ANHANG
Anhang A - Theorie des geplanten Verhaltens (Erläuterungen zur Erhebungsmethode)
Anhang B – Fragebogen zur Erhebung der Daten
Anhang C – Pretest: Erhebung des Finanz- / Börsenwissens
Die geringe Teilnahme der deutschen Gesellschaft am Börsenmarkt wird als Bestandteil der deutschen Anlage- und Investitionskultur aufgefasst. Der erneute Rückgang der Zahl der Privatanleger bei zuversichtlichen Anlagemöglichkeiten an der Börse deutet auf eine ablehnende Haltung hin. Die vorliegende Studie untersucht mittels der Daten einer Online-Umfrage von 110 Laien im finanzwirtschaftlichen Fachbereich die mit der Börsenteilnahme zusammenhängenden Variablen. Ausgehend von dem Konstrukt der Theorie des geplanten Verhaltens nach Ajzen dient die Börsenteilnahmeintention zur Vorhersage der tatsächlichen Börsenteilnahme. Diese Untersuchung postuliert, dass die Börsenteilnahmeabsicht durch die Einstellung hinsichtlich der wahrgenommenen Attraktivität der Börsenteilnahme, der sozialen Motivation und der wahrgenommenen Selbst-Kompetenz bezüglich des erfolgreichen Börsenhandels determiniert ist. Die Ausgangshypothesen zu den Funktionen der Einstellung, des sozialen Drucks und der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle als voneinander unabhängige Prädiktoren der Absicht konnten bestätigt werden. Weitere Ergebnisse zeigen auch die Beziehungen der Intention zu der wahrgenommenen Leichtigkeit der Börsenteilnahme, zu dem wahrgenommenen Zusammenhang zwischen Börsenwissen und Börsenerfolg und zu der Einstellung zu der Börse als System. Ein Einfluss der Medien sowie der Einschätzung des Verhaltens von Laien am Börsenmarkt auf die Teilnahmebereitschaft konnten nicht identifiziert werden. Anhand der Untersuchungsergebnisse werden für die Abkehr der Privatinvestoren vom Börsenmarkt Erklärungsansätze dargestellt.
Abbildung 1. Theory of planned Behavior – direkte Methode nach Ajzen (2005)
Abbildung 2. Theory of planned Behavior zur Erklärung der Börsenteilnahmebereischaft – direkte Methode nach Ajzen (1991, 2005)
Abbildung 3. Theory of planned Behavior zur Erklärung der Börsenteilnahmebereitschaft nach Ajzen (1991, 2005) im Rahmen des Entscheidungsfindungsprozesses
Abbildung 4. Wahrnehmung der Börse aus der Sicht von Laien
Abbildung 5. Einschätzung des Verhaltens von Laien am Börsenmarkt aus der Sicht von Laien
Tabelle 1 Deskriptive Statistiken der verwendeten Skalen im Rahmen der Theory of planned behavior nach Ajzen
Tabelle 2 Multiple Regressionsanalyse zur Vorhersage der Intention der Börsenteilnahme anhand der Determinanten im Rahmen der Theory of planned behavior nach Ajzen
Tabelle 3 Korrelationen zwischen den Determinanten der Intention der Börsenteilnahme nach Pearson
Tabelle 4 Einfache Regressionsanalyse zur Vorhersage des Verhaltens der Börsenteilnahme anhand der Intention
Tabelle 5 Korrelationen der Börsenimage-Skala und der Intention nach Pearson auf Itemebene
Tabelle 6 Korrelationen zwischen der Intention der Börsenteilnahme und der Einschätzung des Laienverhaltens am Börsenmarkt nach Pearson
Tabelle 7 Korrelationen innerhalb der Einschätzung des Verhaltens von Laien am Börsenmarkt nach Pearson
Das Thema der geringen Beteiligung der deutschen Bevölkerung am Börsenmarkt wird in den Diskussionen bezüglich Finanzmarktthemen als Bestandteil der deutschen Anlage- und Investitionskultur aufgegriffen. Jedoch erscheint der erneute Rückgang der deutschen Aktionärszahlen im bisherigen 15-jährigen Abstiegstrend der Börsenteilnahme bei parallelen Rekordständen des Deutschen Aktien Indexes aus der wirtschaftlichen Perspektive als paradoxe Verhaltensweise. Eine Betrachtung der generell niedrigen Teilnahme am Börsenmarkt sowie des erneuten Rückgangs bei zuversichtlichen Anlagemöglichkeiten an der Börse deuten auf weiteren Forschungsbedarf zur Erklärung mitwirkender psychologischer Variablen hin.
Die Zurückhaltung der deutschen Bevölkerung wird versucht in ihrem übersteigerten Sicherheitsdenken beziehungsweise in ihrer hohen Risikowahrnehmung von Aktienanlagen zu begründen. Mögliche Aspekte, die die Scheu gegenüber der Aktie gerade in jüngerer Zeit erklären könnten, sind die Turbulenzen an der Börse und der daraus resultierende Vertrauensmangel in die Märkte durch wiederkehrende Verluste wie beispielsweise durch die Weltwirtschaftskrise 2007/2008 (vgl. Guiso, Sapienza und Zingales, 2008). Auch wenn die deutsche Bevölkerung bereits als eher aktienscheu zu charakterisieren ist, sinkt die Zahl der Aktienanleger erneut, obwohl der DAX in den letzten beiden Jahren fast 29 Prozent und seit dem Konkurs von LehmannBrothers im Jahr 2008 um 60 Prozent zugelegt hat. Seit dem Jahre 2001 ist die Zahl der Aktionäre und der Besitzer von Aktienfonds insgesamt von circa 12,9 Millionen (20 Prozent der Gesamtbevölkerung) auf circa 8,4 Millionen (ca. 13,1 Prozent der Gesamtbevölkerung) im Jahre 2014 gesunken. Insbesondere ist ein starker Rückgang mit circa 18,4 Prozent bei den jüngeren Aktienbesitzern (im Alter zwischen 20 und 29 Jahren) zwischen 2013 und 2014 von 743 000 auf 606 000 Aktienbesitzer zu verzeichnen (vgl. Deutsches Aktieninstitut, 2015). Aus einer wirtschaftlichen Perspektive würde bei der gegenwärtigen Niedrigzinslage mit einem Leitzins der Europäischen Zentralbank von 0,05 Prozent auf Spareinlagen (Tagesgeld, Termingeld, Sparkonten) nur eine Investition in Aktienanlagen als sinnvoll erscheinen (vgl. Schubert, 2015).
Neben der wirtschaftlichen Situation nehmen die Medien auch eine wichtige Rolle ein: Die Berichterstattung in den Massenmedien trägt dazu bei, dass auch die breite Masse der Bevölkerung ohne zwangsläufig Börsenhandel durchzuführen, über das Börsengeschehen informiert und in das Börsengeschehen mit inkludiert wird (vgl. Stäheli, 2007, S. 320). Dadurch könnte eine Sensibilisierung des Verständnisses hinsichtlich der Börse und dessen Funktion angenommen werden, die eine Börsenteilnahme fördert. Aber auch die kostengünstige Teilnahme am Börsengeschehen über Online-Broker, als auch die Möglichkeit stetiger aktueller und zielgerichteter Informationsvermittlung durch Online-Quellen – Börsenbriefe und Anlageberatungen – sowie über Smartphone-Apps, stellen für den Privatanleger einfache und vorbereitende Entscheidungswege dar, selbst Geldvolumina am Börsenmarkt anzulegen. Diese technischen Möglichkeiten vereinfachen den Teilnahmeprozess und machen den Börsenhandel für Interessenten und insbesondere auch für Personen ohne fachliche Expertise zugänglich.
Auch wenn die gegenwärtige Situation - wirtschaftlich, medial und prozessspezifisch - relativ gute Voraussetzungen für eine Börsenteilnahme aufweist, werden durch die konservative Anlagephilosophie mögliche Renditechancen nicht wahrgenommen. Die Vermutung liegt nahe, dass es mehrere Faktoren gibt, die die Teilnahme an der Börse negativ beeinflussen. Somit können lange bestehende Vorurteile, soziale Einflüsse oder auch Fehleinschätzungen, bspw. die Überschätzung von Risiken am Aktienmarkt, aber auch weitere unbekannte psychologische Aspekte eine bedeutende Rolle diesbezüglich einnehmen.
Die geschilderte Ausgangssituation fördert eine individuelle Einstellung gegenüber dem Börsenmarkt, die sich aus dem Zusammenwirken möglicher unterschiedlicher psychologischer Einflussvariablen ergibt. Sich aus dieser Ausgangssituation ergebende mögliche Determinanten sollen auf Basis empirischer Daten aus einer psychologischen Perspektive analysiert werden. Diese Herangehensweise ermöglicht eine Erkenntnis in die affektive, konative und kognitive Einstellungskomponente sowie Verhaltensneigungen hinsichtlich des Börsen-marktes. In dieser Forschungsarbeit soll ferner untersucht werden, wie Menschen ohne tiefergehende Erfahrungen und Wissen bezüglich des Börsenmarktes den Börsenmarkt wahrnehmen und sich demgegenüber positionieren. Als Maßstab für ein ausgeprägtes Wissen im finanziellen Fachbereich wird hier ein Basiswissen angesetzt, das das Verständnis von alltäglich genutzten Begriffen impliziert ohne dieses Wissen direkterweise im Alltag anwenden zu müssen, aber zu wissen, was sich hinter diesen Begriffen befindet. So wird jemand mit vorhandenem Wissen als informierter Laie bezeichnet (vgl. Hitzler, 1994). Insbesondere die Beobachtung von Menschen, die keine besonders fachliche Expertise in diesem Bereich aufweisen, ist interessant, da aufgrund von Wissenslücken andere Faktoren den Prozess der Einstellungs- und Verhaltensabsichtsbildung maßgebend beeinflussen können. (Informierte) Laien haben nicht die Informationsquelle wie professionelle Finanzspezialisten und verfügen demnach über keine Expertise in diesem Bereich. Der Laie folgt bei seinen Entscheidungen seinem nutzerorientierten Interesse und richtet sich an konkret geltende Faktoren. Der Experte kann in diesem Hinblick durch die Wahrnehmung bereits bekannter Szenarien und alltäglich konfrontierter Situationen eine faktische Meinung aufweisen, die im Gegensatz zu den Laien auch verschiedene Details beachtet. Weitergehend soll in dieser empirischen Untersuchung die Börsenteilnahmebereitschaft fördernde sowie hindernde psychologische Variablen identifiziert werden, um im Rahmen eines Intentionen basierten Konstrukts (Theory of planned behavior nach Ajzen) mögliche Erklärungsalternativen für die Zurückhaltung oder sogar für die Ablehnung gegenüber dem Aktien- und Börsenhandel aufzustellen.
Beginnend mit den theoretischen Grundlagen werden der Arbeit zugrundeliegende Konstrukte erläutert und die Hypothesen hergeleitet. Daran anschließend wird die Methodik der vorliegenden Untersuchung beschrieben, worauf die Darstellung der statistischen Befunde folgt. Im letzten Kapitel werden die Ergebnisse im Rahmen der Diskussion zusammengefasst, interpretiert, auf ihre Bedeutung hin kritisch hinterfragt und für ihre Relevanz im praktischen Kontext beschrieben.
Das neoklassisch-ökonomische Leitbild menschlichen Verhaltens setzt das Rationalitätsprinzip als Verhaltensmaxime und die Nutzenmaximierung als Ziel voraus. Rationalität als formales Prinzip der Entscheidungslogik unterstellt eine Nutzenmaximierungstendenz und eine bestimmte Präferenzstruktur der Marktteilnehmer, die jeweils vollständige Marktinformationen besitzen. Es wird angenommen, dass Personen Präferenzen haben und dass die Option, für welche sie sich entscheiden, derjenigen Option mit dem höchsten subjektiven Nutzen entspricht (vgl. Kirchler, 2011, S. 32). Demnach würde bei aktueller Wirtschaftslage und der niedrigen Zinslage eine Teilnahme am Börsenmarkt als rationale Verhaltensweise abgeleitet werden. Eine Abkehr von dem Börsenmarkt, wie es die aktuelle Situation darstellt, wird aus dieser Modellperspektive als irrationales Verhalten beschrieben und erklärt. Wie auch in der Empirie bestätigt werden konnte, dass das Modell eines rationalen Marktakteurs sowohl in der Erklärung wirtschaftlichen Verhaltens, wie beispielsweise in der Erklärung von Kapitalmarktbewegungen (vgl. Fama, 1991), als auch zur Begründung menschlichen Verhaltens viele Mängel aufweist, ermöglicht diese Perspektive auch keine tiefergehende Erklärung des aktuellen Anlageverhaltens.
Die Betrachtung wirtschaftlichen Verhaltens aus einer psychologischen Perspektive führte zu Erkenntnissen, die neben der Neubetrachtung ökonomischer Sachverhalte die Weiterentwicklung bestehender Erklärungsmodelle ermöglichte. Die Kritik der Psychologie am ökonomischen Leitbild, die ihren Ursprung in den Untersuchungen zu menschlichen Entscheidungsanomalien sowie der psychologischen Theoretisierung ökonomischer Sachverhalte von Tversky und Kahnemann (vgl. 1973, 1979, 1981) und dem Konzept der Bounded Rationality von Simon (vgl. 1955, 1978) haben, richtet sich gegen das Postulat, wonach wirtschaftlich handelnde Menschen auch in komplexen Entscheidungssituationen in der Lage sein sollen, ihren subjektiven Nutzen zu maximieren. Demnach konnte nachgewiesen werden, dass sich Menschen nicht rational und nicht (immer) nutzenmaximierend verhalten. Meist begnügen sich Menschen mit zufriedenstellenden Alternativen, handeln aufgrund persönlicher Wahrnehmungen und individuellen Beweggründen oder treffen auch systematische Fehlentscheidungen. Diese Erkenntnisse erforderten eine Weiterentwicklung des deskriptiven Modells, wo neben der traditionellen Ökonomie auch die verhaltenswissenschaftlichen und kognitiven Aspekte der Psychologie betrachtet werden. Ausgehend von der Theorie der Bounded Rationality von Simon, der Prospect-Theory von Kahnemann und Tversky sowie den Experimenten zu den Heuristiken soll das (begrenzt rationale) Verhalten im Wirtschaftskontext erklärt und bestehende ökonomische Modelle ergänzt werden (vgl. Kahneman, 2003; Simon, 1978). Somit wird von einem menschlichen Akteur ausgegangen, der als begrenzt rational, beeinflusst durch Emotionen, mit einer suboptimalen Informationsverarbeitung bedingt durch interne Restriktionen des menschlichen Gehirns sowie durch die Orientierung an den Handlungen anderer Individuen zu charakterisieren ist (vgl. Daxhammer, S. 87). Diese Perspektive ermöglicht einen tiefergehenden Einblick in die Beweggründe sowie eine präzise Erklärung und Vorhersage menschlichen Handelns. Im Rahmen der ablehnenden Haltung einer Börsenteilnahme kann durch die Identifizierung relevanter psychologischer Verhaltensdeterminanten ein Verständnis für die jeweilige Verhaltensausprägung entwickelt und gefördert werden.
Zur Erklärung der Absicht der Börsenteilnahme, die dem Verhalten der Börsenteilnahme vorausgeht, eignen sich Intentionen basierte Modelle. Die Theorie des geplanten Verhaltens (Theory of Planned Behavior) - Weiterentwicklung der Theory of Reasoned Behavior nach Ajzen und Fishbein - (im Folgenden kurz: TpB) nach Ajzen stellt einen systematischen theoretischen Rahmen im Sinne eines Intention-Ansatzes dar, der zur Erklärung vieler Verhaltenskategorien herangezogen wurde und auch empirische Evidenz besitzt. Eine Börsenteilnahme stellt ein spezifisches, geplantes Verhalten dar, das als Zielverhalten dieses Modells gesehen werden kann. Die TpB, die als dominierendes Modell zur Erklärung von Verhaltensabsichten über den Einfluss weniger Variablen gilt, ist eine vielseitig anwendbare und sich durch begriffliche Klarheit auszeichnende Verhaltenstheorie. Das Modell setzt bei erfahrungsbasierten Überzeugungen der Individuen an, die über zentrale Einstellungen auf eine konkrete Verhaltensabsicht schließen lässt. Die Menschen setzen Wahrnehmungen und Empfindungen in strukturierte Vorstellungen über die Realität um, die in individuellen Einsichten zu Verhaltensabsichten und indirekt zu Verhaltensbegründungen werden können (vgl. Tegtmeier, 2006). Auf Basis dieses kognitiven Verhaltensmodells lassen sich Hinweise darüber erwarten, welche verhaltensbezogenen individuellen Überzeugungen die Entscheidung beeinflussen. Zur Erklärung von Verhalten wird der Fokus damit auf die kognitiven Prozesse der untersuchten Person beziehungsweise der Laien in diesem Fachkontext gelegt.
Dieses theoretische Konstrukt der TpB wurde seit der Entwicklung in vielen unterschiedlichen Lebensbereichen unter anderem im Bereich der Gesundheit (vgl. Godin und Kok, 1996), der Bildung (vgl. Davis et al., 2002), des Konsumentenverhaltens (vgl. George, 2002), des Straßenverkehrs (vgl. Elliot, Armitage und Baughan, 2003) und im Bereich der Wirtschaft (vgl. Tegtmeier, 2006) empirisch getestet. Zu der Aussagekraft dieses Konstrukts zeigten Amitage und Conner (2001) in einer Metastudie, dass die TpB durchschnittlich 27 Prozent der Varianz im Verhalten und 39 Prozent der Varianz in der Absicht erklärt. Aber auch weitere Metaanalysen zu der prädiktiven Validität von Verhaltensintentionen bestätigen signifikante durchschnittliche Korrelationen von .53 zwischen der Intention und dem Verhalten (vgl. Sheeran, 2002).
Weil Intentionen als gute Prädiktoren spezifischen Verhaltens entdeckt wurden, wurde ihnen auch eine entscheidende Rolle in vielen Theorien bezüglich sozialen Verhaltens zugewiesen, wie beispielswiese in dem Social Cognitive Model (Bandura, 1998), im The Health Belief Model (Rosenstock, Strecher und Becker, 1988) oder auch innerhalb der Theory of Trying (Bagozzi und Warshaw 1990). Um Hintergründe des Einflusses der Intention auf das Verhalten zu finden und das Verhalten tiefergehend erklären zu können, haben diese Theorien, auch wenn sie sich in den Details unterscheiden, ähnliche Faktoren identifiziert, die den größten Teil der Varianz der Verhaltensabsicht erklären. Diese Faktoren können in drei Kategorien unterteilt werden: Die Attraktivität der positiven oder negativen Verhaltenskonsequenzen, die Zustimmung oder Ablehnung des Verhaltens zwischen Individuen oder innerhalb von Gruppen und die Faktoren, die die Verhaltensleistung erleichtern beziehungsweise erschweren (vgl. Ajzen, 1991; Ajzen und Fishbein, 2005). Die im Vergleich sich ähnelnden Faktoren werden in dieser Theorie zusammenfassend als drei Komponenten definiert, die einen unmittelbaren Einfluss auf die Intentionsbildung haben, wobei die Absicht wiederum Hauptprädiktor des eigentlichen Verhaltens ist: Einstellung gegenüber dem Verhalten (Perceived Attractiveness of Target Behavior), der empfundene soziale Druck (Perceived Social Norm) und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle (Perceived Behavioral Control).
Ein spezifisches Verhalten wird immer dann beabsichtigt auszuführen, wenn ihre persönlichen Bewertungen des Verhaltens positiv sind (Einstellung gegenüber dem Verhalten), die zu beabsichtigende Personen annehmen, dass ihnen die wichtigen Bezugspersonen dem Zielverhalten zustimmen (wahrgenommener sozialer Druck), und sie davon ausgehen, dass die erforderlichen Möglichkeiten und Ressourcen für das Verhalten verfügbar und gegeben sind (wahrgenommene Verhaltenskontrolle). Die Absicht mündet in das Verhalten, wenn die subjektiv wahrgenommene Verhaltenskontrolle mit der tatsächlichen Verhaltenskontrolle übereinstimmt (vgl. Ajzen und Fishbein, 2005). Zu einer Absichtsänderung kann es durch zeitliche Verzögerungen oder durch eine veränderte Informationsbasis kommen, sodass die Verhaltensdurchführung vereitelt wird. Die drei Einflussfaktoren können auf direktem und indirektem Wege ermittelt werden: Bei der direkten Messung, geben die Probanden im Sinne eines zusammenfassenden globalen Urteils an, ob ihre Einstellung / der soziale Druck / die Verhaltenskontrolle gegenüber einem Verhalten insgesamt positiv oder negativ empfunden wird. Dies kann auf einer bipolaren Adjektivskala mit entgegengesetzten Polen (z.B. gut - schlecht) erfolgen. Auf indirektem Wege werden die Einstellung, der wahr-genommene soziale Druck und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle durch informations- und erfahrungsbasierten Überzeugungen (beliefs) erklärt. Dabei wird angenommen, dass die Determinanten der Intention durch dem Gedächtnis zugängliche Überzeugungen hinsichtlich des Verhaltens bestimmt werden (vgl. Fishbein und Ajzen, 1975). Weitere Erklärungen über die indirekte Methodik des Konstrukts sind im Anhang zu finden. Abbildung 1 stellt eine schematische Darstellung der direkten Methode des Konstrukts dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1. Theory of planned Behavior – direkte Methode nach Ajzen (2005)
Folgende implizierte Annahmen liegen diesem Modell zugrunde (vgl. Ajzen und Fishbein, 2005):
1. Intention ist direkter Prädiktor des aktuellen Verhaltens.
2. Intention ist determiniert durch die Einstellung gegenüber dem Verhalten, durch den sozialen Druck und durch die wahrgenommenene Verhaltenskontrolle.
3. Diese Determinanten sind Funktionen, die sich aus entsprechenden konativen, normativen und kontrollspezifische Überzeugungen bilden.
4. Konative, normative und kontrollspezifische Überzeugungen können aus der Vielfalt der Hintergrundfaktoren stark variieren.
Das Verhalten der Person wird durch die Informationen, die ihre Überzeugungen bilden, determiniert, obgleich diese Informationen korrekt oder falsch sind. Es ist wichtig zu erkennen, dass diese Überzeugungen einer Vielfalt von Hintergrundfaktoren entspringen und somit individuell und personenspezifisch ausgeprägt sind. Hintergrundfaktoren stellen solche dar, die indirekten Einfluss auf das spezifische Verhalten besitzen, indem diese Aspekte die wenigen Variablen beeinflussen, deren Beziehung zum Zielverhalten größer ist. Somit besteht ein Einfluss beispielweise von demographischen Faktoren oder Persönlichkeitseigenschaften auf die Verhaltensüberzeugungen (beliefs) und darüber zur Einstellung bis hin zur Intention und zum tatsächlichen Verhalten. So stellen auch situative Faktoren Hintergrundfaktoren dar und implizieren einen indirekten Einfluss. Die Verhaltensabsichten sind demnach je nach Kontext und der Situation determiniert (vgl. Ajzen, 1991).
In dieser Forschungsarbeit wird der Grundrahmen des bewährten Modells des geplanten Verhaltens nach Ajzen (1991) übernommen, wobei in der Erhebung der Prädiktoren der Intention kontextspezifische Anpassungen stattfinden. Die Determinanten, die die Bezeichnung gemäß der Theorie beibehalten, werden breiter aufgefasst als die vorgegebene Erhebungsform. Demnach bezeichnet die Intention die Absicht der Börsenteilnahme und das Zielverhalten die tatsächliche Teilnahme am Börsenmarkt. Die Einstellung bildet sich aus der Erfassung der wahrgenommenen Möglichkeit des Erfolgs an der Börse, welches die wahrgenommene Attraktivität (im Sinne positiver Verhaltenskonsequenzen) des Zielverhaltens gemäß dem Modell abbildet. Die Determinante der sozialen Norm wird als soziale Motivation übernommen. Dabei bildet sich diese Determinante aus der Betrachtung der sozialen (enge Freunde und Familienangehörige) sowie der medialen Motivation gegenüber der Börsenteilnahme. Diese Determinanten erheben den Druck (gemäß der vorausgehenden Variablenbestimmung innerhalb der Theorie) die soziale Subjekte und mediale Objekte hinsichtlich der Intention der Börsenteilnahme beziehungsweise des tatsächlichen Einstiegs am Börsenmarkt besitzen. Daneben wird die wahrgenommene Verhaltenskontrolle des Modells in drei kontextspezifischen Variablenausprägungen erfasst, die in diesem Kontext als Kontrollvariablen des Verhaltens angenommen werden. Die Determinante der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle ergibt sich aus der Messung der wahrgenommenen Selbstkompetenz (im Sinne einer Selbsteinschätzung bezüglich der eigenen Fähigkeit erfolgreich am Börsenmarkt zu sein), der Wahrnehmung des Zusammenhangs zwischen Börsenwissen und Börsenerfolg und der wahrgenommenen Leichtigkeit der Börsenteilnahme. Durch die Untersuchung von Personen ohne fachliche Expertise in Finanzangelegenheiten stellt das Finanzwissen insbesondere in der Analyse der Teilnahmebereitschaft am Börsenmarkt einen relevanten Hintergrundfaktor dar. Abbildung 2 zeigt das Konstrukt der Theorie des geplanten Verhaltens nach Ajzen (1991; vgl. auch Ajzen und Fishbein, 2005) im Rahmen der Erfassung der Intention der Börsenteilnahme.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2. Theory of planned Behavior zur Erklärung der Börsenteilnahmebereischaft – direkte Methode nach Ajzen (1991, 2005)
In verschiedenen Untersuchungen wurden die wahrscheinlichen Folgen eines Verhaltens als Ergebniserwartungen (vgl. Bandura, 1977) oder als Wahrnehmung des Kosten-Nutzen Verhältnisses (vgl. Becker, 1974; vgl. Rosenstock, Strecher und Becker, 1988) beschrieben. Ajzen und Fishbein (1980, 1975) bezeichnen die als wahrscheinlich angenommenen Folgen des Verhaltens als Verhaltensüberzeugungen. Hierbei wird angenommen, dass diese Überzeugungen und ihre zugehörigen Auswertungen, eine positive oder negative Gesamtauswertung, die die kognitive Komponente der Einstellung bedeutet, gegenüber dem möglichen Zielverhalten produzieren. Insbesondere wenn die wahrgenommenen Vorteile (der Ausübung) des Zielverhaltens die wahrgenommenen Nachteile überwiegen, neigen die Personen zu einer günstigen Einstellung gegenüber dem Zielverhalten. Bei einer insgesamt negativen Wahrnehmung der Verhaltenskonsequenzen wird wahrscheinlich eine negative Einstellung gegenüber dem Zielverhalten gebildet (vgl. Ajzen und Fishbein, 2005). Somit ist eine Einstellung definiert als eine Disposition beziehungsweise (kognitive) Beurteilung eines Individuums für (positiv) oder gegen (negativ) eine Entität in der (Welt-)Sicht des Individuums (vgl. Ajzen, 1989).
Metaanalysen zu der Beziehung von Einstellung und Verhalten zur Vorhersage von Verhalten zeigten einen signifikanten Zusammenhang nach Pearson von (mindestens) r ≥ .40, die die determinierende Funktion der Einstellung in verschiedenen Verhaltenskontexten beschreibt. Dieser liegt aber nur bei einer Korrespondenz der beiden Variablen hinsichtlich der Handlung (Art des Verhaltens), des Gegenstandes (Objekt des Verhaltens), des Kontextes (Situation des Verhaltens) und des Zeitrahmens des Verhaltens vor. Keine oder geringe Übereinstimmungen der beiden Variablen bezüglich der vier Aspekte ergaben keine signifikanten Ergebnisse (vgl. Ajzen und Fishbein, 1977; vgl. Ajzen 1989). Die Messung der Einstellung erfolgt nicht über die Messung der drei Komponenten – kognitiv, affektiv, konativ – aufgrund der hohen Korrelationen untereinander sowie der geringen diskriminanten Validität, die die einzelnen Komponenten zu dem Zielverhalten aufweisen, sodass sich keine weitere Vorhersagekraft bei der expliziten Unterscheidung und Erhebung der drei Komponenten ergibt (vgl. Ajzen, 1989; vgl. Widaman, 1985). Die Messungen des Verhaltens über Intentionen stellten im Vergleich zu dem Verhältnis von Einstellung und Verhalten höhere Zusammenhänge dar und veranschaulichen, dass die Einstellung einer der drei determinierenden Variablen der Intention und des Verhaltens ist (vgl. Ajzen und Fishbein, 2005). Ausgehend von der empirischen Situation wird der Einflussfaktor Einstellung auf die Intention hinsichtlich der Börsenteilnahme hier auf kognitiver Ebene erhoben, da eine breite Erfassung der Faktoren der Börsenteilnahmebereitschaft von Laien als Untersuchungsziel gesetzt worden ist. Die kognitive Komponente impliziert im Sinne der Attraktivität des Zielverhaltens die wahrgenommene Möglichkeit des Börsenerfolgs in Form einer Wahrnehmung von positiven Verhaltenskonsequenzen. Die positive Verhaltenskonsequenz ist kontextspezifisch definiert als finanziellen Erfolg am Börsenmarkt.
Gemäß der Theorie des geplanten Verhalten nach Ajzen (1991) wird ein spezifisches Verhalten immer dann beabsichtigt auszuführen, wenn neben der positiven Bewertungen des Verhaltens (Einstellung) und der Verfügbarkeit von Ressourcen zur Verhaltensdurchführung (wahrgenommene Verhaltenskontrolle) die zu beabsichtigende Personen annehmen, dass ihnen die wichtigen Bezugspersonen dem Zielverhalten zustimmen (vgl. Ajzen, 1991). Somit muss der wahrgenommene soziale Druck konform mit dem beabsichtigten Verhalten gehen und einen Zuspruch auf der Seite der Bezugspersonen besitzen. In dieser Forschungsarbeit wird die eher neutrale Messung des sozialen Drucks hinsichtlich der Verhaltensabsicht durch eine aktive und positive Erfassung der sozialen Einflüsse ersetzt. Im Fokus liegt die Betrachtung von möglichen (positiven) Einflüssen aus den Medien und dem engen sozialen Umfeld.
Die sozialen Einflüsse, die den größten Teil der externen Informationsquellen ausmachen, ergeben sich in erster Linie aus der interpersonalen Kommunikation, den Medien sowie der Verhaltensbeobachtung anderer Mitmenschen. Diese Informationen beeinflussen den Entscheidungsprozess sowohl in der Wahrnehmung, als auch in der Verarbeitung und Bewertung der Information. Die Beachtung sozialer Einflüsse auf die Anlageentscheidungen sind von essentieller Bedeutung, da die Kurse von Aktien und anderen Finanzwerten letztlich auf eine Art sozialem Konsens über den angemessenen Preis basieren (Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage), der nicht immer den wahren Wert der entsprechenden Aktie wiederspiegeln muss. Ein Beispiel für die sozialen Einflüsse entgegen der Rationalitätsannahme ist das Herdenverhalten. Zusammenfassend lässt sich das Herdenverhalten nach Sias (2004) als Tendenz von Investoren bezeichnen, die eigenen privaten Signale zu ignorieren und dem Verhalten anderer Investoren zu folgen, zu kaufen oder verkaufen. Auf institutioneller als auch auf privater Ebene konnte dieses Verhalten bezüglich Finanzentscheidungen (speziell am Aktienmarkt) beobachtet und bestätigt werden (vgl. Sias, 2004; vgl. Hsieh, 2013). Auch Dorn et al. (2008) konnten in ihrer Untersuchung des Investitionsverhaltens von 37 000 Kunden einer der größten Discount-Broker Deutschlands beim Börsenverhalten privater Investoren signifikante Ähnlichkeiten am deutschen Aktienmarkt aufdecken, die trotz unterschiedlicher Informationslagen der einzelnen Investoren vorlagen.
Die Theorie des sozialen Einflusses nach Latane (1981) postuliert, dass die Konformität des Verhaltens von der Stärke (Wichtigkeit der Gruppe), der Unmittelbarkeit (räumliche und zeitliche Nähe der Gruppe zum Verhalten) und Anzahl der anderen Menschen in der Gruppe determiniert ist. Ausgehend von dieser Theorie, wird der Akteur in seinem Verhalten insbesondere von den Freunden und seiner Familie beeinflusst, da sie meist die wichtigsten Personen im Leben darstellen sowie den Akteur dauerhaft in seinem Leben begleiten und bei den wichtigen Entscheidungen unterstützen. Chang (2005) konnte in seinen Untersuchungen zu sozialen Einflüssen hinsichtlich Finanzentscheidungen belegen, dass die Freunde und die Familie die Rolle der wichtigsten Ansprechpartner in Finanzentscheidungen einnehmen, insbesondere aufgrund ihrer Vertrauenswürdigkeit. Sie haben besonders großen Einfluss bei Personen mit jeweils niedrigen sozioökonomischen Status. Hong et. al. (2005) untersuchten auch das Anlageverhalten von professionellen Vermögensverwaltern (money manager) in verschiedenen Städten in den USA. Dabei konnte herausgefunden werden, dass die Manager, die aus derselben Stadt kamen, die verwalteten Anlagesummen in gleiche Finanzanlagen investiert hatten. Insbesondere im Vergleich zu den Anlagestrategien aus anderen Städten wiesen die Manager innerhalb einer Stadt ein konformes Anlageverhalten auf. Somit wurde auf den Einfluss der sozialen Interaktion – speziell der Word-of-Mouth-Effekt - und dem Einfluss der Peers als wichtige soziale Gruppe hingewiesen. Ausgehend vom Word-of-Mouth-Effekt bestätigen Brown et al. (2008) den signifikanten Einfluss der sozialen Gemeinschaft auf die Börsenteilnahme. Demnach hängen die Börsenaktivität innerhalb der Gemeinschaft mit der individuellen Teilnahme am Börsenmarkt zusammen. Hong et. al. (2004) konnten in ihrer Untersuchung von 7 500 Hauhalten in den USA zur sozialen Interaktion feststellen, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen der sozialen Interaktion von Personen (häufiger Nachbarkontakt oder Kirchenbesuch) und der Tendenz zur Börsenteilnahme besteht: Als sozial kategorisierte Haushalte haben eine vier Prozent höhere Wahrscheinlichkeit in Aktien zu investieren – bei wohlhabenden weißen Personen sogar eine bis zu acht-prozentige Wahrscheinlichkeit: In Bundesstaaten mit höherem Aktienbesitz in der Bevölkerung sorgt die Soziabilität für eine sieben bis neun prozentige Wahrscheinlichkeit bei Nicht-Aktienbesitzern auch in Aktien zu investieren, wobei in Bundesstaaten mit geringer Börsenteilnahme kein Effekt gefunden werden konnte. Somit zeigen diese Studien, dass eine Motivation durch das soziale Umfeld hinsichtlich der Börsenteilnahme als direkte beziehungsweise gemäß der Theory of planned behavior nach Ajzen (1991) als indirekte Einflussvariable über die Intention angenommen werden kann.
Im Gegensatz zu den Einflüssen aus dem sozialen Umfeld, stellen auch die Medien eine mögliche prädestinierende Variable hinsichtlich des Anlage- und Finanzverhaltens dar. Insbesondere zu gegenwärtiger Zeit nehmen die Medien eine wichtige Rolle ein, da die Menschen durch die Verankerung der Massenmedien im alltäglichen Leben im breiten Ausmaß mit (positiven sowie negativen) Informationen versorgt werden. Massenmedien übertragen nicht nur Neuigkeiten, sondern beeinflussen die Meinungsbildung und die Weltsicht, wirken auf die Stimmungen und determinieren mitunter anderen Variablen wirtschaftliche Entscheidungen – darunter auch Finanzentscheidungen. Schiller (2000, S. 90) betont die Wichtigkeit von Medien in Marktprozessen, indem er auf die Berichterstattung über den Beginn von Spekulationsblasen in den Printmedien als historisches Beispiel hinweist. Barber und Odean (2008) konnten in ihren Untersuchungen zum Einfluss der Medienberichterstattung bezüglich des Finanzverhaltens folgendes darstellen: Die von den Medien ausgesprochenen Anlageempfehlungen führen zu einer verstärkten Handelsaktivität, aber jedoch nur in seltenen Fällen aufgrund der Postaktualität der Publikationen zu signifikanten Überrenditen. Daneben spielt die Zuverlässigkeit oder Genauigkeit der Informationsquelle eine geringe Rolle. Somit gewichten die Marktteilnehmer Informationen abgesehen von ihrem wahrscheinlichen Wahrheitsgehalt. Es geht um die Tatsache eines Informationsbefundes, der die Marktakteure an sich beeinflusst unabhängig davon, wie zuverlässig die Quelle scheint (vgl. DiFonzo und Bordia 1997). Oberlechner und Hocking (2004) bestätigen diese Verhaltenstendenz der Marktteilnehmer durch Ihre Untersuchungen zu Informationsquellen am Aktienmarkt mit Hilfe einer Befragung von Devisenhändlern großer Geschäftsbanken und Journalisten großer Agenturen von Finanznachrichten. Zusätzlich postulieren sie, dass die Marktteilnehmer durch die Medien eine prognostizierte Realität kreieren, die zukünftige Erwartungen in die Gegenwart einbauen, nach denen sie sich durch den gegenseitigen Einfluss am Aktienmarkt richten. Somit spielen neben der Informationsflut und der schnelleren Informationsbereitstellung durch technologische Fortschritte die Tatsache eine wichtige Rolle, wie bereitgestellte Informationen (durch die Medien) von Marktteilnehmern erkannt, interpretiert und prognostiziert werden. Auch können die Medien in Ihrer Funktion als Stimmungsvermittler den Entscheidungsprozess in finanziellen Fragestellungen beeinflussen. Au et al. (2003) untersuchten die Performance in Anlageentscheidungen im Devisenhandel in Abhängigkeit von der induzierten Stimmung: bei neutraler Stimmung erzielten die Probanden die höchsten Renditen, wobei sie bei positiver Stimmung deutlich die negativsten Renditen erzielten; daneben lag der Prozentsatz richtiger Entscheidungen bei negativer Stimmung mit 68,42 Prozent am höchsten, wobei das Investitionsvolumen bei negativer Stimmung signifikant niedriger war. Die Studien verweisen auf klare Einflüsse der Medien hin, indem die Medien durch die gezeigten Inhalte beeinflussen. Demnach könnte auch eine mediale Motivation hinsichtlich der Börsenteilnahmebereitschaft angenommen werden, wenn die Inhalte durch die Medien verhaltensfördernd vermittelt werden beziehungsweise die Medieninhalte von den (möglichen) Marktakteuren so wahrgenommen werden. Die Studien des Deutschen Aktieninstituts zum Verhalten und zu den Präferenzen deutscher Aktionäre (2014) zeigen, dass die Medien, insbesondere Printmedien und die Wirtschaftsberichterstattung im Fernsehen und Internet, langfristig als wichtige, aktuelle, verständliche und vertrauenswürdige Informationsquellen dienen. Demnach könnte neben dem Einfluss der Medien für Personen mit Börsenhandelsaktivität auch ein verhaltensprägender Einfluss der Medien insgesamt gegenüber dem Börsenmarkt und der Börsenteilnahme angenommen werden.
Die Untersuchungen von Bandura et al. (1977, 1980) zeigten, dass das Verhalten des Individuums stark von seinem Selbstbewusstsein ein Verhalten ausführen zu können beeinflusst wird. Demnach beeinflussen Selbst-Wirksamkeits-Überzeugungen Verhaltensweisen, Wahl und Vorbereitung von Aktivitäten, Denkmuster sowie emotionale Reaktionen. Das Konzept der Selbst-Wirksamkeit bezeichnet die Selbstbeurteilung einer Person, wie gut sie sich selbst sieht, erforderliche Handlungen in zukünftig betroffenen Situationen wirksam ausführen zu können (vgl. Bandura, 1982). Ausgehend von den ermittelten Ergebnissen wurde die Theorie des überlegten Handelns (Theory of reasoned behavior) mit dem Konstrukt der Selbst-Wirksamkeit in einer generellen Ausprägung als wahrgenommene Verhaltenskontrolle zur Theorie des geplanten Verhaltens ergänzt (vgl. Ajzen, 1991). Die Theorie des geplanten Verhaltens benennt die wahrgenommene Verhaltenskontrolle als zusätzlichen Prädiktor neben den bestehenden Prädiktoren der Theorie des überlegten Verhaltens nach Ajzen und Fishbein (1980, 1975) der Verhaltensintention. Um über die Intention das jeweilige Verhalten vorherzusagen, stellte die wahrgenommene Verhaltenskontrolle eine signifikante zusätzliche Erklärung der Varianz der Intention zu den bestehenden Prädiktoren der Einstellung gegenüber dem Zielverhalten und dem sozialen Druck dar (vgl. Ajzen und Madden, 1986; Godin, Valois und Lepage, 1992). Dabei konnten in den Untersuchungen der Determinante der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle in verschiedenen Kontexten neben der Verbesserung der Intentionserklärung auch die direkte signifikante Beziehung zum Verhalten identifiziert werden (vgl. Madden, Ellen und Ajzen, 1992). Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle bezieht sich auf die wahrgenommene Leichtigkeit oder Schwierigkeit der Verhaltensausübung und impliziert auch die Reflexion von Erfahrungen sowie die Antizipation von Hindernissen. Dem Modell nach geht die Verhaltensintention (unter anderem) mit der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle positiv einher: Je höher die wahrgenommene Verhaltenskontrolle, desto höher die individuelle Intention das Verhalten auszuüben (vgl. Ajzen, 1989). Ein Verhalten ist als vollkommen unter der Kontrolle einer Person zu bezeichnen, wenn diese Person (selbst und individuell) entscheiden kann, ein Verhalten auszuführen oder nicht. Dabei kann die wahrgenommene Verhaltenskontrolle sowohl von internen Faktoren (beispielweise von der Wahrnehmung von eigenen Fähigkeiten, Kompetenzen und persönlichen Wissen), als auch von externen Faktoren (wie beispielsweise Zeit, Anzahl von Verhaltensmöglichkeiten oder das Verhalten / die Kooperation von anderen Individuen) beeinflusst werden (vgl. Ajzen und Madden, 1986). Die Einflussvariable der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle bildet sich im Rahmen dieser Forschungsarbeit aus einer Selbsteinschätzung – eigene Fachkompetenz als Kontrollvariable des eigenen Verhaltens am Börsenmarkt -, einer Einschätzung des Zusammenhangs von Börsenwissen und Börsenerfolg – ein geringer Zusammenhang als mögliche Unkontrollierbarkeit der Konsequenzen der Börsenteilnahme – und der wahrgenommenen Leichtigkeit der Börsenteilnahme – wahrgenommene Teilnahmeschwierigkeit als schwierige Kontrollierbarkeit der Handelsprozesse. Somit bildet sich diese Skala aus drei Unterskalen, die unterschiedliche Kontrollaspekte der Börsenteilnahme erheben.
Ein Einflussfaktor auf die Formulierung einer Börsenteilnahmeabsicht kann das Finanz- beziehungsweise Börsenwissen sein. Untersuchungen zur Finanzbildung zeigen, dass das Finanzwissen signifikant mit dem Entscheidungsfindungsprozess in finanziellen Angelegenheiten zusammenhängt (vgl. Lusardi, 2006; Lusardi & Mitchell, 2008). Als ein Hintergrundfaktor im Konstrukt der Theorie des geplanten Verhaltens nach Ajzen (1991) stellt das Finanzwissen eine Determinante mit indirektem Einfluss auf die Absicht und darüber zum Zielverhalten dar, indem es die wenigen Faktoren (Einstellung, soziale Norm, wahrgenommene Verhaltenskontrolle) beeinflusst, deren Beziehung zum Zielverhalten größer ist. Eine Betrachtung dieses Faktors aufgrund der Untersuchung von Laien (Personen mit niedrigem Finanzwissen) ermöglicht ein Verständnis über die Ausprägungen der Intentionsdeterminanten und anhand der Intention über das jeweilige Zielverhalten.
Abgeleitet aus der Tätigkeit in der Finanzwirtschaft wird Finanzwissen als Wissen über Akquisition, Disposition und Investition finanzieller Mittel verstanden (Perridon, 2009, S. 3). Aktuelle Studien weisen auf den Mangel von Finanzwissen in Deutschland hin (vgl. Kaminski & Friebel, 2012; vgl. Bundesverband deutscher Banken: Jugendstudie 2012 und 2015), der sich auch auf internationalem Niveau bestätigt (vgl. Lusardi und Mitchell, 2011). Das niedrige Wissen kann auf eine geringe Konfrontation mit finanziellen Angelegenheiten, aber auch auf ein niedriges Interesse zurückgeführt werden. Eine daraus resultierende geringe Neugier fördert die Börsenteilnahmebereitschaft nicht, sodass mögliche Chancen am Börsenmarkt unberücksichtigt bleiben.
Van Rooij, Lusardi und Alessie (2011) konnten in ihrer Untersuchung zur finanziellen Bildung und dem Börsenverhalten feststellen, dass durch das Wissensniveau ein bedeutender Anteil in der Varianz der Börsenteilnahme erklärt wird. Demnach kann von einem großen Einfluss des Finanzwissens auf die Börsenteilnahmebereitschaft ausgegangen werden. Personen mit geringer Finanzbildung sind signifikant weniger bereit ihr Geld an der Börse anzulegen. Ein höheres Wissen kann mit einem höheren Interesse und einer höheren Selbst-Kompetenz verbunden werden und indirekt zu einer höheren Absicht am Börsenmarkt teilzunehmen führen.
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