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Bachelorarbeit, 2020
45 Seiten, Note: 1,3
Einleitung
1. Selbstvertrauen
1.1 Selbstvertrauen entwickeln und stärken
1.1.1 Subjektive Ebene
1.1.2 Physiologische Ebene
1.1.3 Motorische Ebene
1.1.4 Kognitive Ebene
1.2 Selbstvertrauen und das ,Innere Team‘
2 Erlebnispädagogik
2.1 Ziele der Erlebnispädagogik
2.2 Methoden der Erlebnispädagogik
2.2.1 The Mountains speak for themselves
2.2.2 Outward Bound Plus
2.2.3 Metaphorisches Modell
3 Segeltörn als erlebnispädagogische Maßnahme
3.1 Klassenzimmer unter Segeln
3.1.1 Anforderungen beim Bewerbungsverfahren
3.1.2 Leben und arbeiten an Bord
3.1.3 Unterricht
3.1.4 Praktika und Projekte
3.1.5 Pädagogisches Konzept
3.2 High Seas High School
3.3 Verein für sozialpädagogisches Segeln e.V
3.4 Segeln und Erlebnispädagogik
4 Förderung des Selbstvertrauens Jugendlicher auf hoher See
4.1 Wachdienst
4.2 Reinschiff
4.3 Backschaft
4.4 Weitere Aufgab enbereiche
4.5 Zusammenfassung
5 Fazit
Literaturverzeichnis
Monografien und Buchbeiträge
Zeitschriftenartikel
Zeitungsartikel
Internetquellen
Anhang
Wer andere beherrscht ist stark. Wer sich selbst beherrscht ist mächtig. (Lao-Tse)
Die Seefahrt dient den Menschen bereits seit vielen Jahrtausenden als Fortbewegungsmittel. Die ersten Hinweise auf Segelschiffe sind dabei bereits ca. 5000 v. Chr. bei den Ägyptern zu finden (vgl. Lankers, o. J.). Seitdem entwickelte sich das Segeln als praktisches Mittel, um Handel zu treiben. Heute dient es allerdings kaum noch dem Handel, vielmehr ist es nun ein Sport mit einem hohen Erlebnischarakter.
Die Erlebnispädagogik macht sich diesen Sport zu Nutze, da bei einem Segeltörn nicht allein Teamwork gelernt werden kann, sondern z.B. auch handwerkliches und navigato- risches Können. Des Weiteren kann auch die Entwicklung der Persönlichkeit, wie etwa das Selbstvertrauen, gefördert werden. Der Segelsport ist daher ein gutes Mittel für Kinder und Jugendliche, um das Vertrauen in ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zu stärken.
In dieser Bachelorarbeit soll es vorrangig um Jugendliche gehen. Dabei wird der Frage nachgegangen, ob ein Segeltörn deren Selbstvertrauen stärken und so den Einstieg in ein eigenständiges Leben unterstützen kann. Da die Gegebenheiten auf See und zu Land sich stark voneinander unterscheiden, stellt sich darüber hinaus die Frage, auf welche Weise das auf hoher See erhaltene Selbstvertrauen der Jugendlichen Einzug in ihren Alltag an Land finden kann.
Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, wird analysiert, inwiefern mehrmonatige Segeltörns ein Element erlebnispädagogischer Arbeit als Mittel zur Förderung des Selbstvertrauens betrachtet werden können. Im ersten Kapitel wird zu diesem Zweck der Begriff des Selbstvertrauens näher beleuchtet und methodische Ansätze der Förderung von Selbstvertrauen referiert. Danach wird die Erlebnispädagogik in ihren Zielen, Prinzipien und methodischen Ansätzen definiert und beschrieben. In einem weiteren Schritt wird das Segeln als erlebnispädagogische Maßnahme anhand einzelner Beispiele und deren konzeptioneller Grundlagen dargestellt und in Bezug zu den Zielen, Prinzipien und Methoden der Erlebnispädagogik gesetzt. Im zentralen Kapitel werden die Kernaspekte von erlebnispädagogischen Segelmaßnahmen mit den Kernaspekten von Methoden zur Förderung von Selbstvertrauen vergleichend analysiert und herausgearbeitet, inwiefern Segeln auf der Basis dieser Analyse als Methode zur Förderung von Selbstvertrauen dienen kann.
Dabei werden die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen dieses Ansatzes mit Blick auf die unterschiedlichen Voraussetzungen und Problemlagen analysiert und erarbeitet.
Der Begriff ,Selbstvertrauen‘ besteht aus zwei Wortteilen: ,Selbst‘ und ,Vertrauen‘. Es handelt sich demnach um das Vertrauen in sich selbst. Im Allgemeinen wird es oft gleichgesetzt mit ,Selbstwertgefühl‘. Während es sich bei diesem jedoch um ein relativ stabiles Persönlichkeitsmerkmal handelt, welches sich darauf bezieht, „was man von sich selbst hält“ (Beckmann & Kossak 2018, S. 627), bezieht sich das Selbstvertrauen auf den Glauben an sich selbst, also an die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten (vgl. Beckmann- Waldenmayer & Beckmann 2019, S. 157). Vertrauen beginnt bereits in frühester Kindheit, kurz nach der Geburt, und wird als ,Urvertrauen‘ bezeichnet (vgl. Erikson 2005, S. 241). Es deutet auf das Vertrauen eines neugeborenen Kindes zu seiner Mutter hin, welches noch keine andere Wahl hat, als sich seinem Schicksal hinzugeben (vgl. Posth 2014, S. 28ff). Erst in der Weiterentwicklung des Kindes entwickelt sich das Vertrauen in sich selbst und in die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie das Vertrauen in andere Personen außerhalb des familiären Kreises (vgl. Erikson 2005, S. 249ff). Durch das eigenständige Entdecken der Welt entstehen neben dem (Selbst-)Vertrauen aber auch Ängste. Ob durch das Verhalten Anderer oder durch eigene Erfahrungen negative Gefühle und Gedanken entstehen, spielt dabei keine Rolle, denn Ängste bilden einen Schutzmechanismus für das eigene Überleben (vgl. Zimbardo 1995, S. 489). Wie sich solche Emotionen äußern und wie sich das Selbstvertrauen mit deren Hilfe entwickelt und es gefördert werden kann, wird in diesem Kapitel beschrieben. Dabei wird zunächst die Entwicklung gemeinsam mit den verschiedenen Ebenen der Angst beleuchtet. Anschließend soll das Prinzip des ,Inneren Teams‘ erklärt werden und wie es genutzt werden kann, um das Selbstvertrauen in speziellen Situationen zu stärken.
Was man von sich selbst hält, hängt zwar mit dem Selbstvertrauen zusammen, wird letzten Endes aber durch unbewusste Gedanken und Gefühle gesteuert. Fähigkeiten und Fertigkeiten dagegen können erlernt und verbessert werden. Je besser eine Person in einer bestimmten Tätigkeit ist, desto sicherer fühlt sie sich auf diesem Gebiet (vgl. Foerster 2002, S. 57). Das Selbstvertrauen entwickelt sich aus dieser Sicht durch das Bewältigen gegebener Situationen, wodurch neue Kenntnisse gesammelt werden, und steigt im Prinzip in dem Maße, in dem ein Mensch an seine eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten glaubt (vgl. Day & Volck, S. 73). Eine Stärkung kann demnach erzielt werden, indem eine Person sich weiterbildet und ausprobiert.
Nun führt Bildung allein nicht zwangsläufig zu Selbstvertrauen. Neben diesem gibt es noch weitere Bereiche, die gefördert werden sollten, um das Selbstvertrauen zu steigern. Erwartungen etwa spielen eine ebenso wichtige Rolle, da diese mit Stress und/oder Ängsten verbunden sind (vgl. Beckmann-Waldenmayer & Beckmann 2019, S. 158). Je höhere Erwartungen an eine Person gestellt werden, desto mehr Druck lastet auf dessen Schultern und desto größer kann die Angst davor sein, zu versagen. An der Art, wie jemand mit den Erwartungen an sich selbst umgeht, lässt durchblicken, wie stark oder schwach das Selbstvertrauen dieser Person ist. Anhand von Erwartungen ist darüber hinaus erkennbar, dass Emotionen und Verhaltensweisen ihren Anteil zum Aufbau des Vertrauens in sich selbst haben.
Jemand, der gut mit Erwartungen umgehen kann und sich von diesen nicht aus der Ruhe bringen lässt, erfährt weniger Stress als eine ängstliche Person, die leicht zu verunsichern ist. Um eben jene Ängste zu verringern, bzw. das Selbstvertrauen zu stärken, lohnt sich ein Blick auf das aus der Psychologie bekannte 4-Ebenen-Modell der Angstreaktion, welches sich mit der subjektiven, kognitiven, physiologischen und motorischen Ebene beschäftigt (vgl. Becker & Margraf 2016, S. 62ff).
In evolutionspsychologischen Ansätzen wird der biologische Ursprung von Emotionen und die Funktion für das Leben und Überleben betont (vgl. Nolting & Paulus 2009, S. 55). ,Angst‘ ist dabei eine Emotion, die in potenziell gefährlichen Situationen auftritt. Sie dient so als ein Warnzeichen, welches das eigene Leben retten kann (vgl. Zimbardo 1995, S. 489). Angst ist dabei eine subjektive Emotion, die von jedem Individuum anders empfunden wird. Auch die Reaktion jedes Einzelnen unterscheidet sich in bestimmten Situationen. Während die einen in einer Situation lediglich nervös sind, fühlen sich andere im selben Setting hilflos, oder sind gar starr vor Angst (vgl. Becker & Margraf 2016, S. 62).
Um diese subjektive Ebene beherrschen zu können, gibt es verschiedene Handlungsstrategien. Eine davon ist das bewertungsfreie Wahrnehmen, welches sich auf das bewusste Wahrnehmen der eigenen aktuellen Gefühle konzentriert (vgl. Berking 2017, S. 77f). Bei dieser Strategie werden Gefühle, insbesondere die negativen, neutral betrachtet und benannt. Durch das aktive Wahrnehmen wird dabei auch deutlich, dass neben dem vorherrschenden negativen Gefühl weitere Gefühle vorhanden sind (vgl. Beckmann-Waldenma- yer & Beckmann 2019, S. 165). Auf diese Weise soll die aktuelle Situation reflektiert werden und versucht werden, z.B. die Angst bewusst zu verringern.
Die physiologische Ebene des Modells befasst sich mit den körperlichen Reaktionen, welche durch die Angst auftreten. Becker und Margraf unterscheiden drei Bereiche dieser Ebene: (1) Motorische Anspannung, wie beispielsweise Zittern, Muskelanspannung und Ruhelosigkeit. In diesem Bereich finden sich also Reaktionen, die durch die Anspannung des Körpers entstehen. (2) Autonome Hyperaktivität. Hierzu zählen die Forscherinnen automatisch auftretende körperliche Reaktionen, die überdurchschnittlich schnell ablaufen. Hierzu gehören Reaktionen wie Atemnot, Herzrasen und Schwitzen. (3) Wachsamkeit. Eine Person, die Angst hat, achtet verstärkt auf ihre direkte Umwelt, ist schreckhafter und reizbarer (vgl. 2016, S. 63).
Insgesamt scheint die physiologische Ebene aus Reaktionen zu bestehen, die nicht direkt kontrollierbar sind. Vielmehr kann sie die Angst, die jemand verspürt, sichtbar werden lassen (vgl. Rohr 2016, S. 100f). Beckmann-Waldenmayer und Beckmann sehen zudem auch in der Körperhaltung einen physiologischen Effekt auf die Angst, bzw. eine Möglichkeit, sich der Angst vor z.B. einem Misserfolg entgegenzustellen. (vgl. 2019, S. 164). So hat die Körperhaltung einen großen Effekt auf die anderen Ebenen des 4-Ebenen-Mo- dells der Angstreaktion. Eine gebückte Haltung wirkt sich dabei eher negativ aus, während eine aufrechte Haltung eine positive Auswirkung hat (vgl. ebd.), auch auf das Selbstvertrauen.
Auf der Verhaltensebene zeigt sich Angst durch den Drang einer Person zu flüchten, oder dadurch, dass jemand vor Angst erstarrt oder sich zum Kampf bereit macht (vgl. Becker & Margraf 2016, S. 63). Da sich Personen voneinander nicht nur in Aussehen und Charakter unterscheiden, sondern auch in ihren Verhaltensweisen in verschiedenen Situationen, ist die Art der Reaktion abhängig von dem Individuum und der Situation (vgl. Nol- ting & Paulus 2009, S. 101). Demnach reagieren Personen in bestimmten Situationen mit unterschiedlichen Verhaltensweisen.
In wiederkehrenden Situationen können gewisse Routinen Abhilfe schaffen (vgl. Beck- mann-Waldenmayer & Beckmann 2019, S. 166). „Sie geben neben Sicherheit auch Struktur und bilden einen Handlungsrahmen, der immer annähernd gleich ablaufen [...] sollte“ (ebd.). Auf diese Weise kann eine Sicherheit aufgebaut werden, wodurch automatisch auch das Selbstvertrauen in dieser speziellen Situation gefördert wird. Eine Veränderung der Situation kann sich somit positiv auf das Verhalten einer Person auswirken (vgl. Franks & Barbrack 1983, zit. n. Zimbardo 1995, S. 632).
Rousseau sagte bereits: „Der Mensch beginnt nicht leicht zu denken, sobald er aber erst einmal den Anfang damit gemacht hat, hört er nicht mehr auf‘. Mit dem Denken entstehen aber nicht nur schöne und positive Gedanken, sondern auch negative, wie beispielsweise Selbstzweifel. Diese können auftreten und Gefühle der Unsicherheit aufkommen lassen (vgl. Rohr 2016, S. 17). Das Denken ermöglicht uns aber auch, solche Gedanken und Emotionen etwa mit Hilfe eines Selbstgespräches zu reflektieren und auch unbewusste Bedürfnisse und Ängste zu erkennen (vgl. ebd., S. 14). Hierzu hat Schulz von Thun das ,Innere Team‘ entwickelt, mit dem man seine Gedanken und Gefühle in einer Situation aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten kann (vgl. 2013, S. 18ff).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es vier Ebenen der Angst gibt, die eng miteinander verbunden sind. Durch diese Verbundenheit ist ein ganzheitliches Arbeiten an Ängsten, die ein Zeichen mangelnden Selbstvertrauens darstellen, von hoher Bedeutung. Denn wenn nur der Gedanke ein positiver ist und die Angst unbewusst noch existiert, so ist das Fundament noch wackelig. Dieses Fundament gilt es zu stabilisieren, indem vorhandene Ängste auf allen vier beschriebenen Ebenen betrachtet und ganzheitlich mit ihnen gearbeitet wird. Eine Möglichkeit daran zu arbeiten, bietet das ,Innere Team‘.
Für Schulz von Thun haben sich sechs Lehren vom Inneren Team herausgestellt, die der Bewältigung von Ängsten und anderen Emotionen dienen:
1. Die Lehre von der inneren Pluralität
2. Die Lehre von der inneren Führung
3. Die Lehre vom ,inneren Konfliktmanagement‘
4. Die Lehre vom Aufbau der Persönlichkeit
5. Die Lehre von der Variation innerer Aufstellungen
6. Die Lehre vom Gehalt einer Situation (ebd., S. 21f)
Die erste Lehre besagt, dass es viele verschiedene innere Stimmen gibt, die entdeckt und koordiniert werden müssen. Die einzelnen Stimmen bezeichnet Schulz von Thun als Teammitglieder, wobei jedes einzelne eine eigene Botschaft zu bestimmten Situationen hat (vgl. ebd., S. 28). Durch die Reflexion der Botschaften des Inneren Teams sollen so Bedürfnisse erkannt werden, die zu einer Auflösung von beispielsweise Ängsten führen können (vgl. Rohr 2016, S. 82). Um dies zu ermöglichen und alle Teammitglieder zu erkennen, ist die zweite Lehre von der inneren Führung zu nennen. Mit dieser führt Schulz von Thun das Oberhaupt ein, welches zugleich das Selbstbewusstsein bildet und mit Hilfe dessen die Stimmen der inneren Mitglieder erhört und geordnet werden können (vgl. 2013, S. 79f). Damit eine Lösung gefunden werden kann, die möglichst zufriedenstellend ist, gilt es als drittes, allen Stimmen die gleiche Wertschätzung zuteilwerden zu lassen (vgl. Rohr 216, S. 84f). Denn nur, wenn jede Stimme erhört wird, können Konflikte zwischen ihnen erkannt und gelöst werden. Dies wiederum stärkt das Selbstbewusstsein, da die Mitglieder des Inneren Teams dann auf der Seite des Oberhauptes sind (vgl. Schulz von Thun 2013, S. 209). In der vierten Lehre wird aufgezeigt, dass jedes Individuum andere Teammitglieder hat, die an jeder Situation ihren Anteil haben. Dabei wird unterschieden, wie präsent deren Stimme ist (vgl. ebd., S. 214f). Als Verbildlichung dient dabei eine Theaterbühne, auf der die verschiedenen Darstellerinnen (Teammitglieder) je nach Situation weiter vorne, oder weiter hinten auf der Bühne stehen (vgl. ebd., S. 211ff). Da keine Situation zweimal bestehen kann, weil sie zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort auftritt und bei einem möglichen erneuten Auftreten neues Wissen vorhanden ist, variiert die innere Aufstellung, die Schulz von Thun in seiner fünften Lehre beschreibt. Auch bei ähnlichen Situationen, an denen lediglich andere Personen teilnehmen, kann die Aufstellung des inneren Teams eine vollkommen andere sein. Sie kann sich zudem in Sekundenschnelle anpassen, sobald sich eine Situation verändert, wenn beispielsweise eine bestimmte Person anruft (vgl. ebd., S. 271). Bei der Arbeit mit dem inneren Team wird sich jedoch stets auf eine einzige Situation konzentriert, an der gearbeitet wird (vgl. Rohr 2016, S. 67). Dadurch kann erreicht werden, dass das entsprechende Problem aufgelöst wird, indem mittels der sechsten Lehre neue Aufstellungen der Darstellerinnen zugelassen werden (vgl. Perls, Hefferline und Goodman 1991, S. 23). Jedes Individuum ist somit zumindest theoretisch in der Lage, selbstständig durch eine Umstrukturierung des inneren Teams eine Situation so zu gestalten, dass vorhandene Ängste, Nervosität oder ähnliches in den Hintergrund gestellt werden und somit das Selbstbewusstsein stärken sowie das Selbstvertrauen steigern (vgl. Rohr 2016, S. 38).
Das innere Team kann als Schnittstelle dienen, über die die verschiedenen Ebenen der Angst miteinander kommunizieren können. Alle vier Ebenen können gemeinsam auf einer Bühne ihrer jeweiligen Stärke nach platziert werden, gemeinsam mit den Teammitgliedern, die neben diesen Angstebenen bestehen. Durch die Arbeit mit dem inneren Team und der Bewusstwerdung aller vorhandener Stimmen werden neue Möglichkeiten aufgezeigt. Eine Person kann mit diesen Erkenntnissen bewusst an einer Situation arbeiten und negative Gefühle und Gedanken lösen. Das neu gewonnene Wissen wird daraufhin mit dem alten Wissen verglichen und auf neue Erfahrungen transferiert (vgl. Siebert 2005, S. 140). Durch diesen Vergleich wird schließlich das Selbstvertrauen gestärkt.
Selbstvertrauen entsteht also durch Erkenntnis, welche wiederum durch Erfahrungen entsteht. Die Erlebnispädagogik hat dieses Prinzip erkannt und sich eben auf dieses Erfahrungslernen spezialisiert. Im nächsten Kapitel wird daher auf die expliziten Ziele der Erlebnispädagogik eingegangen sowie auf deren angewandte Methoden.
Die Erlebnispädagogik ist ein Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit und entwickelte sich vor allem aus der praktischen Jugendarbeit (vgl. Michl 2019, S. 51). Ihre Geschichte kann bis zum Beginn des menschlichen Zusammenlebens zurückverfolgt werden, da bereits in diesen frühen Epochen ein gemeinschaftliches Leben existierte, in dem die Gruppenzugehörigkeit überlebenswichtig war (vgl. Fischer & Ziegenspeck 2000, S. 33ff). Auch der Ritteradel im Mittelalter begann früh mit dem Erziehen seiner Kinder durch das Sammeln eigener Erfahrungen, indem diese bereits „ab dem siebenten Lebensjahr in das Waffenhandwerk eingeführt“ und im Alter von 14 Jahren Knappen wurden (ebd., S. 57). Durch praktisches Handeln erlernten die Jungen alles, was ein Ritter können musste (vgl. ebd.). Hierzu zählten die Kriegskunst, also das Reiten, der Nahkampf und der Umgang mit Waffen sowie das Lesen und Schreiben und die Umgangsformen des höfischen Lebens (vgl. Schmid, o. J.). Sportliche Leistungen, wie auch Intellekt und soziales Verhalten, waren wichtige Bestandteile der damaligen Persönlichkeitsbildung, welche durch eine erlebnisorientierte Erziehung geformt wurde.
Auch wenn die Begriffe ,Erlebnispädagogik‘ und ,Jugend‘ noch unbekannt waren, wurde das Selbstvertrauen des Nachwuchses bereits in diesen frühen Jahrhunderten mit Hilfe erlebnispädagogischer Maßnahmen gefördert. Der Begriff ,Jugend‘ wurde erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts „als eigenständige soziale Gruppierung mit spezifischen gemeinsamen Merkmalen und Verhaltensweisen“ definiert (Speitkamp 1998, S. 118), während der Terminus ,Erlebnispädagogik‘ erst in den 1990er Jahren geprägt wurde (vgl. Fischer & Ziegenspeck 2000, S. 7). Peter Alberter beschreibt die heutige Erlebnispädagogik in einem Interview als „ein wunderbares Konzept, das sich vor allem im Gruppenkontext gut einsetzen lässt, etwa für Schulklassen, Jugendgruppen oder in der Erwachsenenbildung“ (Stuckenberger 2020, S. 15).
Auf die Historie der Jugend sowie die der Erlebnispädagogik soll hier auf Grund der gebotenen Kürze nicht näher eingegangen werden. Vielmehr wird der Fokus auf die heutige Erlebnispädagogik gesetzt, um ihre Möglichkeiten aufzuzeigen, das Selbstvertrauen Jugendlicher zu fördern und zu stärken. Hierzu wurde im vorangegangenen Kapitel erläutert, was Selbstvertrauen ist und wie es gefördert werden kann. Darauf aufbauend werden nun die Ziele und Methoden der Erlebnispädagogik beleuchtet, um schließlich Selbstvertrauen und Erlebnispädagogik miteinander in Verbindung zu bringen.
Die durch Kurt Hahn entwickelte Erlebnistherapie kann als Vorläufer der modernen Erlebnispädagogik angesehen werden, wodurch Kurt Hahn auch als ihr Mitbegründer gehalten werden kann (vgl. Witte 2002, S. 29). Seine Erlebnistherapie sollte in Schulen angewandt werden und hatte zum Ziel, den Frontalunterricht abzuschaffen und den Schülerinnen Wissen aktiv durch Erlebnisse zu vermitteln (vgl. Trabandt & Wagner 2020, S. 211).
Ziel der Erlebnispädagogik ist jedoch nicht in erster Linie Jugendliche zu therapieren, sondern durch aktives Erleben ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Persönlichkeit (weiter) zu entwickeln. Der Fokus liegt demnach nicht auf der Vermittlung theoretischen Wissens, sondern hauptsächlich auf der Bildung des Charakters (vgl. Weinberg 1991, 9). Um ein Fundament zu schaffen, auf dem dies möglich ist, strebt die Erlebnispädagogik nach ganzheitlichen Arrangements sowohl in der Bildung als auch in der Erziehung (vgl. Fischer & Ziegenspeck 2000, S. 34). Dabei geht es laut Jörg W. Ziegenspeck um das „Lernen für’s Leben - Lernen mit Herz und Hand“, wie er in seinem gleichnamigen Vortrag zu Kurt Hahns 100. Geburtstag zu verstehen gab (1993, S. 7). Durch die Veränderung der Gesellschaft und ihrer Weiterentwicklung sehen Fischer und Ziegenspeck eine Notwendigkeit der erlebnispädagogischen Erziehung, „da arbeitsteilige Tätigkeitsroutinen nicht mehr beiläufig von der heranwachsenden Generation durch Beobachtung oder Nachahmung erlernt werden [können]“ (2000, S. 34). Spätestens mit der Industrialisierung und der damit einhergehenden Urbanisierung stieg die Komplexität von Berufen, wodurch das Lernen durch Beobachten erschwert, bzw. teils unmöglich wurde (vgl. Link 2018, S. 16f). Mitunter ist dies der Grund, aus dem die Erlebnispädagogik entwickelt wurde, da durch die Urbanisierung die Nähe zur Natur eingeschränkt und damit Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentwicklung genommen, bzw. verändert wurden (vgl. Vogt 2010, S. 17). Ziel ist es daher bis heute, Situationen zu schaffen, in denen Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, sich auszuprobieren und somit ihre Persönlichkeit zu entwickeln (vgl. Paffrath 2013, S. 21). Diese Situationen sind meist mehr oder weniger sportliche Aktivitäten in der Natur, wodurch Teilnehmerinnen nicht nur ein Bewusstsein für die Umwelt entwickeln können, sondern auch ihre eigenen Grenzen austesten und sich in einem kontrollierten Umfeld trauen können, diese Grenzen zu überschreiten. Auf diese Weise verbessern Kinder und Jugendliche nicht nur ihr Können in einem Bereich, sondern lernen darüber hinaus, dass sie oft mehr können, als sie sich selbst zutrauen (vgl. Buchkremer 2009, S. 382). Das daraus resultierende Selbstvertrauen soll, je nach erlebnispädagogischer Methode mit oder ohne Reflexion, in alltägliche Situationen mitgenommen werden und zu mehr Selbstständigkeit und Eigenverantwortung führen.
Im erlebnispädagogischen Alltag steht die Aussage ,Learning by Doing‘ an erster Stelle, denn Erlebnispädagogik heißt nichts anderes als ,Lernen durch Erleben‘. Sie geht dabei davon aus, dass ein wenig Erfahrung wertvoller ist als viel Theorie, da letztere erst durch das eigene Tun greifbar und überprüfbar wird (vgl. Dewey 2000, S. 193). Aus diesem Grund haben „kooperative Abenteuerspiele [...] einen festen Platz in allen Variationen des erlebnisorientierten Lernens [...] [und] sind inzwischen Allgemeingut der pädagogischen Praxis geworden“ (Michl 2019, S. 62). Die Reflexion spielt dabei stets eine wichtige Rolle, wobei diese auf unterschiedliche Weise herbeigeführt werden kann. Während die eine Methode darauf setzt, dass das Erlebnis selbst zu einer Reflexion des*r Einzelnen führt, ist ein Reflexionsteil bei anderen Methoden fester Bestandteil, um einen Transfer sicherzustellen. Die Erlebnispädagogik stützt sich im Allgemeinen auf drei Methoden, die im Folgenden näher betrachtet werden.
Eine der ältesten erlebnispädagogischen Methoden nimmt sich die Worte Thoreau’s zu Herzen, dass die Natur die beste Lehrmeisterin sei (vgl. Schlieckau 2017, S. 92). Bei der Methode ,The Mountains speak for themselves‘ liegt das Erlebnis im Vordergrund und es wird darauf vertraut, dass das Erlebte in und mit der Natur für sich selbst spricht. Dabei sollen Teilnehmerinnen an ihre eigenen Grenzen kommen und so ihre Persönlichkeit (weiter-)entwickeln (vgl. Grass, Gilles und Russell 2020, S. 6). Eine Reflexion wird bei dieser Methode für unnötig erachtet. Vielmehr ist es die intensive Auseinandersetzung mit der Natur, die automatisch zu einer (Weiter-)Entwicklung der Persönlichkeit führen soll. Diese Methode geht demnach davon aus, dass ein*e Teilnehmerin durch die Bedingungen, welche von der Natur vorgegeben werden, entsprechend situativ zu handeln lernt. Das Erlernte entsteht hier also als Folge des eigenständigen Handelns in und mit der Natur (vgl. Schlieckau 2017, S. 92). Durch das Erklimmen eines Berges kann beispielsweise das Selbstvertrauen gesteigert werden, weil sich mit dem Erreichen des Berggipfels ein Gefühl des Stolzes auf sich selbst entwickelt (z.B. ,Ich habe es geschafft“). Aus diesem ,Stolz auf seine eigene Leistung sein‘ kann die betreffende Person eine Affirmation herausziehen, wie etwa ,Wenn ich diesen Gipfel erreichen kann, dann schaffe ich es auch, meine Ausbildung zu meistern‘. Auf diese Art und Weise wird ein gesonderter Reflexionsteil eingespart, da die Teilnehmerinnen allein durch das Erlebnis das Gelernte bereits selbst reflektieren und auf ihren Alltag transferieren.
Der Begriff ,Outward Bound‘, der ursprünglich aus der Seemannssprache stammt und ein zum Ablegen bereites Schiff beschreibt, wurde in der Pädagogik durch Kurt Hahn geprägt (vgl. Michl 2020, S. 23). Heute ist es unter anderem die Bezeichnung für eine Organisation, die weltweit Bildungshäuser betreibt, die ,Outward Bound Schools‘ (https://www.outwardbound.net/). In den sogenannten Kurzschulen werden erlebnispädagogische Lernsettings für Kinder, Jugendliche aber auch Erwachsene angeboten, die in der Regel über einen Zeitraum von vier Wochen laufen (vgl. Braches-Chyrek 2019, S. 65). Neben dieser Organisation wird aber auch die eben beschriebene erlebnispädagogische Methode ,The Mountains speak for themselves‘ als ,Outward Bound‘ betitelt.
,Outward Bound Plus‘ kann somit als eine Weiterentwicklung von ,The Mountains speak for themselves‘ identifiziert werden. Auch hier sollen die Teilnehmerinnen mit Hilfe der Natur an ihre eigenen Grenzen kommen und aus den entstandenen Erfahrungen sich selbst besser kennenlernen (vgl. Grass, Gilles & Russell 2020, S. 1). Der Unterschied liegt in der anschließenden Reflexionsphase, die in den ,Outward Bound Schools‘ einen wichtigen Teil der erlebnispädagogischen Maßnahmen darstellt (vgl. Michl 2020, S. 73). Durch den hinzugefügten Reflexionsanteil fand diese Methode bei ihrer Entwicklung einen besseren Anklang bei den Pädagogen, weil dadurch der Transfer des Gelernten in den Alltag wesentlich erhöht werden kann (vgl. Birnthaler 2010, S. 50).
Wie bereits ,Outward Bound Plus‘ eine Weiterentwicklung seines Vorgängers ist, ist auch das metaphorische Modell eine solche. Es wurde entwickelt, um den Transfer in den Alltag mehr zu fördern, ohne gemachte Erfahrungen und Erlebnisse zu sehr auseinanderzunehmen (vgl. Braches-Chyrek 2019, S. 70). Zu diesem Zweck werden die persönlichen Ziele, die mit Hilfe der Erlebnispädagogik erreicht werden sollen, im Voraus formuliert, sodass Erlebnisse entsprechend dieser Ziele geschaffen werden können (vgl. Birnthaler 2010, S. 50). Dadurch soll eine möglichst große Nähe zur Lebensrealität der Teilnehmerinnen herbeigeführt werden, um eben jenen Transferprozess zu fördern und zu maximieren. Damit das Ziel erreicht werden kann, muss der/die Trainerin sowohl das Ziel als auch die Umgebungsvariablen, wie z.B. soziales Umfeld, Arbeitsumfeld, Wohnsitua- tion, usw., kennen. Nur so kann er/sie eine lebensnahe Situation kreieren, die den gewünschten Lerneffekt hat (vgl. Michl 2020, S. 77).
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Examensarbeit, 52 Seiten
Diplomarbeit, 71 Seiten
Diplomarbeit, 68 Seiten
Magisterarbeit, 103 Seiten
Examensarbeit, 23 Seiten
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