Fachbuch, 2019
94 Seiten
1 Einleitung
2 Wie hat sich Tourismus im Laufe der Zeit entwickelt?
2.1 Wie entwickelt sich Tourismus zu Massentourismus?
2.2 Was bedeutet Overtourism?
3 Mögliche Gründe für Overtourism
3.1 Wachsende Reisemärkte in Asien, insbesondere China
3.2 Erschwingliche Preise und einfacher Komfort
3.3 Demografischer Wandel und Sensibilisierung
4 Fallbeispiele für die Auswirkungen von Overtourism auf touristisch attraktive Destinationen
4.1 Auswirkungen auf Europa: Barcelona
4.2 Auswirkungen auf Europa: Venedig
4.3 Auswirkungen auf Europa: Amsterdam
4.4 Auswirkungen auf Europa: Dubrovnik
4.5 Auswirkungen auf Asien: Boracay
4.6 Auswirkungen auf Asien: Ko Phi Phi Leh - Maya Bay
4.7 Auswirkungen auf Asien: Taj Mahal
4.8 Auswirkungen auf Asien: Bali
5 Analyse und Vergleich der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Auswirkungen von Overtourism anhand der Fallbeispiele
5.1 Ökologischen Auswirkungen
5.2 Sozio-kulturelle Auswirkungen
5.3 Wirtschaftliche und politische Auswirkungen
6 Handlungsstrategien- und empfehlungen gegen die Auswirkungen von Overtourism
6.1 Strategie 1: Langfristige reibungslose Verteilung der Besucher
6.2 Strategie 2: Verteilung der Besucher auf mehrere Standorte
6.3 Strategie 3: Anpassung der Preise an das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage
6.4 Strategie 4: Handlungsempfehlung: Politik muss reagieren
6.5 Strategie 5: Zugriff und Aktivitäten einschränken
7 Zusammenfassung
8 Literaturverzeichnis
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Impressum:
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Tourismus ist eine stetig wachsende Branche. Die Ferienbranche bietet Reisenden eine Abwechslung zum Alltag: Der Horizont wird erweitert, Urlaub kann spannend oder entspannend sein und ist individuell auf jedes Bedürfnis anpassbar. Den Feriendestinationen bringt der Tourismus Einkommen, viele Arbeitsplätze entstehen hierdurch, die finanziellen Mittel unterstützen die Erhaltung der Sehenswürdigkeiten und ganze Regionen leben alleine vom Tourismus. An sich bringt Tourismus also viel Gutes, doch eine Schattenseite ist ebenfalls vorhanden. Massentourismus ist in bestimmten Regionen schon lange als ein Problem bekannt, doch hat sich mit dem sogenannten Overtourism eine Steigerung hiervon entwickelt. Unter dem Ausdruck ist zu verstehen, dass nicht nur Massen an Touristen eine Destination besuchen, sondern deutlich zu viele Touristen die Kapazitäten einer Destination überbelasten. Der Begriff „zu viele Touristen“ ist hierbei keine bestimmt fixierbare Zahlengröße, die in Worten fassbar ist, sondern variiert je nach Destination und Ausprägung.
„Overtourism: Städte sorgen sich um ihre Authentizität“ (NRZ 2019)
„Tourismusmanager warnt vor Overtourism: In zehn Jahren sind unsere Städte komplett zerstört" (HÖNICKE 2018)
„Can the world be saved from overtourism?“
(STREET 2018)
Diese kleine Auswahl zitierter Überschriften der letzten zwei Jahre zeigt, wie aktuell das Thema Overtourism ist. Auch die ITB Berlin stellt sich der Frage, wie viele Besucher eine Destination tragen kann, und stellt das Thema Overtourism als eines der Kernthemen der diesjährigen Messe in den Mittelpunkt (vgl. ITB 2018). Rolf Freitag, CEO von IPK International sagte dazu: „Overtourism wirkt sich nicht nur direkt auf Destinationen, Sehenswürdigkeiten, lokale Infrastruktur und Anwohner aus, sondern auch auf die Reisenden selbst“ (ITB 2017). Mit dieser Aussage bezog er sich auf eine repräsentative Umfrage, die im Rahmen des World Travel Monitors® im September 2017 unter 29.000 internationalen Reisenden in 24 Ländern in Europa, Asien und Amerika durchgeführt wurde (ITB 2017). Laut dieser Umfrage fanden im Jahr 2017 insgesamt 25 Prozent aller internationalen Touristen, dass ihr Urlaubsziel überlaufen war. Zudem gaben 9 Prozent der Befragten an, „dass sich die Masse an Besuchern negativ auf ihr Reiseerlebnis ausgewirkt hat“ (ITB 2017). Am sensibelsten auf überlaufende Destinationen reagierten laut der Umfrage Asiaten mit 15 Prozent, im Vergleich zu den Europäern mit 8 Prozent (vgl. ebd.). Jeder vierte Reisende wurde dabei mit Overtourism und seinen Auswirkungen konfrontiert, welche Art von Reisenden befragt wurde stellt sich jedoch leider nicht heraus.
Darüber hinaus besteht ein persönliches Interesse an dem Thema dieser Bachelorarbeit, da eigene Erfahrungen mit den Auswirkungen von Overtourism gemacht wurden. In einem diesjährigen Thailand Urlaub an der Andamanensee wurde ich damit konfrontiert, dass die „must-see“ Attraktion Maya Bay auf Ko Phi Phi Leh aufgrund zu vieler Touristenmassen geschlossen war, und somit nicht besichtigt werden konnte. Eine solche strenge Maßnahme, wie die Schließung einer Sightseeing-Attraktion wegen zu vielen Besuchern, war mir als Europäer bis dahin nicht bekannt. Daher ergaben sich für die Anfertigung der Arbeit folgende Fragestellungen:
- Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es bei den Auswirkungen von Overtourism in den Natur- und Kulturräumen von Europa und Asien im Vergleich?
- Wie groß ist die Zerstörung des Natur- oder Kulturraums durch Overtourism in den genannten Regionen?
- Ab welchem Zerstörungsgrad der Natur- oder des Kulturerbes bzw. ab welcher Touristenanzahl reagieren die erwähnten Regionen im Vergleich?
- Wie wirkt sich Overtourism auf den sozio-kulturellen Raum aus?
- Welche Reaktionen auf den Overtourism gibt es von den lokalen Bevölkerungen?
- Welche politischen Gegenmaßnahmen wurden ergriffen, um Overtourism entgegenzuwirken?
Diese Fragen werden im Verlauf der dieser Arbeit beantwortet. Dazu wird vorab die Entwicklung des Tourismus erläutert, um anschließend Massentourismus von Overtourism abgrenzen und definieren zu können. Darauf aufbauend werden mögliche Gründe für Overtourism erläutert und im Folgenden für die Darstellung möglicher Auswirkungen von Overtourism jeweils vier Beispiele für Europa und Asien ausgewählt, recherchiert und dargestellt. Die Auswirkungen werden anschließend auf ihre ökologischen, sozio-kulturellen und wirtschaftlich-politischen Auswirkungen hin analysiert (in den jeweiligen Regionen). Im Anschluss erfolgt ein Vergleich der Auswirkungen in Europa und Asien. Abschließend werden Handlungsstrategien und Empfehlungen zur Vermeidung von Overtourism dargestellt.
Da es sich um ein aktuelles Thema handelt, wurde als Analysematerial vorwiegend auf aktuelle Internetpresse zugegriffen.
Die Entwicklung des Reisens lässt sich laut Freyer (vgl. 2015: 11 ff) in vier Epochen unterteilen, auf die im Folgenden jeweils kurz eingegangen wird.
Die Vorphase (bis ca. 1850)
Die ersten Reisen waren meist notwendig, anstrengend und ein Mittel zum Zweck. Die Motive waren Handel, Entdeckungs- und Eroberungsdrang, Geschäfte, Bildung oder Religion. Es handelte sich vor allem um „Muss-Reisen“ (vgl. BIEGER 2004: 48).
In der Vorphase (vgl. FREYER 2015: 11) waren die wichtigsten Transportmittel die eigenen Füße, Pferde, Kutschen oder Schiffe. Reisen galt als Privileg, welches sich nur ein geringer Teil der Bevölkerung leisten konnte. Da die ersten Reisen dienstlich oder geschäftlich motiviert waren, werden sie in der Tourismuslehre nicht im klassischen Sinne zugeordnet. Erst die Reisen junger Adeliger ab dem 17. und 18. Jahrhundert werden als Vergnügungsreisen bezeichnet. Beispiele für Anfangsformen des Reisens waren:
- Die Handelsreisen der Phönizier und Römer
- Die Wallfahrten, Pilgerreisen und Kreuzzüge aus religiösen Gründen
- Entdeckerfahrten, wie z.B. von Marco Polo
- Badereisen ab dem 18. Jahrhundert
Die Anfangsphase (1850 bis 1914)
Ab dem Jahr 1850 verzeichnete der Tourismus einen Aufschwung, welcher auf folgende Entwicklungen zurückzuführen ist:
- Der Ausbau und die Verbesserung des europäischen Verkehrswesens führte zu einer Steigerung der Transportkapazität bei gleichzeitiger Senkung der Reiskosten
- Steigender Wohlstand im Zuge der Industrialisierung
- Die erstmalige Gewährung von Urlaub
Thomas Cook veranstaltete am 05. Juli 1841 die erste Pauschalreise innerhalb Großbritanniens, was als die Geburtsstunde von Pauschalreisen verstanden wird (vgl. FREYER 2015: 14). Reisen nach Kontinentaleuropa und Übersee folgten. In Deutschland war im Jahr 1863 die Eröffnung des ersten deutschen Reisebüros ein Meilenstein. Neben zahlreichen Gesellschaftsreisen führte dieses im Jahr 1878 auch die erste Weltreise durch. Die Teilnehmer dieser Reisen waren überwiegend Beamte und Angestellte. Für die Arbeiterschicht in Deutschland entwickelte sich aufgrund verbesserter finanzieller Mittel und organisatorischer Kapazitäten ab dem Jahr 1900 die Reiseform der Sommerfrische (vgl. FREYER 2015: 16). Hierbei handelte es sich um Erholungsreisen in Gebiete mit einer kurzen Distanz zur Stadtwohnung, wie z.B. die Alpen oder die deutschen Mittelgebirge. Bevorzugtes Transportmittel war meist die Bahn.
Die Entwicklungsphase (1914 bis 1945)
Ein Rückschritt für den sich entwickelnden Tourismus war der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918. Tourismuseinrichtungen litten unter finanziellen Problemen aufgrund zurückgehender Tourismusströme. Verursacht wurde dies sowohl durch den Verlust der Reisefreudigkeit der vermögenden Bevölkerungsschicht, als auch des zahlenmäßigen Rückgangs eben dieser. Nach den Krisenjahren entwickelte sich in Deutschland erneut die Reiseform der Sommerfrische in einer angepassten, bescheideneren Form (vgl. FREYER 2015: 16). In den Vorkriegsjahren wurde der Urlaubsanspruch der Beschäftigten angehoben, sodass kleinere Angestellte und Arbeiter bezahlten Urlaub nehmen konnten, und somit die Chance hatten zu reisen.
Ab dem Jahr 1933 wurden durch den neugegründeten Reichsausschuss für Fremdenverkehr und der nationalsozialistischen Organisation Kraft durch Freude (KdF) preiswerte Urlaubs- und Freizeitangebot organisiert, die durch hohe Auslastungen der Transport- und Beherbergungskapazitäten einen ersten deutschen Reiseboom auslösten. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1939 endete die Reisetätigkeit zu Vergnügungszwecken jedoch wieder (vgl. FREYER: ebd.).
Die Hochphase (ab 1945)
Nach dem Zweiten Weltkrieg begann die Hochphase des Tourismus, ausgelöst durch den wirtschaftlichen Aufschwung der westlichen Industrienationen. Ein höherer Freizeitanteil der Bevölkerung, steigende Einkommen und eine Verbesserung der Transportkapazitäten förderten diesen Prozess. Dominierend waren zuerst Bus- und Bahnreisen, anschließend der Autotourismus und später die ersten Charterflüge. Der breiten Bevölkerungsschicht wurde in den 1960er-Jahren das Reisen ermöglicht, und finanzstarke Versandhäuser, wie z.B. Quelle und Neckermann, legten den ersten Grundstein für den zunehmenden Massentourismus (vgl. FREYER 2015: 17 ff.). Zudem wurden ab dem Jahr 1975 für alle Arbeiter, Beamten und Angestellten die Urlaubstage ausgedehnt, und die Mobilität verbesserte sich fortlaufend durch den Ausbau von Autobahnnetzen, Flugplätzen und Flugverbindungen.
Die Welttourismusorganisation (1993) definiert den deutschen Begriff „Tourismus“, abgeleitet vom englischen Begriff „tourism“, wie folgt:
„Tourism is a social, cultural and economic phenomenon which entails the movement of people to countries or places outside their usual environment for personal or business/professional purposes.”.
Generell gibt es für den Begriff Tourismus eine Vielzahl an Definitionen, die zwar verschiedene Phänomene beschreiben, im Kern jedoch fast immer Bezug auf einen Ortswechsel für einen begrenzten Zeitraum nehmen. Der Definitionsrahmen wird hierdurch auf ein breites Spektrum erstreckt, welches nicht nur Erholungs- und Vergnügungsreisen beinhaltet, sondern auch medizinisch gebundene Reisen, beruflich bedingten Reiseverkehr und auch teilweise routinemäßigen Einkaufs- und Veranstaltungsverkehr. Hier werden mehrere Reiseformen zusammengefasst, denen jedoch (weitgehend) unterschiedliche Motivationsstrukturen zugrunde liegen, die nicht dem gleichen Verhaltensmuster folgen.
Diese Arbeit fokussiert sich auf den engeren Tourismusbegriff nach Steinbach (vgl. STEINBACH 2003: 10), welcher sich nur auf Erholungs- und Vergnügungsreisen bezieht. Andere Motive für Reisen bleiben jedoch nicht gänzlich unberücksichtigt, da auch Kopplungen von Reiseformen stattfinden können. So kann z.B. ein Kongressbesucher zeitgleich auch das regionale Erholungs- und Vergnügungsangebot einer Region wahrnehmen.
Aufgrund der großen Bandbreite an Definitionen von Tourismus, kann auch der oftmals verwendete Begriff des „Massentourismus“ nicht eindeutig scharf vom Tourismus abgegrenzt werden. Prof. Torsten Kirstges definierte den Begriff Massentourismus in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung wie folgt:
„Der Massentourismus ist ein Effekt der freiheitlichen Gesellschaftsordnung in Europa. Dazu gehört die Reisefreiheit - und das ist grundsätzlich auch gut so. Jeder will dorthin, wo es vermeintlich toll ist. Die Konsequenz ist dann aber eben das massenhafte Reisen“ (KIRSTGES 2018).
Durch die Demokratisierung des Reisens und die touristische Aufrüstung nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde die Pauschalreise ein großer Erfolg und ein günstiges Freizeitvergnügen, welche Einzug in das alltägliche Leben erhielt. Eine Pauschalreise definiert sich als Leistungsbündelung von mindestens zwei verschiedenen Hauptreiseleistungen (z.B. Transport, Unterbringung, Flug), die zu einem Gesamtpreis verkauft werden (vgl. FREIHERR VON DÖRNBERG). Nach Freyer (vgl. FREYER 2015: 133) waren im Jahr 2012 insgesamt 42 % der in Deutschland getätigten Reisen Pauschalreisen. Bei einer Pauschalreise stellen Reiseveranstalter Reisepakete zusammen, welche klassischerweise verschiedene Teilleistungen, wie beispielsweise Transport, Übernachtung und Verpflegung beinhalten. Durch die gleiche Leistungsbündelung verschiedener Reisender, oder Reisegruppen, wird deren Präsenz vor Ort räumlich und zeitlich gebündelt. An den touristischen „hot spots“ entsteht hierdurch der sogenannte Massentourismus. Gekennzeichnet wird der Hot-Spot-Tourismus durch eine nahezu durchgängige massentouristische Prägung. Hierbei hebt sich der klassische Badetourismus durch eine sehr hohe Konzentration von Touristen auf begrenztem Raum während des gesamten Urlaubs hervor. Nur in künstlichen Freizeitwelten (touristische Enklaven), wie z.B, Freizeitparks, ist eine vergleichbare oder größere Konzentration vorhanden. Der sogenannte Cluster ist durch eine starke räumliche und zeitliche Bindung der Infrastruktur gekennzeichnet, wodurch an diesen Standorten die Massen an Touristen in Erscheinung treten. Insbesondere die Destinationen mit Winteraktivurlaub sowie Ski- und Snowboardurlaub sind von der Errichtung touristischer Infrastruktureinrichtung gekennzeichnet, was wiederum zu einer massenhaften Ansammlung von Reisenden führt.
Die Haupturlaubsgruppen des Massentourismus sind Sonne- und Strandreisende sowie Winterurlauber, jedoch gibt es massentouristische Prägungen auch in anderen Urlaubsstilen. Abenteuer- und Entdeckerurlauber sowie Erholungs- und Gesundheitsurlauber meiden tendenziell massentouristisches Auftreten. In der Realität treten sie jedoch in gewissem Umfang dennoch in Erscheinung und erzeugen das temporäre Auftreten von Massen, wenn sie sich auf touristischen Pfaden und Routen bewegen (Wandertouren, Studienfahrten, Kreuzfahrten), welche an entsprechenden Knoten-
punkten (Attraktionen und sonstige touristische Einrichtungen) aufeinandertreffen.
Der sogenannte Overtourism muss im Zusammenhang mit dem öffentlichen Raum, welcher eine gemeinsame Eigentumsressource von allen ist, betrachtet werden. Overtourism entsteht, wenn zu viele Menschen zur gleichen Zeit versuchen diese gemeinsame Ressource zu verbrauchen.
Das Wort Overtourism (wörtlich übersetzt mit „Übertourismus“) ist ein relativ neuer Begriff in der Tourismuswelt. Erst im Jahr 2016 ist der Ausdruck von dem Internetportal Skift geschaffen worden (vgl. ALI 2016). Die Autoren von Skift kreierten den Begriff, nachdem sie die Veränderung von Island in den Jahren 2014 und 2016 wahrgenommen hatten, welche durch die Demokratisierung des globalen Reisens und die Bereitschaft der Destination, den Tourismus als Wachstumsmotor ihrer Region zu etablieren, herbeigeführt wurden. Besonders die Probleme durch Veränderungen Islands wurden von den Autoren wahrgenommen. Dazu gehörten beispielsweise die überlastete Hotelinfrastruktur, zu viele Touristen mit mangelndem Verständnis für die ökologische Fragilität des Landes oder auch Beschwerden von Einheimischen, die sich über die Touristen ärgerten (vgl. ebd.). Daraus zogen sie folgende Schlussfolgerungen für ihre Definition von Overtourism:
„Overtourism represents a potential hazard to popular destinations worldwide, as the dynamic forces that power tourism often inflict unavoidable negative consequences if not managed well. In some countries, this can lead to a decline in tourism as a sustainable framework is never put into place for coping with the economic, environmental, and sociocultural effects of tourism. The impact on local residents cannot be understated either.“ (ALI 2016)
Seit diesem Artikel auf Skift sind viele Definitionen von Overtourism entstanden. Die Welttourismusorganisation (UNWTO 2018:11) definierte die Tragfähigkeit des Tourismus schon lange vor der Entstehung von Schlagwörtern wie Overtourism als:
„the maximum number of people that may visit a tourist destination at the same time, without causing destruction of the physical, economic and sociocultural environment and an unacceptable decrease in the quality of visitors’ satisfaction”.
Die Auswirkungen von Overtourism auf Großstädte in Europa wurden von der UNWTO im Jahr 2018 in einem Projekt erforscht. Im abschließenden Projektbericht definieren die beteiligten Autoren unterschiedlicher Universitäten Overtourism dabei als:
„the impact of tourism on a destination, or parts thereof, that excessively influences perceived quality of life of citizens and/or quality of visitors experiences in a negative way.” (UNWTO 2018:4)
Eine ähnliche Definition kommt von der Organisation “The Responsible Tourism Partnership”. Diese bezeichnet Overtourism als:
„destinations where hosts or guests, locals or visitors, feel that there are too many visitors and that the quality of life in the area or the quality of the experience has deteriorated unacceptably. It is the opposite of Responsible Tourism which is about using tourism to make better places to live in and better places to visit. Often both visitors and guests experience the deterioration concurrently.” (THE RESPONSIBLE TOURISM PARTNERSHIP 2019)
Overtourism ist in zwei Destinationen nicht immer gleichbedeutend. Unterschiedliche Destinationen können unterschiedlich viele Touristenmassen erfassen, bis sie an ihre tragfähigen Grenzen kommen und die Destination zerstört wird. Auf Grund der unterschiedlichen Eigenarten von Destinationen gibt es auch keine grundsätzlich geltende Lösung, um Overtourism zu verhindern. Gemeinsamer Konsens in der Tourismusbranche ist nur, dass es erstrebenswerter ist Overtourism vorzubeugen, anstatt sich davon zu erholen.
Nachdem im Kapitel 2 die Entwicklung des Tourismus bis hin zum Overtourism dargestellt wurde, fokussiert sich das folgende Kapitel auf die möglichen Gründe für Overtourism.
Die World Tourism Organization (UNWTO) prognostiziert, dass der internationale Tourismus bis 2020 auf 1,4 Milliarden Menschen ansteigen wird (vgl. JET 2018). Bei dieser großen Nachfrage nach Reisen ist es wichtig für Destinationen, die eigene Entwicklung genau zu beobachten und mögliche Tendenzen von Overtourism frühzeitig zu erkennen. Die Gründe für die Entwicklung des Tourismus zum Overtourism sind vielschichtig. Auch wenn diese frühzeitig identifiziert werden, können u.a. fehlende Planung und unzureichendes Management in Kombination mit mangelnder Teilnahme der Bevölkerung bei der Tourismusentwicklung zu neuen Auswirkungen führen (vgl. LEBENSART REISEN 2019).
Die nun aufgeführten möglichen Gründe für Overtourism wurden in drei verschiedene Kategorien zusammengefasst, jedoch ist es bei Destinationen oftmals so, dass gleich mehrere Gründe vor Ort zu Overtourism geführt haben, sondern gleich mehrere Gründe auf einmal auftreten. Dies erschwert es Destinationen die Symptome zu deuten, um anschließend Strategien dagegen zu entwickeln.
Laut dem „ITB World Travel Trends Report 2016/2017“ reisten die Asiaten im Jahr 2017 mehr denn je, Wachstumstreiber war hierbei erneut China. Nach einem zweistelligen Anstieg der Auslandsreisen im Jahr 2016 blieben die Aussichten für das Jahr 2017 unverändert gut, wie der Bericht des 24. World Travel Monitor-Forums festhält (vgl. ITB WORLD TRAVEL TRENDS REPORT 2016:11).
Mehr als vier Milliarden Reisen ins eigene Land und 131 Millionen Reisen nach Übersee unternahmen chinesische Reisende im Jahr 2017. Damit ist China der weltweit größte Markt für Outbound-Reisen (vgl. ebd.), d.h. hiermit ist der „grenzüberschreitende Reiseverkehr ins Ausland“ (SCHERHAG 2018) gemeint. Bis ins Jahr 2020 wird damit gerechnet, dass immer mehr ursprünglich inländische Urlaubende nach Übersee reisen, wodurch der jährlich ausgehende Verkehr auf 160 Millionen Reisende steigen wird (vgl. CHEN et al. 2018).
Das dynamische Wachstum der Auslandsreisen von Chinesen wird auf mehrere Faktoren zurückgeführt (vgl. ITB WORLD TRAVEL TRENDS REPORT 2016:14). Dazu gehören u.a. ein gestiegenes durchschnittliches Jahreseinkommen, die langfristige Nachfrage nach Tourismus, die Einrichtung zweier bezahlter siebentätiger Ferien pro Jahr, einfachere Visabestimmungen und der Zugang zu ausländischer Währung. Hinzukommend wird die Outbound- Reiseindustrie immer professioneller. Die Medien fördern internationale Reiseziele und die digitale Technologie hilft chinesischen Verbrauchern, Informationen über potenzielle Reiseländer zu finden. Zudem spielt die Bemühung von mehreren Zielländern zur Vereinfachung der Visaverfahren für chinesische Touristen eine Rolle (vgl. ebd.).
Durch den Einsatz von Online-Reiseforschungs- sowie Buchungstools kombiniert mit dem anhaltenden Angebotswachstum durch beispielsweise Home-Sharing-Dienste, wie Airbnb oder Couchsurfing, werden Reisenden neue Möglichkeiten und Ziele eröffnet (vgl. MCKINSEY & COMPANY AND WORLD TRAVEL & TOURISM COUNCIL 2017: 15). Unter den
Freizeitreisenden nutzen fast zwei Drittel vorhandene Online-Ressourcen. Zudem wird Reisen immer erschwinglicher, in den Vereinigten Staaten sanken beispielsweise die Inlandsflugpreise in dem Zeitraum von 1980-2016 um 44 % (inflationsbereinigt) (vgl. ebd.).
In Europa etablierte sich vor 30 Jahren die Fluggesellschaft Ryanair am Markt, die ursprünglich als Regionallinie gegründet wurde, mittlerweile aber auf die Low-Cost-Philosophie umgestiegen ist. Dieser Idee folgten viele andere Fluggesellschaften, wodurch die Preisentwicklung für Flugtickets enorm sank. In Europa sind die Flugpreise zwischen den Jahren 1996-2016 um 95 % gefallen. So mussten Reisende im Jahr 1996 für den günstigsten Lufthansa Flug von Hamburg nach Lissabon umgerechnet 860 Euro zahlen, wohingegen im Jahr 2015 der Preis für einen Hin- und Rückflug bei Ryanair bei nur noch 40 Euro lag (vgl. SPAETH 2015).
Seit der Billigflug-Revolution sind Destinationen für viele Touristen günstig erreichbar geworden, die vor 20 Jahren noch unerreichbar waren. Zudem regen die günstigen Preise zu spontaneren Buchungen an und Kurztrips, die teilweise nur einen Tag beinhalten, sind zu erschwinglichen Preisen umsetzbar.
Die Lebenserwartung der Menschen wird immer länger, sodass diese auch fähig sind länger zu reisen. Die aktuelle Anzahl der aktiv Reisenden wächst dadurch kontinuierlich. Gleichzeitig kommt das Bewusstsein hinzu, dass es gefährdete Destinationen auf der Welt gibt, wie zum Beispiel das Great Barrier Reef oder die Malediven, welches den Drang in Touristen auslöst, diese Destinationen zu besuchen „solange sie es noch können“ (vgl. MCKINSEY & COMPANY AND WORL TRAVEL & TOURISM COUNCIL 2017:14).
Auch das Reiseverhalten der Menschen ändert sich innerhalb der Generationen. Zwischen Anfang der 1980er Jahre und Ende der 1990er Jahre geborene Menschen, auch die Tausendjährige Generation oder Millennials genannt, erreichen langsam ihre Spitzeneinkommensjahre. Dies ermöglicht ihnen ein anderes Reiseverhalten im Vergleich zu früheren Generationen (vgl. ebd.). Hinzu kommt die Zahl der Millennials, die bereits in beträchtlichen Zahlen reisen. Im Gegensatz zu früheren Generationen sind die Millennials versierter im Umgang mit digitalen Technologien und Social Media. Da die Millennials in der Lage sind Bewertungen von Webseiten schnell zu überprüfen, kann es sie zahlreich zu den beliebtesten Reisezielen führen, oder natürlich auch davon weg (vgl. ebd.). Durch die Bewertungen von Websites, Social Media, Destinations Rankings und anderen Kanälen wird das Interesse an Reisen geschaffen und verstärkt. Top-Destinationen werden beworben und als Reisetipps von Social Media Stars weiterempfohlen. Diese Empfehlungen werden von Social Media-affinen Reisenden wie ein guter Tipp von Freunden oder Bekannten aufgenommen, weshalb sie gerne zu den empfohlenen Destinationen reisen und ihre Erfahrungen anschließend eventuell auch über Social Media teilen. Es gibt viele Millennials, die ihre Reise danach planen wie „Instagram-
mable“ ein Ort ist, da für sie die soziale Teilbarkeit ihres Lebens und insbesondere ihres Urlaubs im Vordergrund steht (vgl. ENGL 2018). Mit „Instagrammability“ ist gemeint wie gut der Ort auf Instagram-Bildern wirkt, damit durch die Veröffentlichung eines solchen Bildes mehr Follower generiert werden können, wodurch der Bildurheber ein positives und bestätigendes Gefühl erhält. Im Allgemeinen konzentrieren sich Online-Bewertungen auf die bekanntesten Attraktionen einer Destination, wodurch die Reisemasse auf diese Attraktionen aufmerksam und zu diesen hingeführt wird. Zum Beispiel machen in Stockholm die fünf besten Attraktionen 42 % der TripAvisor-Bewertungen aus (vgl. MCKINSEY & COMPANY AND WORLD TRAVEL & TOURISM COUNCIL 2017:15).
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