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Bachelorarbeit, 2020
48 Seiten, Note: 1,7
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Die Krise der SPD
2.2 Grundannahmen von Framing und Frames
2.3 Medienframes
3 Forschungsstand
4 Definition der Frames und Herleitung der Hypothesen
5 Methodisches Vorgehen
5.1 Automatisierte Textanalyse mit R-Studio
5.2 Datenakquise über NexisUni
5.3 Erstellen der Datenbasis in R-Studio
5.4 Frequenzanalyse als erster Analyseschritt
5.5 Berechnung der Kookkurrenzen zur Analyse der Medien-Frames
6 Durchführung der Frequenzanalysen
6.1 Absolute Publikationen von Artikeln in taz und Welt
6.2 Meistgenannte Wörter in taz, die Tageszeitung und Die Welt
7 Berechnung der Kookkurrenzen
7.1 Kookkurrenzanalyse SPD-Frame
7.2 Kookkurrenzanalyse mit dem Parteivorsitz-Frame
7.3 Kookkurrenzanalyse mit dem Regionalkonferenz-Frame
8 Diskussion der Ergebnisse
9 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Nach dem Rücktritt von Andrea Nahles als SPD-Parteivorsitzende und Vorsitzende der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag befindet sich die SPD in einer Existenzkrise und der schwierigsten Situation seit dem Zweiten Weltkrieg (Jun 2020: 71). Nach dem schlechtesten Bundestagswahlergebnis der Nachkriegszeit, dem Rücktritt einer Parteivorsitzenden und dem Dasein in der ungeliebten Großen Koalition, war der Drang in der Partei sehr groß, dieses Mal alles anders zu machen als bisher. Zur Neuaufstellung des Parteivorsitzes hat die SPD erstmals seit 1993 auf eine Mitgliederbefragung für die Nachfolge von Andrea Nahles gesetzt. Schon damals befand sich die Partei nach dem Rücktritt des damaligen Vorsitzenden Björn Engholm in Not (Kießling 2001: 33). Im Vergleich zu dem Duell Rudolf Scharping gegen Gerhard Schröder gab es 2019 einige Änderungen im Format. Von der kommissarischen Parteiführung um Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel wurde explizit darauf hingewiesen, dass eine Teamkandidatur aus Mann und Frau erwünscht sei (SPD 2019). Voraussetzung für eine Bewerbung war die Unterstützung von mindestens fünf Unterbezirken, einem Bezirk oder einem Landesverband. Insgesamt gab es bis zum Bewerbungsschluss am 01.09.2019 sechs nominierte Kandidaturen. Die Kandidatenduos sollten sich anschließend auf insgesamt 23 Regionalkonferenzen der SPD-Basis in der Bundesrepublik vorstellen und ihre Positionen, Vorhaben und Ziele erläutern.
Nach der ersten Mitgliederbefragung gab es kein Kandidatenduo, welches eine absolute Mehrheit hatte, weshalb die Duos Klara Geywitz/Olaf Scholz und Saskia Esken/Norbert Walter-Borjans (NoWaBo) als Bestplatzierte in die Stichwahl gingen. In dieser konnte sich das Duo Esken/NoWaBo durchsetzen. Die Mitgliederbefragung war allerdings nur eine Empfehlung der Parteibasis an den Bundesparteitag, welcher das Ergebnis bestätigen musste. Das Wahlergebnis wurde in vielen deutschen Medien als Überraschung aufgefasst, da mit Olaf Scholz der einzige Spitzenpolitiker der Sozialdemokraten die Wahl verlor.
Welche Assoziationen fallen einem zu einer Wahl eines Parteivorsitzes als erstes ein? Manch einer mag zuerst an kleine Runden im Hinterzimmer denken, bei denen unter den Funktionären ausgehandelt wird, wer welchen Posten bekommt. Andere denken vielleicht an eine Urwahl der Parteibasis, bei der alle Mitglieder gleichsam über die Zukunft der Partei entscheiden dürfen. Aber auch bei dieser Urwahl gibt es vielleicht einige, die der Meinung von Andrea Nahles sind, „es sei ein Irrtum, zu glauben, dass Basisdemokratie automatisch die besten Ergebnisse hervorbrächte“ (Zeit Online 2018). Andere sind sicherlich vollkommen überzeugt davon, dass im Konsens einer gesamten Partei die besten Ergebnisse entstehen. Diese beiden Beispiele verdeutlichen unterschiedliche Standpunkte zu einem Thema. Die Standpunkte hängen vom Blickwinkel ab, den die Personen auf ein Thema haben (Matthes 2014: 9). Die gesellschaftliche Debatte rund um politische Themen wird stark durch die Massenmedien und das Internet geprägt (ebd.), die ihre eigenen Standpunkte verbreiten. Sie selektieren Themen und entscheiden auch, aus welchem Blickwinkel über die aus ihrer Sicht wichtigen Themen berichtet wird. Diese Blickwinkel auf ein Thema werden als Frames beschrieben (ebd.).
Über die Wahl um den SPD-Parteivorsitz 2019 wurde umfassend von den Medien berichtet. Aufgrund des neuen Formats der Vorsitzendensuche und der Kandidatenteams lässt sich diese Wahl zum SPD-Parteivorsitz nicht mit anderen Wahlen der Vergangenheit vergleichen und sollte besonders untersucht werden. Deshalb unterliegt diese Arbeit folgender
Forschungsfrage: Welches Framing kann im Hinblick auf die Diskussion um den SPD-Parteivorsitz vom 24.06.2019 – 31.12.2019 von taz, die Tageszeitung und Die Welt ausgemacht werden?
Unter Rückgriff auf den Framing-Ansatz und die aktuelle Krise der SPD wird durch eine computerbasierte Inhaltsanalyse untersucht, wie die Medien die Berichterstattung über die Wahl des SPD-Parteivorsitzes im Jahr 2019 framen und welche Unterschiede oder Gemeinsamkeiten es in der Berichterstattung gibt. Es gilt darauf hinzuweisen, dass explizit keine Framing-Effekte untersucht werden sollen. Es geht ausschließlich darum, die Ausgestaltung des Framings genauer zu analysieren.
Um einordnen zu können, was die Wahl des Parteivorsitzes im Jahr 2019 für die SPD bedeutet hat und wie sie zustande kam, ist es wichtig, die Ursachen für Probleme und Konflikte innerhalb der Partei und die Gründe für die Entfremdung zwischen den einstigen Stammwählern und ihrer Partei genauer zu ergründen.
Die SPD wurde in den vergangenen 50 Jahren des Öfteren als eine Partei beschrieben, die in einer Krise steckt und unzufrieden mit sich selbst, den handelnden Akteuren oder den Wählern ist (Walter 2010). Die Gründe dafür waren je nach Zeitpunkt sehr unterschiedliche und sollen im Folgenden kurz skizziert werden. Es soll kein Anspruch auf Vollständigkeit der Krisen und Probleme der SPD erhoben werden, sondern nur ein Überblick verschafft werden, wie die Krise der Sozialdemokratie entstand, wie sie sich besonders in der näheren Vergangenheit entwickelte und wie der Zustand im Untersuchungszeitraum zwischen dem 24.06.2019 und 31.12.2019 war.
Walter (2010) sieht die Anfänge der sozialdemokratischen Krise in Deutschland zu Zeiten der größten Erfolge der SPD zum Ende der 60er Jahre bis Anfang der 80er Jahre – den Jahren der Bundesregierungen um die Bundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt. Das Erreichen sozialdemokratischer Teilerfolge hatte zur Folge, dass die Grundlage der sozialdemokratischen Politik, der Schwung und die Euphorie, gesellschaftliche Voraussetzungen zu verändern, immer weiter schwand. Als Regierungspartei war die SPD verantwortlich für neue soziale Ungleichheiten und konnte sich nicht mehr glaubwürdig auf die Seite der Arbeiterklasse, ihrer einstigen Klientel, stellen (Walter 2010: 120).
Die Wahl Gerhard Schröders mit der von ihm gewählten Rhetorik der „Neuen Mitte“ stellt, so Walter (2005: 17), eine Verachtung und Gleichgültigkeit gegenüber dem eigenen Wählerkern dar. Die Reform des deutschen Sozialsystems und Arbeitsmarkts, die Agenda 2010, welche die Bundesregierung um Gerhard Schröder Mitte der 2000er Jahre verabschiedete, beschäftigt die SPD bis ins Jahr 2020. Ein Anstieg der sozialen Ungleichheit, der Armutsquote und der Menschen, die trotz Erwerbstätigkeit als arm bezeichnet werden, waren unmittelbare Folgen der Agenda 2010 (Walter 2009: 255; Walter 2010: 88) und trafen damit unmittelbar die klassischen Wähler der SPD (Faulenbach 2012: 129). Die durch die Agenda-Reformen neu geschaffenen Jobs bestanden hauptsächlich aus Minijobs und Teilzeitbeschäftigungen und mussten von sehr vielen Arbeitnehmern durch den Bezug von Hartz IV aufgestockt werden (Walter 2010: 88). Der durch die Agenda 2010 entstandene Konflikt sowohl in der Partei, als auch mit den Wählerinnen und Wählern, führte dazu, dass die SPD sich immer weiter von ihrem eigentlichen Solidaritätsziel, der Beseitigung von Ursachen der Not, entfernte (Walter 2010: 120-123) und in Folge dessen auch in der Wählergunst immer weiter sank. Walter (2005: 8) spricht davon, dass die SPD sich nach der Jahrtausendwende von sich selbst verabschiedet habe. Nicht nur sinkende Umfragewerte auf Bundesebene, sondern auch ein „Mitgliederexodus“ in historischem Ausmaße (Walter 2010: 87) sowie das erhebliche Einbüßen von Regierungsämtern auf Landesebene brachte die SPD schon 2010 in einen desaströsen Zustand, in welchem sie allein durch Rentner noch über der 20-Prozent-Marke gehalten wurde (Walter 2010: 87). Der Schwund der Parteimitglieder ist laut Walter (2005: 8) schon zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein elementares Problem der Sozialdemokraten und setzt sich in den folgenden Jahren fort. Der Eindruck nach der Bundestagswahl 2017 war - wie auch nach den Bundestagswahlen 2009 und 2013 - ein desaströser (Jun 2018: 8). Abstimmungsprobleme im Wahlkampfteam, fehlende inhaltliche Profilierung und ein unvorbereiteter Wahlkampf ließen den zwischenzeitlichen „Schulz-Hype“ von über 30% in den Umfragen schnell verfliegen (Jun 2018: 8) und führten zum schlechtesten Bundestagswahlergebnis der SPD in der Nachkriegszeit von 20,5%. Die Absage an eine erneute Große Koalition und der starke Wunsch der SPD, sich in der Opposition zu erneuern, wurde durch die gescheiterten Jamaika-Koalitionsverhandlungen und durch den anschließenden Appell des Bundespräsidenten zunichte gemacht, und die SPD fand sich zum wiederholten Male als Juniorpartner in einer Bundesregierung von Angela Merkel wieder (Jun 2018: 5). Die Aussage des damaligen Parteivorsitzenden Martin Schulz, er würde in einer Regierung von Angela Merkel kein Ministeramt übernehmen, kostete ihn später sein Amt (Jun 2020: 82; Walter 2018: 354). Der Führungswechsel zu Andrea Nahles als neuer Partei- und Fraktionsvorsitzenden sollte den Weg für organisatorische Reformen und inhaltliche Positionsbestimmungen ebnen (Jun 2018: 46). Nahles‘ vehementes Eintreten für die Große Koalition, ihr Umgang mit der Affäre um den früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen und schließlich die enttäuschenden Wahlergebnisse bei der Europawahl und Landtagswahlen brachten sie am 24.06.2019 dazu, zurückzutreten (Jun 2020: 84). Der Rücktritt Nahles‘ wurde begleitet durch diverse innerparteiliche Zerwürfnisse und Probleme (Jun 2020: 84). Die darauffolgende kommissarische Parteiführung um Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel beschloss im Parteivorstand, dass die Parteibasis in einer Mitgliederbefragung bestimmen soll, wer den Parteivorsitz übernehmen solle. Neu war dieser Vorstoß, wo doch in der Vergangenheit der Parteivorsitz von den offiziellen Parteigremien im „herrschenden Kleinzirkel“ (Walter 2018: 354) vorgeschlagen und von einem Parteitag durch die Delegierten abgesegnet wurde (Lohmann 2014: 409). Das explizite Werben für paritätische Kandidatenduos (Jun 2020: 85) und die Beteiligung der gesamten Parteibasis können unterschiedlich interpretiert werden. Einerseits können diese Neuerungen als ein Akt der demokratischen Partizipation und Innovation gesehen werden, der die Partei einen und modernisieren soll. Andererseits suggeriert das Format auch eine gewisse Verzweiflung und Unsicherheit. Andere Parteien praktizieren schon länger mit paritätischen Duos an der Parteispitze. Die Selbstverständlichkeit wie die Vorsitzenden der SPD in der Vergangenheit nominiert wurden (Lohmann 2014: 409) und der Zustand, in welchem sich die Partei Mitte 2019 befand, unterstützen diese These.
Die Konflikte der SPD stoppten jedoch auch nicht, nachdem das Wahlformat und der Ablauf der Wahl geklärt waren. Auch im Zuge der Vorsitzendenwahl zeichnete sich ein innerparteilicher Konflikt ab, der sich besonders in der Stichwahl zuspitzte: Das Kandidatenduo Esken/NoWaBo wurde sehr offensiv durch die Jungsozialisten (Jusos) unterstützt, wogegen das Duo Geywitz/Scholz für das Parteiestablishment und den Fortbestand der Großen Koalition stand (Jun 2020: 85).
Die in der Literatur immer wieder beschworene Krise der SPD zieht sich nunmehr seit den 1980er Jahren bis in die Gegenwart. Vielfach wurde diese Krise begleitet durch bewusstes oder unbewusstes Framing der handelnden Politiker wie im Falle von Gerhard Schröder im Zuge der Agenda 2010. Aber auch die Medien setzten die SPD regelmäßig in einen bestimmten Deutungsrahmen. Beispiele dafür sind der „Schulz-Effekt“ während des Bundestagwahlkampfes 2017 (Georgi/Holl 2017) oder auch die Darstellung von Andrea Nahles in der medialen Berichterstattung (Reinecke 2019). Besonders das Beispiel von Andrea Nahles verdeutlicht, dass Politikerinnen und Politiker ganz unterschiedlich dargestellt werden können. Im Falle von Nahles waren dies vermehrt „Fehltritte“, welche als unprofessionell abgestempelt wurden. Da mediale Berichterstattung immer durch Framing beeinflusst wird und dieses von der Leserschaft der Zeitungen aufgenommen wird, soll in dieser Arbeit unter dem Ansatz des Framings analysiert werden, wie die Wahl zum SPD-Parteivorsitz 2019 diskutiert wurde.
Die Begriffe Framing und Frames sind besonders in der kommunikationswissenschaftlichen Forschung allgegenwärtig. Framing kann als Prozess und Frames als Produkt dieses Prozesses verstanden werden (Dahinden 2006: 14). Frames können als Deutungsmuster, die „[…] zur Sinngebung und Bewertung von unterschiedlichen Themen herangezogen werden“ (ebd.) gesehen werden. Sie „[…] sind Interpretationsmuster von Kommunikatoren und Rezipienten [und; Anmerk. d. Verf.] dienen der Hervorhebung und Bewertung von Aussagen, Ereignissen und Akteuren sowie der Einordnung in einen Ursache-Wirkung-Kontext“ (Gütschow et al. 2010: 157). Frames sind der Blickwinkel, den Personen auf ein Thema haben und zeigen den Interpretationsrahmen, der die Sichtweise auf dieses Thema widerspiegelt. (Matthes 2014: 9; Denner/Peter 2017: 279) Weiter sieht Matthes (2014: 10) Frames als Sinnhorizonte von Akteuren, „[…] die gewisse Informationen und Positionen hervorheben und andere ausblenden“.
Die kommunikationswissenschaftliche Framing-Forschung beruht zu großen Teilen auf Robert Entmans Aufsatz „ Framing: toward clarification of a fractured paradigm“. In diesem Aufsatz definiert Robert Entman Framing wie folgt:
„To frame is to select some aspects of a perceived reality and make them more salient in a communicating text, in such a way as to promote a particular problem definition, causal interpretation, moral evaluation, and / or treatment recommendation for the item described. (Entman 1993: 52)
Entman (1993) kategorisiert also vier Frame-Elemente, die ein Frame umfassen muss. Dazu gehören die Problemdefinition, die Ursachenzuschreibung, Lösungszuschreibung und Handlungsaufforderung sowie die explizite Bewertung. Umfasst ein Frame diese vier Elemente, so wird von einem expliziten Frame gesprochen (Matthes 2007: 145). Falls nur zwei der vier Elemente von dem Autor genutzt werden, so wird dieser als impliziter Frame gesehen. Oft ist dies der Fall, wenn in dem jeweiligen Text zuvor schon Frame-Elemente in einem expliziten Frame genutzt wurden (ebd.).
„Im englischen Sprachraum ist von einer „Framing Theory“ die Rede“ (Scheufele/Brosius 1999), in der Literatur ist jedoch kein Theoriemuster zu finden (Matthes 2014: 10). Da es so viele verschiedene Framing-Definitionen gibt, welche sich sehr heterogen zusammensetzen, ist es schwierig von einem einzigen Framing-Begriff oder gar einer Theorie zu sprechen (Potthoff 2012: 18; Matthes 2014: 10). Es gibt sehr unterschiedliche Arbeiten, die alle einen Framing-Begriff nutzen, der sich aber nicht aus einem Theoriegebilde ableiten lässt (Matthes 2010: 10), weshalb Matthes (2014) von einem Framing-Ansatz spricht.
Framing kann auf ganz verschiedenen Ebenen stattfinden. Nicht nur Politiker, sondern auch Aktivisten, Unternehmer, Bürgerinnen und Bürger sowie Journalisten nutzen diese Deutungsrahmen, um ihre Aussagen einzuordnen (Scheufele/Engelmann 2016: 445). Die kognitiven Bezugsrahmen von Journalisten können als journalistischer Frame gesehen werden. Werden diese in den Beiträgen der Journalisten verwendet, so wird von einem Medienframe gesprochen (Scheufele/Engelmann 2016: 444). Medienframes sind Frames, welche in Medientexten – wie zum Beispiel Zeitungen - vorkommen (Matthes 2014: 38). „Frames zeigen sich in Schlüsselwörtern, Metaphern, Argumenten oder Bildern, die in einem Medientext verwendet werden und eine bestimmte Deutung und Wertung nahelegen“ (ebd.). Journalisten erstellen sich ein eigenes Bild der Ereignisse und bilden nicht einfach nur die Realität nach (Matthes 2007: 18).
„Was die Zuschauer und Leser in den Nachrichtensendungen und Zeitungen sehen und lesen, ist damit nicht notwendigerweise ein umfassendes, unbestreitbares Abbild des Geschehens, sondern das Ergebnis eines komplexen Selektionsprozesses“ (Matthes 2007: 18).
Die Schwierigkeit besteht darin, aus dem Produkt dieses Selektionsprozesses die frame-relevanten Teile zu separieren, ohne subjektive „Forscherframes“ aus den Inhalten herauszulesen (Matthes 2014: 38).
Die Analyse von Medien-Frames kann durch vier Zugänge durchgeführt werden (Matthes 2014: 39): Bei dem qualitativen Ansatz werden die Frames oft induktiv aus dem Textmaterial gezogen und anschließend ausführlich und sehr detailliert mit diversen Textbeispielen beschrieben (Matthes 2014: 39). Der manuell-holistische Zugang codiert holistische Kategorien (Frames) manuell und für jeden Artikel einzeln. Matthes (2014) problematisiert, dass die Objektivität bei diesem Verfahren leide. Einen großen Vorteil sieht er in der einfachen Praktikabilität des Zugangs. Der manuell-dimensionsreduzierte Zugang codiert einzelne Variablen und Frame-Elemente. Durch dimensionsreduzierte Verfahren wie der Clusteranalyse werden diese zu Frames zusammengefasst (Matthes 2014: 42). Die Idee dieses Zugangs ist es, die manuellen Codes empirisch darzustellen. Der Vorteil des Verfahrens ist es, dass der Forscher nicht abstrakte Frames im Text identifizieren muss, sondern dass die von ihm bestimmten Frame-Elemente durch den Computeralgorithmus zu Frame-Clustern zusammengeführt werden (Matthes 2014: 42). Die vierte Analysemöglichkeit ist der computerbasierte Zugang. Durch eine computergestützte Textanalyse kann mithilfe der quantitativen Methode ein sogenanntes Frame-Mapping durchgeführt werden. Dabei erfolgt weder eine Codierung der Frame-Elemente noch eine interpretative Auseinandersetzung mit den einzelnen Textbeiträgen (Matthes 2014: 44). Die Frames werden durch datenreduzierende Verfahren des Gesamttextes extrahiert (Matthes 2014: 44). Zurückgegriffen wird dabei auf die Aussage Entmans (1993), dass Frames sich anhand der Wortwahl eines Artikels identifizieren lassen, denn ein Frame zeichnet sich durch das gemeinsame Auftreten von Wörtern aus (Miller/Riechert 2001). Der Vorteil des computerbasierten Zugangs ist es, dass große Datenmengen mit geringem Aufwand untersucht werden können. Weiterhin wird des Öfteren auf die Notwendigkeit von objektiven und reliablen Methoden zur Erfassung von Medien-Frames hingewiesen (Miller 1997; Miller/Riechert 2001). Zu beachten ist, dass bei diesem Ansatz die Gefahr besteht, Forscherframes zu identifizieren (Matthes 2014: 38), da keine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Text geschieht. Im Rahmen dieser Arbeit wird der computerbasierte Ansatz genutzt, da bei der großen Datenmenge eine qualitative Einzelfallanalyse zu zeitaufwendig wäre. Da Frames durch das gemeinsame Auftreten von Wörtern identifiziert werden können (Miller/Riechert 2001), wird methodisch mit einer Kookkurrenzanalyse gearbeitet. Dabei wird analysiert, inwiefern Wörter überzufällig häufig miteinander auftreten. Diese Methode wird im Kapitel „Kookkurrenzanalyse“ detaillierter beschrieben.
Im Forschungsstand wird als erstes aufgezeigt, wie bereits in der Framing-Forschung mit Kookkurrenzanalysen als Methode gearbeitet wurde. Aus diesem Grund beschränkt sich der Forschungsstand nicht auf politikwissenschaftliche Literatur, denn die Framing-Forschung und der methodische Ansatz der Kookkurrenzanalyse mittels automatisierter Textanalyse sind interdisziplinär anwendbar. Außerdem werden im zweiten Schritt Studien vorgestellt, welche Aspekte der Krise der SPD untersuchen.
Bubenhofer et al. (2015) haben in ihrer Arbeit den Diskurs der Medien SPIEGEL und ZEIT von 1946-2010 mittels diskurslinguistischer Methoden analysiert. Sie gehen davon aus, dass sich Frames durch Lemmata, also Wortgruppen, identifizieren lassen. Als erste Einschätzung, ob es im Zeitverlauf einen Umbruch der Berichterstattung gab, führen sie eine Frequenzanalyse durch. Ziel ist es, die relative Frequenz der einzelnen Frames im Zeitverlauf aufzuzeigen. Als dritten Analyseschritt führen Bubenhofer et al. (2015) eine Kollokationsanalyse durch, deren Ziel es ist, zu zeigen, welche Frames signifikant häufig miteinander auftreten (Bubenhofer et al. 2015). Sie wollen anhand von Kollokationsgraphen zeigen, wie sich der Diskurs in SPIEGEL und ZEIT von 2001-2004 und 2005-2008 verändert hat. Dafür visualisieren sie die Kollokationsgraphen und stellen diese in einem Graphen gegenüber.
Sina Lautenschläger (2017) verfolgt den Ansatz, dass Frames vorab definiert werden und als Suchbegiffe für Kookkurrenzanalysen dienen. Sie untersuchte die Stereotypen von Männlichkeit und Weiblichkeit in Pressetexten und definierte dafür zwei Frames (männlich und weiblich). Die beiden Frames waren die Suchbegriffe für die Kookkurrenzanalyse, in welcher sie signifikante Kookkurrenzen der beiden Wörter identifizierte. Die ermittelten Kookkurrenzen verglich sie zwischen den beiden Frames und kategorisierte anschließend die Wörter (ebd.). Das Ergebnis der Analyse war, dass es oberflächenbasiert in den Medien einen bestimmten Umgang mit Geschlechtsspezifik gibt. Der Hauptunterschied der beiden Kookkurrenzprofile ist, dass im Männlich-Frame die Kookkurrenz „Täterschaft“ besteht - sie ist nur dort bedeutsam. Auffällig ist, dass in beiden Frames die Benachteiligung von Frauen omnipräsent ist und nur die Situation von Frauen reflektiert wird. Eine kritische Reflexion der Männer findet kaum statt und spiegelt sich ausschließlich in den Bereichen Beruf/Karriere wider (ebd.).
Bernd Schlipphak (2011) untersucht in seiner Studie „Framing Ideology“ die Aussage der SPD, dass die Medien die SPD in einem falschen ideologischen Licht stehen lassen. Diese fehlerhafte Berichterstattung habe zur Folge, dass Stammwähler sich von der SPD entfernten und die Partei diverse Wahlen verloren habe (ebd.: 12). Er untersucht die Forschungsfrage, welchen Einfluss die Medien und Parteien auf die Wahrnehmung ideologischer Parteienpositionierungen durch die Bevölkerung und damit auf ihr Wahlverhalten haben (ebd.: 14). Ziel seiner Arbeit ist die Zusammenführung der drei Fachbereiche Wahlforschung, Parteienforschung und Medienforschung, um eine umfassende Antwort auf die Fragestellung geben zu können. Als Analysezeitraum definiert Schlipphak (2011) die Jahre der Bundestagswahlen von 1998-2005. Ausgehend von den Beschuldigungen der SPD leitet er die Hypothese ab, dass die Inhalte der Zeitungen sich im Untersuchungszeitraum auf der ideologisch-politischen Links-Rechts-Skala nach rechts verschieben müssten. Durch eine Medieninhaltsanalyse ließ sich diese Hypothese nicht bestätigen.
Die Gründe und Verläufe innerparteilicher Machtkämpfe wurden in Michael Lohmanns (2014) Dissertation am Beispiel der Kampfkandidatur um den Parteivorsitz auf dem Mannheimer SPD-Parteitag 1995 analysiert. Interessant ist dieser Machtkampf, da er 1993 mit der Niederlage Schröders in der Wahl um den SPD-Parteivorsitz seinen vorläufigen Höhepunkt fand und durch die Kampfkandidatur auf dem Parteitag wieder entflammte. Als wichtigsten Aspekt des Images einer Partei und ihrer Spitzenpolitiker stellt Lohmann (2014: 409) die Abhängigkeiten verschiedener Akteure dar. Die Inszenierung eines Politikers durch die Medien und die eigenen Parteimitglieder sei für einen umstrittenen Parteivorsitzenden auf dem Parteitag von herausragender Bedeutung (ebd.: 414). Er sieht Parteitage als Mittel des Machtkampfes und skizziert die Probleme eines Parteivorsitzenden, die eigene frei handelnde Gefolgschaft, für sich zu gewinnen (ebd.: 415). Auch hier sieht Lohmann die Wechselbeziehung des Parteivorsitzenden als Werbeträger und den Parteimitgliedern, die auf diesen Werbeträger angewiesen sind. Mitglieder, die ihre politischen Anliegen und Karrieren nur durch Wahlerfolge realisieren können, sind auf ein positives Bild der Partei angewiesen (ebd.). Folgende Regeln stellt Lohmann (ebd.: 417) zur Inszenierung einer Partei auf, um ein positives Ansehen zu erlangen: Die Grundregel sei die Vermeidung des Eindrucks von Streit. Auch innerparteiliche Machtkämpfe um Spitzenämter gelte es ob des positiven Eindrucks zu vermeiden. Die Rangordnung innerhalb der Partei müsse sich auch auf Parteitagen widerspiegeln, sodass kein nachrangiger Politiker einen Höherrangigen in den Schatten stellen kann (ebd.).
Ein einschneidendes Ereignis für die SPD war die Wahlniederlage bei der Bundestagswahl 2017. Das Umfragehoch des damaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz, auch Schulz-Effekt (Georgi/Holl 2017) genannt, wird in einer Studie von Alexander Wuttke und Harald Schoen genauer untersucht. Grundlage der Studie ist ein „multi-wave panel“ (Wuttke/Schoen 2019: 47), welches das Wahlverhalten von 8000 Bundesbürgern über ein Jahr begleitete. Die Analyse ergab, dass der Anstieg und Rückgang der Umfrageergebnisse mit einer Umstrukturierung der SPD-Wähler einhergingen, welche sich zuerst angezogen fühlten und anschließend wieder abkehrten (ebd.). Wichtig ist die Erkenntnis, dass kaum enttäuschte Nicht-Wähler durch die Schulz-Kampagne angesprochen wurden, sondern dass hauptsächlich Wähler angesprochen wurden „[…] who were attracted by spectacle rather than political substance“ (ebd.: 60). Dieses sehr heterogene Wählerspektrum konnte durch Martin Schulz‘ Nominierung kurzfristig gewonnen werden, ging aber durch ein fehlendes gemeinsames Leitmotiv wieder verloren (ebd.).
Um zu verstehen, welches die Gründe für die „elektorale Schwäche“ (Lichteblau/Wagner 2019: 4) der SPD sind, ist es von Interesse, sich anzuschauen, welches Wählerpotenzial die SPD aktuell hat (ebd.) Anhand der Wahlneigungen der Wahlbevölkerung (Datengrundlage: GLES-Nachwahlbefragung 2017) wird deutlich, dass Union und SPD das größte Wählerpotenzial in der Bundesrepublik haben. Da die Wahlneigung in der Bevölkerung vor der Bundestagswahl 2017 für Union und SPD ähnlich hoch waren, lässt sich das schlechte Abschneiden der SPD nicht durch ein fehlendes Wählerpotenzial erklären (ebd: 22). Auffällig ist die Erkenntnis, dass die SPD in der Wahlbevölkerung zwar geschätzt wird, jedoch meist nur zweite Wahl an der Urne ist und somit eher den Kleinparteien (mit Ausnahme der AfD) ähnelt und weniger einer Volkspartei gleicht (ebd.).
Der Gang der SPD in die Große Koalition wird in den Medien oft als alternativlos dargestellt. Blumenberg/Naßmacher (2019) untersuchen mögliche Alternativen der SPD nach der Bundestagswahl 2017. In einem ersten Schritt beleuchten sie die zwei Möglichkeiten der SPD nach der Bundestagswahl: Die Bereitschaft zur Mitwirkung oder ein Verfahren nach Art. 63 GG ohne die Mitwirkung der SPD (Blumenberg/Naßmacher 2019: 5). Die Möglichkeiten unter Mitwirkung der SPD belaufen sich auf eine Große Koalition oder eine Minderheitsregierung mit Stabilitätspakt. Ein Verfahren nach Art. 63 GG hätte entweder eine Neuwahl oder eine Minderheitsregierung ohne Stabilitätspakt mit SPD zur Folge (ebd.). Die Option der Neuwahl hat zum einen hohe verfassungsrechtliche Hürden, zum anderen war die Perspektive der SPD bei einer Neuwahl nicht besonders gut (ebd.). Eine Minderheitsregierung ohne Stabilitätspakt wäre aus Sicht der Autoren keine wirkliche Alternative gewesen. Anders sehen sie dies bei einer Minderheitsregierung mit Stabilitätspakt. Wäre diese ergebnisoffen sondiert worden, wäre unter gewissen Umständen die erneute Große Koalition nicht alternativlos gewesen (ebd.: 12). Jedoch sehen Blumenberg/Naßmacher (2019: 5) mögliche Alternativen nicht im Zusammenhang eines Erstarkens der deutschen Sozialdemokratie (ebd.).
Die im Forschungsstand aufgezeigte Literatur ist von großer Bedeutung, da sich diese Arbeit sowohl theoretisch als auch methodisch stark an dieser Literatur orientiert. Die Studien von Schlipphak (2011), Lohmann (2014), Wuttke/Schoen (2019), Lichteblau/Wagner (2019) und Blumenberg/Naßmacher (2019) untersuchen Teilaspekte der Krise der SPD genauer. Kombiniert mit den Ansätzen aus der Framing-Forschung von Bubenhofer et al. (2015) und der Übernahme der Methode von Lautenschläger (2017) soll das Framing der Berichterstattung in den deutschen Printmedien untersucht werden.
Ob Agenda 2010, Alleingänge des Parteivorsitzenden, schlecht organisierte Wahlkampagnen oder die Absage an eine Große Koalition nach der Bundestagswahl 2017: Die Krise der SPD zieht sich nun schon einige Jahre und definiert sich immer sehr unterschiedlich. In der ersten Analyse wird mit dem SPD-Frame untersucht, wie im Analysezeitraum über die SPD berichtet und in welchen Deutungsrahmen sie gestellt wurde.
Das Amt des Parteivorsitzes kann von den Medien sehr verschieden beschrieben werden. Lohmann (2014) beschreibt die Machtkämpfe, die in einer Partei um diesen Posten ausgetragen werden. Andererseits sind auch die Umstände, unter denen der Parteivorsitz gewählt wird, nicht zu vernachlässigen. Aus diesem Grund soll in der zweiten Analyse mit dem Parteivorsitz-Frame untersucht werden, wie die Medien dieses Amt während des Wahlverfahrens framen.
Die von Walter (2018: 354) beschriebenen „herrschenden Kleinzirkel“ der SPD wurden bei der Wahl zum Parteivorsitz 2019 nicht fortgeführt. Es wurde von Seiten der SPD versucht, ein transparentes, basisdemokratisches Verfahren zu entwickeln, welches die gesamte Partei partizipieren lässt. Die Regionalkonferenzen begleiteten die Partei über mehrere Wochen und waren das maßgeblich innovative Element des Verfahrens. Zwar gab es an diesem Verfahren auch Kritik (Sarti 2019), jedoch war es für die SPD nach vielen Jahren eine Neuerung. Um zu analysieren, wie die Regionalkonferenzen geframed wurden, wird die dritte Analyse mit dem Regionalkonferenz-Frame durchgeführt.
Die Entwicklung von 41% bei der Bundestagswahl 1998 zu Umfrageergebnissen von 15% (Forsa 2020) verdeutlichen die schwerwiegenden Probleme der Partei in Zahlen. Im zweiten Halbjahr des Jahres 2019 sollte der Fokus der SPD klar auf der Wahl eines neuen Vorsitzendenduos liegen. Da aber die Koalitionszugehörigkeit der SPD auf Bundesebene immer wieder Thema war, lässt sich die Hypothese H1a folgendermaßen herleiten:
H1a: Die SPD wird hauptsächlich über die Große Koalition geframed.
Unabhängig davon, ob Hypothese H1a angenommen oder abgelehnt wird, stellt sich die Frage, wie stark das Amt des Parteivorsitzes im Analysezeitraum mit der SPD in Verbindung gebracht wird. Deshalb lautet die Hypothese H1b:
H1b: Das Amt des SPD-Parteivorsitzes findet im SPD-Frame Beachtung.
Lohmann (2014) beschreibt die Gründe und Problematik von Machtkämpfen auf Parteitagen. Die Wahl um den SPD-Parteivorsitz 2019 kann als Sonderfall angesehen werden, da die politische Auseinandersetzung dem Wahlverfahren geschuldet ist. Fraglich ist, was in den Medien stärker mit dem Parteivorsitz in Verbindung gebracht wird – der innerparteiliche Machtkampf oder das Wahlverfahren. Deshalb werden die Hypothesen H2a und H2b wie folgt hergeleitet:
H2a: Der Frame „Parteivorsitz“ wird unter dem Aspekt des innerparteilichen Machtkampfs ausgelegt.
H2b: Der Frame „Parteivorsitz“ wird unter dem Aspekt des Wahlverfahrens ausgelegt.
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