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Diplomarbeit, 2021
49 Seiten, Note: 1
ABSTRACT
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
1 EINLEITUNG UND HINFÜHRUNG ZUM THEMA
1.1 Aktueller Forschungsstand zum Thema
1.2 Ziel der Arbeit
1.3 Forschungsfrage
1.4 Darstellung der Methode
2 DIE BIPOLAR AFFEKTIVE STÖRUNG
2.1 Verlauf der Erkrankung
2.2 Einteilung der bipolar affektiven Erkrankung
2.3 Manie und Erleben der Betroffenen
2.4 Depression und Erleben der Betroffenen
3 PSYCHOEDUKATION
3.1 Begriffserklärung
3.2 Relevanz von Psychoedukation bei bipolar affektiver Störung
3.3 Setting
4 INHALTE DER PSYCHIATRISCH PFLEGERISCHEN PSYCHOEDUKATION BEI BIPOLAR AFFEKTIVER STÖRUNG
4.1 Informationen über die Erkrankung
4.1.1 Akzeptanz
4.2 Vulnerabilitäts-Stress-Modell
4.2.1 Biologische und psychosoziale Vulnerabilität
4.2.2 Stress- bzw. Belastungsfaktoren
4.2.3 Zusammenhang der einzelnen Bedingungsfaktoren
4.3 Frühwarnzeichen
4.4 Stimmungsgraphen
4.5 Pharmakotherapie
4.6 Biologischer Rhythmus und Tagesstruktur
4.7 Krisenplan
4.8 Life-Chart-Methode
5 RESÜMEE
6 LITERATURVERZEICHNIS
7 ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS
8 ANHANG
8.1 Typischer Krankheitsverlauf bei einer Bipolar-I-Störung
8.2 Typischer Krankheitsverlauf bei einer Bipolar-II-Störung
8.3 Typischer Krankheitsverlauf bei einer Zyklothymie
8.4 Checkliste individueller Frühwarnzeichen:
8.5 Stimmungsgraph
8.6 Idealplan zur Tagesstruktur
8.7 Beispiel Lifechart
8.8 Mein Lifechart
In der vorliegenden Arbeit „Psychoedukation durch das Pflegepersonal bei Menschen mit bipolar affektiver Störung" wird davon ausgegangen, dass bei dem Krankheitsbild der bipolar affektiven Störung vermehrt Rückfälle auftreten, diese jedoch durch psychoedukative Interventionen des Pflegepersonals vermindert bzw. vermieden werden können. Hierzu wurden folgende zwei Fragestellungen gestellt: „Welche Inhalte im Rahmen der Psychoedukation sind erforderlich, um Menschen mit einer bipolaren Störung im stationären psychiatrischen Setting zu Expert/innen ihrer Krankheit zu machen?" und „Wie kann das Pflegepersonal die Betroffenen zum Selbstmanagement schulen um die Basis für eine Stabilisierung zu ermöglichen und die Vermeidung von Rückfällen zu erreichen?" Um die Forschungsfragen zu beantworten, wurde eine umfassende Literaturrecherche durchgeführt.
In dieser Arbeit wird zuerst das Krankheitsbild der bipolar affektiven Störung beschrieben und dabei gleichzeitig auf das Erleben der Betroffenen und deren Gefühlswelt eingegangen. Der Begriff „Psychoedukation" wird definiert und die Relevanz der Psychoedukation in Bezug auf die bipolar affektive Störung erläutert. Danach werden die wichtigsten Themengebiete, welche zur Beantwortung der Fragestellungen dienen, vorgestellt und in den folgenden einzelnen Kapiteln wird näher darauf eingegangen und beschrieben, wie Pflegepersonen diese den Betroffenen übermitteln können. Im Anhang sind hierzu einige Hilfsmittel zu finden. Im Anschluss werden jeweils mögliche Pflegeziele angeführt, welche in der Pflegeplanung eines/r Patienten/in mit bipolar affektiver Störung verwendet werden können, um den Pflegeprozess zu sichern.
Die vorliegende Arbeit ist im Rahmen der Sonderausbildung an der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege Schule am Sozialmedizinischen Zentrum Baumgartner Höhe entstanden. Die Wahl meines Themas für die schriftliche Abschlussarbeit fiel mir nicht leicht, da ich mich für sehr viele Themengebiete interessierte. Schlussendlich habe ich mich für das Thema der Psychoedukation bei bipolarer Störung entschieden, da Psychoedukation einen hohen Stellenwert in der Arbeit mit psychisch Kranken hat und mich das Thema bipolare Störung interessiert. Ich habe in meinem Beruf immer wieder mit Menschen mit dieser Erkrankung zu tun und die Betroffenen, mit ihren individuellen, sehr vielfältigen Symptomen und unterschiedlichen Krankheitsverläufen, stellen mich und das Team der Psychiatrischen Abteilung immer wieder vor Herausforderungen.
Ich möchte durch meine Arbeit Erkenntnisse für die Praxis gewinnen und in Zukunft mit dem aufgebauten Wissen betroffene Personen besser betreuen und unterstützen können.
„Die Diagnose einer bipolar affektiven Störung bedeutet eine psychiatrische Erkrankung mit chronischer und schwerwiegender Auswirkung auf alle Bereiche des sozialen, beruflichen und familiären Lebens(Amann, 2011, S.4). Manche Betroffene reagieren auf die Diagnose ratlos, fühlen sich allein gelassen und überfordert. Sie können mit dem Begriff oft gar nichts anfangen. Andere reagieren bestürzt, haben Ängste und Sorgen und wieder andere sind sogar erleichtert, weil sie endlich Klarheit über ihre Gefühle erhalten (vgl. Wokenstein, 2014, S. 38-39 und Hautzinger, 2013, S. 95). Es können Fragen auftreten wie zum Beispiel: „Bin ich verrückt?" oder „Welche Konsequenzen hat die Erkrankung für meine Angehörigen oder Kinder?", „Muss ich mein Leben lang Medikamente nehmen?" (vgl. Hautziner, 2011, S. 42).
Bipolar affektiv erkrankte Menschen erleben extreme Stimmungsschwankungen. Diese Stimmungen bewegen sich zwischen „himmelhoch jauchzend" und „zu Tode betrübt" hin und her. Bei dieser Erkrankung genügen minimale Reize, um bei den Betroffenen extrem intensive Emotionen auszulösen. Oft kommen diese Emotionen auch ganz ohne Auslöser oder Anlass. Die Betroffenen fühlen sich in diesem Wechsel der extremen Gefühle oft hilflos und geben häufig an, die Kontrolle über ihr eigenes Verhalten verloren zu haben (vgl. Bräunig, 2010, S.17).
Mangelnde oder sogar fehlende Aufklärung der Betroffenen über die Erkrankung führt zu Verunsicherung und hat somit einen negativen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Erkrankung (vgl. Simhandl, 2017, S.1). Eine einmalige, meist kurze Aufklärung der Patient/innen über den Krankheitsverlauf und die Behandlungsmöglichkeiten reicht bei weitem nicht aus. Es ist die Anwendung erweiterter Strategien notwendig, um die Betroffenen über die gesamte Bandbreite der Symptome dieser Erkrankung aufzuklären (vgl. Simhandl, Österreichische Ärztezeitung 6/2009).
Die Psychoedukation vermittelt Personen, welche an einer bipolar affektiven Störung leiden, alle Informationen, welche diese über ihre Erkrankung brauchen, um einen bewussten und selbstverantwortlichen Umgang mit der Erkrankung führen zu können. Psychoedukative Interventionen sind bei bipolaren Erkrankungen im Sinne einer ganzheitlichen Behandlung, neben medikamentösen und psychotherapeutischen Maßnahmen besonders ausschlaggebend (Brenner, 2010, S. 110-111).
In Österreich sind insgesamt 85.000 und 170.000 Personen an schweren Verlaufsformen der Erkrankung betroffen, das sind etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung (vgl. www.minimed.at, 2020 und vgl. Simhandl, 2013, S. 26). Rechnet man auch leichtere Formen der Manie hinzu, so steigt die Zahl auf ungefähr fünf bis zehn Prozent (vgl. Simhandl, 2013, S. 26). Schätzungen zufolge leiden etwa 400.000 bis 800.000 Österreicher an moderaten Formen dieser Erkrankung (vgl. Feffer-Holik, www.minimed.at, 2013). Die Prävalenz für die Bipolar-I-Störung liegt international weitgehend konsistent bei etwa ein Prozent. Bei der Bipolar-II-Störung steigt die Prävalenz auf etwa zwei bis fünf Prozent (vgl. Hautzinger, 2011, S. 15). Es ist zu beachten, dass es schwierig ist, genau zu sagen, wie häufig diese Erkrankung auftritt (vgl. DGBS, 2016, S. 4 und vgl. Hammer, 2013, S. 107). In den meisten Fällen kann eine endgültige Diagnose nicht beim ersten Arztbesuch gestellt werden und im schlechtesten Fall können vom Auftreten der ersten Symptome bis zur korrekten Diagnose bis zu 15 Jahre vergehen. Bei ca. 60 Prozent wird die Erkrankung nicht erkannt oder fehldiagnostiziert (vgl. DGBS, 2016, S. 4-5). Bei etwa einem Drittel aller Patient/innen mit der Diagnose Depression muss im späteren Krankheitsverlauf die Diagnose in eine bipolar affektive Störung abgeändert werden (vgl. Hautzinger, 2011, S. 15). Dieses Problem der unzureichenden Reliabilität ergibt sich aus mehreren Gründen. Viele Patient/innen suchen nur in den depressiven Phasen, wenn der Leidensdruck zu stark wird, einen Arzt auf und werden deshalb oft als unipolar depressiv diagnostiziert (vgl. DGBS, 2016, S. 5 und vgl. Hammer, 2013, S. 107). Weiters erfolgt oft keine strukturierte klinische Diagnostik durch klinisch erfahrenes und entsprechend geschultes Personal, weil sich die Betroffenen oft nur an ihren Hausarzt wenden und davor scheuen, einen Psychiater aufzusuchen (vgl. DGBS, 2016, S. 5 und vgl. Hautzinger, 2011, S. 15).
Erstmals tritt die bipolare Erkrankung durchschnittlich meist in einem Alter zwischen 20 und 30 Jahren auf. Während in seltenen Fällen die ersten Krankheitsepisoden auch schon bei Jugendlichen vorkommen können, ist eine bipolare Störung nach dem 50. Lebensjahr relativ unwahrscheinlich. Die Erkrankung betrifft Männer und Frauen zu gleichen Teilen, wobei die Erkrankung bei Männern eher mit manischen Episoden und bei Frauen eher mit depressiven Episoden beginnt (DGBS, 2016, S. 5).
Die bipolar affektive Störung zählt weltweit zu den häufigsten Erkrankungen, bei denen die Betroffenen mit lebenslangen Behinderungen konfrontiert sind (vlg. Wolkenstein, 2014, S.23). Hinsichtlich der Dauer, mit der bipolar affektiv erkrankte Menschen mit einer Einschränkung leben müssen, befindet sich die bipolare Störung auf Platz sechs aller Erkrankungen und bezogen auf ausschließlich psychiatrische Erkrankungen sogar an dritter Stelle (vgl. Amann, 2011, S. 4). Die bipolare Erkrankung ist heute gut behandelbar, jedoch noch nicht heilbar (vgl. Reynolds, 2012, S. 14).
Bipolar erkrankte Menschen haben im Schnitt eine um neun Jahre verkürzte Lebenserwartung und sie verlieren gegenüber der Allgemeinbevölkerung durchschnittlich zwölf gesunde Lebensjahre. Ebenso gravierend können die Auswirkungen auf die sozialen und familiären Aspekte des Lebens sein: Im Schnitt verlieren bipolar Erkrankte 14 Jahre normaler beruflicher und familiärer Aktivität (vgl. DGBS, 2020).
Aus verschiedenen Studien zum Verlauf bipolar affektiver Störungen lassen sich Faktoren extrahieren, die auf den günstigen bzw. ungünstigen Krankheitsverlauf Einfluss nehmen. Eine hohe Rückfallgefahr und insgesamt ungünstige Bedingungen resultieren aus: unregelmäßigen, instabilen Lebensrhythmen, unregelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus, hoher Episodenfrequenz, kritischen Lebensereignissen und Belastungen, unzureichender oder abgebrochener Pharmakotherapie, Auftreten psychotischer Symptome während der Krankheitsphasen, gemischten und polyphasischen Episoden, Alkohol- oder Drogenkonsum (vgl. Hautzinger, 2007, S. 1250).
Durch die Anwendung von Psychoedukation werden ca. 20-30% weniger Krankheitsepisoden erreicht (vgl. Müller, 2012, S.7). Ein gutes Krankheitsverständnis auf Seiten der Betroffenen ist besonders wichtig für den Umgang mit der Diagnose (vgl. Wolkenstein, 2014, S. 38). „Die Psychoedukation stellt eine wichtige therapeutische Ergänzung dar, die erwiesenermaßen den Gesundungsprozess und somit auch die Lebensqualität Betroffener fördert und in Kombination mit Stimmungsstabilisierenden Medikamenten die besten Behandlungsergebnisse erzielt." (Simhandl, Österreichische Ärztezeitung 6/2009). Je früher Psychoedukation im Krankheitsverlauf zum Einsatz kommt, umso besser sind die Erfolgsaussichten (vgl. Simhandel, 2013, S. 35).
Ziel dieser Arbeit ist es, aufzuzeigen, welche Informationen Menschen mit bipolar affektiver Störung vom psychiatrischen Pflegepersonal, während ihres stationären Aufenthalts, brauchen, um Expert/innen ihrer eigenen Krankheit zu werden. Es ist beschrieben, wie Psychoedukation durch die Pflegekräfte den Betroffenen wieder zu einem möglichst selbstständig geführten Alltag zurückhilft und wie dadurch Rückfälle bzw. weitere Krankheitsepisoden vermieden werden können. Um diese Ziele gut beschreiben zu können, wird zu Beginn auf die bipolar affektive Störung in Bezug auf die medizinischen Wissenschaften eingegangen und dann das Erleben und die Belastungen der Erkrankung aus der Sicht der Betroffenen erläutert. Im Sinne des Pflegeprozesses wird durch die pflegerisch psychoedukativen Interventionen auch beschrieben, wie sich die Betroffenen nach der Entlassung aus dem stationären Setting Unterstützungen holen können, beziehungsweise wie sie Entlastung finden können.
Weiters werden passende Pflegediagnosen gestellt, welche die Implementierung der vorgestellten psychoedukativen Interventionen als Pflegemaßnahmen in den Pflegeprozess ermöglichen.
Aufgrund der genannten Problematik ergeben sich folgende Fragestellungen:
- Welche Inhalte im Rahmen der Psychoedukation sind erforderlich, um Menschen mit einer bipolaren Störung im stationären psychiatrischen Setting zu Expert/innen ihrer Krankheit zu machen?
- Welche pflegerischen Interventionen kann das Pflegepersonal setzen, um den Betroffenen die Basis für eine Stabilisierung zu ermöglichen und die Vermeidung von Rückfällen zu erreichen?
Die vorliegende Arbeit basiert auf einer umfassenden, systematischen Literaturrecherche, welche Informationen zur Beantwortung der formulierten Fragestellungen beinhaltet.
Zur Beschaffung der relevanten Literatur werden elektronische Suchinstrumente verwendet. Diese beinhalten folgende Datenbanken: SpringerLink, Google Scholar, Google Books, UbMed Uni Wien, PubMed und Elektronische Zeitschriftenbibliothek der FH Campus Wien. Zusätzlich wird durch eine Handrecherche in den Bibliotheken nach relevanten Publikationen gesucht. Einbezogen werden Artikel aus Zeitschriften, Fachbüchern, Sammelwerken und Literaturquellen. Es werden sowohl deutsch- als auch englischsprachige Unterlagen verwendet.
Weiters werden die genannten Datenbanken mittels Schlüsselbegriffen durchforstet und die Ergebnisse nach ihrer Relevanz durch die Ein- und Ausschlusskriterien für diese Arbeit überprüft. Die gefundene Literatur wird entweder verworfen oder in die Arbeit miteinbezogen. Zu den Ausschlusskriterien gehören alle anderen psychiatrischen Erkrankungen. Die angeführten Suchbegriffe lauten: bipolare Persönlichkeitsstörung, bipolar affektive Störung, bipolare Erkrankung, manisch-depressiv, bipolar, Manie, Psychoedukation, Selbsthilfegruppen, Beratung, Betreuung, Beratungsstellen, Pflegepersonal, bipolar disorder, affective disorders, manic-depressive disorder, psychoeducation, councelling, nursing staff.
Für die Verknüpfung der vorgestellten Interventionen mit dem Pflegeprozess wurden die Pflegeklassifikationen POP und NANDA verwendet.
Die bipolar affektive Erkrankung wird auch als „manisch-depressive Krankheit" oder auch einfach nur als „bipolare Störung" bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine Störung der Stimmungen, Gefühle bzw. Emotionen. „Bipolar" bedeutet, dass die Stimmung zwischen dem Pol der extremen Hochstimmung, also der Manie, und dem Pol der Depression hin und her schwankt. Das wichtigste Merkmal dieser Erkrankung ist also das ständige auf und ab der Stimmung und die emotionale Labilität, bzw. die Launenhaftigkeit der Betroffenen (vgl. Bräunig, 2010, S. 14-15 und vgl. Reynolds, 2012, S. 15 und vgl. Wagner, 2004, S.32). Oftmals werden in der Literatur die Gefühle von Menschen mit einer bipolar affektiven Störung als „himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt beschrieben" (vgl. Bräunig, 2010, S. 21). Die Manie äußert sich dadurch, dass Antrieb und Aktivität der Betroffenen extrem gesteigert sind. Die Stimmung ist deutlich gehoben bis euphorisch. Es kommt zu Denkstörungen oder in manchen Fällen sogar zu Wahnideen. Bei der Depression ist die Stimmungslage gedrückt, einhergehend mit Antriebslosigkeit und Hoffnungslosigkeit (vgl. Hautzinger, 2011, S. 2).
Eine bipolare Erkrankung kann sehr unterschiedlich verlaufen. Sie äußert sich also bei jedem/jeder Erkrankten anders. Die Unterschiede können sich in Art der Episode, ihrer Schwere, in der Dauer und in der Anzahl der auftretenden Intervalle zeigen (vgl. Bräunig, 2010, S. 14-15).
Eine Episode kann Tage, Wochen oder sogar Monate andauern (vgl. Reynolds, 2012, S. 1). Allgemein lässt sich sagen, dass bei einer Manie, welche behandelt wird, die Symptome nach ungefähr drei bis sechs Wochen gut unter Kontrolle zu bringen sind. Die depressive Krankheitsepisode dauert bei einer Person in Behandlung in etwa ein bis drei Monate. Unbehandelt hingegen kann eine manische Phase ca. zwei bis vier Monate anhalten und eine Depression etwa drei bis sechs Monate. Ebenfalls zu beachten ist, dass die Symptome in den Krankheitsepisoden unter Behandlung meist längst nicht so extrem auftreten, wie ohne Behandlung (vlg. Bräunig, 2010, S. 33). Außerdem ist bekannt, je weiter die Krankheitssymptomatik fortgeschritten ist, umso geringer ist der Einfluss auf den Krankheitsverlauf (vgl. Wagner, 2004, S. 60).
„Bipolar affektive Störungen neigen dazu, in unregelmäßigen Abständen immer wieder aufzutreten." (Bräunig, 2010, S. 33). Studien besagen, dass Personen, die wegen einer bipolar affektiven Störung in Behandlung sind, mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 60% innerhalb der nächsten zwei Jahre einen Rückfall erleiden und mit einer Wahrscheinlichkeit von 70% innerhalb der nächsten drei bis vier Jahre. 81% bis 91% der Betroffenen erleiden innerhalb der nächsten fünf Jahre einen Rückfall (vgl. Bräunig, 2010, S. 54 und vgl. Wagner, 2004, S. 178). Die symptomfreien Abstände zwischen den Krankheitsepisoden können mehrere Jahre betragen. Es ist jedoch auch möglich, dass Symptome schon nach wenigen Tagen oder Wochen erneut auftreten. Die Wahrscheinlichkeit eines Wiederkehrens einer Krankheitsepisode nimmt mit jedem erneuten Auftreten zu (vgl. Bräunig, 2010, S. 33 und vgl. Wagner, 2004, S. 87). Daraus lässt sich schließen: Je mehr Episoden bereits aufgetreten sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Abstände dazwischen zukünftig kürzer werden, d.h. erneute Krankheitsepisoden treten immer schneller auf (vgl. Bräunig, 2010, S. 33 und S.54). Der Großteil der bipolar erkrankten Personen, 70%, erleiden in ihrem Leben fünf oder mehr Krankheitsepisoden (vgl. Bräunig, 2010, S. 34). Im Durchschnitt treten bei einer bipolar affektiv erkrankten Person acht bis zehn Episoden im Laufe ihres Lebens auf. (vgl. Wagner, 2004, S. 178) Nur ein Drittel durchläuft eine bis vier Episoden (vgl. Bräunig, 2010, S. 34).
Entsprechend der Art der Krankheitsepisoden und der Ausprägung werden die Bipolaren Störungen in Bipolar I- oder II-Störung, Zyklothymie oder Rapide Cycling eingeteilt. Von einer Bipolar-I-Störung spricht man, wenn die Betroffenen mindestens eine manische Episode oder mindestens eine manische und eine depressive Episode hatten (siehe Anhang 8.1, S. 45). Die Bipolar-II-Störung ist gekennzeichnet durch mindestens eine depressive Episode und mindestens eine hypomanische Phase (siehe Anhang 8.2, S. 45). Liegt eine gemischte oder eine manische Phase vor, so würde das die Diagnose Bipolar-I- Störung bedeuten. Von einer Zyklothymen Störung spricht man, wenn die Betroffenen über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren ständig leichte manische und depressive Stimmungsschwankungen haben, wobei die einzelnen Episoden nicht alle Kriterien einer Manie oder Depression erfüllen (siehe Anhang 8.3, S. 45). Es handelt sich daher um eine chronisch abgeschwächte Form. Erlebt eine Person vier oder mehr Episoden in einem Jahr so spricht man von sogenanntem „Rapide Cycling". Noch schnellere Stimmungswechsel mit mehreren Wechseln pro Monat werden als „Ultra rapid Cycling" bezeichnet. Hierbei können auch Schwankungen von ein oder mehreren Malen am Tag auftreten. Es können auch fortwährende Umschwünge bzw. Kippen der Stimmung auftreten, ohne dass zwischendurch Symptomfreiheit eintritt (vgl. Hautzinger, 2011, S. 8 und vgl. Reynodls, 2012, S. 18). Diese Einteilung der bipolar affektiven Störung hat Bedeutung für die Behandlungsstrategie und die Wahl der entsprechenden Medikamente. Während Patient/innen mit Bipolar I- und -II-Störungen häufig medikamentös behandelt werden müssen, hängt es bei Patient/innen mit einer Zyklothymen Störung vom persönlichen Leidensdruck ab, ob eine entsprechende Therapie eingeleitet werden muss (vgl. Bräunig, 2010, S. 18-21 und Fink, 2010, S. 48-50 und Wolkenstein, 2014, S. 21-23).
„Die Manische Episode (ICD-10) ist gekennzeichnet durch mindestens eine Woche gehobene situationsadäquate oder gereizte erregte Stimmung sowie ein erhöhtes Ausmaß und eine erhöhte Geschwindigkeit körperlicher und psychischer Aktivität." (Wagner, 2004, S.177).
Bei einer Manie kommt es zu einer Affekt- oder Gefühlsstörung. Die Stimmungslage ist meist euphorisch, gehoben, unbeschwert, übermütig, humorvoll, heiter, fröhlich, beschwingt, unverwüstlich, optimistisch und enthusiastisch (vgl. Bräunig, 2010, S. 25). Viele Maniker können auch rasch erregbar sein, sie sind leicht zu verärgern, aufbrausend, können sich oft nicht mehr bremsen und werden rasch streitsüchtig, grob oder eventuell sogar gewalttätig. Die Zornausbrüche eines/einer Manikers/Manikerin können sehr unerwartet und ohne Anlass oder Zusammenhang auftreten (vgl. Reynolds, 2012, S. 53). Diese Stimmungslage wird als dysphorisch bezeichnet (vgl. Bräunig, 2010, S. 25).
Die manischen Störungen des Antriebs fallen meist rasch auf. Antrieb und Aktivität sind stark gesteigert. Die Betroffenen können kaum still sitzen und sind meist in Bewegung und sehr unruhig und ungeduldig (vgl. Reynolds, 2012, S.53 und vgl. Wagner, 2004, S. 175-176). Die Manie äußert sich im Gespräch mit einer Manikerin oder einem Maniker durch den vermehrten Rededrang. Sie sind sehr gesprächig, sprechen sehr schnell und laut und haben den Drang dauernd weiter zu reden, wobei sie kaum zu bremsen sind (vgl. Bräunig, 2010, S. 25 und vgl. Wagner, 2004, S. 175-176 und vlg. Wokersbergen, 2014, S.14). Die Manie macht sich beim Sprechen jedoch nicht nur durch die Logorrhoe der Betroffenen bemerkbar, sondern auch dadurch, dass sie im Gedankengang sehr sprunghaft und weitschweifig sind. Die Betroffenen haben häufig Konzentrationsstörungen und somit Probleme, auszudrücken, was sie eigentlich sagen wollen. Das bedeutet, dass sie beispielsweise mitten im Satz vergessen, was sie eigentlich sagen wollten, das Thema abrupt ändern und von etwas völlig anderem weitererzählen. Daher kommt es meist vor, dass ein zusammenhängendes oder zielführendes Gespräch kaum möglich ist. Außerdem lassen sich die Betroffenen leicht ablenken (vgl. Reynolds, 2012, S.53).
Das Schlafbedürfnis und die Ermüdbarkeit der manischen Personen sind sehr verringert (vgl. Wagner, 2004, S. 175 und vgl. Wolkenstein, 2014, S.14). Sie schlafen in einer Nacht eventuell nur drei Stunden und fühlen sich jedoch ausreichend ausgeruht (vgl. Wolkenstein, 2014, S.14).
Kennzeichnend für die manische Denkstörung sind die große Ideenflut der Betroffenen und oft das vermehrte Pläneschmieden mit weitreichenden, oft unrealistischen Zielen (vgl. Reynolds, 2012, S. 54). Während einer manischen Episode treten bei den Betroffenen auch meist ein übersteigertes Selbstwertgefühl oder Größenideen auf (vgl. Fink,2010, S. 52 und Wagner, 2004, S. 175-176 und Wolkenstein, 2014, S. 14). Weiters typisch für manisches Verhalten ist, Dinge anzufangen, jedoch nie zu Ende zu führen. Die Betroffenen würden am liebsten alles auf einmal machen (vgl. Bräunig, 2010, S. 25). Maniker/innen nehmen sich meist mehr vor, als man realistisch betrachtet überhaupt schaffen kann. Die Betroffenen können sich sehr in einer Beschäftigung verstricken und dabei alles andere, auch wichtigere Dinge gänzlich vergessen. Es ist jedoch möglich, dass sie genauso schnell das Interesse daran wieder verlieren und den begonnenen Plan wieder aufgeben, da bereits neue „bessere" Ideen da sind (vgl. Hammer, 2012, S. 109 und Reynolds, 2012, S. 55).
Außerdem ist das Urteilsvermögen sehr eingeschränkt. Manische Personen können Risiken und Folgen ihrer Handlungen nicht richtig einschätzen. Daher kommt es oft zu riskanten Entscheidungen und gefährlichen Situationen (vgl. Hammer, 2012, S. 109 und Wagner, 2004, S. 175). Die Betroffenen beschäftigen sich oft vermehrt mit angenehmen Aktivitäten, welche jedoch sehr wahrscheinlich negative Konsequenzen nach sich ziehen. Beispielsweise leichtsinniges Ausgeben hoher Geldsummen (vgl. Wagner, 2004, S. 175176).
Bei manchen bipolar affektiven Menschen kann es auch zu psychotischen Symptomen verschiedenster Art kommen. Hierbei kann es sich zum Beispiel um optische oder akustische Halluzinationen handeln. Oft sind die Betroffenen auch davon überzeugt, ganz besondere Fähigkeiten zu besitzen, wie das Erkennen und Entschlüsseln geheimer Botschaften durch Zusammenhänge und Verknüpfungen in ganz gewöhnlichen Dingen des Alltags. Ein anderes Beispiel für psychotische Symptome wäre auch das Denken, eine höhere Bestimmung zu haben, wie die Welt zu retten oder die Überzeugung, eine andere wichtige Person zu sein, wie zum Beispiel Gott oder ein Mitarbeiter bei der NASA (vgl. Hammer, 2012, S. 109).
Als Hypomanie bezeichnet man eine manische Phase, welche jedoch in ihrem Ausmaß weniger intensiv ist beziehungsweise die Symptome im Gegensatz zur Manie sehr abgeschwächt auftreten (vgl. Fink, 2010, S. 53 und Hautzinger, S. 2011, S. 3). Die Hypomanie unterscheidet sich von der Manie ebenfalls durch eine kürzere zeitliche Dauer (vgl. Wagner, 2004, S. 175-176). Eine Manie ist für Außenstehende durch das extreme beziehungsweise grenzüberschreitende Verhalten der Maniker oft schnell und leicht zu erkennen. Eine Hypomanie lässt sich jedoch nicht so leicht erkennen. Eine Person mit Hypomanie wird von Außenstehenden oft als unauffällig beschrieben. Angehörige bzw. engere Vertraute hingegen, welche den/die Betroffene/n gut kennen, können eine Hypomanie schon eher erkennen, indem sie die vorhandenen Symptome als untypisch oder uncharakteristisch ansehen (vgl. Hautzinger, S. 2011, S. 3).
Mögliche Pflegediagnosen, die beim Krankheitsbild der Manie zur Anwendung kommen können, sind: „Soziale Interaktion, beeinträchtigt", „Selbstorganisation, beeinträchtigt", „Aggression, Risiko", „Ruhe innerlich, beeinträchtigt" oder „Realitätswahrnehmung, verändert" (vgl. Stefan, 2013, S. 359, 316, 428, 668, 646).
Die depressive Episode ist gekennzeichnet durch anhaltend gedrückte Stimmung die meiste Zeit des Tages über mindestens zwei Wochen, einhergehend mit Verlust von Freude und Interesse an fast allen Aktivitäten die meiste Zeit des Tages (vgl. Wagner, 2004, S. 173).
Die bipolare Depression zeigt sich in der Stimmung der Betroffenen durch Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, Unbehagen und Verzweiflung. Nichts macht mehr Spaß oder Freude. Meist kommt es auch zu Angstgefühlen und Mutlosigkeit. Die Patient/innen sagen, sie würden sich wie betäubt fühlen und beschreiben ein Gefühl der Leere bzw. der Gefühllosigkeit (vgl. Bräunig, 2010, S. 24 und Reynolds, 2012, S. 45). Depressive Personen geben häufig Gedankenkreisen an. Also ständiges Grübeln über die gleichen negativen bzw. sorgenvollen Inhalte. Die Betroffenen klagen meist über extreme Müdigkeit, Erschöpfung und ein vermehrtes Schlafbedürfnis, wodurch es ihnen schwer fällt, morgens aus dem Bett zu kommen. Ebenfalls treten Ein- und Durchschlafstörungen auf, welche ebenfalls zu körperlichen Unbehagen und Kraftlosigkeit führen (vgl. Bäunig, 2010, S. 24).
Ebenso wie bei der Manie treten auch bei der Depression Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen auf. Auch die Merkfähigkeit ist herabgesetzt (vgl. Bräunig, 2010, S. 24 und Wagner, 2004, S. 173). Das Selbstwertgefühl, -vertrauen sowie - bewusstsein der Betroffenen ist sehr herabgesetzt. Oft schildern diese ein Gefühl der Wertlosigkeit und Schuldgefühle, auch verbunden mit Selbstvorwürfen, vor allem von Dingen, die sie in der Manie getan haben. Die Depression äußert sich besonders dadurch, dass die Betroffenen sehr auf Rückzug sind und kaum das Haus verlassen. Sie vermeiden Geselligkeit (vgl. Bräunig, 2010, S. 24 und Wagner, 2004, S. 172-174).
Oft kommt es in der depressiven Episode bei den Betroffenen auch zu vermindertem Appetit und dadurch zu einem deutlichen Gewichtsverlust (vgl. Wagner, 2004, S. 173).
Die Depression kann zu immer wiederkehrenden Gedanken an den Tod führen und auch zu Selbstverletzungen. Im schlimmsten Fall kommt es zur genauen Planung eines Suizids mit konkreten Vorstellungen und schlussendlich zu Suizidversuchen (vgl. Bräunig, 2010, S. 34 und Wagner, 2004, S. 173-174). Aufgrund der belastenden Stimmungsschwankungen ist die Selbstmordrate bei bipolar erkrankten Menschen deutlich erhöht. Ungefähr bei der Hälfte aller Betroffenen treten im Laufe der Erkrankung Suizidversuche auf und 15% der Betroffenen sterben an Suizid (vgl. Bräunig, 2010, S. 34 und vgl. Wagner, 2004, S. 178).
Mögliche Pflegediagnosen nach POP, welche bei Menschen in einer depressiven Episode gestellt werden können, sind: „Suizid, Risiko", „Selbstwertschätzung, gering", „Wohlbefinden, beeinträchtigt", „Hoffnungslosigkeit", „Energie/Kraft, beeinträchtigt", „Soziale Teilhabe, beeinträchtigt" (vgl. Stefan, 2013, S. 452, 618, 634, 660, 227, 418).
Bei der Behandlung von bipolar affektiven Erkrankungen kommen verschiedene psychotherapeutische Verfahren zum Einsatz. Psychoedukation sollte jede/r bipolare Patient/in erhalten. Sie stellt eine wichtige Methode dar, durch welche bessere Behandlungsergebnisse erreicht werden können (vgl. Fink, 2010, S.148 und vgl. Bräunig, 2010, S. 110).
„Psychotherapie ist der Oberbegriff für die Behandlung psychisch beeinträchtigter Menschen mit psychologischen Methoden. Psychoedukation ist eine psychotherapeutische Methode und ein wichtiger Bestandteil der kognitiven Verhaltenstherapie." (Wagner, 2004, S. 155). Mit „Edukation" wird eine strukturierte Schulung des/der Patient/in in Bezug auf seine psychische Erkrankung beschrieben (vgl. Wagner, 2004, S. 156). Der Begriff „Edukation" ist abgeleitet von dem lateinischen Wort „educere", das wörtlich übersetzt „herausführen" heißt und bedeutet, dass Patient/innen und Angehörige aus dem Zustand der Unwissenheit herausgeführt werden sollen (vgl. Seidenstricker, 2008, S. 57).
„Psychoedukation bedeutet Information und Aufklärung der Betroffenen (und ggf. ihrer Angehörigen) über ihre Erkrankung, deren Ursachen, Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten." (Hautzinger, S.42, 2011 und vgl. Bräunig, 2010, S. 110-111). Edukation heißt Unterricht bzw. Schulung. Die Vermittlung der Informationen soll den bipolar erkrankten Menschen befähigen, bewusster und selbstverantwortlich mit seiner Erkrankung umzugehen (vgl. Bräunig, 2010, S, 111).
Schwerpunkte der Psychoedukation sind die Vermittlung von Informationen über die Erkrankungen und ihre Behandlung und die Erarbeitung von Bewältigungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Rückfällen (vgl. Wagner, 2004. S 155). Ziel der Psychoedukation ist es, das Verhalten der Betroffenen so zu ändern, dass ihre Gesundheit gefördert und Belastungen eigenverantwortlich bewältigt werden können (vgl. Wagner, 2004. S 156).
Psychoedukation zählt für psychiatrische Pflegepersonen als selbstverständlicher Bestandteil zu ihrer täglichen Arbeit mit den Betroffenen. Viele Bereiche der Wissensvermittlung durch Psychoedukation lassen sich vollständig in den pflegerischen Alltag integrieren und finden in partnerschaftlichen Dialogen während den Pflegehandlungen statt. Im täglichen Umgang mit den Betroffenen haben die Pflegepersonen die beste Möglichkeit die Betroffenen zu schulen, damit diese besser mit ihrer Erkrankung leben und umgehen können (vgl. Mattenklotz, 2005, S. 89-91).
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