Bachelorarbeit, 2018
100 Seiten, Note: 1,3
1 Einführung und Problemstellung
2 Literaturübersicht
2.1 Angereicherte Lebensmittel
2.2 Ballaststoffe
2.2.1 Physikalisch-chemische Eigenschaften
2.2.2 Ernährungsphysiologische Wirkungen
2.2.3 Deklaration
2.3 Extrinsische und intrinsische Nahrungsfasern
2.4 Einsatz von Nahrungsfasern in Backwaren
2.5 Gefrieren von Lebensmitteln
2.5.1 Gefrierpunkt
2.5.2 Vorgang des Tiefgefrierens
2.5.3 Eiskristallbildung
2.5.4 Einfluss der Gefriergeschwindigkeit
2.5.5 Veränderungen im Lebensmittel
2.5.6 Einfluss auf die Haltbarkeit von Lebensmitteln
2.6 Auftauen von Lebensmitteln
2.7 Tiefkühl-Teiglinge
2.7.1 Veränderungen beim Gefrieren von Teig
2.7.2 Gefriervorgang
2.7.3 Auftauvorgang
2.7.4 Qualitätsanforderungen an Brötchen
3 Material und Methoden
3.1 Material
3.2 Experimentelle Backversuche
3.2.1 Rezeptur und Teigbereitung der verschiedenen Proben
3.2.2 Gefrier- und Auftauvorgang, Backprozess
3.3 Teiganalysen
3.3.1 Analyse der Elastizität und Festigkeit mittels Texture Analyser
3.3.2 Farbbestimmung
3.4 Brötchenanalysen
3.4.1 Bestimmung des spezifischen Brotvolumens
3.4.2 Farbbestimmung
3.4.3 Sensorische Beurteilung
4 Ergebnisse
4.1. Ergebnisse der Teiganalysen
4.2. Ergebnisse der Brotanalysen
5 Diskussion/ Schlussfolgerung
5.1. Teiganalysen
5.2. Brotanalysen
6 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Abbildung 1 Übersicht intrinsische und extrinsische Inhaltsstoffe [59]
Abbildung 2: Schematischer Temperaturverlauf beim Gefrieren von Wasser und einem Lebensmittel [103]
Abbildung 3 Ausgefrorener Wasseranteil in verschiedenen Lebensmitteln abhängig von der Temperatur [108]
Abbildung 4 Gewichtsverlust von Broten während der TK-Lagerung in Abhängigkeit der Lagerdauer [209]
Abbildung 5 Optimaler Verlauf der Kerntemperatur von TK-Teiglingen beim Schockfrosten [219]
Abbildung 6 Schematische Auswertung TPA [248]
Abbildung 7 Der L*a*b*-Farbenraum (CIELAB-System) [252]
Abbildung 8 LAB-Werte der Proben Standard und 6% BS-Gehalt, grüne Teiglinge (n=3)
Abbildung 9 LAB-Werte der Proben Standard und 10% BS-Gehalt, grüne Teiglinge (n=3)
Abbildung 10 Spezifisches Brotvolumen der Proben Standard und 6% BS-Gehalt (n=3)
Abbildung 11 Spezifisches Brotvolumen der Proben Standard und 10% BS-Gehalt (n=3)
Abbildung 12 LAB-Werte der Proben Standard und 6% BS-Gehalt, Krume (n=3)
Abbildung 13 LAB-Werte der Proben Standard und 10% BS-Gehalt, Krume (n=3)
Abbildung 14 Oberflächenbetrachtung Standard und Proben mit 6% BS-Gehalt
Abbildung 15 Oberflächenbetrachtung Standard und Proben mit 10% BS-Gehalt
Abbildung 16 Durchschnittliche Elastizität frischer und aufgetauter Teigling, 6% BS-Gehalt
Abbildung 17 Durchschnittliche Elastizität frischer und aufgetauter Teigling, 10% BS-Gehalt
Abbildung 18 Vergleich Lab-Werte V2 bis V5 zum Standard
Abbildung 19 Vergleich Lab-Werte V6 bis V9 zum Standard
Abbildung 20 Visueller Vergleich spezifisches Brotvolumen Standard und 10% BS-Gehalt
Tabelle 1 Verwendete Fasertypen [240]
Tabelle 2 Auflistung Rezepturbestandteile von Standard- und faserangereicherten Versuchen
Tabelle 3 Einstellungen Gärschrank
Tabelle 4 Einstellungen Backofen
Tabelle 5 Durchschnittliche Elastizitäts-Werte frische Teiglinge
Tabelle 6 Durchschnittliche Elastizitäts-Werte aufgetaute Teiglinge
Tabelle 7 Durchschnittliche Klebkraft aufgetaute Teiglinge
Tabelle 8 Farbdifferenz Proben V1 bis V5, grüne Teiglinge
Tabelle 9 Farbdifferenz Proben V1 und V6 bis V9, grüne Teiglinge
Tabelle 10 Farbdifferenz Proben V1 bis V5, Krume
Tabelle 11 Farbdifferenz Proben V1 und V6 bis V9, Krume
Tabelle 12 Merkmalseigenschaften sensorische Bewertung Standard und 6% BS-Gehalt
Tabelle 13 Merkmalseigenschaften sensorische Bewertung Standard und 10% BS-Gehalt
Die Backwarenindustrie befindet sich in einem kontinuierlichen Wandel, wobei sie sich schnell an Änderungen sozialer Gewohnheiten, Anforderungen der Konsumenten und die generelle Marktentwicklung anpassen muss. Backwarenproduzenten werden seit vielen Jahren durch Preisdruck zu drastischen Personalkürzungen und Kosteneinsparungen gezwungen, während die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Lebensmitteln, welche bequem und ohne große Anforderungen zuzubereiten sind, steigt. [1] Die Vorratsbildung (auch Bevorratung genannt) von Backwaren gestaltet sich schwierig, da deren Haltbarkeit sehr kurz ist. Dieses Problem geht mit hohen wirtschaftlichen Verlusten einher.
Eine revolutionäre Entwicklung lieferte die Einführung der Kältetechnologie, wodurch der Prozess des Alterns der Produkte verzögert werden kann. Außerdem ergibt sich eine längere Haltbarkeit des Teiges. Dadurch kann in größeren Mengen und eine größere Vielfalt produziert werden, wodurch die Geräte- und Arbeitskosten sinken. [2] Das Gefrieren von Teig ermöglicht eine gute Bevorratung, sodass zu jeder Zeit auf frisches Brot zurückgegriffen werden kann. Gasdicht verpackt können ungegarte gefrostete Teiglinge in der Tiefkühlung über längere Zeit gelagert werden. Dadurch eignen sie sich für die rationelle Herstellung eines Angebots von Tiefkühl-Teiglingen. Die Entwicklung des Marktes für gefrorenen Teig in den letzten Jahrzehnten bestätigt die enormen Vorteile und Arbeitserleichterung dieser Technologie. [3] Jedoch kann es während des Gefrierens und Gefrierlagerns des Teiges zu qualitativen Einbußen, wie etwa veränderten Teigeigenschaften oder dem allmählichen Verlust der Teigfestigkeit kommen. Durch die sinkende Qualität sinkt die Akzeptanz des Verbrauchers.
Durch den Einsatz von Teigverbesserern wie Emulgatoren oder Hydrokolloiden können die Qualitätsparameter von gefrorenem Teig verbessert werden. Jedoch wird auch die Nachfrage nach gesunden Lebensmitteln mit natürlichen Inhaltsstoffen in den letzten Jahren immer größer. Hierbei spielen insbesondere Ballaststoffe eine wichtige Rolle, da sie im menschlichen Gastrointestinaltrakt wichtige Funktionen erfüllen und präventiv gegen Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen wirken. [4] Aufgrund dessen ist der Einsatz von Ballaststoffen, welche auch Nahrungsfasern genannt werden, in den vergangenen Jahren in vielen Bereichen immer beliebter geworden. Vor allem in der Lebensmittelbranche ist hier ein großer Markt an faserangereicherten Produkten entstanden, welcher sich permanent weiter entwickelt. Besonders in der Brotherstellung werden sie häufig eingesetzt, nicht zuletzt auch aufgrund ihrer multifunktionellen physikalisch chemischen Eigenschaften, durch die z.B. die Haltbarkeit oder sensorischen Eigenschaften beeinflusst werden können.
Ziel dieser Arbeit ist es herauszufinden, wie sich der Einsatz verschiedener extrinsischer Nahrungsfasern in unterschiedlicher Anreicherung verglichen zu einem unangereicherten Standardprodukt auf die Gefrier- und Auftaustabilität von ungegarten Tiefkühl-Teiglingen auswirkt. Dabei wurden insbesondere auch die Veränderungen am fertigen Produkt untersucht. Im Rahmen der Arbeit werden insgesamt fünf praktische Versuche durchgeführt, wobei die Tiefkühl-Teiglinge in Eigenregie hergestellt und mit vier verschiedenen Nahrungsfasern in unterschiedlicher Menge angereichert werden. Die Anreicherung erfolgt jeweils auf 6% und 10% Ballaststoffgehalt. Die aufgeworfene Fragestellung soll durch Untersuchungen der Parameter Elastizität und Festigkeit, Farbe, Brotvolumen sowie sensorischer Eigenschaften beantwortet werden. In der Literatur finden sich zahlreiche Forschungen über teilgegarte oder teilgebackene Tiefkühlteiglinge, jedoch wenige über ungegarte gefrostete Teiglinge. Auch der Einsatz von Fasern in gefrorenem Teig wurde bislang in nur wenigen Studien erforscht.
Zur Beantwortung der Fragestellung wird zunächst in einem theoretischen Teil dargelegt, warum Lebensmittel mit Nahrungsfasern angereichert werden und wie diese wirken. Zudem werden die Prozesse, Vorteile und Herausforderungen beim Gefrieren, sowie Auftauen von Lebensmitteln im Allgemeinen dargestellt und erörtert. Anschließend werden die gewonnen Erkenntnisse auf Tiefkühl-Teiglinge übertragen sowie das Produkt selbst vorgestellt. Zuletzt wird auf die bereits erwähnten Versuche und festgelegten Parameter im Detail eingegangen.
Weisen Lebensmittel beim Konsum verzehrsüblicher Mengen neben den klassischen ernährungsphysiologischen Bedeutungen wie Sättigung und Nährstoffzufuhr durch gezielte Bearbeitung einen zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen auf, so spricht man von angereicherten Lebensmitteln. Häufig findet man in diesem Zusammenhang auch den Ausdruck funktionelle Lebensmittel (abgeleitet vom englischen Wort „functional food“). Ob und inwiefern sich die beiden Begriffe voneinander abgrenzen, wurde bisher noch nicht hinreichend geklärt, da sie weder national noch gemeinschaftsrechtlich einheitlich und verbindlich definiert wurden. Viele natürliche Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Vollkorngetreide oder Nüsse besitzen auch ohne zusätzliche Bearbeitung solche funktionelle Eigenschaften und sind von Natur aus reich an bestimmten Nährstoffen. In diesem Fall spricht man von „Intrinsic Functional Foods“. [5] Das britische Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Fischereiwesen versuchte in einer vorläufigen Definition die beiden Begriffe zu differenzieren. Hiernach werden funktionellen Lebensmitteln Bestandteile integriert, um diesen einen speziellen medizinischen oder physiologischen Nutzen zu verleihen, der über den reinen Ernährungseffekt hinausgeht. Angereicherten Lebensmitteln hingegen werden Vitaminen und Mineralstoffen zugesetzt, um deren ernährungsphysiologischen Wert zu steigern, sodass die Menge des jeweiligen Stoffes deutlich über dem im Lebensmittel natürlicherweise vorkommenden Anteil liegt. Grundlage dieser Arbeit wird die Definition der angereicherten Lebensmittel sein. Ziel der Anreicherung bzw. Reduktion ist es, einen höheren gesundheitlichen Nutzen zu erreichen und Defizite in der Nährstoffaufnahme und somit die Folgen von Mangelerscheinung auszugleichen. [6] Neben dem Zusatz bestimmter Stoffe werden oftmals Inhaltsstoffe wie Fett, Salz oder Zucker reduziert bzw. ganz entfernt. Im Vordergrund der angereicherten Lebensmittel steht die Prävention von Erkrankungen oder Beschwerden, nicht die Behandlung. [7] Davon klar abzugrenzen sind Nahrungsergänzungsmittel, welche in dosierter Form, z.B. als Tabletten oder Pulver zur Aufnahme in kleinen abgemessenen Mengen angeboten werden. Deren primäres Ziel ist es, eine erhöhte Aufnahme nützlicher Nährstoffe zu gewährleisten. [8]
Anhand des Erscheinungsbilds auf dem Markt können angereicherte Lebensmittel nicht von herkömmlichen Lebensmitteln unterschieden werden und sind häufig in Form von Joghurt oder Saft zu finden. Oft werden sie mit ihrem höheren gesundheitlichen Nutzen beworben, zum Beispiel mit der Anmerkung „reich an Vitamin C“ oder „für starke Knochen“. Bislang konnten jedoch nicht alle gesundheitsbezogenen Aussagen durch fundierte Studien belegt werden. [9] Diese sogenannten „health claims“ sind in der EU-Verordnung 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel geregelt und sollen den Verbraucher vor Irreführung schützen. [10]
Die Anreicherung wird in der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln, der sogenannten Anreicherungsverordnung geregelt. Demnach dürfen Lebensmitteln nur die in Anhang I aufgeführten Vitamine und/oder Mineralstoffe in den in Anhang II aufgeführten Verbindungen zugefügt werden. [11] Da diese allerdings nur Mineralstoffe und Vitamine regelt, müssen die Produkte des Weiteren den jeweiligen Bestimmungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) und der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV) bzw. Nährwertkennzeichnung (NKV) entsprechen. Zusätzlich muss die VO (EG) Nr. 1170/2009 berücksichtigt werden, da sich durch diese der Anhang II der VO (EG) Nr. 1925/2006 ändert. [12] Eine verbindlich zugelassene Höchstmenge für die Anreicherung der in der VO beschriebenen Stoffe existiert derzeit weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene. Eine EU-weite Regelung ist jedoch in Vorbereitung, da sich eine übermäßige Zufuhr bestimmter Stoffe schädlich auf die Gesundheit auswirken kann. [13] Dem Verbraucher muss gewährleistet werden, dass der gesunde Gebrauch der Lebensmittel sicher ist. [14]
Für den Begriff Ballaststoffe (BS)- auch (Nahrungs-)fasern, Pflanzenfasern, Faserstoffe oder „Dietary Fiber“ genannt - wurden über die Jahre hinweg unzählige Definitionen aufgestellt, die sich je nach Fachgebiet des Autors primär an den physiologischen, also den Effekten im menschlichen Organismus oder den chemischen Eigenschaften, der Zusammensetzung der einzelnen Komponenten, orientieren. So definieren Botaniker diese als einen Teil der Pflanzenorgane, Chemiker als eine Gruppe chemischer Verbindungen, Verbraucher als eine Substanz mit positivem Gesundheitsnutzen für den menschlichen Körper und für die diätetische und für die chemische Industrie sind die Ballaststoffe Gegenstand des Marketings. [15] Eine allgemein gültige Definition gibt es bislang nicht. [16]
In einem umfangreichen und detaillierten Report von 2001 beschreibt die American Association of Cereal Chemists (AACC) sowohl die chemischen, als auch die physiologischen Eigenschaften. Sie definiert Ballaststoffe als den essbaren Teil einer Pflanze oder vergleichbare Kohlenhydrate, die im menschlichen Dünndarm weder abgebaut noch resorbiert und teilweise oder vollständig im Dickdarm fermentiert werden. Neben den unverdaulichen Kohlenhydraten wie Zellulose, Hemizellulose oder Pektin zählen auch Lignin, resistente Stärken und die unverdaulichen Oligosaccharide zu den Ballaststoffen. [17] Vergleichbare Kohlenhydrate sind in diesem Zusammenhang Kohlenhydrate, die nicht notwendigerweise intrinsische Pflanzenteile sind, jedoch eine analoge Struktur wie natürlich vorkommende Ballaststoffe besitzen. Sie weisen dieselben physikalischen Eigenschaften und positiven Gesundheitsnutzen auf, wie sie den natürlich vorkommenden Fasern zugeschrieben werden. Definitionsgemäß können bestimmte Lebensmittelinhaltsstoffe, ob Pflanzenextrakte, Konzentrate, modifizierte Kohlenhydrate oder synthetisch hergestellte Zusammensetzungen, als Ballaststoffe angesehen werden, solange sie dem Lebensmittel vorsätzlich als Ballaststoffquelle zugefügt und die nährwertbezogenen Eigenschaften sowie die allgemeinen Kennzeichnungspflichten berücksichtigt werden. [18] Als gemeinsame Eigenschaft besitzen weitestgehend alle Substanzen die Unverdaulichkeit durch Enzyme im Dünndarm. [19] Die Definition der AACC gilt letztendlich als die Quintessenz aller Forschungsergebnisse der vergangenen 30 Jahre. [20]
Aus ernährungsphysiologischer Sicht definiert die AACC die Eigenschaften der Ballaststoffe in der Förderung positiver physiologischer Effekte wie Laxation (forcierte Stuhlentleerung) und/ oder Senkung des Blutcholesterins und/ oder Senkung des Blutzuckers. Die gesundheitlichen Vorteile werden in Kapitel 2.2.2 näher erläutert. [21]
Im Rahmen dieser Arbeit sind die chemischen und physiologischen Eigenschaften der Ballaststoffe relevant und werden daher einer genaueren Betrachtung unterzogen.
Ballaststoffe bilden eine äußerst heterogene Gruppe bestehend aus unterschiedlichen Substanzen, welche sich in ihrer chemischen und physikalischen Struktur voneinander unterscheiden. Dementsprechend weisen sie eine diverse Klassifizierung hinsichtlich Quellfähigkeit, Wasserbindevermögen, Fähigkeit zur Bildung viskoser Lösungen und Fermentierbarkeit auf. Die unterschiedlichen Faserstrukturen der jeweiligen Ballaststoffe und die daraus resultierenden Eigenschaften haben neben der Art, Partikelgröße, Relation der einzelnen Gruppen zueinander und verzehrten Menge maßgeblich Einfluss auf die physiologischen Wirkungen.[22]
Die allgemein bekannte Einteilung erfolgt in (wasser-)lösliche oder (wasser-)unlösliche Ballaststoffe und ist abhängig vom unterschiedlich starken Wasserbindevermögen der einzelnen Fasern. Diese Einteilung wird in der Literatur jedoch kritisch betrachtet, so sehen die World Health Organization und die Food and Agricultural Organisation die beiden Begriffe als möglichweise irreführend an und empfahlen bereits im Jahre 1998 die Begriffe nicht weiter zu verwenden. Der Grund hierfür liegt in der physiologischen Wirkung, da diese nicht auf alle Ballaststoffkomponenten zutrifft und es auch Beispiele von teilweise löslichen Ballaststoffen gibt. Da sie jedoch nach wie vor in der einschlägigen Literatur gebräuchlich ist, wird sie auch in dieser Arbeit verwendet. [23] Die meisten Lebensmittel enthalten sowohl lösliche als auch unlösliche Ballaststoffe in unterschiedlichen Anteilen.
Den löslichen Ballaststoffen ordnet man die Pektine, Pflanzengummis, Schleimstoffe (z.B. Psyllium) und Algengele zu. Sie besitzen die Fähigkeit große Mengen an Wasser zu binden (bis circa 60ml/g), während unlösliche deutlich weniger, nur etwa 3 ml/g, aufnehmen können. [24] Durch Quervernetzungen der Moleküle entstehen Hohlräume, in die sich Wasser einlagern kann, wodurch ein enorm großes Wasserbindevermögen zustande kommt. Dieses steht in direktem Zusammenhang zu der Quellfähigkeit eines Stoffes und der daraus resultierenden Erhöhung der Viskosität. [25] Das Wasserbindevermögen kann durch Veränderung des physikalischen Zustandes der Faser wie dem Zerkleinern, Kochen oder Einweichen beeinträchtigt werden. [26] Bis auf Lignin besitzen alle Ballaststoffe in unterschiedlichem Maße die Fähigkeit zu quellen, also Wasser anzulagern. Bei Cellulose ist diese Fähigkeit mit ~0,4 ml/g nur minimal ausgeprägt, während Hemizellulose mit ~4-25 ml/g (abhängig vom Anteil löslicher Ballaststoffe) deutlich mehr anlagern kann. [26] Lösliche Ballaststoffe werden auch Quellstoffe genannt, da sie Wasser bis zum Hundertfachen ihres Gewichtes binden können. [27] Dies bewirkt eine Vergrößerung des Volumens und des Wassergehaltes des Speisebreis. [28] Darüber hinaus bilden sie in wässrigem Milieu viskose Lösungen und Gele, was bei unlöslichen Ballaststoffen nicht der Fall ist. Pektin und andere wasserlösliche Ballaststoffe werden aufgrund dieser Eigenschaft der Gruppe der Hydrokolloide zugeordnet. [29] Die Löslichkeit und Fähigkeit zur Gelbildung ist je nach chemischer Struktur des betrachteten Ballaststoffes unterschiedlich stark ausgeprägt.[30]
Zu den unlöslichen Ballaststoffen, welche häufiger vorkommen, zählen Lignin, Zellulose, resistente Stärke und Teile der Hemizellulose. [31] Sie werden im Dickdarm nur geringfügig abgebaut, gehen also fast unversehrt durch das Verdauungssystem und werden zum größten Teil mit dem Stuhl ausgeschieden. [32] Unlösliche Ballaststoffe dienen fast ausschließlich als natürlicher Füllstoff, wodurch die positiven Effekte einer kürzeren Durchgangszeit des Nahrungsbreis und ein Anstieg der Stuhlmasse erreicht werden.
Im Körper sind Ballaststoffe primär nicht als Nahrung verwertbar. Die meisten können jedoch von der Mikroflora des Dickdarms je nach Art und Zusammensetzung in unterschiedlichem Maße fermentiert, und somit von den gesundheitsförderlichen, freundlichen Darmbakterien als Energie- und Substratlieferant genutzt werden. [33] Dieser durch bakterielle Enzyme (Fermente) bedingte Abbauprozess wird Fermentation genannt und stellt eine anaerobe Gärung dar. [34] Dabei kommen bedeutsame symbiotische Effekte zustande, zum Beispiel die Bildung kurzkettiger Fettsäuren, wie Acetat, Propionat und Butyrat, sowie Methan- und Wasserstoffgase. Diese Fermentationsprodukte werden unabhängig der Ballaststoffart produziert, ernähren die Kolonepithel und steuern das Fließgleichgewicht von Zellbildung und –elimination. [35] Ihnen werden teilweise bedeutende gesundheitliche Vorteile und Entfaltung diverser Schutzwirkungen im Kolon zugeschrieben.
Allgemein lässt sich sagen, dass unlösliche Ballaststoffe fast gar nicht bakteriell abgebaut werden können. [36] Lösliche Ballaststoffe und resistente Stärken sind meist vollständig fermentierbar und werden von den Darmbakterien rasch zu kurzkettigen Fettsäuren abgebaut. [37] Jedoch gibt es auch in der Gruppe der löslichen Ballaststoffe Fälle, wie zum Beispiel Psyllium, Xanthan und Methylzellulose, die entweder nur unvollständig oder überhaupt nicht fermentiert werden. [38]
Die hier beschriebenen Eigenschaften sind nicht absolut konstant, da Ballaststoffe unter Einfluss diverser Parameter wie zum Beispiel Hitze unterschiedliches Verhalten aufweisen können. So verliert Guar beim Erwärmen teilweise die Fähigkeit hochviskose Lösungen zu bilden, während Beta-Glucan aus Hafer erst nach Erhitzen seine optimale Viskosität in wässriger Lösung entwickelt. [39]
Schon seit Jahren sind die positiven ernährungsphysiologischen Wirkungen der Ballaststoffe und einer ballaststoffreichen Ernährung bekannt. Trotz intensiver Forschungen in diesem Bereich sind noch nicht alle Wirkungen vollständig geklärt. Dies liegt darin begründet, dass Ballaststoffe komplexe Stoffgruppen mit unterschiedlich physikalisch-chemischen Strukturen sind. Des Weiteren kommt erschwerend hinzu, dass Ballaststoffe nicht isoliert, sondern in Verbindung mit in der Natur enthaltenen Nährstoffen und diversen Begleitstoffen wirken. Somit können bislang nur annäherungsweise Rückschlüsse auf die tatsächlichen Vorgänge beim Verzehr ballaststoffhaltiger Nahrung geschlossen werden.[40]
Ballaststoffe spielen eine wesentliche Rolle in der Physiologie des Gastrointestinaltrakts. Die direkte Wirkung ist zwar auf den Magen-Darm-Trakt beschränkt, beeinflusst jedoch sekundär durch Abbauprodukte den gesamten Organismus. [41] Die wichtigsten Wirkungen basieren auf der Struktur der Fasern, deren Wasserbindevermögen, Fermentierbarkeit und Adsorptionsfähigkeit.
Aufgrund der Quell- und Wasserbindefähigkeit einiger Fasern erhöhen sich im Magen das Volumen und die Viskosität des Nahrungsbreis. Die dadurch verursachte verzögerte Magenentleerung führt - unter anderem durch die entstehende Magendehnung - zu einem schneller einsetzenden und länger anhaltenden Sättigungsgefühl. Gleichzeitig wird ballaststoffreiche Nahrung aufgrund ihrer Faserstruktur länger gekaut, was eine verlangsamte und verminderte Nahrungsaufnahme bewirkt. Durch die folglich insgesamt niedrigere Energieaufnahme kann so langfristig der Entstehung von Übergewicht entgegengewirkt werden. [42]
Der Verzehr ballaststoffreicher Lebensmittel führt zu einer verbesserten Verdauung und wirkt vorbeugend gegen Obstipation (Verstopfung). Durch das Quellen unlöslicher Ballaststoffe und die energetische Verwertung durch die Mikroflora des Dickdarms vermehren sich die Mikroorganismen im Darm. Es kommt zu einem größeren Stuhlvolumen, dem sogenannten Bulking-Effekt. Des Weiteren wird - auch durch die Neigung zur Gelbildung - eine Verzögerung der Absorption von Nährstoffen aus der Nahrung bewirkt. Durch die Volumenzunahme erhöht sich die Darmperistaltik, wodurch sich die intestinale Transitzeit, welche die Zeit zwischen Nahrungsaufnahme und Ausscheidung beschreibt, verkürzt. Dies bewirkt eine weichere Stuhlkonsistenz und der Stuhl wird früher und leichter abgesetzt. [43] So werden potentielle Kontaminanten jeglicher Art schneller ausgeschieden. [44] Die bei der Fermentation gebildeten Gase und kurzkettigen Fettsäuren wirken sich positiv auf die Zusammensetzung der Darmflora aus. Sie unterstützen das Wachstum erwünschter Mikroorganismen, indem sie Buttersäure und Butyrate bilden, dadurch den intestinalen pH-Wert auf den erforderlichen Wert senken und Energie für die Dickdarmschleimhaut liefern. [45]
Aufgrund der unspezifischen Bindungsfähigkeit der Ballaststoffe kann die Glukoseresorption bei hoher Ballaststoffaufnahme verzögert und somit der Blutglukosespiegel verbessert werden. Die Glukose aus der Nahrung gelangt langsamer vom Darm ins Blut, wodurch der Blutglukosespiegel nur allmählich ansteigt. Folglich wird weniger Insulin benötigt, um den Spiegel wieder abzusenken. [46] Somit bewirkt eine ballaststoffreiche Ernährung eine Verminderung des Diabetesrisikos.
Ein weiterer bedeutender ernährungsphysiologischer Effekt ist die Senkung des Cholesterinspiegels. Dies beruht nach derzeitigem Wissensstand darauf, dass die Wiederaufnahme von Gallensäure, die bei der Fettverdauung ausgeschüttet wird, im Darm gehemmt wird. Diese wird vor allem von den löslichen Ballaststoffen gebunden und ausgeschieden. Das hat zur Folge, dass sie in der Leber neu gebildet werden muss, wofür Cholesterin benötigt wird. Dieses wird den Körperreserven entzogen, wodurch sich der Cholesterinspiegel im Blut senkt. [47]
Generell kann man sagen, dass sich unlösliche Ballaststoffe vorwiegend im Darm nützlich machen, indem sie als natürlicher Füllstoff für zügige und regelmäßige Entleerung sorgen. Lösliche Ballaststoffe hingegen wirken in erster Linie auf den Stoffwechsel. Durch Senken der Blutfettwerte und Ausscheiden von Cholesterin helfen sie zum Beispiel Herzinfarkte vorzubeugen. Sie glätten die Blutzuckerkurve und normalisieren somit den Zuckerstoffwechsel. [48]
Bei übermäßigem Verzehr ballaststoffreicher Nahrung ohne ausreichende Flüssigkeitszufuhr kann es möglicherweise zu nachteiligen Wirkungen kommen. Diese zeigen sich beispielsweise in einer Obstruktion (Gefahr eines Darmverschlusses), in Interaktionen mit Lebensmitteln oder einer verminderten Mineralstoffabsorption. Wird eine größere Menge der nicht verdaubaren Oligosaccharide konsumiert, kann es zu Flatulenz kommen. [49]
Aufgrund der zahlreichen ernährungsphysiologischen Vorteile der Ballaststoffe empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung Erwachsenen eine tägliche Ballaststoffaufnahme von mindestens 30 g. [50] Hierbei sollen die Ballaststoffe zu mindestens 50 % aus Getreideprodukten und Backwaren stammen. [51]
Trotz bekannter positiver ernährungsphysiologischer Einflüsse nehmen die Menschen laut diverser Studien zu wenige Ballaststoffe zu sich. Als repräsentativ kann hierfür die Nationale Verzehrsstudie II des Max Rubner-Instituts aus dem Jahre 2008 angesehen werden. Demnach wurde im Durchschnitt der Richtwert für die Ballaststoffzufuhr von mindestens 30 g/Tag in keiner der Studien erreicht. Die durchschnittliche Zufuhr lag zwischen 16 und 29 g/Tag. [52] Dieses Defizit ist auch der Lebensmittelindustrie nicht verborgen geblieben. Immer mehr Lebensmittelhersteller nutzen das positive Image der Ballaststoffe und werben mit ballaststoff-angereicherten Lebensmitteln. Wird auf der Verpackung das Vorhandensein oder ein hoher beziehungsweise erhöhter Ballaststoffgehalt beworben, so muss in der Nährwerttabelle die genaue Menge gemäß der NKV in g/100 g Lebensmittel angegeben werden. [53] Hinweise auf das Vorhandensein von Ballaststoffen sind jedoch nur gerechtfertigt, sofern das Lebensmittel mit einem Mindestballaststoffgehalt angereichert wurde, welcher aus ernährungsphysiologischer Sicht relevant ist.
Gemäß Anlage 1 der EG-Verordnung 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel darf ein Lebensmittel als „Ballaststoffquelle“, „ballaststoffhaltig“ oder „mit Ballaststoffen“ deklariert werden, sofern es 3 g Ballaststoffe, also 10 % der täglich empfohlenen Ballaststoffzufuhr enthält. Lebensmittel, die mit „ballaststoffreich“ oder „hoher Ballaststoffgehalt“ beworben werden, müssen 20 % der täglich empfohlenen Menge an Ballaststoffen abdecken (entspricht 6 g Ballaststoffe in einer Tagesportion). Ausnahmen bilden Brot, Kleingebäck und feine Backwaren. Hier werden die Werte anstatt auf die Tagesportion auf 100 g bezogen. Als Bezugsgröße wird das Vollkornbrot gewählt. Enthält das Brot mindestens den Gehalt eines Vollkornbrotes, so gilt es als ballaststoffreich, d.h. ab 6 g Ballaststoffe pro 100 g. [54] Die Empfehlungen gelten auch dann, wenn dem Lebensmittel zur Anreicherung ballaststoffhaltige Zutaten zugesetzt werden, wenn dieses von Natur aus keine bzw. wenige Ballaststoffe enthält.
Allgemein gesundheitsbezogene Aussagen wie „fördert die Verdauung“ oder „reguliert den Stuhlgang“ sind generell zulässig, da dies bei ausreichender Verzehrsmenge von ballaststoffhaltigen Lebensmitteln als wissenschaftlich hinreichend gesichert angesehen wird. Werden besondere ernährungsphysiologische Wirkungen wie „unterstützt das Wachstum von Bifidobakterien“ oder „Eignung im Rahmen einer cholesterinbewussten Ernährung“ beworben, müssen diese im Einzelnen auf Richtigkeit geprüft werden. Des Weiteren muss allgemein das Verbot der gesundheitsbezogenen Werbung gemäß § 18 Abs. 1 LMBG beachtet werden. Demnach sind Angaben verboten, die sich auf die Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beziehen. [55]
In Kapitel 2.1 wurde der Begriff der angereicherten Lebensmittel definiert. Deren charakteristischer zusätzlicher gesundheitlicher Nutzen wird durch die Anreicherung oder Reduktion/ Entfernen spezieller Inhaltsstoffe hervorgerufen. Diese Stoffe können in folgende Lebensmittel-Inhaltsstoffe gegliedert werden:
- Primäre Inhaltsstoffe: vorwiegend am Energie- und Aufbaustoffwechel beteiligte Substanzen; z.B. Proteine, Fette, Mineralstoffe, Kohlenhydrate, Ballaststoffe, Wasser, Vitamine [56]
- Sekundäre Inhaltsstoffe: dienen der Pflanze z.B. als Abwehrstoff gegen Schädlinge oder Krankheiten, Lock- oder Schutzstoffe, Wachstumsregulator sowie Ballaststoffe, Aroma-, Duft- und Farbstoff; ihnen werden gesundheitsfördernde Wirkungen auch im menschlichen Körper nachgesagt [57]; z.B. Aromastoffe, Enzyme, Ballaststoffe oder Geschmacksstoffe [58]
- Tertiäre Inhaltsstoffe: bei der Verarbeitung gebildete Mikroorganismen (MO) oder Stoffe, z.B. resistente Stärke
Abbildung 1 stellt eine Übersicht intrinsischer und extrinsischer Inhaltsstoffe systematisch dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Übersicht intrinsische und extrinsische Inhaltsstoffe [59]
Die Aufnahme dieser Stoffe erfolgt nicht immer über den direkten Verzehr des Lebensmittels, das von Natur aus reich an solchen Inhaltsstoffen ist. Häufig werden andere Produkte durch bestimmte isolierte, oftmals auch konventionell gezüchtete oder gentechnisch hergestellte Inhaltsstoffen angereichert. [60]
In diesem Zusammenhang sollen die Begriffe extrinsische und intrinsische Nahrungsfasern definiert werden. Der Duden definiert den Begriff intrinsisch als „von innen her, aus eigenem Antrieb; durch in der Sache liegende Anreize bedingt“. [61] Unter intrinsischen Nahrungsfasern versteht man daher diejenigen Fasern, die natürlicherweise und unversehrt in einer Pflanze oder pflanzlichen Lebensmitteln vorhanden sind. [62] Das bedeutet, sie werden verwendet, ohne dass Komponenten entfernt oder zerstört werden. Sie liegen in den Pflanzen im natürlichen Verband vor und nicht isoliert. Zusammen mit anderen Nährstoffen in der Pflanzenzelle weisen sie einen gesundheitlichen Nutzen auf. [63]
Im Gegensatz hierzu stehen die extrinsischen Nahrungsfasern, welche auch im Rahmen dieser Arbeit verwendet werden. Der Duden definiert den Begriff extrinsisch als „von außen her [bestimmt, gesteuert, angeregt]. [64] Analog sind extrinsische Nahrungsfasern Fasern, die einem Lebensmittel aus technologischen, ernährungspsychologischen oder anderen Zwecken während der Produktion oder Zubereitung zugeführt werden. Diese können jedoch nicht unverarbeitet verzehrt werden. Durch sie wird ein Lebensmittel angereichert, da es die Fasern nicht oder nur in geringen Mengen von Natur aus enthält. Die Anreicherung kann helfen, die Ballaststoff-Zufuhr zu erhöhen und ist ein Weg, die Sättigung von Lebensmitteln und Gerichten zu verbessern, ohne dass eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten des Verbrauchers erforderlich ist. Es ist jedoch noch nicht vollständig geklärt, inwieweit die extrinsischen gegenüber den intrinsischen Fasern die Sättigung des Menschen unterschiedlich beeinflussen. [65] Jedoch konnten die positiven Wirkungen von Backwaren, die mit Weizenfaserkonzentraten - also extrinsischen Weizenfasern - angereichert wurden, hinsichtlich Diabetes und Obstipation in Studien bewiesen werden.
Neben den ernährungsphysiologischen Eigenschaften werden die extrinsischen Fasern in der Lebensmittelindustrie häufig als Konzentrat in Pulverform, auch aufgrund ihrer multifunktionellen physikalisch chemischen Eigenschaften, eingesetzt. Diese werden in Kapitel 2.4 erläutert.
Ausgangsprodukte der extrinsischen Fasern sind „Abfallprodukte“ wie Weizenstroh, Sojabohnenschalen, Haferspelzen, Erdnuss- und Mandelhäutchen oder Obst- und Gemüsetrester, die in der Industrie in anderen Prozessen anfallen. Da diese in großen Mengen entstehen, gewinnt die Faser als Wertstoff immer mehr an Bedeutung. [66] Als extrinsische Nahrungsfaser kann zum Beispiel Cellulose dienen. Sie ist der Hauptteil pflanzlicher Zellwände und die in der Natur am häufigsten vorkommende organische Verbindung. [67]
In den Fokus sind die Nahrungsfasern nicht nur wegen ihres bereits erwähnten ernährungsphysiologischen Eigenschaften geraten, sondern vor allem auch wegen ihrer technologischen Eigenschaften. Neben den ernährungsphysiologischen Eigenschaften treten vor allem die technologischen Eigenschaften der Nahrungsfasern in den Fokus der Produktentwicklung. Aufgrund ihrer multifunktionellen physikalisch chemischen Merkmale werden sie, häufig als extrinsische Fasern in Pulverform, vielseitig in der Lebensmittelindustrie, etwa als Verdickungs-, Dispergier- und Geliermittel, Filmbildner oder Stabilisator eingesetzt. [68] Durch ihr Binde- und Stabilisierungsvermögen sowie den strukturbildenden Funktionen helfen sie, Produkte mit ansprechender Struktur bzw. Textur herzustellen. Der Einsatz der Fasern zu diesem Zweck reicht von Fruchtzubereitungen über Milchprodukte und Fleischerzeugnisse, bis hin zur Säuglingsnahrung oder Nahrungsergänzungsmitteln. [69]
Den Hauptanwendungsbereich stellen jedoch Brot- und Backwaren dar. Grundsätzlich ist der Herstellungsprozess von Brot ein sehr komplexer Vorgang, bei dem eine Reihe von Parametern reguliert werden müssen. Die bei der Herstellung von Brot angereicherten Fasern beeinflussen sowohl die Verarbeitung als auch die Qualität des Endproduktes. [70] Neben Weizenfasern werden am häufigsten Reis-, Mais-, Soja- und Haferfasern eingesetzt. Hafer gilt als Ballaststoffquelle mit hohem Proteinwert im Vergleich zu anderen Getreidearten. Studien zeigen, dass der Einsatz von Haferfasern hinsichtlich Volumen und Gesamtverlust während des Backens die geringsten Verluste aufweist. [71] Weizenfasern eignen sich besonders für Lebensmittel, die unter Scherung und Erwärmung hergestellt werden, wodurch sie sich gut für die Brotherstellung eignen. [72]
Die Qualität von Brot hängt stark von der Wasseraufnahme bei der Teigbereitung ab. Die Wasseraufnahmefähigkeit des Teiges ist eine wichtige Eigenschaft beim Brotherstellungsprozess, da Wasser an den Prozessen der Stärkeverkleisterung, Proteindenaturierung und Bildung von Geschmackseigenschaften beteiligt ist. [73] Aufgrund ihres hohen Anteils an unlöslichen Ballaststoffkomponenten wie Cellulose, Hemicellulosen oder Lignin zeichnen sich Getreidefasern durch ein besonders gutes Wasser- und Ölbindevermögen aus. [74] Grund für die hohe Feuchtigkeitsretention sind Kapillareffekte, die in den Elementarfibrillen (Strukturelementen der pflanzlichen Zellwand) wirken. [75] Aufgenommene Flüssigkeiten werden zuverlässig durch Wasserstoffbrückenbindungen und Kapillarkräfte im Fibrillennetzwerk gehalten. Das dadurch entstehende dreidimensionale Fasernetzwerk dient zur Strukturierung des Lebensmittels sowie zur Verbesserung der Textur und Stabilität des Endproduktes. [76] Zudem hemmen die Fasern im Teig den Wasserverlust während der Lagerung, wodurch das Altbackenwerden, welches zur Festigung der Krume führt, verzögert werden kann. [77] Fasern tragen somit zur längeren Haltbarkeit eines Brotes bei. Besonders bei mechanischen und thermischen Produktionsprozessen bewährt sich das hohe Wasser- und Ölbindevermögen der Ballaststoffe, da dadurch Wasser und Öl fest im Lebensmittel gebunden bleiben. [78]
In der Literatur ist das Thema Nahrungsfasern in Teig trotz der überwiegend positiven Eigenschaften ein kontrovers diskutiertes Thema. Der Einsatz beeinflusst die physikalischen Parameter von Brot und kann negative Auswirkungen auf die endgültige Brotqualität haben, wie z.B. ein beträchtlich vermindertes Brotvolumen. Studien zeigen, dass mit der Reduktion des spezifischen Volumens auch die Krumenleuchtkraft sinkt. Das geringe Brotvolumen wird auf eine geringere Gasretention zurückgeführt. [79]
Untersuchungen zeigen teilweise positive Effekte auf die Hefeaktivität in gefrorenem Teig, besonders für längere Lagerzeiten. Jedoch wird auch von einer Störung der Glutenmatrix und folglich von einer verminderten Qualität des Teiges und Brotes berichtet. Welche unterschiedlichen Effekte durch lösliche und unlösliche Nahrungsfasern eintreten, ist in der Literatur ebenfalls noch verschwommen. Auf der einen Seite kann durch den Zusatz löslicher Fasern laut einigen Autoren eine schwache Glutenentwicklung und umfangreiche Stärkeverkleisterung während des Backens beobachtet werden. Andere hingegen berichten von einer signifikanten Entwicklung der Glutenmatrix und durchschnittliche Porengröße, welche der von frischen Proben ähnelt. Leray et al. (2010) ist der Meinung, dass die Anreicherung von löslichen Fasern im Weizenteig eine durch das Gefrieren verursachte Zerstörung der Teigrheologie verhindert. Im Vergleich dazu kann bei der Anreicherung mit unlöslichen Fasern eine bessere Glutenstruktur entdeckt werden. Jedoch beschreiben auch hier einige Autoren ein zerrissenes Glutennetzwerk, welches durch die Stränge der unlöslichen Fasern verursacht wird und zu einem Zusammenbruch der Luftblasen und einer verminderten Haltbarkeit führt. M. Ognean et al. beobachtete, dass der Anteil an Gluten geringer ist, wenn die Faserquelle als reiner Ersatz für das Mehl hinzugefügt wird. Sicher ist, dass Fasern im Teig mit der Glutenmatrix interagieren. In welchem Maße der Fasertyp und die Kettenlänge eine Rolle spielen und ob die Fasern positive oder negative Effekte auf die Produktqualität ausüben, muss weiter erforscht werden. [80]
Durch den Zusatz von Fasern kann zudem die Farbe des Gebäcks beeinflusst werden. In Studien weisen faserangereicherte Brote im Gegensatz zu nicht angereicherten eine bräunlichere Kruste auf. Grund hierfür sind Oxidationsreaktionen und die Beeinflussung der produzierten Melanoide, welche als wesentlichste Indikatoren der Maillard- Reaktion gelten. Der Fasergehalt könnte die Anzahl der produzierten Melanoide beeinflussen. [81]
Bei der Herstellung von Brot ist daher eine sorgfältige Auswahl der Fasern erforderlich. Um eine permanente Unterbrechung der Proteinmatrix zu verhindern, werden Fasern mit den am besten geeigneten physikochemischen Eigenschaften ausgewählt. [82] Je nach Einsatzgebiet muss die richtige Länge der Faser analysiert werden, da diese die Struktur und sensorischen Eigenschaften wie das Mundgefühl oder Textur direkt beeinflusst. Lange Fasern eignen sich z.B. in der Fleischverarbeitung, da dadurch eine gute Struktur und damit ein guter Biss erzielt werden, wohingegen in der Getränkeindustrie eine kurze Faserlänge gewählt wird und somit für den Verbraucher nicht wahrnehmbar ist. Des Weiteren wirkt sich die Faserlänge unmittelbar auf das Wasser- und Fettbindevermögen aus, wobei sich mit zunehmender Faserlänge eine höhere Wasserbindung ergibt. [83]
Bei der Haltbarkeitsverlängerung von Lebensmitteln durch tiefe Temperaturen kann je nach Endtemperaturbereich der Kälteanwendung zwischen folgenden Arten unterschieden werden: Kühlen/ Kühllagern, Gefrieren oder Tiefgefrieren/ Tiefgefrierlagern. Von Kühlen oder Kühllagern spricht man, wenn das Gut bei Temperaturen zwischen -1°C und +8°C gelagert wird. In diesem Verfahren entsteht im Produkt kein Eis. Kommen Temperaturen von -18°C bis 0°C zum Einsatz, wird im Produkt Eis gebildet. Diesen Vorgang nennt man Gefrieren. Die beiden genannten Methoden eignen sich für kurzfristige Lagerung. Soll das Lebensmittel jedoch über einen längeren Zeitraum (einige Monate bis über ein Jahr) ohne wesentliche Veränderungen der Produkteigenschaften gelagert werden, so sind tiefere Temperaturen nötig. Hier kommt das Tiefgefrieren oder Tiefgefrierlagern zum Einsatz. Es werden Temperaturen im Bereich von -25°C bis -18°C erreicht, wobei im Produkt ebenfalls Eis entsteht. [84]
Die Konservierung durch Kälte ist im Gegensatz zu anderen Konservierungsverfahren eine gute Möglichkeit, Geschmack, Textur und Nährwerte eines Lebensmittels weitestgehend zu erhalten. Das Gefrieren ist ein physikalisches Konservierungsverfahren, das bedeutet, dem Produkt wird eine gewisse Menge Energie entzogen, anstatt ihm Strahlungs- oder chemische Energie sowie Chemikalien zuzuführen. Es ist also ein rein natürliches Verfahren. [85] Die Qualität des gefrorenen Lebensmittels nach dem Auftauen hängt vorwiegend von den Rohstoffen, der Gefriereignung der einzelnen Produkte, der Vorbehandlung, Auswahl des Tiefkühlgerätes, sowie den Tiefkühl- und Auftaubedingungen und der Art der Verpackung ab. [86]
In der Industrie unterliegen tiefgefrorene Produkte der Verordnung über tiefgefrorene Lebensmittel (TLMV). [87] Ausdrücklich davon ausgenommen ist Speiseeis, da dieses dafür bestimmt ist, im gefrorenen Zustand verzehrt zu werden und sich von anderen Lebensmitteln unterscheidet. [88]
Der Gefrierpunkt, also die Grenze zwischen den Aggregatszuständen „fest“ und „flüssig“, ist für reines Wasser mit einer Gefriertemperatur von 0°C klar definiert. Lebensmittel hingegen besitzen einen niedrigeren und keinen eindeutig fixierten Wert. [89] Die wichtigsten leichtverderblichen Lebensmittel bestehen hauptsächlich aus Wasser. [90] Das darin enthaltene Wasser kommt jedoch nie im reinen Zustand vor, es bildet stets eine ungesättigte Lösung von Kohlenhydraten, Mineralsalzen, organischen Säuren und anderen löslichen Stoffen. Physikalisch gesehen können Lebensmittel also als verdünnte wässrige Lösungen angesehen werden. Durch die enthaltenen Substanzen kommt es zu einer Gefrierpunktserniedrigung. Das bedeutet, das Wasser im Lebensmittel gefriert nicht bereits bei 0°C, sondern abhängig von der Konzentration der gelösten Stoffe und der Zusammensetzung des Lebensmittels erst bei -0,5 bis -3°C. [91] Die Gefrierpunktserniedrigung beträgt 1 x 86°C mol-1 Liter-1 und hängt nicht unmittelbar vom Wassergehalt des Lebensmittels ab. Beim Gefrieren wässriger Lösungen kommt es durch eine Phasentrennung von gelösten Stoffen und Lösungsmitteln zu einer Aufkonzentrierung der gelösten Stoffe in der verbleibenden Restlösung. Wird der anfängliche Gefrierpunkt erreicht und die ersten Eiskristalle gebildet (kryostatischer Punkt), gefriert nach und nach eine immer größere Menge an Wasser mit gleichzeitig stetig sinkender Temperatur. In dem sich bildenden Eis können die gelösten Stoffe nicht eingelagert werden und somit erhöht sich entsprechend deren Konzentration im noch nicht ausgefrorenen Wasser. Das hat zur Folge, dass der Gefrierpunkt der Lösung schrittweise immer weiter abnimmt. Es werden niedrigere Temperaturen benötigt, um das restliche noch vorhandene Wasser zu gefrieren, bis schließlich das gesamte gefrierbare Wasser vollständig ausgefroren ist. Dieser Punkt wird eutektischer oder kryohydratischer Punkt genannt und bezeichnet demnach das Erreichen jener Temperatur, an welcher die Konzentration der gelösten Stoffe das Limit ihrer Löslichkeit erreicht hat, die Stoffe dadurch ausfallen und das restliche Wasser gefriert. [92] Diese Phasentrennung gilt als einer der Hauptschädigungsmechanismen beim Gefrieren von Zellen. [93]
Aus oben genannten Gründen spricht man bei Lebensmitteln nicht von einem fest definierten Gefrierpunkt, sondern von der Temperatur des Gefrierbeginns und dem Gefrierbereich. Champignons zum Beispiel besitzen ihren kryostatischen Gefrierpunkt bei -0,9°C, während er für Zwiebeln und Erbsen -1,2°C beträgt. [94]
Der Gefriervorgang besteht aus den Prozessen Abkühlen und Gefrieren und lässt sich in drei Abschnitte einteilen. Im ersten Schritt wird das Lebensmittel von seiner Anfangstemperatur auf die Temperatur seines Gefrierbeginns abgekühlt. Durch Temperatursenkung auf -10°C wird dem Produkt Erstarrungswärme entzogen, wodurch ab dort der größte Teil des ausfrierbaren Wassers gefriert. Dieser Kristallisationsprozess ist ausschlaggebend für die Effizienz des Prozesses und die Qualität der gefrorenen Produkte. Im letzten Abschnitt kühlt das Lebensmittel auf die eingestellte Gefrierlagertemperatur ab. [95]
Das Gefrieren ist ein Prozess des kontinuierlichen Wärmeentzugs über die Oberfläche des Produkts und der daraus resultierenden Kristallisation des vorhandenen Wassers zu Eis. [96] Hierbei kühlt die Oberfläche, die unmittelbar der kalten Umgebung ausgesetzt ist, schneller ab als der Kern. [97] Wird reinem Wasser mit einer Temperatur von 0°C Wärmeenergie entzogen, so sollte sich dieses theoretisch zu Eis umwandeln. [98] In der Praxis kommt es zunächst jedoch zu einer Unterkühlung. Das heißt, die Temperatur liegt unterhalb des Gefrierpunktes, es entsteht jedoch noch kein Eis. Bei ausreichender Energieabfuhr beginnt das gesamte Wasser zu kristallisieren. Die Unterkühlung ist für den Beginn der Kristallisation nötig. Bei reinen Lösungen beruht dieses Auftreten auf dem Fehlen von Kristallisationskeimen. Wie stark die Unterkühlung ausfällt, hängt von der Art und Menge der gelösten Substanzen ab. Lösungen können demnach unterschiedlich stark unterkühlt werden, jedoch selbst unter idealen Bedingungen nicht beliebig weit. Reines Wasser besitzt die Fähigkeit auf bis zu -40°C zu unterkühlen, ohne dass die Kristallisation einsetzt. [99] In Lebensmitteln treten in der Regel geringere Unterkühlungen auf, da immer ausreichend Kristallisationskeime vorhanden sind. [100] Dieser Zustand der Unterkühlung ist metastabil und kann zum Beispiel durch mechanische Erschütterung abgebrochen werden. [101] Wird die Unterkühlungstemperatur überschritten, so beginnt die Kristallisation. Die Temperatur steigt spontan auf den Gefrierpunkt an und bleibt dort konstant, bis das vorhandene Wasser vollständig zu Eis kristallisiert ist. Hiernach sinkt die Eistemperatur wieder ab und stellt sich auf die eingestellte Gefrierlagertemperatur ein. [102] Abbildung 2 stellt diese Vorgänge für reines Wasser und ein beliebiges Lebensmittel exemplarisch dar. Deutlich voneinander abzutrennen sind die Phase der Unterkühlung bis zur maximalen Unterkühlungstemperatur, die darauf folgende Nukleation (Keimbildung), die sich durch einen plötzlichen Temperaturanstieg auszeichnet und letztlich das Eiskristallwachstum.
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Abbildung 2: Schematischer Temperaturverlauf beim Gefrieren von
Sowohl in pflanzlichen als auch in tierischen Geweben wird der Wassergehalt zwischen den Zellen (interzellulär) und innerhalb der Zellen (intrazellulär) gespeichert. Beim Abkühlen des Produktes beginnt mit Erreichen der Temperatur des Gefrierbeginns die Eisbildung, wobei das im Lebensmittel vorhandene Wasser vom flüssigen in festen Zustand überführt wird. Beim Gefrieren bilden sich die ersten Eiskristalle außerhalb der Zelle in den Zellzwischenräumen, da intrazellulär eine höhere Konzentration an gelösten Stoffen vorliegt. Folglich ist aufgrund des höheren Anteils an wässriger Flüssigkeit die Temperatur des Gefrierbeginns extrazellulär höher als intrazellulär. Wie bereits in Kapitel 2.5.1 beschrieben, kommt es durch stufenweises Ausfrieren des extrazellulär vorhandenen Wassers zu einer fortlaufenden Aufkonzentrierung der gelösten Stoffe im noch nicht ausgefrorenen Wasser, wodurch sich der Gefrierpunkt der Lösung weiter herabsenkt. Gleichzeitig vermindert sich der aw-Wert, welcher die Wasseraktivität beschreibt, da sich die gelösten Stoffe an den größten Teil des noch nicht gefrorenen Wassers binden. Die Aufkonzentrierung endet mit Erreichen des eutektischen Punktes und der Erstarrung der verbleibenden Lösung. [104]
In Lebensmitteln friert das Wasser über einen Bereich bis etwa -30°C aus, die größte Eismenge bildet sich bis ca. -10°C. Ein gewisser Anteil des Wassers (ca. 10 %) ist jedoch nicht ausfrierbar, da er so fest an die Trockensubstanz gebunden ist. Grund hierfür ist, dass das Wasser so fest an die Stoffe gebunden ist, weshalb es sich nicht für die im Eiskristall herrschende schwächere Bindung von ihnen trennt. Als Faustregel hierbei gilt, dass zwischen 0,2 bis 0,4 g Wasser je Gramm Eiweißtrockenmasse oder Stärke das sogenannte Hydratationswasser fest an diese Stoffe gebunden ist. [105] Daher wird laut Kuprianoff zwischen gefrierbarem und nicht gefrierbarem Wasser unterschieden. [106] Abbildung 3 zeigt das unterschiedliche Ausfrieren von Wasser in verschiedenen Lebensmitteln abhängig von der Temperatur. Entscheidend für den Verlauf sind die jeweilige Zusammensetzung der Gewebsflüssigkeit und die daraus resultierende Temperatur des Gefrierbeginns. [107]
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Abbildung 3 Ausgefrorener Wasseranteil in verschiedenen Lebensmitteln abhängig von der Temperatur [108]
Während des Einfrierens kommt es zur sogenannten Kristallisation von Wasser, was für die Bildung von Eiskristallen während des Einfrierprozesses steht. Dieser Prozess besteht aus zwei Schritten, die oftmals gleichzeitig ablaufen: der Nukleation, also der Bildung sehr kleiner angeordneter Anhäufungen von Wassermolekülen - den sogenannten „Kristallisationskernen“ - und dem Kristallwachstum. Das Zusammenspiel beider Vorgänge bestimmt maßgeblich die Größe, Verteilung und Struktur der sich bildenden Kristalle. [109] Die Nukleation gilt als geschwindigkeitsbestimmender Schritt des Gefrierens. [110] Sie kann je nach Zusammensetzung der Flüssigkeit auf zwei unterschiedliche Arten ablaufen. Enthält die Lösung keinerlei feste, artfremde oder arteigene Keime oder Kristalle, also ist sie eine sehr reine Flüssigkeit, so spricht man von einer homogenen Keimbildung. Die Kristallisationskeime bilden sich aus der Flüssigkeit heraus an zufälligen Orten. Die homogene Keimbildung tritt jedoch nicht so häufig auf. [111] Kommen in der Flüssigkeit hingegen ungelöste Stoffe wie Salz oder Proteine vor, so können diese als Kristallisationskeime dienen. Die Flüssigkeit kristallisiert demnach an deren Oberfläche. In diesem Fall läuft die Keimbildung heterogen ab. Die für den Beginn der Kristallisation benötigte Unterkühlung ist hierbei geringer als bei der homogenen Keimbildung. [112]
Je nach Einfriergeschwindigkeit und -temperatur verläuft die Bildung der Kristallisationskerne unterschiedlich ab. Sind die Temperaturen sehr niedrig, so bilden sich schnell viele Kristallisationskerne, während die Bildung bei höheren Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt oftmals weniger rasch abläuft. Die entstandenen Eiskristalle hingegen können bereits bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt wachsen. [113] Durch die Anlagerung von weiteren Wassermolekülen an die vorhandenen Kerne nehmen die Eiskristalle an Masse zu. Je nach Anzahl der vorhandenen Kristallisationskeime werden sie unterschiedlich groß. Viele Keime führen zu zahlreichen kleinen Eiskristallen, wohingegen vice versa bei einer geringen Anzahl vorhandener Keime sehr große Eiskristalle gebildet werden. Wird ein Lebensmittel also bei sehr niedrigen Temperaturen, wie in der industriellen Herstellung üblich, eingefroren, so bilden sich schnell viele Kristallisationskeime und folglich kleine Eiskristalle. Analog dazu kommt es durch langsames Einfrieren aufgrund höherer Temperaturen zur Bildung von großen Eiskristallen. Diese breiten sich langsam im Lebensmittel aus. [114] Das Kristallisationsverhalten von Wasser ist grundlegend abhängig von der Temperatur und des Drucks. [115]
Durch Temperaturschwankungen während des Lagerns oder Transportierens kann es zu einer Umkristallisation und weiterem Wachstum von Eiskristallen kommen. Dabei sind die entstehenden Strukturschäden umso größer, je größer die beim Einfrieren gebildeten Kristalle sind. [116]
Die Gefriergeschwindigkeit beschreibt die Differenz zwischen der Anfangs- und Endtemperatur des einzufrierenden Guts bezogen auf die benötigte Gefrierzeit. Das Gefrieren von Lebensmitteln beginnt an der äußeren Oberfläche und wandert von dort nach innen. Die Veränderungen der Temperatur an der Oberfläche laufen jedoch nicht mit gleicher Geschwindigkeit wie im Kern ab. Spricht man von der örtlichen Gefriergeschwindigkeit (°C/h), so wird der Temperaturabfall an einem bestimmten Punkt des Guts über einen bestimmten Zeitraum betrachtet. Beobachtet man die Wandergeschwindigkeit der Eisfront von der Oberfläche zum Kern des Guts, so spricht man von der integralen Gefriergeschwindigkeit. Diese wird in Zentimetern pro Stunde (cm h-1) angegeben. In Normen und gesetzlichen Regelungen werden häufig Angaben über die integrale Gefriergeschwindigkeit als Maßstab für ausreichendes Gefrieren angegeben. So wird z.B. eine integrale Gefriergeschwindigkeit >1 cm h-1 für die Herstellung tiefgefrorener Produkten empfohlen. [117] Um den Einfluss des Gefrierens auf die Qualität des Produktes zu betrachten, eignet sich jedoch die örtliche Gefriergeschwindigkeit besser.
Neben der Größe und des Ortes der sich bildenden Eiskristalle ist die Einfriergeschwindigkeit bei vielen Lebensmitteln ein entscheidender Einflussfaktor auf die mikroskopische Struktur und folglich die Produktqualität. Beim industriellen Tiefgefrieren von Lebensmitteln werden folgende unterschiedliche Gefriergeschwindigkeiten definiert: ultraschnell (>100 cm h-1), sehr schnell (5-100 cm h-1), schnell (0,5-5 cm h-1), langsam (0,1-0,5 cm h-1) und sehr langsam (<0,1 cm h-1). In der Industrie werden Schnell- bzw. Schockgefrierverfahren verwendet, die sich im Bereich zwischen schnellem und ultraschnellem Einfrieren befinden. Entscheidend für die Gefriergeschwindigkeit sind die Größe, der Oberflächenbereich und die thermische Leitfähigkeit des einzufrierenden Produktes sowie der Temperaturgradient innerhalb des Lebensmittels. [118] Die Gefriergeschwindigkeit und die damit zusammenhängende Eiskristallbildung gelten als kritische Parameter im Hinblick auf Gewebeschäden der einzufrierenden Lebensmittel.
Schnelles Gefrieren
Um die Produktqualität während des Gefrierens und späteren Auftauens weitestgehend zu erhalten und ein Entmischen der Lösungen im Lebensmittel zu vermeiden, ist schnelles Einfrieren erforderlich. Wird das Lebensmittel schnell eingefroren, so ergibt sich durch Bildung vieler Kristallisationskeime eine feinkristalline Eisstruktur, die nur geringe histologische Veränderungen im Zellgewebe bewirkt. Durch die hohe Einfriergeschwindigkeit wird die Wärme so schnell entzogen, dass für Diffusions- und Entmischungsvorgänge nur wenig Zeit ist und dadurch das Wasser an Ort und Stelle bleibt. Es kommt zu einer relativ gleichmäßigen extra- und intrazellulären Eisbildung mit lediglich geringen Strukturschäden. [119] Dies hat zur Folge, dass das Wasser beim späteren Auftauen des Lebensmittels fast vollständig wieder aufgenommen werden kann und die Zellen nicht auseinander laufen. Durch die intakte Zellstruktur bleiben bestimmte Inhaltsstoffe in den Organellen von der restlichen Zellflüssigkeit getrennt und der Zellinnendruck bleibt erhalten. Dadurch kommt es lediglich zu einem sehr geringen und unbedeutenden Dripverlust, welcher für den beim Auftauen entstehenden Flüssigkeitsverlust steht, und das Lebensmittel verliert seine Konsistenz nicht. [120] So bleibt die Produktqualität weitestgehend erhalten. Gefriert die Oberfläche des Lebensmittels schnell, so bildet sich eine Art Oberflächenschutz. Verdunstungseffekte von z.B. Wasser oder flüchtigen Aromen werden dadurch verlangsamt, woraus häufig ebenfalls eine Qualitätserhaltung resultiert. [121] Zudem wird der beim Gefrieren als kritischer Temperaturbereich bezeichnete Bereich von -1 bis -5°C zügig durchschritten. In diesem Intervall friert der größte Wasseranteil aus bzw. wachsen die Eiskristalle. In dieser Phase können demnach zahlreiche unerwünschte Veränderungen im Lebensmittel auftreten, die durch zügiges Durchscheiten minimiert werden. [122]
Jedoch gilt es auch beim schnellen Gefrieren auf die Geschwindigkeit zu achten, da zu schnelles Einfrieren (> 5 cm/h) zu Zerreißungen an den Zellen führen kann. Diese entstehen, wenn der Kristallisationskern an einer Oberflächenschicht nachfriert, die bereits hart gefroren ist. Das Auftreten der Schädigung ist von der Festigkeit des Gewebes abhängig. Flexible Muskelmembranen sind zum Beispiel weniger davon betroffen, als halbstarre pflanzliche Zellwände. [123] Die Qualität des Produktes wird durch eine Zellschädigung maßgeblich gemindert.
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