Bachelorarbeit, 2017
46 Seiten, Note: 1,0
1 Einleitung
2 Kraft und Krafttraining
2.1 Terminologische Abgrenzung des Kraftbegriffs
2.2 Muskuläre Kontraktionsformen
2.3 Muskelfasertypen
2.4 Erscheinungsformen der Kraft
2.4.1 Maximalkraft
2.4.2 Schnellkraft
2.4.3 Reaktivkraft
2.4.4 Kraftausdauer
2.5 Terminologische Abgrenzung des Krafttrainingsbegriffs
2.6 Belastungsnormative beim Krafttraining
2.6.1 Trainingshäufigkeit
2.6.2 Belastungsumfang
2.6.3 Belastungsintensität
2.6.4 Belastungsdauer
2.6.5 Belastungsdichte
2.6.6 Erweiterte Belastungsnormative
2.7 Allgemeine Effekte und Ziele des Krafttrainings
3 Krafttraining für Senioren
3.1 Training im Alter
3.2 Kraftverlust im Alter
3.2.1 Ursachen des Kraftverlustes im Alter
3.3 Stellenwert des Krafttrainings im Alter
4 Suchmethode und Suchstring
5 Material und Methoden der relevanten Studien
6 Ergebnisse der ausgewählten Studien
6.1 Ergebnisse: Krafttraining für Senioren
7 Diskussion der Ergebnisse
7.1 Diskussion: Kraftsport für Senioren
8 Schlussfolgerungen zum Krafttraining für Senioren
Literaturverzeichnis
Abbildung 1: Strukturierung der Kraft nach den Kontraktionsformen (Boeckh- Behrens, Buskies, 2000, S. 21)
Abbildung 2: Graphische Darstellung der Abhängigkeit zwischen Lastgröße und Wiederholungszahl (Weineck, 2010, S. 380, in Anlehnung an Zaciorskij et al., in Matwejew, 1981)
Abbildung 3: Schematische Darstellung eines Kraft-Zeit-Verlaufs der Maximal- und Explosivkraft ab dem 65. Lebensjahr (Zahner et al., 2014, S. 24, in Skelton et al., 1994)
Abbildung 4: Vorgehensweise bei der Studienselektion
Abbildung 5: Effects of heavy-resistance strength and balance training on unilateral and bilateral leg strength performance in old adults (Beurskens et al., 2015, S. 7)
Abbildung 6: Pre-post change scores [means (SD)] with ANCOVA between groups for beam balancing (6 cm, upper panel; 4,5 cm mid-panel) and functional reach testing (lower panel). 0.05 < P < 0.10 (*), P < 0.05* (Donath et al., 2014, S. e97)
Abbildung 7: Maximal training load of the squat movement during the last training block. Note: Error bars indicate the standard deviation of the mean training load; * indicates a significant difference (p <.05), ** indicates a highly significant difference (p <.001); Cohen’s d values <.49 indicate small, .50 < d <.79 medium and <.80 large effects (Eckardt, 2016, S. 11)
Abbildung 8: Training-related performance changes on maximal isometric leg extension strength from pre to post testing. Note: Error bars indicate the standard deviation of the mean training load; * indicates a significant difference (p < .05), ** indicates a highly significant difference (p <.001); Cohen’s d values <.49 indicate small, .50 < d <.79 medium and <.80 large effects (Eckardt, 2016, S. 11)
Abbildung 9: Training-related performance changes in the chair rise (stable) test from pre to post testing. Note: Error bars indicate the standard deviation of the mean training load; * indicates a significant difference (p < .05), ** indicates a highly significant difference (p <.001); Cohen’s d values <.49 indicate small, .50 < d <.79 medium and <.80 large effects (Eckardt, 2016, S. 11)
Tabelle 1: Literaturübersicht zu Studien von Krafttraining für Senioren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der biologische Alterungsprozess eines Menschen bringt große physische Veränderungen mit sich, von denen niemand verschont bleibt.
Altwerden assoziieren wir mit Gebrechlichkeit, langsamen Reaktionen und Schwäche. In diesem Zusammenhang wird häufig von einem Verlust an Lebensqualität gesprochen, da Bewegungen - durch beispielsweise einer Abnahme von Muskelfasern oder ein Verschleiß der Knochen und Bänder - eingeschränkt sind. Die Abnahme der neuromuskulären Leistungsfähigkeit führt zu einer größer werdenden Pflegebedürftigkeit älterer Menschen (vgl. Zahner et al., 2014, S. 23).
Doch die Medizin entwickelt sich kontinuierlich weiter mit dem Ziel Krankheiten und Einschränkungen von älteren Personen zu minimieren. Die daraus resultierende ansteigende Lebenserwartung führt zu soziodemographischen Veränderungen. Eine voranschreitende Überalterung der Gesellschaft wird festgestellt (vgl. ebd., S. 24), zusätzlich bedingt durch den Rückgang der Geburtenrate (vgl. Granacher et al., 2010, S. 31). Das Durchschnittsalter hat sich seit den letzten fünfzig Jahren in der Europäischen Union stetig erhöht. 2011 wurde davon gesprochen, dass in 30 Jahren die deutsche Bevölkerungsquote der 60-Jährigen auf rund 40% und die der 80-Jährigen auf ungefähr 10-15% steigen werde. Dem Aufrechterhalten von Autonomie und Mobilität im Alter kommt aus diesem Grund immer mehr Relevanz zu (vgl. Mayer et al., 2011, S. 359).
Verbunden mit der Überalterung der Gesellschaft sind die immer höheren Kosten für das Gesundheitssystem (vgl. Zahner et al., 2014, S. 23).
Der Alterungsprozess spielt eine immer größere Rolle in unserer Gesellschaft, weshalb es von Bedeutsamkeit ist, sich mit den verbundenen Konsequenzen auseinanderzusetzen. Im Alter kommt es zu einem stetigen Kraftverlust, dem es entgegenzuwirken gilt. Ältere Menschen treiben weniger oft Sport als junge Menschen, wodurch die Körperfettmasse zunimmt und die Muskelmasse abnimmt (vgl. Bilz, 2010, S. 69). Die Muskulatur stabilisiert u.a. Gelenke und Knochen, doch durch die Atrophie der Muskulatur im Altersgang kann der passive Bewegungsapparat nicht mehr vollständig von den Muskeln gestützt werden. Der Verlust an Kraft beeinträchtigt die statische und dynamische Haltungskontrolle, wodurch eine erhöhte Sturzgefahr besteht (vgl. ebd., S. 24). Stürze bei älteren Personen können gravierende Folgen mit sich bringen, wie bspw. Knochenbrüche. Deshalb ist gerade im Alter die körperliche Aktivität unabdingbar, um Muskeln aufzubauen, den passiven Bewegungsapparat zu stärken und somit Stürze vorzubeugen. Alltagsaktivitäten wie z.B. das Heben einer Kiste Wasser oder das Treppensteigen erfordern ein gewisses Maß an Kraft und motorischer Leistungsfähigkeit.
Das Ziel ist es somit mangelnde Bewegung im Alter entgegenzuwirken, damit die Autonomie und Mobilität im Alltag aufrechterhalten werden kann. Als eine essentielle Größe zur Vorbeugung des altersbedingten Kraftverlustes wird das Krafttraining im Alter betrachtet.
„Krafttraining wirkt in jedem Alter! [...] Es darf nicht länger abgewartet werden - die unbestritten hohe gesundheitliche Wirkung von gezielten Krafttrainingsmaßnahmen beim älteren Menschen rechtfertigt eine breitflächige Propagierung von Trainingsmaßnahmen in der Bevölkerung“ (Zah- ner et al., 2010, S. 5).
Aus diesem Hintergrund ist es mir ein Anliegen, mich intensiver und detaillierter mit diesem Thema auseinanderzusetzen, da die körperlichen Veränderungen im Alter früher oder später jeden betreffen werden. Im Rahmen des Seminars „Krafttraining für unterschiedliche Zielgruppen“ habe ich bereits einen Einblick in das Krafttraining für Senioren und Seniorinnen1 (ab einem Alter von 60 Jahren) erhalten. Als bedeutsam erachte ich, die Effekte unterschiedlicher Krafttrainingsmethoden auf die verschiedenen Kraftarten zu betrachten.
In dieser Arbeit wird zunächst die Terminologie von Kraft und das Krafttraining näher erläutert und nachfolgend das Krafttraining im Alter behandelt. Anschließend wird eine Literaturstudie zum Thema „Krafttraining für Senioren“ ausgearbeitet. Dazu wird eine selektive Suchrecherche in einer medizinischen Datenbank durchgeführt, um die neuesten Studien zu diesem Thema darlegen zu können. Die relevanten Studien werden zusammengefasst, analysiert und die Ergebnisse im Anschluss diskutiert. Ziel der Arbeit ist es auf Basis bestehender neuer Studien aufzuzeigen, welche Krafttrainingsmethoden bei Senioren zu einer Verbesserung der Mobilität führen.
Die Geschlechter werden dabei nicht separat betrachtet, da dies über den Rahmen der vorliegenden Arbeit hinausgehen würde.
Bevor auf das Krafttraining näher eingegangen werden kann, bedarf es zunächst einer terminologischen Abgrenzung des Begriffs „Kraft“. Da es unterschiedliche Betrachtungsweisen von Kraft gibt, ist eine allgemeingültige Definition von Kraft kaum möglich. Der Begriff kann zu Missverständnissen führen.
„Die Formulierung einer präzisen Definition von 'Kraft' [...] bereitet [...] erhebliche Schwierigkeiten, da die Arten der Kraft [...] außerordentlich vielfältig sind und von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden“ (Weineck, 2010, S. 371).
In der Physik spricht Newton von der physikalischen Kraft, die als Ursache für eine Verformung oder einer Beschleunigung bzw. Verzögerung der Bewegung eines Körpers verstanden wird (vgl. (Hottenrott & Neumann, 2010, S. 154). Biologisch wird die Kraft durch die physiologische Wirkung des Muskels beschrieben. Dabei gibt es die konzentrische (überwindende), exzentrische (entgegenwirkende) und isometrische (haltende) Kontraktionsform. Toigo (2015, S. 6) spricht von den gleichen Kontraktionsformen, betitelt sie aber als miometrisch, pliometrisch und isometrisch. Im folgenden Kapitel der Arbeit wird auf die unterschiedlichen Formen der Kontraktion näher eingegangen. Die physikalische wie auch die biologische Definition von Kraft sind für das Verständnis der nachfolgenden Begriffserklärung des Krafttrainings fundamental (vgl. Ehlenz, Grosser & Zimmermann, 2003, S. 10 f.).
Ein Definitionsversuch von Olivier, Marschall und Büsch (2008, S. 93) lautet wie folgt: „Kraft ist eine einfache trainierbare Einflussgröße sportlicher Leistungen. Sie beschreibt den Teilaspekt der sportlichen Leistungsfähigkeit, sportliche Bewegungen gegen höhere Widerstände ausführen zu können“. Von Kraftanforderungen wird gesprochen, wenn mehr als 30% der individuellen Maximalkraft eingesetzt werden (vgl. Thienes, 1998, S. 19). Dies kann im Alltag beispielsweise das Treppensteigen oder das Heben von schweren Getränkekisten sein. Dabei werden innere und äußere Kräfte voneinander differenziert. Die innere Kraft tritt beispielsweise zwischen Knochen und Muskeln auf, da der Muskel Kräfte auf den Knochen überträgt. Es handelt sich also um Kräfte, die innerhalb des menschlichen Körpers wirken. Die äußeren Kräfte hingegen treten zwischen dem Menschen und der Umwelt auf. Sie wirken demnach von außen auf den Körper ein. Diese Art von Kräften können zum Beispiel Widerstandskräfte oder bei körperbetonten Spielsportarten die Kräfte des Gegenspielers sein (vgl. Olivier et al., 2008, S. 93).
„Alle körperlichen Tätigkeiten des Menschen sind ohne Kraft undenkbar. Insbesondere können sportliche Leistungen nur mit einem bestimmten Einsatz an motorischer Kraft verwirklicht werden“ (Ehlenz et al., 2003, S. 10). Die Kraft stellt demnach eine essentielle Größe eines jeden Menschen zur Bewältigung des alltäglichen Lebens dar.
Die Kontraktionsformen der Muskulatur werden in statische (isometrische) und dynamische Arbeitsweisen unterteilt. Die dynamische Kontraktionsform kann weiter in konzentrisch, exzentrisch und exzentrisch-konzentrisch differenziert werden (vgl. Boeckh-Behrens, Buskies & Beier, 2014, S. 21). Wie zuvor angeführt bezeichnet Toigo (2015, S. 6) die dynamischen Kontraktionsformen als miometrisch und plio- metrisch. Im weiteren Vorgehen werden diese Begrifflichkeiten jedoch nicht berücksichtigt. Bei der statischen Muskelarbeitsweise verändert sich die Länge des Muskels nicht, aber es kommt zu einer Muskelspannungsänderung (vgl. Hottenrott & Neumann, 2010, S. 155). Divergent verhält es sich mit den dynamischen Arbeitsweisen. Hierbei findet eine Muskellängenänderung statt. Bei der dynamisch konzentrischen Kontraktionsform nähern sich Ansatz und Ursprung des Muskels an, wodurch der Muskel verkürzt wird. Ein Beispiel hierfür ist das Nach-oben-Führen einer Kurzhantel beim Bizepscurl. In Opposition dazu steht die dynamisch exzentrische Kontraktionsform, bei der sich Ursprung und Ansatz des Muskels voneinander entfernen. Es kommt zu einer Dehnung der Muskulatur, wie beispielsweise beim Nach-unten- Führen der Kurzhantel. Eine Kombination aus den beiden zuletzt genannten Aktionsformen stellt die dynamisch exzentrisch-konzentrische Arbeitsweise, auch Deh- nungs-Verkürzungs-Zyklus genannt, dar. Durch die exzentrische und nachfolgend konzentrische Kontraktionsform wird der Muskel zuerst gedehnt und unmittelbar danach verkürzt. Ein Beispiel für diese Arbeitsweise der Muskulatur ist das Bankdrücken in Folge. Beim Senken des Gewichts arbeitet die Muskulatur exzentrisch und beim Stoßen konzentrisch (vgl. Boeckh-Behrens et al., 2014, S. 21 ff.). In der folgenden Abbildung werden die Kontraktionsformen noch einmal übersichtlich dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Strukturierung der Kraft nach den Kontraktionsformen (Boeckh-Behrens, Buskies, 2000, S. 21).
Eine Muskelzelle besteht aus verschiedenen Muskelfasertypen. Durch eine starke Simplifizierung kann man von zwei verschiedenen Fasertypen sprechen: den „weißen“ Fast-Twitch(FT)-Fasern und den „roten“ Slow-Twitch(ST)-Fasern. Die FT-Fa- sern sind die schnell kontrahierenden Fasern, die überwiegend bei kräftigen und schnellkräftigen Kontraktionen wirken (vgl. Weineck, 2010, S. 140 ff.). Sie sind schneller ermüdbar als die langsam kontrahierenden ST-Fasern, die bei ausdauernder Muskelarbeit mit geringer Kontraktionsgeschwindigkeit in Aktion treten (vgl. Boeckh-Behrens et al., 2014, S. 24 f.). Die Verteilung der verschiedenen Muskelfasertypen innerhalb eines Muskels ist bei jedem Menschen genetisch determiniert. Aus diesem Grund kann man auch von einem „geborenen“ Sprinter sprechen, der durch seinen prozentual höheren Anteil an FT-Fasern für schnellkräftige Muskelarbeit prädestiniert ist. Demzufolge wirkt sich ein Training jeweils unterschiedlich auf den einzelnen Athleten aus. Zudem lassen sich die FT- und ST-Fasern nur sehr schwer umwandeln. Im Ausdauersport können sich die FT-Fasern lediglich unter extremsten Bedingungen in ST-Fasern verändern (vgl. Weineck, 2010, S. 145). Eine Umwandlung von ST- in FT-Fasern ist nach Freiwald und Greiwing (2016, S. 146) besonders während der Alterung und der Immobilisation durch Training möglich.
Wie bereits erwähnt, gibt es unterschiedliche Kraftfähigkeiten, „die sich hinsichtlich Krafthöhe und Zeitdauer der eingesetzten Kraft entsprechender energetischer und funktioneller Bedingungen unterscheiden [...]“ (Ehlenz et al., 2003, S. 66). Die Erscheinungsformen der Kraft sollen im Folgenden jeweils näher betrachtet und erläutert werden, um diese im weiteren Vorgehen und in Bezug auf das Seniorenkrafttraining einordnen zu können.
Die Maximalkraft stellt die höchstmögliche Kontraktion dar, die das Nerv-Muskelsystem willkürlich gegen einen Widerstand aufbringen kann (vgl. Hottenrott & Neumann, 2010, S. 156). Sie kann statisch (isometrisch) wie auch dynamisch konzentrisch und dynamisch exzentrisch entwickelt werden.
Die isometrische Maximalkraft ist dabei die größte Kraft, die das neuromuskuläre System bei maximal willkürlicher Kontraktion (isometrische Muskelarbeit) entwickeln kann (vgl. Weineck, 2010, S. 373). Die konzentrische Maximalkraft (Einer-Maximum) beschreibt diejenige Kraft, die beim Überwinden des maximal möglichen Widerstandes vom neuro-tendo-muskulären System einmal aufgebracht werden kann. Im Gegensatz dazu kann die exzentrische Maximalkraft bei kurzzeitig exzentrischer Muskeldehnung verzeichnet werden. Sie wird auch als Absolutkraft betitelt (vgl. Hottenrott & Neumann, 2010, S. 157).
Die statische Kraft unterscheidet sich hinsichtlich ihrer Kraftwerte von den dynamisch erbrachten Maximalkräften. Maximal konzentrische Kraftwerte befinden sich unter den isometrisch möglich erreichbaren Werten. Die exzentrischen Maximalkräfte wiederum zeigen bis zu 45% höhere Werte als die isometrischen (vgl. Weineck, 2010, S. 372). Grund dafür ist u.a. der Dehnreflex, der eine erhöhte Innervationsaktivität und dadurch eine stärkere Muskelkontraktion erzielt (vgl. Ehlenz et al., 2003, S. 68).
Als Schnellkraft wird die Fähigkeit bezeichnet, in einer zur Verfügung stehenden Zeit einen möglichst großen Kraftstoß zu generieren (vgl. Boeckh-Behrens et al., 2014, S. 37). Je größer der Kraftanstieg in einer verfügbaren Zeit oder mit einer festgelegten Last ist, umso ausgeprägter ist die Schnellkraft. Sie ist genau wie die Maximalkraft abhängig u.a. vom Muskelquerschnitt, von der neuromuskulärer Koordination und von der Muskelfaserzusammensetzung (vgl. Olivier et al., 2008, S. 101).
Die Schnellkraftfähigkeit wird über die Start-, Explosiv- und Maximalkraft festgelegt. Die Startkraft bestimmt dabei die Kraftwerte zu Beginn der Kraftbewegung (vgl. Weineck, 2010, S. 374), die Explosivkraft kennzeichnet die Fähigkeit diesen Kraftanstieg maximal fortzuführen (vgl. Ehlenz et al., 2003, S. 70).
„Reaktivkraft ist jene Muskelleistung, die innerhalb eines Dehnungs-VerkürzungsZyklus einen erhöhten Kraftstoß generiert“ (Martin, Carl & Lehnertz, 1991). Der Deh- nungs-Verkürzungs-Zyklus stellt eine Kopplung aus exzentrischer und konzentrischer Muskelaktivität dar. Beim Abbremsen exzentrischer Bewegungen (z.B. Niedersprünge) muss Energie (Spannungsenergie) vom Muskel aufgebracht werden. Diese Energie wird gespeichert und fließt in die darauf folgende konzentrischen Phase mit ein, weshalb die Reaktivkraft größere Muskelkräfte verzeichnet als die Addition der konzentrischen und exzentrischen Kräfte (vgl. Olivier et al., 2008, S. 105).
Die Reaktivkraft ist abhängig von morphologisch-physiologischen Faktoren, dazu gehören beispielsweise körperliche Voraussetzungen (Größe, Gewicht) oder die genetisch bedingte Muskelfaserzusammensetzung. Außerdem steht sie in Abhängigkeit zu der inter- und intramuskulären Koordination und zu motivationalen Faktoren (vgl. Weineck, 2010, S. 378).
Reaktivkraft ist in einer Vielzahl sportlicher Bewegungen vonnöten. Große Bedeutung hat sie in Lauf- und Sprungdisziplinen (vgl. Hottenrott & Neumann, 2010, S. 159).
Die Kraftausdauer beschreibt die Fähigkeit des neuromuskulären Systems, eine hohe Kraftstoßsumme in einer definierten Zeit zu produzieren (vgl. Boeckh-Behrens et al., 2014, S. 36). Weineck (2010, S. 379) definiert die Kraftausdauerleistungsfähigkeit als Ermüdungswiderstandsfähigkeit gegenüber Belastungen, die größer als 30% der individuellen Maximalkraft sind. Für die Kraftausdauer ist zum einen die Größe des Einzelkraftstoßes entscheidend, zum anderen die Fähigkeit die Reduktion der Kraftstoßsumme bei fortschreitender Dauer gering zu halten. Diese Fähigkeit ist abhängig vom neuronalen Antrieb und der intramuskulären Pufferkapazität. Die Kraftausdauer ist demnach durch die Maximalkraft und der Ermüdungswiderstandsfähigkeit bestimmt (vgl. Weineck, 2010, S. 379 f.). Wie Abbildung 2 verdeutlicht, reduziert sich die Anzahl der Wiederholungen bei Erhöhung der Lastgröße.
Abbildung 2: Graphische Darstellung der Abhängigkeit zwischen Lastgröße und Wiederholungszahl (Weineck, 2010, S. 380, in Anlehnung an Zaciorskij et al., in Matwejew, 1981).
Die Begriffsbestimmung von Krafttraining bereitet ähnlich wie die die terminologische Abgrenzung des Kraftbegriffs (siehe Kapitel 2.1) enorme Probleme, da es keine allgemeingültige Definition des Krafttrainingsbegriffs gibt. Bevor jedoch näher auf die einzelnen Dimensionen von Krafttraining, die Adaptionen und das Krafttraining für Senioren eingegangen werden kann, ist eine Eingrenzung des Krafttrainingsbegriffs unabdingbar.
Fröhlich, Gießing und Strack (2011, S. 19 f.) beschreiben Krafttraining als ein Kollek- tivum, das die Optimierung der motorischen Kraftfähigkeit zum Ziel hat. Dazu gehören die Verbesserung verschiedener Krafttrainingsarten, wie beispielsweise des Maximalkraft- oder Schnellkrafttrainings. Zudem kann ein Krafttraining auf unterschiedliche Ergebnisse abzielen, z.B. auf die Muskelhypertrophie, also die Muskelquerschnittsvergrößerung oder auf die Kraftausdauer. Ein Krafttraining muss also je nach Zielsetzung, Inhalt und Mittel analysiert und differenziert werden. Demnach kann man nicht von dem einen Krafttraining sprechen. Da die Erscheinungsformen der Kraft sehr vielfältig sind, kann Krafttraining nur in Bezug zu seinen verschiedenen Manifestationsformen - Maximalkraft, Schnellkraft, Reaktivkraft und Kraftausdauer - beschrieben werden (vgl. Weineck, 2010, S. 371).
Ein Krafttraining erfordert außerdem Belastungsnormative, die als Beschreibungsgrößen speziell für das Training bzw. für die Trainingssteuerung definiert werden. Zu den Belastungsnormativen zählen u.a. die Trainingshäufigkeit, der Belastungsumfang und die Belastungsintensität. Mit Hilfe von diesen Komponenten kann exakt festgelegt werden, wie genau und wann trainiert werden muss, um das gesetzte Trainingsziel zu realisieren. Im folgenden Kapitel werden die Belastungsnormative näher beschrieben.
Die Belastungsnormative, auch Belastungskomponenten genannt, beschreiben die Belastungsgrößen eines Trainings. Anhand dieser kann unter anderem bestimmt werden, wie lange, wie intensiv und wie oft Trainingsinhalte ausgeführt werden sollten. Zu den Belastungsnormativen des Krafttrainings gehören die Trainingshäufigkeit, der Belastungsumfang, die Belastungsintensität, die Belastungsdauer und die Belastungsdichte (vgl. Boeckh-Behrens et al., 2014, S. 31). „Optimale Anpassungsvorgänge werden nur dann ausgelöst, wenn die Einzelkomponenten der Belastungsanforderung (Trainingsbelastung) richtig dosiert werden“ (Bachl, 1986, S. 358).
Die Trainingshäufigkeit gibt die Anzahl der Trainingseinheiten, meist pro Woche, an (vgl. Steinhöfer, 2003, S. 58). Die Häufigkeit des Trainings ist je nach Zielsetzung und Trainingszustand unterschiedlich. Bei untrainierten Personen stellt man bereits bei einem Krafttraining, welches einmal die Woche realisiert wird, Leistungsverbesserungen fest (vgl. Boeckh-Behrens et al., 2014, S. 34).
„Der Reizumfang2 stellt die Summe der in einem Training gesetzten Reize dar“ (Weineck, 2010, S.40). Er setzt sich aus der Gesamtmenge aller Übungen pro Trainingseinheit (vgl. Steinhöfer, 2003, S. 58), der Anzahl der Serien pro Übung und der Anzahl der Wiederholungen pro Übung zusammen (vgl. Hottenrott & Neumann, 2010, S. 168).
Die Belastungsintensität spielt laut Martin et. al (1991, S. 126 f.) eine der wichtigsten Rollen im Krafttraining. Jedoch ist es schwierig diese festzulegen, da die Bemessungsgrundlagen je nach Zielsetzung zu unterscheiden sind. „Die Belastungsintensität wird durch den Anstrengungsgrad und die Art und Weise der Übungsausführung bestimmt“ (Hottenrott & Neumann, 2010, S. 168). Als Referenzgröße wird der Prozentsatz der isometrischen und/oder dynamischen Maximalkraft bzw. das subjektive Belastungsempfinden angegeben (vgl. Fröhlich et al., 2011, S. 19). Mit diesem Belastungsempfinden ist das subjektive Empfinden des Anstrengungsgrades auf einen Reiz gemeint. Um die subjektiven Belastungsgrößen zu erfassen, werden in der Praxis Rangskalen (vgl. Buskies, 1999, S. 13), wie z.B. die Borg-Skala, verwendet (vgl. ebd., S.17).
Nach Zaciorskij & Kraemer (2008, S. 97) kann die Erfassung der Belastungsintensität (oder Trainingsintensität) auf vier unterschiedlichen Wege erfolgen:
- durch die Größe des Widerstandes bezüglich der Bestleistung (prozentual auf die Maximalkraft) bei einer Bewegungsausführung
- durch die Wiederholungszahl einer Serie
- durch den Anteil der Wiederholungen (oder das prozentuale Verhältnis) mit maximalem Widerstand
- durch die Trainingsdichte
Die Belastungsdauer „kennzeichnet die Zeit, in der ein einzelner Trainingsinhalt oder eine Serie von Trainingsübungen auf den Organismus einwirkt“ (Letzelter, H. & Letzelter, M., 1986, S. 213). Wenn ein mittlerer Trainingsreiz über eine längere Zeitspanne auf einen Muskel einwirkt, dann erfolgt eine Hypertrophie dieses Muskels. Ist dieser Reiz aber nur von kurzer Dauer, wird die Schnelligkeit verbessert und es kommt nicht zu einer Muskelquerschnittsvergrößerung (vgl. Weineck, 2010, S. 40).
Die Belastungsdichte beschreibt das Verhältnis von Belastung und Pause (vgl. Hottenrott & Neumann, 2010, S. 168).
Nach Martin et al. (1991, S. 92) ergibt sich die Belastungsdichte aus der Belastungsdauer und der Erholung bzw. Pause (in Sekunden oder Minuten) zwischen den Sätzen oder den Wiederholungen. Demnach ist die Belastungsdichte bei kürzeren Pausen höher als bei langen Pausen, da die Belastungen dicht aufeinander folgen. Je nach Zielsetzung fällt die Pause länger oder kürzer aus. (vgl. Letzelter & Letzelter, 1986, S. 216).
Neben den fünf aufgeführten traditionellen Belastungsnormativen gibt es nach Freiwald und Greiwing (2016, S. 283 f.) weitere wichtige, bisher weniger berücksichtigte Belastungsnormative für ein fitnessorientiertes Krafttraining. Dazu gehört die Belastungsgeschwindigkeit. Der Widerstand ist durch die Geschwindigkeit mit der man eine Bewegung ausführt, veränderbar. Bei schneller Bewegungsausführung ist der Widerstand kleiner als bei langsamerer Ausführung (Isokinetik). Dabei sind besonders die Umkehrpunkte der Bewegungen zu beachten damit Über- und Fehlbelastungen auf den passiven Bewegungsapparat vermieden werden (vgl. Freiwald & Greiwing, 2016, S. 289). Im Leistungs- und Hochleistungssport ist die Belastungsgeschwindigkeit von großer Bedeutung, „da u.a. die Belastungsgeschwindigkeit für spezifische neuromuskuläre Anpassungen bedeutsam ist“ (Freiwald & Greiwing, 2016, S. 289).
Die Belastungsart als eine weitere Normative beschreibt die Auswahl der Muskelaktionsformen in Bezug auf das Trainingsziel und die Belastbarkeit des Sportlers. Im Fitness- und Freizeitsport beispielsweise liegt das Hauptaugenmerk auf Bewegungen, die langsam und gleichmäßig an den Geräten mit konzentrischer und exzentrischer Muskelarbeit durchgeführt werden (vgl. Freiwald & Greiwing, 2016, S. 288 f.). Berücksichtigt werden sollten außerdem die Bewegungsumkehrpunkte. Schnell ausgeführte Bewegungen während der Bewegungsumkehrpunkte haben Einfluss auf die Adaptionen des Bindegewebes und der Muskulatur und besonders auf „die biomechanische Belastung des aktiven und passiven Bewegungsapparates“ (ebd., S. 293). Überdies zählen Freiwald & Greiwing die Bewegungsausführung zu den Belastungsnormativen. Diese beschreibt die Gelenkwinkel, in denen das Krafttraining durchgeführt wird und richtet sich auf die Bewegungsqualität sowie Griff- und Standweiten (vgl. ebd., S. 289). Außerdem beziehen sich Freiwald & Greiwing auf die Kraftanstiegssteilheit. Dabei kann zwischen Fitness- und Leistungssportler unterschieden werden. Während im Fitnesssport der Krafteinsatz langsam erfolgen sollte und dementsprechend auch die Kraftanstiegssteilheit gering gehalten wird, ist im Leistungssport die Kraftanstiegssteilheit von besonderer Bedeutung, da sie u.a. neuromuskuläre Anpassungen bedingt (vgl. ebd., S. 290).
Die Belastungsfrequenz bezieht sich auf „die Anzahl der Trainingseinheiten pro Woche“ (vgl. ebd., S. 291).
Des Weiteren nennen Freiwald & Greiwing das Abbruchkriterium als weitere Normative. Abbruchkriterien können z.B. der Technikverlust oder das Nichterreichen des vorher festgelegten Bewegungsumfangs sein.
Als letzte Belastungsnormative wird die Regenerationszeit aufgeführt. Je nach Trainingszustand und -ziel muss eine Pause zwischen den einzelnen Trainingseinheiten erfolgen, damit sich Muskulatur und Bindegewebe regenerieren können (vgl. ebd., S. 294).
Die zuletzt aufgeführten neuen Belastungsnormative bleiben in dem nachfolgenden „Review“ unberücksichtigt, da sie erst seit dem Jahr 2016 in der Literatur veröffentlicht und zu den Normativen gezählt wurden.
Mit einem Krafttraining können die unterschiedlichsten Ziele angestrebt werden.
Im folgenden Kapitel sollen allgemeine Zielsetzungen und die Effekte näher dargestellt werden, bevor die spezifischen Ziele des Krafttrainings im höheren Alter detailliert betrachtet werden.
Es kann bezüglich der Effekte des Krafttrainings zwischen metabolischen, neuronalen und morphologischen Adaptationen differenziert werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Organismus je nach Krafttrainingsmethode unterschiedlich adaptiert.
Mit metabolischer Adaptation ist der verbesserte anaerobe Stoffwechsel gemeint. Bei den neuronalen Anpassungen handelt es sich um eine Optimierung der neuromuskulären Koordination (vgl. Olivier et al., 2008, S. 115). Hierbei sind die intramuskuläre und intermuskuläre Koordination von Bedeutung. Die intramuskuläre Koordination betrifft den einzelnen Muskel. Das bedeutet, je mehr motorische Einheiten zeitgleich innerviert werden können, desto größer ist die Kraftentwicklung des Muskels (verbesserte Rekrutierung). Die intermuskuläre Koordination bezieht sich auf ein besseres Zusammenspiel der verschiedenen Muskeln, die an einer Bewegung beteiligt sind. Gezielte Innervation der Muskeln und die Optimierung der Zusammenarbeit von Agonist und Antagonist ökonomisieren die Bewegung (vgl. Weineck, 2010 S. 166). Daneben wird „die nervöse Ansteuerung verändert, was wiederum die Voraussetzung zur Anpassung der Muskelfasern durch Veränderung der kontraktilen und metabolischen Eigenschaften der Muskulatur darstellt“ (Freiwald & Greiwing, 2016, S. 146).
Zu den morphologischen Anpassungen gehört die Vergrößerung des physiologischen Muskelquerschnitts (Muskelhypertrophie). Der Kraftzuwachs eines Muskels kann neben den metabolischen und neuronalen Faktoren aus der Hypertrophie resultieren (vgl. Olivier et al., 2008, S. 115). Durch ein Hypertrophietraining werden alle Muskelfasertypen hypertrophiert, vor allem aber die schnellkräftigen Muskelfasern (vgl. Freiwald & Greiwing, 2016, S. 145).
Des Weiteren wirkt sich Krafttraining positiv auf die Beweglichkeit aus und versteht sich gleichzeitig auch als eine Dehnmethode (vgl. Freiwald, 2009, S. 58). Das Krafttraining tritt immer häufiger im Gesundheitssport auf. Die Ziele präventiver Art können eine Stabilisierung des passiven Bewegungsapparates und damit stabilere und belastbarere Sehnen, Bänder, Knorpel und Knochen sein (morphologische Anpassungen). Darüber hinaus dient Präventionssport zum Erhalt (besonders im Alter) und zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit (vgl. Boeckh-Behrens et al., 2014, S.10). Das impliziert beispielsweise auch die Sturzprophylaxe und die Osteoporoseprävention (vgl. Weineck, 2010, S. 1020). In bestimmten Sportarten fungiert das Krafttraining auch zum Ausgleich eines zu einseitigen Trainings. Außerdem ist das Krafttraining im Rehabilitationsbereich oft fester Bestandteil der Therapie. Nach Verletzungen und/oder Operationen wird der Heilungsprozess durch Muskelaufbautraining begünstigt (vgl. Boeckh-Behrens et al., 2014, S.10). Zusätzlich wird im Breitensport das Krafttraining oftmals unter ästhetischen Aspekten durchgeführt. Unter dem Gesichtspunkt der Körperstärkung oder um entweder bei Übergewicht den Körperfettanteil zu reduzieren oder bei Untergewicht das Körpergewicht durch Muskelzuwachs zu erhöhen, wird Krafttraining verstärkt eingesetzt (vgl. Ehlenz et al., 2003, S.8). Nennenswert sind diesbezüglich außerdem die daraus resultierenden psychischen Effekte. Das Training kann zu einer Steigerung des Selbstwertgefühls und zu einer Verbesserung des Körperbewusstseins und des Wohlbefindens führen (vgl. Boeckh- Behrens et al., 2014, S.10). In vielen Sportdisziplinen wird Muskelkraft benötigt und ist als Fundament unverzichtbar. Doch auch für Alltagsbewegungen (z.B. Gehen, Laufen) ist der Mensch auf die Muskelkraft angewiesen (vgl. Steinhöfer, 2003, S.67).
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