Bachelorarbeit, 2018
77 Seiten, Note: 1,3
1. Einleitung
2. Theoretische Forschungsansätze
2.1. Globalisierungsdiskurs
2.2. Globalisierung und Kultur
2.2.1 Wandel im Kulturverständnis
2.2.2 Auswirkungen auf Kultur und Gesellschaft
2.2.3 Imagologie in Zeiten der Globalisierung
3. Globalisierung im Film
4. Filmanalyse: Alejandro González Iñárritu – Babel
4.1. Struktur
4.1.1 Handlungsgerüst
4.1.2 Erzählstrategie
4.2. Die dargestellte Welt: Fremdsein versus Nicht-Fremdsein
4.3 Negative Auswirkungen kultureller Globalisierung
4.3.1. Bedeutung von Kommunikation und Sprache
4.3.2. Skepsis, Angst und Vorurteile
4.4 Transkulturelle Elemente in einer globalisierten Welt
4.4.1 Paradigmen Leid und Verzweiflung
4.4.2. Paradigmen Familie und Zusammenhalt
4.4.3 Darstellung auf filmästhetischer Ebene
4.5. Dominanz der Industrienationen
5. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Sequenzprotokoll
Über Facebook sind wir immer und zu jeder Zeit mit Personen vernetzt, die sich weit entfernt, sozusagen am anderen Ende der Welt befinden. Im Supermarkt kaufen wir Mangos aus Indien und Bananen aus Costa Rica, für einen neuen Job fliegen wir einmal um die Welt und in der Schule sitzen deutsche Kinder neben spanischen und türkischen. Globalisierung ist ein Begriff, der alltäglich benutzt wird, gleichzeitig aber mindestens so viele Aspekte der Ausprägung aufweist, wie Versuche diese ganzheitlich zu umschreiben und zu definieren. „Niemand tritt mehr auf, um die einzige und gesamte Wahrheit der Globalisierung zu verkünden. Es konkurrieren Tendenzen miteinander, Verstärkungen und Abschwächungen, Reichweiten und Begrenzungen“, erläutern Rehbein und Schwengel.1 Sicher ist nur, „daß [die] Verflechtungen und Auswirkungen [der Globalisierung] weltweit im wissenschaftlichen und im Alltagsleben spürbar und bewusst sind.“2
Im Zuge globaler Vernetzungsprozesse wird in der Wissenschaft oft von einer zunehmenden time-space-compression 3 gesprochen. Dies meint, dass sich die räumlichen sowie auch zeitlichen Distanzen im Zeitalter der Globalisierung verkürzen, dass Raum und Zeit sich verdichten, nahezu keine Rolle mehr spielen, oder jedenfalls als dekonstruiert wahrgenommen werden. Grund dafür sind - laut Harvey - unter Anderem Innovationen in Bereichen der Kommunikation und des Transports und die Erfindung des Telefons sowie des Radios.4
Mit diesen Innovationen gehen auch kulturelle Austausch- und Vernetzungsprozesse einher. Menschen unterschiedlichster Kulturen überschreiten territoriale Grenzen, die im Zuge der Globalisierung durchlässiger und leichter zu überwinden zu sein scheinen. So treffen Menschen einst isolierter Kulturen aufeinander und treten in Kontakt und Austausch miteinander. Die Welt rückt also zusammen, die Grenzen zwischen Kulturen und auch innerhalb dieser zwischen Menschen und deren Wertevorstellungen scheinen immer mehr zu verschwimmen. Ein solcher Prozess stellt das gesellschaftliche Miteinander vor neue Herausforderungen.
Der 2006 erschienene Film Babel des mexikanischen Regisseurs Alejandro González Iñárritu thematisiert diese Entwicklung. Er besteht aus mehreren ei- gentlich voneinander unabhängigen Einzelgeschichten, wobei innerhalb jeder Geschichte eine Vielzahl an Personen in verschiedenen Ländern mit eigenen kulturellen Werten, Vorstellungen und Praktiken agieren. Durch ein Ereignis werden die Handlungsstränge und damit die Figuren miteinander in Beziehung gesetzt, wodurch unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen und die Folgen dieses Aufeinandertreffens sichtbar werden. So spinnt Iñárritu im Rahmen seiner Trilogie, bestehend aus Babel und seinen Vorreitern Amores Perros aus dem Jahr 2000 und dem 2003 erschienen Film 21 Gramm das narrative Netz immer größer. Sein Debütfilm Amores Perros spielt dabei noch in seiner Heimatstadt Mexiko Stadt und zeigt auch jeweils nur eine Figur pro Handlungs- strang. In 21 Gramm dagegen überschreitet der Regisseur schon die Grenze nach Amerika und mit Babel letztendlich setzt er sich buchstäblich die ganze Welt zum Thema, indem er die einzelnen Handlungsstränge, jeweils mit 6 Hauptfiguren auf 3 unterschiedlichen Kontinenten und in 4 Ländern über den Globus verteilt, miteinander verwebt.
Babel wird als Analysegrundlage für die vorliegende Arbeit dienen, da er Personen aus allen Teilen der Welt miteinander in Beziehung setzt und letztendlich die lokalen Auswirkungen dieses Aufeinandertreffens thematisiert. Er soll daraufhin untersucht werden, wie Globalisierung und ihre möglichen Auswirkun- gen auf Kultur und Gesellschaft dargestellt werden und inwieweit er die Spannung zwischen Lokalem und Globalem im 21. Jahrhundert zu repräsentieren vermag. Theoretische Forschungsansätze dienen hierbei als Einstieg. Im Zuge dessen soll zunächst versucht werden, sich dem Begriff Globalisierung zu nä- hern. Wenige Begriffe sind im allgemeinen Sprachgebrauch so präsent und dennoch so vielschichtig wie dieser. Deshalb wird sich im Rahmen dieser Arbeit auf einen Teilaspekt der Globalisierung konzentriert: auf die Auswirkungen der Globalisierung auf Gesellschaft und Kultur.
Hier soll zunächst ein kurzer Überblick über den Kulturbegriff gegeben werden. Definitionen von Kultur sind umstritten, da behauptet wird, das klassische Verständnis von Kultur sei in Zeiten des globalen Wandels nicht mehr zeitgemäß. Um zu verstehen, was Kulturen heutzutage auszeichnet, soll sich erst dem traditionellen Verständnis gewidmet werden, um dann zu skizzieren, wie sich dies im Zuge globaler Veränderungsprozesse gewandelt hat. Anschließend werden die möglichen Folgen kultureller Vernetzung herausgearbeitet. Im Zuge dessen wird sich zwei Strömungen gewidmet, die unterschiedliche kulturelle Auswirkungen der Globalisierung in den Mittelpunkt stellen. Andererseits wird auf mögliche Spannungsverhältnisse durch kulturelle Globalisierung eingegangen. Da sich die Debatte immer häufiger darum dreht, was nun in einer kulturvernetzenden Welt zur eigenen und was zur fremden Kultur gehört, sollen als Abschluss des Theorieteils Forschungen zur kultursemiotischen Imagologie ausgeführt werden. Bevor sich der Analyse des Films Babel, welche den Hauptteil der vorliegenden Arbeit darstellt gewidmet werden soll, werden unterschiedlichen Darstellungen von Globalisierung im Film herausgearbeitet. Weiter wurde dann die Filmanalyse ihrerseits in fünf Unterpunkte gegliedert. Zunächst soll ein Einblick in die Struktur des Films gegeben werden. Um zu verstehen, wie die einzelnen Handlungsstränge miteinander verknüpft sind, ist die genaue Betrachtung der dargestellten Welt und ihrer zugrundeliegenden semantischen Ordnung unabdingbar. Zentrale Paradigmen, welche als Bedeutungsträger die filmische Darstellung von möglichen Auswirkungen kultureller Globalisierung zentral stützen, sollen anschließend genauer betrachtet werden. Hier wird der Fokus einerseits auf negative Folgen kulturellen Aufeinandertreffens und andererseits auf Kulturen übergreifende Werte gelegt. In einem letzten Schritt erfolgt eine Betrachtung der Ergebnisse hinsichtlich der Forschungsfrage und ein Ausblick auf mögliche Anschlussforschungen.
Nachfolgender Teil widmet sich den theoretischen Forschungsansätzen, welche der späteren Filmanalyse zu Grunde liegen. Hier soll zunächst auf Tendenzen im aktuellen Globalisierungsdiskurs eingegangen werden, bevor ein Teilaspekt davon genauer beleuchtet wird: die kulturelle Globalisierung und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft.
Wenn man an Globalisierung denkt, kommt wohl jedem etwas anderes in den Sinn. Die einen denken an erschwingliches Reisen mit dem Flugzeug, andere an weltweite Vernetzung durch das Internet, wieder andere denken an Flüchtlinge auf dem Mittelmeer auf dem Weg Richtung Europa oder an kulturelle Vielfalt, an Tourismus, an Terrorismus, an die Welthandelsorganisation, an schnellen und erleichterten globalen Warenverkehr. Die Liste könnte hier fast unendlich weitergeführt werden, denn im allgemeinen Sprachgebraucht bezieht sich der Begriff durchaus auf eine Vielzahl an extrem unterschiedlichen Phänomenen. Auch bei der Suche in der Literatur und im Internet nach eben jenem Begriff, beginnt geradezu jeder Definitionsversuch damit, wie vielschichtig der Ausdruck Globalisierung ist. Mit der Soziologie, der Anthropologie, den Politikwissenschaften und internationalen Beziehungen, der Literatur, der Religion, und der Kommunikation nennt Roland Robertson, wichtigster Vordenker in der Globalisierungsdebatte in seinem Aufsatz Globalization Theory 2000+: Major Problematics nur einen Bruchteil der Bereiche, auf welche Globalisierung einen Einfluss hat.5 Nach einer eindeutigen Definition des Begriffes sucht man wäh- renddessen vergeblich. Vielmehr wird sich in unterschiedlichen Kontexten Teil- aspekten der Globalisierung zugewandt. Beck fasst diese Vielschichtigkeit tref- fend zusammen:
„Globalisierung ist sicher das am meisten gebrauchte – missbrauchte – und am seltensten definierte, wahrscheinlich missverständlichste, nebulöseste und politisch wirkungsvollste (Schlag- und Streit-)Wort der letzten, aber auch der kommenden Jahre.“ 6
Eine grobe Annäherung an den Begriff der Globalisierung wagen Knoll, Kreff und Gingrich, indem sie Globalisierung als „weltweite Verflechtungs-, Austausch-, und Abhängigkeitsprozesse“ 7 definieren. Als Folge des erweiterten Handels, der internationalen Zollsenkungen und der Liberalisierung des Kapitalverkehrs wurden diese Verflechtungs-, Austausch-, und Abhängigkeitsprozesse anfangs zunächst ausschließlich mit wirtschaftlichen Entwicklungen in Verbindung gebracht. Durch rasant fortschreitende Modernisierungsprozesse in Bereichen wie der Kommunikation oder dem Transport umfasst der Begriff heu- te um einiges mehr und dringt beeinflussend in eine Vielzahl weiterer Bereiche ein. 8
Mit der voranschreitenden Internationalisierung verschiedenster Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, gehen - neben positiven Aspekten wie beispielsweise einer gesteigerten Mobilität - auch negative einher, welche keineswegs zu vernachlässigen sind. Nohlen nennt hier beispielsweise organisierte Kriminalität, erleichterter und beschleunigter Drogen-, Waffen- und Menschenhandel, Krieg, Terrorismus und vor allem dadurch ausgelöste Massenmigration unglaublichen Ausmaßes (vgl. ebd.). Aber auch die asymmetrische Produktion und Verteilung von Wissen und Gütern oder ungleiche Partizipationschancen an Modernisierungsprozessen sind hier zu nennen. Globalisierung produziert also auch eine größere Kluft zwischen verschiedenen Teilen der Welt. So partizipieren nicht alle Individuen in gleichem Maße an den Fortschritten globaler Vernetzung durch neue Kommunikationstechnologien. Hier werden die Entwicklungsstaaten häufig als Verlierer und die Industrienationen als Gewinner der Globalisierung dargestellt.
Außerdem führen Globalisierungsprozesse wirtschaftlicher, kommunikationstechnischer und politischer Art zu einem Aufeinandertreffen von Menschen unterschiedlichster kultureller und nationaler Herkunft, deren Eigenheiten, Einstellungen und Praktiken, sich stark voneinander unterscheiden. Dadurch werden diese zusätzlich mit neuen Problemen konfrontiert, meist durch kulturelle Differenzen hervorgerufen. Dieser Zusammenhang zwischen Globalisierung und Kultur ist Gegenstand des nachfolgenden Teils dieser Arbeit.
Aufgrund der Vielschichtigkeit des Begriffes, ist es von Nöten sich im Rahmen der vorliegenden Arbeit auf einen Teilaspekt der Globalisierung und ihre Folgen zu konzentrieren. Im Folgenden soll sich daher ausschließlich mit Auswirkungen der Globalisierung auf moderne Kulturen und Gesellschaften auseinander- gesetzt werden.
In der Debatte um Globalisierung wird oft davon gesprochen, dass der Globus zu schrumpfen scheint, dass Individuen zusammen rücken und räumliche und zeitliche Differenzen dabei keine Rolle mehr spielen würde, genauso wenig wie Grenzen, die im Zuge globaler Vernetzung überwindbarer zu sein scheinen. Kulturen und deren Eigenheiten, Denkweisen und Praktiken werden über nationale Grenzen hinweg über den Globus verteilt. So kommt es zu einem Aufeinandertreffen und zu Austauschprozessen einst voneinander isolierter Kulturen. Gründe für diese voranschreitenden Vernetzungsprozesse sind, unter Anderem, die rasend schnell voranschreitende Digitalisierung und die sozialen Medien, welche die Möglichkeiten des interkulturellen Austauschs durch ständige digitale Neuerungen stark vorantreiben, verbesserte Mobilitätschancen und durch politische Spannungsverhältnisse in Gang gesetzte Migrationsprozesse.9 In diesem Zusammenhang wird in der Forschung häufig von kultureller Globalisierung gesprochen (vgl. ebd.).
Im Mittelpunkt stehen im Folgenden Fragen wie: Was ist eine Kultur eigentlich? Wie hat sich das Verständnis von Kultur im globalen Kontext verändert? Welche Auswirkungen hat die Globalisierung auf Kultur und Gesellschaft?
Den Begriff der Kultur scheint sowohl im Alltagsgebrauch (man denke nur an geläufige Begriffe wie Kulturbeutel, Essenskultur oder Pflanzenkultur) sowie auch in der Forschung ständig präsent zu sein und mindestens genauso vielschichtig, wie derjenige der Globalisierung. Kultur ist ein Begriff der in so unterschiedlichen Kontexten gebraucht wird, wie kaum ein anderer. Ihn greifbar zu machen bzw. ihn eindeutig zu definieren, stellt daher kein leichtes Unterfangen dar,10 alleine schon deshalb, weil auch dieser Begriff in Zeiten globaler Vernetzung einem Wandel zu unterliegen scheint.
Der traditionelle humanistische Kulturbegriff wurde erstmals 1684 von Samuel von Pufendorf definiert. Laut ihm ist Kultur jenes Konstrukt, welches „sämtliche Tätigkeiten eines Volkes, einer Gesellschaft oder einer Nation zu umfassen [beansprucht].“11 Später beschreibt Johann Gottfried Herder Kulturen als Kugeln, die im Inneren eine strikte Homogenität aufweisen und sich gegenseitig nur abstoßen oder bekämpfen können.12 Laut ihm ist „’Kultur’ [...] also ein Begriff der Unterscheidung, etwa der Unterscheidung der eigenen Nation und Lebensweise von der der anderen.“13 Zusätzlich sind für ihn Kulturen durch drei Grundannahmen gekennzeichnet: Erstens durch soziale Homogenisierung, die Vereinheitlichung innerhalb einer Kultur. Das bedeutet, dass durch die Kultur jeder Einzelne des Volkes mit seinen Handlungen zu einem unverwechselbaren Bestandteil der Kultur wird. Zweitens durch die Annahme der ethnischen Fundierung, wonach das Volk als Mitproduzent der jeweiligen Kultur verstanden wird, und drittens durch die Abgrenzung nach außen: jede Kultur soll sich also von anderen abgrenzen und abgegrenzt bleiben.14
Im Hinblick auf den bereits erläuterten gesellschaftlichen Zusammenwuchs auf globaler Ebene fällt jedoch auf, dass ein traditionelles Verständnis von Kultur im Gegensatz zur heutigen vernetzten Welt steht und somit nicht mehr haltbar ist. Kulturen sind ganz offensichtlich stärker miteinander vernetzt als jemals zuvor, stehen im Kontakt und Austausch. „Globales Denken und ein Fokus auf globale Vernetzung, Interdependenz, Mischung und Austausch sind notwendig“, so Ulfried Reichardt, „um heute Aussagen über Kultur treffen zu können.“15 Was eine bestimmte Kultur ausmacht, ist heute nicht mehr ohne globalen Blickwinkel zu verstehen, sie isoliert zu betrachten nahezu unmöglich. Kultur und Globalisierung sind zwei Begriffe, die untrennbar geworden sind. Die Annahme, jede Kultur stünde für sich und im Gegensatz zu anderen Kulturen erscheint daher extrem veraltet. Wolfgang Welsch, welcher einige Schriften zu eben diesem Thema veröffentlichte, äußert sich dazu folgendermaßen: „Angesichts solcher Befunde ist die Verabschiedung des traditionellen Kulturkonzepts mit seinem unheilvollen Doppel von innerem Einheitszwang und äußerer Abschottung auch unter normativen Gesichtspunkten geboten.“16
Im Zuge der Globalisierung „[verschieben sich] Konzepte, Begrifflichkeiten und Metaphern der Wissenschaft [...], um diese Dynamiken globaler Zusammenhänge zu begreifen.“17 Hier stößt man auf die Ausdrücke Inter-, Multi-, und Transkulturalität, von welchen sich offensichtlich auch nur die Transkulturalität vom traditionellen Begriff komplett verabschiedet und versucht in ihrer Definition dem globalen Wandel der Zeit gerecht zu werden.
Obwohl Interkulturalität das Konfliktpotenzial des Verständnisses von Kulturen als sich gegenseitig abstoßende Kugeln als Problem anerkennt, bleibt diese Vorstellung, welche - laut Welsch - der Kern des Problems ist, dennoch erhalten. Stattdessen „[sucht] [d]as Konzept der Interkulturalität [...] nun nach Wegen, wie die Kulturen sich gleichwohl miteinander vertragen, wie sie miteinander kommunizieren, einander verstehen oder anerkennen können.“18 Zwar können laut der Interkulturalität zwei oder mehrere Kulturen aufeinandertreffen, sie können in Interaktion treten, voneinander lernen, sich trotz kultureller Unterschiede beeinflussen, dennoch bleiben sie jeweils für sich. Interkulturalität stellt also lediglich eine Ergänzung zum traditionellen Kulturbegriff dar, überwindet diesen aber nicht und veranschaulicht so auch nicht die hochgradige Differen- zierung heutiger moderner Gesellschaften (vgl. ebd.).
Auch die Multikulturalität schafft es nicht, die globalen Veränderungen adäquat zu beschreiben. Das Konzept der Multikulturalität bezieht sich auf soziale Struk- turen im Inneren einer kulturellen Einheit. Es wird davon ausgegangen, dass Kulturen innerhalb einer Gesellschaft nebeneinander bestehen, dass Gesell- schaften - vor allem aufgrund von Migrationsbewegungen - zwar von einer Vielzahl kultureller Einflüsse geprägt sind, Menschen unterschiedlichster Herkunft aber dennoch als sogenannte fremde Nachbarn bestehen bleiben und es zu keiner Verschmelzung zwischen den verschiedenen Kulturen kommt. (vgl. ebd.).
Wolfgang Welsch führte als Reaktion darauf den Terminus der Transkulturalität ein. So ist er der Meinung, dass der vorherrschende Kulturbegriff in der immer vernetzter werdenden Welt nicht mehr zeitgemäß sei und erläutert, dass Kulturen heutzutage intern von Durchdringungen und Verflechtungen geprägt und als ein immer komplexer werdendes Konstrukt zu verstehen seien. Er spricht hier von „interner Pluralisierung“19 heutiger moderner Gesellschaften. Auch extern in Beziehung zu anderen Kulturkreisen können sie nicht mehr klar gegeneinander abgegrenzt werden, hören nicht mehr da auf, wo andere Kulturen anfangen, die Grenzen zwischen ihnen werden durchlässiger (vgl. ebd.). Er distanziert sich damit strikt vom vorherrschenden Kulturbegriff Herders. Laut Wagner müssen Kulturen zusätzlich als hybride Gebilde verstanden werden, die in sich nie ganz homogen sind und das seiner Meinung nach auch noch nie waren, sondern sich immer erst über den Austausch mit anderen Kulturen überhaupt definieren.20 Er bezeichnet sie als „Produkt von Beziehungen und Durchquerungen“ (ebd.) und verweist hier auf den World Culture Report 2000 der UNESCO bei welchem als Ausgangspunkt der Untersuchung gegenwärtiger kultureller Situationen der regelmäßige und konstante kulturelle Austausch maßgeblich ist (vgl. ebd.).
Weltweite Dynamisierung der Kulturen und die daraus resultierende gegenseitige Beeinflussung, Abhängigkeit und Imitation kultureller Nationen sind also Gegenstand transkultureller Forschung, welche deshalb im Gegensatz zum Ansatz der Inter- und Multikulturalität die Komplexität heutiger moderner Kulturen und Gesellschaften in einer globalisierten Welt am ehesten zu veranschaulichen vermag.
Die Globalisierung und ihre Auswirkungen auf Kulturen werden kontrovers diskutiert und so hat die kulturelle Globalisierung – wie so oft wenn ein Phänomen grenzüberschreitende Ausmaße annimmt und beeinflussend in unsere Gesellschaft eindringt – Befürworter so wie auch Kritiker.
Befürworter sehen im Aufeinandertreffen und Ineinandergreifen der Kulturen einen Fortschritt, eine Bereicherung unserer Gesellschaft, wohingegen Kritiker die kulturelle Globalisierung und ihre Auswirkungen als bedrohlich und als die Eigenheiten der Kulturen zerstörend ansehen. Sie kritisieren das Problem der kulturellen Vereinheitlichung, sodass alternative Bräuche, Werte und Denkmuster der Vergangenheit anzugehören drohen.21 Sie fürchten also eine Homogenisierung der Gesellschaft. Im Gegensatz dazu existiert der Ansatz der Heterogenisierung. Beide Theorien sollen im folgenden Abschnitt im Mittelpunkt stehen.
Zur kulturellen Homogenisierung bzw. Heterogenisierung
Als zentrale Auswirkungen der Transkulturalität heutiger Kulturen gelten also zwei Strömungen: die kulturelle Homogenisierung und die kulturelle Heterogenisierung. Beide Strömungen sind in der Wissenschaft immer wieder auf ihre Standhaftigkeit untersucht worden und haben jeweils Befürworter sowie Gegner. Die zentrale Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt stammt von Roland Robertson, Vordenker in der Debatte um Globalisierung:„ Does global change involve increasing homogeneity or increasing heterogeneity, or a mixture of both? “22
Das Konzept der Homogenisierung wird oft generell mit Globalisierung gleich gesetzt und als eine weltumspannende kulturelle Angleichung und Vereinheitlichung dargestellt. So meint Homogenisierung das Verdrängen von typischen Unterschieden bzw. eine verstärkte Angleichung von Praktiken und Denkweisen eigentlich unterschiedlicher Kulturen. Es wird davon ausgegangen, dass sich im Zuge kultureller Annäherung durch verbesserte Mobilitätschancen und vereinfachte Austauschprozesse eine Art globale Einheitskultur entwickelt.23
Diese Konvergenz tritt vermehrt als sogenannte Amerikanisierung oder Verwestlichung auf. Niemand käme auf die Idee zu verneinen, dass Amerika im Prozess der Globalisierung eine entscheidende Voreiterrolle einnimmt, man denke nur an die unangefochtene Stellung der englischen Sprache als Weltsprache oder an amerikanische Produkte, die in allen Teilen der Welt vertrieben werden. So wird mit Homogenisierung oftmals eine weltweite Angleichung an den westlichen, vor allem US-amerikanischen Lebensstil gemeint. Ausprägungen des kulturellen Imperialismus Amerikas sind zunächst oberflächlicher Art. Wenn beispielsweise Asiaten Coca Cola trinken oder in jedem noch so kleinen Dorf in Europa der geschwungene gelbe Doppelbogen der Fastfoodkette McDonalds zu finden ist, so kann das als Angleichung an einen westlich amerikanischen Lebensstil betrachtet werden. Auf der anderen Seite ist jedoch zu erwarten, dass sich die Homogenisierung unter US-amerikanischer Dominanz auch auf die Normen und Wertehaltungen einer Nation auswirken und so die Integration des american way of life in den eigenen Alltag bis hin zur kompletten unbewussten Übernahme desselben, Ausdruck einer voranschreitenden Amerikanisierung sein wird.24 Die Homogenisierungsthese wird von zahlreichen Autoren vertreten. So beschrieb Marshall McLuhan bereits 1964 die Welt als global village 25 , ein Begriff der später auch von weiteren Autoren, wie beispielsweise 1997 von Benno Werlen aufgegriffen wird.26 Auf der anderen Seite befürchten Kritiker durch die Idealisierung des amerikanischen Lebensstils eine Zerstörung lokaler Kulturen und deren Traditionen, Desintegration und kulturelle Fragmentierung.27
Die Debatte um die Auswirkungen kultureller Globalisierung wird von der These der Homogenisierung dominiert. Als Gegenpol dazu hat sich die Vorstellung etabliert, eine globale Welt sei durch kulturelle Fragmentierung als Folge komplexer Vernetzung zwischen Kulturen gekennzeichnet. Im Mittelpunkt dessen steht die Rückbesinnung auf eigene kulturelle Werte und Normenvorstellungen. „Mit der Vereinheitlichung einhergehende Selbst- und Fremdkonstruktion kollektiver Identitäten ist Ausdruck einer zunehmenden kollektiven Heterogenisierung“.28
Während sich die Debatte meist um ein Entweder-oder zwischen diesen beiden Standpunkten dreht, sind einige Autoren der Meinung, dass die kulturelle Globalisierung weder zu einer vereinheitlichenden Homogenisierung, noch zu einer Heterogenisierung führt, sondern dass Globalisierung ein multidimensionaler Prozess ist und beide Thesen Hand in Hand gehen. Roland Robertson gilt als Vertreter dieser Auffassung. Seiner Meinung nach wirkt sich kulturelle Globalisierung gleichzeitig auf lokaler sowie auf globaler Ebene aus. Zwar ist nicht zu verneinen, dass durch Austauschprozesse Güter, sowie Werte und Verhaltensweisen in andere Länder getragen werden, doch passen sich diese jeweils den lokalen Gegebenheiten an und es entsteht ein komplexer Prozess der Interaktion aus Globalem und Lokalem. In ihrem Werk Global Marketing and Advertising - Understanding Cultural Paradoxes beleuchtet Marieke de Mooij das Paradox zwischen Lokalem und Globalem aus wirtschaftlicher Sicht, untersucht den Einfluss kultureller Differenzen und kultureller Vereinheitlichung auf Werbung und Marketing. Ihre Ausführungen zur amerikanischen Jeans stellen ein passendes Beispiel für dieses Nebeneinander von Lokalem und Globalem dar. Die blue jeans wird in der Debatte um die voranschreitende Amerikanisierung der Welt oft herangezogen, da sie ausgehend von Amerika einen unvergleichbaren Siegeszug in alle Teile der Welt durchlief und so zum Markenzeichen globaler Standardisierungsprozesse wurde.29 Wie die Jeans aber getragen wird, ist von Kultur zu Kultur oft unterschiedlich, erläutert de Mooij. Während in den Niederlanden gerne zerrissene Jeans getragen werden, bevorzugen Spanier Designerjeans, wofür sie Studenten in El Salvador jedoch als badly dressed bezeichnet würden.30
Auch James Watson führt das Beispiel McDonald’s an und verweist indirekt auf den von George Ritzer geprägten Begriff der McDonaldisierung.31 Watson erläutert, dass McDonald’s heutzutage zwar in nahezu allen Kulturkreisen präsent sei, dass aber, aufgrund von kulturell unterschiedlichen Vorlieben der Kundschaft, jeweils lokale Modifikationen vorgenommen würden, die wichtig seien, um wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. So werden in Israel beispielsweise Big Macs ohne Käse angeboten, da die Teilung von Fleisch- und Milchprodukten Teil des jüdischen Speisegesetztes darstellt und in Indien werden vegetarische Nuggets verkauft, da die in Indien lebenden Hindus kein Rindfleisch und die indischen Muslime kein Schweinefleisch zu sich nehmen.32
Roland Robertson führt im Zuge dessen den Begriff der Glokalisierung ein, welcher „[...] die Aufhebung der Polarität von Globalem und Lokalem in einer Dynamik (logischer) Gleichzeitigkeit von globaler Lokalisierung und lokaler Globa- lisierung [impliziert].“33
Oft wird erläutert, dass dieses Nebeneinander von Lokalem und Globalem die Menschen einander gleichzeitig ähnlicher und unterschiedlicher macht, sie gleichzeitig verbindet und voneinander entfernt. Kulturen, und damit auch Menschen rücken einerseits zusammen, wodurch ein Bewusstsein über kulturelle Gemeinsamkeiten geschaffen werden kann und wodurch Menschen von anderen lernen können. Durch das dadurch entstehende, scheinbar chaotische Durcheinander werden andererseits lokale Festschreibungen wieder wichtiger und es erfolgt eine Rückbesinnung auf eigene kulturelle Werte und oft auch eine bewusste Abgrenzung vom Anderen.
Spannungsverhältnisse als Folge kultureller Globalisierung
Wie bereits angedeutet, kann diese neue kulturelle, sprachliche und ethnische Vielfalt, welche ein Aufeinandertreffen von Kulturen entstehen lässt, auch neue Spannungen und Probleme mit sich bringen, die das Miteinander der Menschen erschweren können.
In der Wissenschaft wird hier oft vom „Kampf der Kulturen“ gesprochen. In seinem viel umstrittenen Aufsatz The Clash of Civilizations?, der 1993 in der Zeitschrift Foreign Affairs erschien, konstatiert Huntington: „ The great divisions among humankind and the dominating source of conflict will be cultural.“ 34 So werden – laut Huntington – die Konflikte unserer Gesellschaft künftig weniger ideologischen oder ökonomischen Ursprungs sein, sondern sich vielmehr auf kultureller Ebene zwischen sehr verschiedenen Kulturen und Nationen äußern (vgl. ebd.:22). Er erläutert, dass Kulturen grundsätzlich schon verschieden seien, dass jede Kultur schon immer ihre Eigenheiten hätte, ihre eigene Geschich- te, ihre eigene für sie typische Sprache, ihre eigenen Traditionen und Weltanschauungen und vor allem ihre eigene Religion. Diese Eigenheiten seien „ product of centuries“ (ebd.: 25) und könnten durch Vernetzungs- und Anpassungsprozesse nicht einfach verschwinden. Eine Kultur könne also nicht einfach in einer anderen aufgehen und die Normen und Praktiken dieser komplett übernehmen. Es bestünden daher schon immer Differenzen zwischen den Kulturen unserer Welt. Diese Unterschiede würden, laut Huntington, aber nicht unbedingt einen Konfliktherd bedeuten. Das Problem entstünde aus der Interaktion zwischen Kulturen und Individuen als Folge globaler Vernetzungsprozesse in einer scheinbar kleiner werdenden Welt. Denn dadurch erst entwickle sich ein Bewusstsein über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der eigenen und der fremden Kultur. Dieses Bewusstsein über Andersartigkeit kann wiederum Feindseligkeit und Abneigung gegenüber anderen Kulturen zur Folge haben. Zusätzlich würden in einer globalisierten Welt die Staaten als Stütze nationaler Identität geschwächt. Diese Lücke nationaler Identität fülle verstärkt die Religion.
Als weitere Ursache für einen zukünftigen kulturellen Konflikt nennt Huntington die Hegemonie des Westens. Er erläutert, dass die westlichen Staaten auf dem Höhepunkt ihrer Macht seien und die Welt nach ihren Maßstäben regieren, formen und gestalten würden. Gleichzeitig würden aber alle anderen Staaten als Reaktion darauf danach streben, die Welt im genauen Gegenteil zu gestalten und nicht die vom Westen vorgegebenen Werte und Praktiken zu übernehmen. Es entstünde ein Bedürfnis, sich schon immer bestehenden Traditionen und Werten zuzuwenden, um diese in einer westlich dominierten Welt zu wahren. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer „ de-Westernization and indigenization of elites [...] in many non-Western countries“ (ebd.: 27). Der Konflikt zwischen den Kulturen entstünde – laut Huntington – letztendlich einerseits auf der Mikroebene zwischen Gruppen und Individuen innerhalb einer Kultur und andererseits auf Makroebene zwischen Staaten in Auseinandersetzungen um ihre jeweils unterschiedlichen religiösen, ökonomischen und politischen Anschauungen.
Auch dem Spannungsverhältnis zwischen der westlichen und der islamischen Welt schreibt er große Bedeutung zu. Als Beispiel für diese Spannungen nennt Huntington die gegenwärtige Fremdenfeindlichkeit und die bewusste Abgren- zung in Ländern Europas - vor allem Italien, Frankreich und Deutschland - gegenüber Menschen arabischer Nationalität, welche im Zuge der Migrationsbewegungen aus arabischen Ländern in Richtung Europa kamen (vgl. ebd.: 25ff.).
So können sich diese zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen zwischen Individuen einst isolierter Kulturen also ganz unterschiedlich bemerkbar machen. So können hier Verständigungsprobleme zwischen verschiedensprachigen Menschen, Vorurteile, Skepsis oder Fremdenfeindlichkeit eine Rolle spielen. Kulturelle Globalisierung und damit einhergehende Austauschprozesse bringen also nicht nur Vernetzung und Vereinheitlichung mit sich, sondern oft auch Konflikt, Ausschluss und bewusste Abgrenzung.
Der gegenwärtige Prozess der Globalisierung, der durch Immigration und Emigration und der damit einhergehenden kulturellen Vernetzung vorangetrieben wird, kann Auslöser für eine Auflösung der einst sehr starken Differenzierung zwischen dem, was Kulturen als zu sich gehörig und dem, was sie als nicht zu sich gehörig verstehen sein. Dies wiederum kann in einem verstärkten Bedürfnis der Mitglieder einer kulturellen Entität nach Wahrung ihrer Identität resultieren. Gleichzeitig kann ein Aufeinandertreffen von Kulturen aber auch dabei helfen, erst zu verstehen, was Eigen und was Fremd bedeutet und Aufschluss darüber geben, was zu einer Kultur gehört und was nicht. Das Fremde bzw. das Andere dient hierbei dazu, das Eigene durch bewusste Abgrenzung definieren zu können.35 Und gleichzeitig ist „jede explizite Fremdcharakterisierung einer anderen Nation immer auch eine implizite (oftmals unbewußte) Selbstcharakterisierung der eigenen.“36
Eine Kultur erklärt bestimmte Merkmale als zu sich gehörig, während sie andere als nicht zu sich gehörig, als fremd oder anders definiert und so von sich abgrenzt. Diese Zuordnungen werden von Eigen- bzw. Fremdbildern unterstützt.37 So können, im ständigen Kontakt mit anderen Kulturen, Eigen- und Fremdbilder einer Nation einerseits dazu dienen, das Bewusstsein über die eigene Kultur auszubauen und andererseits dazu, das Bewusstsein über die Unterschiede, aber auch über die Gemeinsamkeiten zwischen der eigenen und der fremden Kultur zu intensivieren. So sind also, laut Reichhardt, Kontakte zu anderen Kulturen die unabdingbare Voraussetzung für ein Bewusstsein der eigenen.38
Forschungen zu Eigen- und Fremdbildern widmet sich die Imagologie. Als Ausgangspunkt gilt hierbei die komparistische, bzw. vergleichende Imagologie. Diese setzt sich mit der Erforschung kultureller, nationaler und sozialer Fremdund Selbstbilder in Literatur, bzw. allgemeiner in der ästhetischen Kommunikation auseinander, untersucht innerhalb dieser die Konstruktion der eigenen und der fremden Identität. Sie kann daher als literaturwissenschaftliche Forschungsrichtung der vergleichenden Literaturwissenschaft zugeordnet werden.39 Ausgehend von der komparistischen Imagologie der Literaturwissenschaft wird das Konzept unter Anderem auf die Kulturwissenschaften übertragen. Martin Nies erläutert, was Imagologie heutzutage bedeutet:
„Die Imagologie ist [...] heute diejenige interdisziplinäre Teildisziplin der Kulturwissenschaften, die sich mit den Vorstellungen, Bildern einer Kultur / Nation / Gesellschaft von sich selbst beziehungsweise von fremden oder anderen Kulturen / Nationen / Gesellschaften befasst“ (ebd.: 222).
Zum kultursemiotischem Verständnis von Eigenem und Fremden
Dem Verständnis der Kultursemiotik zufolge, sind Kulturen als Zeichensysteme zu verstehen. Zunächst muss in diesem Zusammenhang der Begriff der Semiosphäre erwähnt werden, welcher vom russischen Literaturwissenschaftler Jurij M. Lotman geprägt wurde. Die Semiosphäre bezeichnet einen Raum kultureller Praktiken, sie besteht also aus der Gesamtheit der Zeichen und Zeichenbenutzer einer Kultur. Das Innere der Semiosphäre zeichnet sich dabei durch eine besondere Dynamik aus. Ihr Kern stellt das dominierende Zeichensystem, das von allen Zeichenbenutzern einer kulturellen Entität gleichermaßen verstanden wird, dar. Nach außen hin wird die Semiosphäre immer fragmentierter und amorpher. Die Peripherie ist von Zeichenbenutzern geprägt, die immer weniger Zeichen gemeinsam haben, je weiter sie an der Grenze angesiedelt sind. Die Semiosphäre ist also gekennzeichnet durch ihre ungleichmäßige Struktur im Inneren und einen Gegensatz zwischen Innerem und Äußerem. Einen beson- deren Stellenwert schreibt Lotman der Grenze zwischen Innerem und Äußerem der Semiosphäre zu. Diese bleibt aufgrund der Unterschiedlichkeit der Zeichensysteme, Codes und Zeichenbenutzer zwischen Innen und Außen bestehen. Durch Übersetzungsprozesse der außersprachlichen in innersprachliche Zeichen ist diese Grenze jedoch teilweise überwindbar. Wird sie überwunden, so führt dies zu einem Austausch von Innen und Außen und zur Bildung neuer Zeichen und Kodes.40
[...]
1 Rehbein; Schwengel (2012): 11
2 Knoll; Kreff; Gingrich (2011): 126
3 vgl. Harvey (1989), Thompson (1995)
4 vgl. Harvey (1989): S. 264.
5 vgl. Robertson (2001): 458
6 Beck (1997): 42
7 Knoll; Kreff; Gingrich (2011): 126
8 vgl. Nohlen (2011): 239
9 vgl. Wagner (2002): 13
10 vgl. Fuchs (2008): 11
11 Welsch (1995)
12 vgl. Welsch (2011): 296
13 Fuchs (2008): 11
14 vgl. Welsch (1995)
15 Reichardt (2010): 21
16 Welsch (1995)
17 Knoll; Kreff; Gingrich (2011): 127
18 Welsch (1995)
19 Welsch (2011): 297
20 vgl. Wagner (2002): 11
21 vgl. Fuchs (2008)
22 Robertson (2001): S. 462
23 vgl. Kim und Short (1999)
24 vgl. Schimank (2012)
25 vgl. McLuhan (1964): 93
26 Werlen (1997): 398
27 Beynon / Dunkerley (2000): 22
28 Kern (2007): 183
29 vgl. Robertson (2001): 464
30 vgl. de Mooij (1998): 287
31 vgl. Ritzer (2006)
32 vgl. Watson (2006): 23
33 Dürrschmidt (2011): 740
34 Huntington (1993): 22
35 vgl. Wagner (2016): 17
36 Nünning (1999): 326
37 vgl. Nies (2011): 220
38 vgl. Reichardt (2010): 15
39 vgl. Nies (2011): 222
40 Lotman (1990): 287
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