Bachelorarbeit, 2020
57 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2. Theoretischer Rahmen & Forschungsstand zu Attraktivitätsfaktoren von Sportübertragungen
2.1 Die reziproke Wirkung von TV-Zuschauern und Stadionbesuchern
2.2 Weitere Einflussfaktoren
3. Methodik & Qualitative Untersuchung
3.1 Qualitative Sozialforschung
3.2 Datenerhebung mittels qualitativer Interviews
3.3 Herleitung des Kategoriensystems
3.4 Ablauf der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring
4. Ergebnisse
4.1 Konsumfaktoren
4.2 Technische Faktoren
4.3 Äußere Faktoren
4.4 Spielentstehende Faktoren
4.5 Stadionfaktoren
4.6 Ressourcenersparnis
4.7 Weitere Faktoren
5. Diskussion
6. Ausblick
7. Literaturverzeichnis
8. Anhang
The following bachelor thesis includes a broad thematic study which aims to identify attractiveness factors of sports broadcasts. As part of a qualitative survey five sports fans were questioned. The interviews were evaluated according to the standards of the qualitative content analysis by Mayring. The study identified several attractiveness factors of sports broadcasts. Particularly topical are the findings concerning technical factors and stadium factors which may influence the attractiveness of a sports broadcast. The study can be used as a basis for further research in the field of the attractiveness of sports broadcasts.
Vergleicht man die Zahl der möglichen Rezipienten des Produktes Live-Sport im Stadion mit der Zahl der möglichen Rezipienten im TV, verdeutlicht dies die Übermacht, die das Medium Fernsehen in Bezug auf die Erreichbarkeit potenzieller Anhänger und Kunden in den vergangenen Jahrzehnten gewonnen hat. 81.000 Plätze im größten Stadion Deutschlands, dem Signal Iduna Park in Dortmund (Zeppenfeld, 2020) stehen 38,49 Millionen TV Haushalten (Haushalte mit mindestens einem Fernsehgerät in Deutschland) gegenüber (Tenzer, 2019). Konnten Sportinteressierte das sportliche Geschehen bis vor einigen Jahren fast ausschließlich durch die Teilnahme am Live-Event in Form eines Stadionbesuchs verfolgen, ist es heute nahezu standortunabhängig möglich international ausgestrahlte Übertragungen von Sportveranstaltungen zu empfangen. Trotzdem bringen sowohl der Besuch des Live-Events im Stadion als auch der Konsum von Sportübertragungen individuelle Vor- und Nachteile mit sich (Carauta & Ayrosa, 2008).
Der passive Konsum des Zuschauersports hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer gesellschaftlich weit verbreiteten Freizeitaktivität entwickelt, die das Potenzial hat, individuelle Motive und Bedürfnisse, wie etwa das Motiv der Flucht aus dem Alltag (engl.: escape), zu befriedigen (Trail & James, 2001). Gleichzeitig haben sich hochqualitative TV Übertragungen als führende Form des passiven Sportkonsums etabliert. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der finanziellen Sphäre der Vereine wieder. Die aus der Übertragungsrechte-Vermarktung gewonnenen Erlöse übersteigen die durch den Ticketverkauf erwirtschafteten Umsätze der Vereine und Clubs mittlerweile oft bei Weitem (DFL, 2020).
Entsprechend dieser Entwicklung wird heutzutage, gerade in den zuschauerreichen Profiligen, sportartübergreifend ein erheblicher Aufwand betrieben, um die Attraktivität von Sportübertragungen für den Zuschauer zu steigern. Gemeinhin wird zwar häufig beschrieben, dass die Ausgestaltung von Sportübertragungen einen maßgeblichen Einfluss auf die Attraktivität nehmen kann (z.B. Harris & Sandborn, 2014), jedoch mangelt es an wissenschaftlich publizierten Forschungen, um diese These zu verallgemeinern. Absicht dieser
Arbeit ist es, diese Forschungslücke zu schließen und erstmals eine breit angelegte Untersuchung mit dem Ziel eine Strukturierung von Attraktivitätsfaktoren von Sportübertragungen zu schaffen und aus einem wissenschaftlichen Blickwinkel zu betrachten. Hieraus ergibt sich die allgemein gehaltene Fragestellung:
O Welche Faktoren machen eine Sportübertragung besonders attraktiv?
Zur Beantwortung der Forschungsfrage werden qualitative Interviews durchgeführt, welche der Logik der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring folgend analysiert werden.
Die nachfolgende Arbeit setzt sich aus sechs Kapiteln zusammen. In dem auf die Einleitung folgendem Kapitel zwei wird der bisherige Forschungsstand in Bezug auf mögliche Attraktivitätsfaktoren von Sportübertragungen vorgestellt sowie die reziproke Wirkung von TV-Zuschauern und Stadionbesuchern veranschaulicht. In Kapitel drei wird das wissenschaftliche Vorgehen der Forschung näher erläutert. Die Forschungsergebnisse der qualitativen Befragung und Inhaltsanalyse werden in Kapitel vier vorgestellt. In Kapitel fünf, der Diskussion, wird die Brücke zwischen dem Forschungsstand und den Forschungsergebnissen geschlagen. Außerdem werden die Ergebnisse bewertet und Implikationen abgeleitet. Im abschließenden Kapitel sechs werden die Ergebnisse prägnant zusammengefasst.
Um einen ganzheitlichen Überblick über mögliche Einflussfaktoren der Attraktivität von Sportübertragungen zu erlangen, muss eine Vielzahl verschiedener Forschungsrichtungen Beachtung finden. Unter anderem wird im Folgenden die Wechselwirkung zwischen den Stadionbesuchern und den TV Zuschauern, welche auch als reziprok bezeichnet werden kann, beleuchtet.
Zwischen der Attraktivität von Sportübertragungen und der Attraktivität des Live-Events besteht ein grundsätzliches Spannungsfeld. Die ersten Untersuchungen, die die reziproke Wirkung zwischen TV-Zuschauern und Stadionbesuchern ins Auge fassten, stammen aus einer Zeit, in der nur wenige Sportveranstaltungen im TV ausgestrahlt wurden und nur die TV-Rechte bestimmter Sportveranstaltungen überhaupt vergeben wurden. Zur damaligen Zeit war die größte Befürchtung der Veranstalter von SportEvents, dass durch die Ausstrahlung im TV erhebliche Einbußen in Bezug auf die Zuschauerzahl vor Ort entstehen. Dies verdeutlicht das folgende Zitat der Vertreter der größten Europäischen Sport Liga, der ersten englischen Fußball Liga, aus dem Jahr 1999:
‘‘It is desirable to limit the number of matches which are televised live because excessive live broadcasting of football would be likely to reduce attendances'' (FA Premier League, Statement of Case Restrictive Practices Court, 1999; zitiert nach Forrest et al., 2004, S. 243)
Die erste richtungsweisende wissenschaftliche Studie zu der bis dahin begrenzt erforschten Wechselwirkung zwischen Stadionbesuchen und TV-Zuschauern wurde von Forrest, Simmons und Szymanski im Jahr 2004 veröffentlicht. Die Forscher werteten sowohl die Einschaltquoten aller im TV übertragenen Premier League-Spiele, als auch die Zuschauerzahlen, der Saisons 1992/93 bis 2000/01 aus. Im Rahmen der Analyse kam unter anderem auch ein Tobit-Modell zum Einsatz, welches darauf abzielte, die Begrenzung der möglichen Besucherzahl (aufgrund der begrenzten Stadionkapazität), in die Auswertung mit einzubeziehen. Ergebnis der Studie von Forrest et al. war, dass in einigen Saisons die Übertragung von Spielen im TV einen negativen Effekt auf die Zahl der Stadionbesucher hatte, dieser jedoch nicht systematisch einzuordnen war. Des weiteren stellten die Forscher schon damals klar, dass die finanziellen Einbußen der Clubs in Bezug auf einen geringeren Ticketabsatz zu vernachlässigen seien, da diese von den Mehreinnahmen durch die organisierte TV Rechtevermarktung problemlos übertroffen werden könnten.
Auf die Veröffentlichung von Forrest et al. (2004) folgte im Jahr 2006 die Veröffentlichung weitergehender Forschungen von Simmons und Buraimo. Erneut lag der Schwerpunkt darauf eindeutig zu klären, wie die TV-Übertragung von Sport-Events, hier Spielen der englischen Premier League, die Zahl der Stadionbesucher beeinflusst und ob es einen sogenannten Kannibalen Effekt (auch: Substitutionseffekt) zwischen TV- Zuschauern und Stadionbesuchern gibt. Durchgeführt wurde die Studie im Zeitraum der Saisons 1993/94 bis 2003/04. Da auch in dieser Auswahl viele Spiele (ca. 40%) ausverkauft waren und dementsprechend die Zahl der Stadionbesucher durch die Stadionkapazität begrenzt wurde, kam auch in der Untersuchung von Simmon und Buraimo (2006) ein Tobit-Modell zum Einsatz. Ebenfalls in die Analyse miteinbezogen wurden die Dummy-Variablen Saison, Wochentag sowie beteiligte Teams. Im Rahmen ihrer Analyse wiesen die Forscher, anders als Forrest et al. (2004) einen Kannibalen Effekt eindeutig nach. Laut Simmons und Buraimo (2006) sank die Zahl der Stadionbesucher bei Spielen, die sonntags stattfanden und im TV übertragen wurden um 7,1%, die Zahl der Stadionbesucher bei Spielen, die montags stattfanden und übertragen wurden, sogar um 12,1%. Trotzdem betonen die Forscher auch hier, dass die finanziellen Verluste, bedingt durch verfügbare TV-Übertragungen, sowohl durch die höheren Einnahmen aus der TV Rechtevermarktung als auch die, damals in England noch gezahlte, Facility Fee (in finanzieller Hinsicht) egalisiert wird.
Buraimo weitete das Wissen um die beschriebene Wechselwirkung mit einer weiteren Forschung aus dem Jahr 2008 noch weiter aus. Auch wenn die bereits erlangten Erkenntnisse von Simmon und Buraimo (2006) fest machten, dass die Zahl der Stadionbesucher von der Ausstrahlung im TV negativ beeinflusst wird, war Buraimo (2008) darauf aus, auch den umgekehrten Einfluss der Fans im Stadion auf die TV- Zuschauer zu erforschen. Konkret: Inwiefern die Zahl der Stadionbesucher den TV- Zuschauer beeinflusst. Laut seiner Annahme seien die Fans im Stadion als Attraktivitätsfaktor von Sportübertragungen zu kategorisieren, da sie die Qualität des ausgestrahlten Produktes mit beeinflussen. Im Gegensatz zu vorherigen Studien analysierte Buraimo (2008) in seiner Forschung die Einschaltquoten und Zuschauerzahlen der zweiten englischen Fußball-Liga. So konnte die in anderen Studien aufgekommene Problematik des Nachfrageüberschusses (nach Tickets), welcher durch die begrenzte Stadionkapazität aufkam, nahezu eliminiert werden. Die Studie wurde im Zeitraum der Saisons 1997/98 bis 2003/04 durchgeführt. Buraimo (2008) kam abermals zu dem Ergebnis, dass TV-Übertragungen einen negativen Effekt auf die Zuschauerzahl im Stadion haben. Seiner Forschung zufolge hat die Übertragung im Pay-TV jedoch einen geringeren negativen Effekt (4,1%) als die Übertragungen im öffentlichen Fernsehen (17,7%). Ein weiteres, bei weitem das für diese Thesis relevanteste Forschungsergebnis Buraimos war, dass die Zahl der Stadionzuschauer die Bewertung der Übertragungsqualität durch die TV-Zuschauer positiv beeinflusst. Konkret wies Buraimo (2008) eine Steigerung des Ratings um 8,6% nach und bestätigte damit seine Annahme, dass die Stadionzuschauer sowie deren Reaktionen ein möglicher Attraktivitätsfaktor von Sportübertragungen sein könnten. Anzumerken ist hier jedoch, dass es sich bei den Forschungsergebnissen von Buraimo (2008) lediglich um einen ersten Anhaltspunkt für weitergehende Forschungen in Bezug auf den Einfluss der Stadionatmosphäre auf den TV-Zuschauer handelt. Über die Zahl der Zuschauer im Stadion hinaus gibt es zahlreiche weitere relevante Faktoren, die Einfluss auf die erlebte Stadionatmosphäre nehmen (zum Beispiel die Intensität der Fanreaktionen).
Einen ersten Forschungsansatz, der darauf abzielte die Intensität der Fanreaktionen messbar zu machen, lieferte die Forschung von Katz, Heere und Reifurth (2018). Die Forscher versuchten die Intensität der Stadionatmosphäre mithilfe von Lautstärkemessungen, möglichst objektiv, im Rahmen von College Football-Spielen zu quantifizieren und aus den Lautstärkemessungen Variablen zu identifizieren, von denen eine intensive Stadionatmosphäre abhängig ist. Wie groß die Forschungslücke in Bezug auf den Einfluss der Stadionatmosphäre auf den TV-Zuschauer ist, wird klar, wenn man die Systematisierung der Stadionatmosphäre von Uhrich und Benkenstein (2010) heranzieht. Sie identifizierten im Rahmen von Befragungen fünfzehn Faktoren, die zur umfassenden Beurteilung der Stadionatmosphäre relevant sind, und fassten diese wiederum in vier Ebenen zusammen. Die oben genannten Forschungen von Buraimo (2008) und Katz et al. (2018) beziehen sich lediglich auf eine dieser vier Ebenen, die Ebene der Stimuli, die von den Zuschauern ausgehen. Weitere identifizierte Ebenen sind Stimuli, die mit der Stadionarchitektur zusammenhängen, die durch die Organisatoren hervorgerufen werden und die durch das Spielgeschehen ausgelöst werden.
Im Rahmen der ab Kapitel drei präsentierten qualitativen Befragung werden neben den Stimuli die von den Zuschauern ausgehen noch weiteren Ebenen mit einbezogen um eine klarere Vorstellung zu erlangen, welche Dimensionen der Stadionatmosphäre für den TV-Zuschauer neben den Zuschauerreaktionen noch von Relevanz sind.
Neben den Fanreaktionen im Stadion gibt es eine Vielzahl an Forschungen aus unterschiedlichen Forschungsgebieten, die auf weitere mögliche Attraktivitätsfaktoren von Sportübertragungen hinweisen. So hat zum Beispiel die Relevanz spielerischer und sportlicher Aktionen bereits eine gewisse Aufmerksamkeit in Bezug auf die Attraktivität erhalten. In der Literatur finden sich zwar wenige Studien dazu, welche konkreten sportlichen Ereignisse einzelner Sportarten einen Einfluss auf die Attraktivität eines Sportevents haben, jedoch gibt es mehrere Studien die aufzeigen, dass die Faktoren Spannung (engl.: suspence) und Überraschung (eng.: surprise) Einfluss auf den Unterhaltungswert des Spielgeschehens nehmen können. Eine der relevantesten Studien hierzu, weil im Feld durchgeführt, stammt von Bizzozero, Flepp und Franck aus dem Jahr 2015. Im Rahmen der Wimbledon Tennis Championships (2009-2014) sammelten die Forscher Daten zum Spielgeschehen, den TV Einschaltquoten sowie den Wett-Vorhersagen im Zeitverlauf der Spiele. Die Faktoren von Spannung und Überraschung ermittelten sie auf zwei Arten. In ihrem ersten Modell erstellten sie einen Glaubenspfad (engl.: Believe Path) basierend auf den Variablen des aktuellen Spielstandes, der Spieldauer, des Aufschlagenden sowie des Siegers. Im zweiten Modell orientierten sich die Forscher ausschließlich an den Wettquoten sowie deren Veränderung im Zeitverlauf. Die Modelle wurden jeweils im Vergleich mit den TV Einschaltquoten analysiert. In beiden Fällen erwiesen sich Spielhandlungen, die Einfluss auf die Faktoren Spannung und Überraschung nehmen, als Determinanten des Attraktivitätswertes für den TV Zuschauer. Neben den Spielstandsveränderungen machten sie Faktoren wie Führungswechsel und eine Verringerung des Punktunterschieds gegen Spielende als für den Unterhaltungswert relevante Faktoren aus.
Im Fußball-Kontext wurde eine ähnliche Forschung erst kürzlich, im Jahr 2020, von Buraimo, Forrest, McHale und Tena veröffentlicht. Die Attraktivitätsanalyse wurde in diesem Fall basierend auf den TV Einschaltquoten durchgeführt. Ergebnis der Forschung war, dass ebenso wie beim Tennis die Attraktivität abhängig von den Faktoren Spannung und Überraschung ist. Als zusätzlich relevanten Faktor identifizierten Buraimo et al. (2020) den Zustand ,Schock', sprich eine unvorhersehbare Wendung des Spielgeschehnisses. Auch wenn die oben genannten Analysen der TV Einschaltquoten bereits Attraktivitätsfaktoren im Rahmen des Spielgeschehens identifiziert haben, fassen sie nur ,harte' Reaktionen der TV Zuschauer, wie das Verlassen eine Übertragung, ins Auge. Feinere Reaktionen, beispielsweise auf emotionaler Ebene, konnten so nicht identifiziert werden.
Die Relevanz des Faktors Überraschung wurde auch in der bereits eingehend erwähnten Studie von Katz et al. (2018) im Rahmen derer Lautstärkemessung der Fanreaktionen als besonders relevant identifiziert. Festgestellt wurde, dass die Fanreaktionen bei einer überraschenden Spielsituation bis zu dreimal lauter waren als bei weniger überraschenden Spielsituationen, obwohl diese zum Beispiel in Bezug auf eine Spielstandsveränderung relevanter waren. Im Kontext des American Footballs, in dem die Studie durchgeführt wurde, betraf dies beispielsweise das überraschende Ereignis einer Interception im Vergleich mit dem vorhersehbaren Ereignis des Touchdowns.
Neben rein sportlichen Faktoren, die im Übertragungsverlauf relevant sind, scheint es auch Determinanten zu geben, die die Attraktivität beziehungsweise Vorfreude auf eine Sportübertragung der Rezipienten im Vorhinein beeinflussen. Zwar liegen zu vorab relevanten Attraktivitätsfaktoren noch keine Publikationen vor, jedoch gibt es durchaus Forschungsgebiete, welche versuchen, ähnliche Effekte im Vorfeld von Sportveranstaltungen messbar zu machen. Eines davon ist die Analyse von TicketPreisen auf Sekundärmarkten. Dies rührt daher, dass der Nachfrageüberschuss sowie der Preis von Tickets auf dem Sekundärmarkt eng mit der Attraktivität der Veranstaltungen und Spiele verknüpft ist.
Die umfassendste Analyse in diesem Themenfeld stammt von Kemper und Breuer (2015). Sie sammelten in der zweiten Hälfte der Bundesligasaison 2013/14 Daten zu 6.510 Auktionen auf dem Sekundärmarkt (eBay), in deren Rahmen 11.637 Tickets angeboten wurden. Als ausschlaggebend für durchschnittliche Ticketpreise identifizierten sie folgende Faktoren: Aufeinandertreffen erfolgreicher Teams (basierend auf der aktuellen Tabellensituation), Siegquote des Heim-/Auswärtsteams, Erfolg der Teams in der Vorsaison, Derbys, ausverkaufte Spiele und Ausgeglichenheit der Teams (basierend auf aktueller Tabellenkonstellation). Außerdem stiegen die Ticketpreise für Spiele später im Saisonverlauf. Ob die Faktoren, die höhere Ticketpreise auf dem Sekundärmarkt verursachen, auch Attraktivitätsfaktoren von Sportübertragungen sind, gilt es im Rahmen weitergehender Forschungen zu klären.
Eine Studie von Buraimo, Paramio und Campos aus dem Jahr 2010, in der unter anderem Faktoren ausgemacht wurden, die ein besonders hohes Zuschaueraufkommen auslösen, identifizierte Derby Spiele als Zuschauermagnet. Außerdem machten die Forscher die Beteiligung von Top-Teams, den Fortschritt der Saison (Saisonzeitpunkt) und die Performance der beteiligten Teams im bisherigen Saisonverlauf als ausschlaggebend für die Ticketnachfrage aus. Wichtig ist hier anzumerken, dass Buraimo et al. (2010) ihre Untersuchung auf dem Primärmarkt durchführten und das reale Zuschaueraufkommen ungeachtet eines möglichen Nachfrageüberschusses analysiert wurde. Auch wenn sich die Studie von Buraimo et al. (2010) auf das Besucheraufkommen im Stadion bezog, liegt die Annahme nahe, dass es sich bei gut besuchten Spielen um solche handelt, die allgemein, sprich auch von TV-Zuschauern, als besonders attraktiv eingestuft werden könnten.
Wie bereits in Kapitel eins, der Einleitung, erwähnt, wird beispielsweise von Harris und Sandborn (2014) verallgemeinernd angenommen, dass die Produzenten von Sportübertragen durch die Ausgestaltung der Übertragung maßgeblichen Einfluss auf deren Qualität nehmen können. Im Mittelpunkt dieser Annahme stehen technische Hilfsmittel, die in die Übertragungen integriert werden. Sie stellen damit möglicherweise weitere Attraktivitätsfaktoren dar. Die wissenschaftlichen Untersuchungen technischer Hilfsmittel, die das Potenzial besitzen, die Attraktivität der TV Übertragung zu steigen, beziehen sich größtenteils auf die Relevanz des Kommentars. Die erste Studie in diesem Themenfeld stammt von Bryant, Rockwell und Owens aus dem Jahr 1994. Sie thematisierten, inwiefern der Kommentar im Rahmen von Sport TV Übertragungen Einfluss auf die attraktivitätssteigernden Faktoren Spannung und Unterhaltung nehmen kann. Um diese Frage zu beantworten, erstellten sie zu einem High-School Football-Spiel Aufnahmen, die mit unterschiedlichen Kommentaren unterlegt wurden und in Bezug auf die genannten Faktoren bewertet werden sollten. Die Attraktivitätsbewertung durch die Probanden erfolgte durch ein 2x2x2 Design. Bryant et al. (1994) kamen zu dem Ergebnis, dass die Aufnahmen, die mit einem stärker „eingefärbten“ Kommentar unterlegt waren, von den Befragten als unterhaltsamer, weniger langweilig und weniger stumpf eingestuft wurden. Außerdem besaß der Ausgang des Spiels für die Befragten eine höhere Relevanz, den favorisierten Ausgang genossen sie zusätzlich stärker. Dies wies auf erhöhtes Involvement der Zuschauer hin.
Eine weitere Studie, die thematisierte, inwiefern der Kommentar Einfluss auf die Attraktivität eines Sport TV Übertragung nehmen kann, stammt von Lee, Kim, Williams und Peterson (2016). Auch in diesem Fall wurden zwei mit unterschiedlichen Kommentaren unterlegte Übertragungen erstellt und von Probanden bewertet. In dem Fall der Studie von Lee et al. (2016) wurde ein objektiver Kommentar mit einem Kommentar verglichen, der leicht zu dem Heim-Team tendiert (dieses unterstützt). Der nicht-objektive Kommentar erhöhte bei den Zuschauern die wahrgenommene ServiceQualität und die Intention eine vergleichbare Übertragung noch einmal anzusehen (eng.: re-viewing intentions).
Zusammenfassend deuten Studien klar daraufhin, dass der Kommentar von Sport-TV- Übertragungen die wahrgenommene Service Qualität, die Re-Viewing-Absicht sowie die von der Übertragung ausgehende Befriedigung positiv beeinflussen kann und somit das Potenzial besitzt, die Attraktivität und den Genuss der Übertragung zu verbessern. Dies macht den Kommentar auch zu einem möglichen Attraktivitätsmerkmal von Sport-TV- Übertragungen allgemein.
Forschungslücken bestehen in Bezug auf eine Vielzahl anderer technischer Einflussfaktoren, die im Rahmen von Sport-TV-Übertragungen Anwendung finden. Beispiele hierzu sind die eingesetzten Kameraperspektiven, die Integration von Wiederholungen strittiger Szenen, Statistiken über das Spielgeschehen sowie sogenannten Game Enhancements. Dies sind Einblendungen, die auf dem Spielfeld zusätzliche Informationen für den TV-Zuschauer bereitstellen, zum Beispiel Torentfernung bei einem Freistoß in Form eines beschrifteten Pfeils. Welche dieser noch kaum erforschten technischen Hilfsmittel die Attraktivität von Sportübertragungen tatsächlich erhöhen könnte, soll im Rahmen dieser Arbeit geklärt werden.
Eine Besonderheit des passiven Sportkonsums ist zweifelsohne, dass der Sport anders als alternative TV-Formate, häufig in der Gruppe, als sozialer Mittler, konsumiert wird (Harris & Sandborn 2014). Daher liegt es nahe anzunehmen, dass auch das Umfeld des Konsums maßgeblichen Einfluss auf die Attraktivitätswahrnehmung von Rezipienten nehmen kann. In der wissenschaftlichen Forschung finden sich zu der Thematik des Kontextes des Sportkonsums bereits einige Erkenntnisse.
In einer Studie aus dem Jahr 2014 thematisierte Uhrich die Nutzenbildung zwischen Fans, abhängig von der Lokalität und den sozialen Komponenten des Konsums. Unter anderem führte Uhrich (2014) im Rahmen seiner Forschung qualitative Interviews, Beobachtungen und netnographische Untersuchungen durch. Aus den Ergebnissen leitete er eine Systematisierung ab, die verdeutlichen sollte, an welchen Orten/Plattformen und auf welche Arten/Weisen Nutzenbildung zwischen Fans stattfinden kann. Unter anderem zeigten die Ergebnisse, dass die Nutzenbildung zwischen Fans sich standortunabhängig abspielen kann, also nicht auf den Konsum des Live-Events vor Ort (zum Beispiel im Stadion) begrenzt ist. Außerdem macht Uhrich (2014) die interaktive Komponente des passiven Sportkonsums als ein Hauptmerkmal des Sports aus. Danach konsumieren Fans Sport lieber in Gruppen als alleine. Falls dies nicht möglich ist regen sie während der Verfolgung einer Sportübertragung trotzdem Interaktion (zum Beispiel per Smartphone) mit anderen Fans an.
Noch stärker in den Fokus rückten den gesellschaftlichen Sportkonsum (im Rahmen von Public Viewings) frühere Forschungen von Eastman und Land (1997) sowie Weed (2008). Eastman und Land (1997) untersuchten das Phänomen des Public Viewing näher, Weed (2008) das Phänomen warum Pubs und Bars als Orte des Sportkonsums so beliebt sind. Beide kamen zu dem Schluss, dass den Reiz am Sportkonsum das gemeinsame Erleben ausmacht sowie die damit verbundene soziale Interaktion. Laut Eastman und Land (1997) sind Äußerungen der Fans, die das Spielgeschehen betreffen (zum Beispiel Anfeuerungen oder Kritik) dadurch motiviert, einen Austausch über das Spielgeschehen anzuregen, und weniger dadurch, die Spieler auf dem Platz zu beeinflussen (wie eine mögliche Verhaltenserklärung von Fans im Stadion lauten könnte). Sowohl die Forschung von Eastman und Land (1997) sowie die von Weed (2008) kam zu dem Schluss, dass der Zusatznutzen des gemeinschaftlichen Sportkonsums für die Beteiligten sogar stärker im Vordergrund stehen kann als die eigentliche Verfolgung des sportlichen Geschehens. 12 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Forschungen zur Nutzenbildung zwischen Fans sowie die soziale Komponente des Sportkonsums darauf hindeuten, dass es sich bei dem Umfeld in dem Sport konsumiert wird um einen weiteren Attraktivitätsfaktor von SportTV-Übertragungen handeln könnte.
Im folgenden Kapitel werden die Methoden vorgestellt, welche zur Datenerhebung sowie Datenauswertung mit dem Ziel der Beantwortung der Forschungsfrage eingesetzt wurden. Zweck der detaillierten Schilderung ist es, dem Güterkriterium der Transparenz gerecht zu werden.
Da es bis dato keine umfassenden Studien zur Identifikation von Attraktivitätsfaktoren im Rahmen von Sportübertragungen gibt, werden zur Beantwortung der Forschungsfrage die Methoden der qualitative Sozialforschung herangezogen. Der Denke Mayrings (2015) folgend eignet sich die qualitative Sozialforschung in besonderem Maße zur Aufdeckung der für den Forschungsgegenstand relevanten Einflussfaktoren sowie die Konstruktion möglicher Zusammenhänge. Qualitative Forschung verfolgt allgemein hin das Ziel, Anstöße zur Hypothesenbildung zukünftiger Forschungen zu liefern (Mayring, 2015). Im Rahmen der qualitativen Forschung werden zuvor nicht beleuchtete Forschungsgebiete offen erkundet (Mayring, 2015).
Im Vorfeld der Befragung wurde, in Anlehnung an den in Kapitel 2 präsentierten Forschungsstand, ein Interviewleitfaden entworfen. Die gestellten Fragen hatten zum Ziel, das Forschungsgebiet bestmöglich zu erkunden und mögliche Attraktivitätsfaktoren von Sportübertragungen zu identifizieren. Die Fragen wurden offen gestaltet, sodass die Befragten ihre Gedanken und Positionen frei, ohne Antwortalternativen positionieren konnten. Dies gab den Interviewpartnern und dem Interviewer den nötigen Freiraum, um auch neue, sich im Gespräch ergebende Ansätze weiter auszuführen.
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