Diplomarbeit, 1997
76 Seiten, Note: 1,7
1. Einleitung
2. Material und Methoden
2.1 Cherax destructor
2.2 Tierhaltung
2.3 Präparation
2.3.1 Das Kopf-Stomatogastrik-Präparat
2.3.1.1 Immobilisierung der Tiere
2.3.1.2 Öffnen des Carapax
2.3.1.3 Herstellung des Präparates
2.3.2 in vivo Ableitungen
2.3.2.1 Immobilisierung für die in vitro Preparation
2.3.2.2 Öffnen der Tiere und Anbringen der Elektroden
2.4 Reagenzien und Versuchsaufbau
2.5 Elektrophysiologie
2.6 Hilfsmittel
3. Ergebnisse
3.1 Neuronale Rhythmen bei Cherax destructor
3.1.1 in vitro
3.1.1.1 Pylorischer Rhythmus
3.1.1.2 Gastrischer Rhythmus
3.1.1.3 Spontanaktivität - Pilocarpin
3.1.1.4 stn
3.1.1.5 ion
3.1.2 in vivo
3.1.2.1 Pylorischer Rhythmus
3.1.2.2 Gastrischer Rhythmus
3.2 Modulation der neuralen Rhythmen
3.2.1 in vivo
3.2.1.1 Lichtreiz
3.2.1.2 Bewegungsreiz
3.2.1.3 Fütterung
3.2.1.4 olfaktorisch wirksame Substanzen
3.2.2 in vitro
3.2.2.1 Lichtreiz
3.2.2.2 olfaktorisch wirksame Substanzen
4. Diskussion
4.1 Neuronale Aktivität
4.2 Sensorische Einflüsse auf die stomatogastrischen Rhythmen
5. Literatur
Anhang
Liste der verwendeten Abkürzungen
Eine zentrale Eigenschaft vieler tierischer Lebewesen ist die ihnen gegebene Möglichkeit, die unterschiedlichsten Bewegungen auszuführen. Diese Bewegungen dienen einerseits der Fonbewegung des Tieres, sie können sich aber auch in der Bewegung innerer Organe äußern. Die Steuerung der Motorik ist vor allem bei Invertebraten häufig Gegenstand der Forschung, da diese Organismen günstige Voraussetzungen für neurobiologische Untersuchungen bieten. Infolgedessen wurden sie häufig zu Modellsysteme der Neurobiologie erklärt. Zu den gut untersuchten motorischen Abläufen gehören der Heuschreckenflug (Pearson und Ramirez 1992), das Schwimmen der Meeresschnecke Tritonia (Hume und Getting 1982, Getting und Dekin 1985) und des Blutegels Hirudo medicinalis (Kristan et al. 1988), aber auch das Fluchtschwimmen bei einigen Cephalopoden (Otis und Gilly 1990) und der Schwanzschlag-Reflex bei Flußkrebsen (Reichert et al. 1981).
Gemeinsam ist diesen motorischen Systemen, daß sie durch zentrale Mustergeneratoren (CPG = Central Pattem Generator) gesteuert werden. Die von ihnen generierten Muster werden durch Neurone erzeugt, welche die Fähigkeit zu rhythmischer Entladungsaktivität besitzen. Somit können die CPGs dazu eingesetzt werden, einfache Bewegungen zu erzeugen, die einen hohen Anteil an immer wiederkehrenden Komponenten besitzen. Auch im viszeralen Nervensystem ist häufig ein solcher zentraler Mustergenerator zur Steuerung der Bewegung innerer Organe anzutreffen. Hierzu gehören unter anderem der Herzschlag beim Blutegel (Calabrese und Arbas 1989).
Eines dieser neuralen Netzwerke ist für die Innervierung des Vorderdarmes bei Arthropoden zuständig und steuert so die Bewegung des Ösophagus', des Pylorus' sowie der Magenzähne. Diese, als Stomatogastrisches Nervensystem (STNS) bezeichnete Anordnung von Nervenzellen ist innerhalb des Stammes der Arthropoden insbesondere bei decapoden Krebsen besonders gut untersucht.
Schon vor mehr als 80 Jahren weckte das Neiwensystem des Flußkrebses und anderer Malacostracen das Interesse der Forscher (Freud 1882, Keim 1915), wobei damals auch schon die Innervierung der Muskulatur des Vorderdarms beschrieben wurde (Alien 1894, Orlov 1926, 1927, 1929), Maynard und Dando konnten 1974 die Muskulatur, sowie die neuronalen Verbindungen des stomatogastrischen Systems vergleichend fiir drei Crustaceen-Arten (Homarus americanus. Panulirus argus und Callinecies sapidus) darlegen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1.1; Schematische Seitenansicht des Stomatogastrischen System des Flußkrebses, zur Orientierung der Lage im intakten Tier sind Teile des Carapax sowie der Mundwerkzeuge eingezeichnet. Alle Teile des Nervensystems sind schwarz dargestellt, während es sich bei den in Graustufen dargestcllten Einzelheiten um den Magensack mit der an ihm ansetzenden Muskulatur sowie den ^röbelchen der gasttirchen Mühle. Zur Erläuterang der Abkürzungen rei auf den Text bzw. die AbMrzungsliste im Anhang verwiesen. M^ifaiert nach Ebetsoll (1996}
Zum Stomatogastrischen Nervensystem (Abb. 1.1) gehören demnach die beiden Kommissuralganglien (CoG), das Stomatogastrische Ganglion (STG), das Ösophagalganglion (ÖG) sowie Nerven, welche die Ganglien verbinden und die Magenmuskulatur innervieren. Die CoG sind durch die paarigen son (Superiorer Ösophagusnerv) und ion (Inferiorer Ösophagusnerv) mit dem ÖG verbunden. Vom ÖG läuft der stn (Stomatogastrischer Nerv) über den Magensack nach dorsal zu dem ihm aufliegenden STG. Der ivn (Inferiorer Ventrikelnerv) projiziert vom ÖG zum Gehirn. Eine weitere Verbindung zwischen Gehirn und dem Stomatogastrischen Nervensystem (STNS) besteht über die Konnektive, die vom Gehirn ventral zu den paarigen CoG ziehen.
Alle weiteren zum STNS gehörenden Nerven enthalten größtenteils motorische, teilweise aber auch sensorische Axone (Dando und Maynard 1974, Keim 1915). Insbesondere sei hier der Dorsale Ventrikelncrv (dvn) erwähnt, der das STG caudal verläßt und sich dorsal der Cardia-Region in den paarigen Lateralen Ventrikelnerv' (lvn) aufgabelt. Über diese Nerven werden sowohl die Muskeln der gastrischen Mühle, die bei der mechanischen Zerkleinerung der Nahrung involviert ist, als auch der pylorische Bereich des Magens innerviert.
Zwei neuronale Netzwerke des Stomatogastrischen Systems, die zwei wichtige rhythmische Bewegungen des Magens generieren, sind dabei von besonderem Interesse. Beide sind im Stomatogastrischen Ganglion lokalisiert. Zum einen handelt es sich hierbei um das pylorische, zum anderen um das gastrische Netzwerk. Die neuronalen Aktivitätsmuster, die von diesen beiden Netzwerken generiert werden, kontrollieren die Bewegungen des pylorischen Filterapparates, mit dessen Hilfe der Nahrungsbrei gefiltert wird. Die größeren Nahrungspartikel werden in die Cardia- Region zurückgeführt und die zerkleinerte Nahrung zur Verdauung in die Mitteldarmdrüsen geleitet (Johnson und Hooper 1992). Während das gastrische Netzwerk die Bewegung der drei Magenzähne steuert (gastrische Mühle).
Durch zahlreiche Untersuchungen in der Vergangenheit ist schon viel über die neuronale Verschaltung dieser Netzwerke bekannt. Zum Beispiel ist es möglich durch simultane intrazelluläre Ableitungen mehrerer Zellen des Stomatogastrischen Ganglions die Aktivität der einzelnen Zellen (Heinzel und Selverston 1985), beziehungsweise die Zusammenarbeit der einzelnen Netzwerke darzustcllcn. Auch die Struktur einzelner Neurone sowie die Projektionsrichtung ihrer Axone (Eitner 1997) und die synaptischen Verbindungen zu Neuronen des eigenen oder anderer Netzwerke sind erforscht (Johnson und Harris-Warrick 1990, Johnson und Hooper 1992). Um die Interaktion dieser Neuronenensembles umfassender zu verstehen, müssen die Verhaltensweisen, die durch sie erzeugt werden, mit in Betracht gezogen werden Turrigiano, Heinzel 1992).
Während die meisten neurobiologischen Untersuchungen an wirbellosen Tieren ihren Ausgang an der Beobachtung von Verhaltensweisen des Tieres nahmen und sich dann auf den zellulären Bereich ausweiteten, war beim Stomatogastrischen System der Krebse das Gegenteil der Fall. Hier begann man mit der Erforschung des Stomatogastrischen Ganglions (Mulloney und Selverston 1974 a, b, c, Maynard und Selverston 1975), wohingegen die durch dieses Ganglion erzeugten Bewegungsmuster oder gar das moduiatorische, sensorische Feedback, erst später im Blickpunkt des Interesses standen (Böhm 1997)).
Es wurden verschiedene verhaltensbiologische Ansätze verfolgt, um die Steuerung der Magenbewegungen durch die Mustergeneratoren des Stomatogastrischen Ganglions besser zu verstehen. Hartline und Maynard versuchten 1975, die Magenbewegungen in Bezug zum rhythmischen Zusammenspiel der Neurone zu setzen. Sie öffneten den Carapax der Tiere, implantierten Drahtelektroden in die für sie interessanten Muskeln, und konnten so die Bewegung des pylorischen Filters aufzeichnen. Diese elektromyographische Methode wurden später noch weiter entwickelt, indem die feinen Elektroden durch kleine Löcher in der Cuticula in die entsprechenden Muskeln implantiert wurden (Ayers und Selverston 1979; Rezer und Moulins 1983). Später konnte durch kombinierte elektrophysiologische und endoskopische Untersuchungen erstmals die neuronale Aktivität der Zellen des Stomatogastrischen Ganglions direkt in Bezug zur Magenbewegung gebracht werden (Heinzel und Selverston a, b, c, Heinzel et al. 1993).
Es zeigte sich, daß es sich bei der Bewegung der gastrischen Mühle nicht um ein stereotypes, rhythmisches Muster handelt, sondern um einen komplexen Bewegungsablauf. Es gibt unterschiedliche Bißsequenzen, bei denen die Magenzähne auf verschiedenste Weise involviert sind (Heinzel et al. 1993).
Da es sich hierbei aber um geregelte Bewegungsabläufe handelt, erfordern diese Bewegungen die Zusammenarbeit der zentralen Mustergeneratoren mit der Sensorik (Larimer und Kennedy 1966, Simmers und Moulins 1988 a, b, Gibner 1990). Die dazu notwendigen Informationen können sie von am Vorderdarm lokalisierten Sinncszellen, aber auch von höheren nervösen Zentren, zum Beispiel dem Gehirn, erhalten.
Gerade in der aquatischen Umwelt sind Tiere einer großen Zahl von chemischen Reizen ausgesetzt (Carr 1987). Daher besitzen auch die Chemorezeptoren der Krebse eine Vielzahl von Funktionen bei der Detektion dieser chemischen Signale. Dazu gehören zum Beispiel das Erkennen von Artgenossen, die Überprüfung der Wasserqualität oder auch die Orientierung und Navigation an Duftgradienten in der aquatischen Umwelt (Atema 1995, Atema und Voigt 1995, Reeder und Äche 1980). Chemorezeptoren, deren Funktion die Detektion von Nahrung ist, finden sich vor allem auf den Antennulen (Spiegel 1927, Brock 1930), aber auch an den Scheren der Laufbeine und an den Mundwerkzeugen (Bauer et al. 1981, Luther 1930, Derby und Atema 1982a).
Eine Vielzahl von Möglichkeiten der Modulation der zentralen Mustergeneratoren des STNS ist nachgewiesen (Dickinson et al. 1988, Norris et al. 1996, Coleman et al. 1992). Neben den Mechanismen des neuronalen Feedbacks, werden Mustergeneratoren häufig durch Hormone und Neuromodulatoren beeinflußt. Auch für die CPGs des Stomatogastrischen Nervensystems der Crustaceen sind verschiedene dieser Einflüsse nachgewiesen (Rezer und Moulins 1992, Dickinson und Marder 1989, Turrigiano und Selverston 1990). Die Mechanismen denen die Wirkungsweisen dieser Neuromodulatoren unterliegen sind teilweise bis in den Bereich der lonenkanäle aufgeklärt (Marder 1993, Hartline und Graubard 1992).
Zum besseren Verständnis der Prinzipien der Modulation der neuronalen Netzwerke reicht es aber nicht aus, das Zusammenspiel der einzelnen Neurone im zellulären Bereich zu untersuchen. Vielmehr muß zum Verständnis von neurophysiologischen Untersuchungen immer wieder auf die Verhaltensäußerungen des lebenden, freibeweglichen Tieres zurückgegriffen werden. Nur solche Untersuchungen können Ergebnisse liefern, die den natürlichen Verhältnissen weitgehend entsprechen.
Dies wurde bei den Forschungsarbeiten zum stomatogastrischen System der decapoden Krebse nicht immer in dem Maß berücksichtigt, wie bei anderen Modellsystemen der Invertebraten (Wendler 1978,Wolf 1990). Erst in neuerer Zeit wurde versucht diese Lücke zu schließen, indem die Aktivität einzelner Neurone und der neuronalen Netzwerke des Stomatogastrischen Nervensystems bei freibeweglichen Flußkrebsen (Orconectes limosus) unter verschiedenen Umweltbedingungen untersucht wurde (Böhm 1997, Nießen 1995, MessaT et al. 1995).
Alle Untersuchungen wurden am Australischen Flußkrebs Cherax destructor (Clark 1936) (Abb. 2.1) durchgeführt. Diese Art gehört zu der Familie der Parastacidae, die zusammen mit den Astacidae und den Cambaridae (und weiteren Familien) die Infraordnung Astacidea (Gruner 1993) bilden.
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Abb. 2.1: Der Australische Flußkrebs (Cherax destructor)
Cherax destructor ist ein häufiger Vertreter der australischen Süßwasserfauna (Merrick 1993). Er kommt sowohl in Fließgewässern, als auch in stehenden Gewässern, wie zum Beispiel Seen, Teiche, oder aber auch sogenannten "billabongs" (= Wasserlöcher), vor. Da es ihnen möglich ist, durch das Eingraben in den Morast, längere Trockenperioden zu überstehen, trifft man sie auch in temporären Gewässern an. Das Verbreitungsgebiet reicht im Osten vom Bundesstaat Victoria bis weit in den Westen in die trockenen Gebiete Zentral-Australiens.
Die Tiere stammten von kommerziellen Feinkostimporteuren (Fa. Langbein. Hamburg, beziehungsweise Fa. Gödekcn Jr., Hamburg) sowie direkt von einer australischen Fischerei (Yabby Blue Pty. Ltd., Woodend, Victoria, Australien), der es möglich war, uns trotz des Winters auf der Südhalbkugel Tiere zur Verfügung zu stellen.
Da Cherax destructor auch in seinem natürlichem Habitat hinsichtlich des Sauerstoff gehaltes, der Temperatur sowie der Salinität keine größeren Ansprüche an die Wasserqualität stellt (Merrick 1993), läßt sich eine größere Anzahl Versuchstiere problemlos auf relativ kleinem Raum halten. Die Tiere wurden im Keller des Zoologischen Institutes in Becken mit Grundflächen von 0,4 bis 2,1 m2 unter einem künstlichen Tag/Nacht-Rythmus (Zeitschaltuhr, 10 Stunden hell, 8 Stunden dunkel) gehalten. Die Wassertiefe betrug in den verschiedenen Becken durchschnittlich 20 cm (10-30 cm). Das Wasser wurde mit Hilfe eines Pumpen/Filtersystems (Eheim 2213, Pumplcistung 300-440 1/h) gereinigt. Zusätzlich wurde alle 1-2 Monate das Wasser gewechselt. Die Sauerstoffversorgung wurde mittels Druckluft gesichert, die durch Sprudelsteine in das Wasser geleitet wurde. Die Wassertemperatur schwankte zwischen 18 °C im Sommer und 14 °C im Winter.
Die Scheren wurden mit Gummiringen zusammen gehalten. Dies war nötig, um ein Emporklettern an den Versorgungsschläuchen und damit ein Entweichen zu verhindern. Weiterhin wurden so Verletzungen durch Kämpfe, die trotz der in den Becken untergebrachten Rückzugsmöglichkeiten (Keramikwinkel und Kunststoffröhren) vorkommen konnten, vermieden.
Gefüttert wurden die Tiere etwa alle zwei Wochen mit verschiedenen Gemüse- und Obstsorten (Möhren, Bananen, Paprika, Äpfel), sowie mit Brot, Fertigfutter für Kaninchen und Schweineherz. Tiere, die für Versuche verwendet werden sollten, wurden vorher von den anderen mindestens 4 Wochen getrennt gehalten, um eine Nahrungsaufnahme in dieser Zeit auszuschließen. Dies geschah aus 2 Gründen: Erstens erleichterte ein leerer Magensack die Präparation, und zweitens konnten so Präparate hergestellt werden, die eine gleichmäßigere Rhythmik aufwiesen.
Die Versuche wurden an 92 Tieren beiderlei Geschlechts (70 männlich, 22 weiblich) durchgeführt. Obwohl alle Händler Flußkrebse beiderlei Geschlechts in etwa gleicher Menge lieferten, wurden die Versuche aus folgenden Gründen jedoch überwiegend an männliche Krebse durchgeführt:
1.) Generell waren die männlichen Tiere meist größer als die weiblichen, wodurch sic für die Versuche besser geeignet waren.
2.) Die Präparation wurde bei weiblichen Flußkrebsen sehr häufig durch die prall mit Eiern gefüllten paarigen Ovarien behindert, da diese dorsolateral des Darmes liegen und teilweise den kompletten dorsalen Bereich des Cephalothorax ausfüllen.
Ein großer Teil der Tiere (29) hatte auch schon die Eier abgelegt, so daß sie aus diesem Grund nicht zur Präparation heran gezogen wurden. Diese Krebse wurden ebenfalls in einem separaten Becken gehalten, in dem sich die Embryonen entwickeln konnten. Die Tiere legten zwischen 250 und 350 Eier, die an die Pleopoden angeheftet waren, wo sie bis zum Schlüpfen der Jungkrebse nach 5-7 Wochen verblieben. Weitere 7-10 Tage suchten sie unter dem Abdomen des Elterntiers Schutz (Abb. 2.2), bevor sie sich das erste Mal häuteten. Die relativ problemlose Nachzucht der Tiere, auch unter Laborbedingungen, hat Cherax destructor daher auch zu einem beliebten Versuchsobjekt für embryologische Untersuchungen gemacht (Sandeman und Sandeman 1991, Dohle und Scholtz 1995).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.2: Weiblicher Cherax destructor mir Jungtieren an den Pleopoden
Die Jungtiere wurden in einem Aquarium mit einer Grundfläche von 0,4 sowie einem Wasserstand von 30 cm gehalten. Die Fütterung erfolgte mit tiefgefroenen Mückenlarven und Tubifex.
Mit Hilfe der im folgenden dargestellten Präparation konnte ein Kopf- Stomatogastrik-Präparat (siehe Abb. 2.3) hergestellt werden, bei dem der vordere Kopfbereich mit seinen angelagertcn Sinnesorganen, also den Antennen, den Antennulen und den Augen, ebenso intakt blieb, wie ein Teil des zentralen sowie des stomatogastrischen Nervensystems, einschließlich ihrer neuralen Verbindungen. Es handelt sich hierbei um eine Kombination eines Kopf-Präparates (Sandeman DC, 1989) und dem von Eitner (1993) entwickelten und Ebersoll (1996) modifizierten Nerv-Schlund-Präparat.
Mit einem solchen Präparat war cs möglich, die Aktivität der stomatogastrischen Neurone bei intakter, neuraler Verbindung zu höheren Zentren (CoG, Gehirn) aufzuzeichnen. Auf diese Weise konnte dargestellt werden, in wie weit mit Hilfe der Sensorik ein modulatorischer Einfluß auf die Neurone des Stomatogastrischen Nervensystems ausgeübt wird, ohne daß störende Umwelteinflüsse die Meßergebnisse beeinflussen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.3 Schematische Darstellung des Kopf-Stomatogastrik-Präparates. Beschriftet sind nur
Nerven die eindeutig identifiziert werden konnten. Die kleineren Seiteniicrven des stn und des dvn wurden bei den Versuchen dieser Arbeit nicht untersucht sondern nur zum Aufspannen des Stomatogastrischen Nervensystems benutzt. Der Ösophagus wurde zwischen den Konnektiven herausgezogen um die Nerven besser identifizieren zu können. Modifiziert nach Heinzel, Sandeman 1996
Vor der Präparation wurden die Tiere ca. 15 min. in einem Gefrierschrank bei - 18 °C immobilisiert. Nach dem Kühlen wurden die Beine sowie die Mandibeln abgeschnitten und das Tier daraufhin mit Gummiringen auf einer Plastikschiene (14 x 3,5 cm) fixiert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.4: Schnittführung zum Eröffnen des Carapax bei Cherax desmictor, Dorsalansicht des Cephalothorax. Erläuterung der einzelnen Schritte im Text. Modifiziert nach Ebersoll 1996
Der Carapax wurde mit Hilfe eines Minibohrers (Proxxon Minimot 40) mit einem Sägeaufsatz (zahnärztlicher Aufsatz zum Entfernen von Kronen) geöffnet. Folgende Schnitte wurde dazu durchgefuhrt:
1.) Vor dem Festlegen des Tieres wird der auf der ventralen Seite, rostral der Ösophagusöffnung gelegene dreieckige Carapaxbereich (zwischen den Ausgängden der Antennendrüsen) durch 3 Schnitte aufgcschnittcn und anschließend entfernt.
2.) Nach dem Festlegen des Tieres werden die Schnitte a-c (Abb. 2.4) durchgeführt. Der erste Schnitt führt dabei etwa 1 mm caudal des Rostrumansatzes um den Kopf herum. Der zweite Schnitt wurde beiderseitig entlang der Cephalolhoraxleisten geführt. Der letzte Schnitt lief quer über den Carapax im Bereich der dort befindlichen Halsfurche.
Das so vorbereitete Tier wurde in eine Schale gespannt, die mit physiologischer Ringerlösung (modifiziert nach van Hareveld 1936; 0,2 M NaCl, 5,4 mM KCl, 2,6 mM MgC^, 13,5 mM CaC^, 5,6 mM Malat, 10,8 mM TRIS; pH=7,3-7,5) gefüllt wurde, bis die Operationsöffnung gerade bedeckt war.
Die folgenden Präparationsschritte wurden unter Zuhilfenahme einer Stereolupe (Fa. Wild, M3B) mit 6,5 bis 40facher Vergrößerung sowie einer Kaltlichtquelle (Fa. Schott, KL 1500) durchgeführt.
Die drei Carapaxplatten, die durch die oben beschriebene Schnittführung entstanden sind, wurden nun nacheinander entfernt. Dazu wurden die Platten mit einer Pinzette einzeln angehoben und die am Carapax ansetzende Muskulatur mit Hilfe eines Skalpells vom Panzer abgetrennt. Bei dem Abtrennen der Carapaxplatten wurde häufig ebenfalls die darunter liegende Epidermis entfernt. Falls diese durch das Öffnen des Tieres im dorsalen Bereich noch nicht vollständig geschehen war, wurde diese vor der Durchführung der folgenden Schritte dorsal und lateral der Aorta anterior entfernt.
Das über der knöchernen Spange liegende trapezförmige, globuligene Organ (Baumann 1919) wurde weiträumig aufgetrennt, um die darunter hegenden Nerven, dvn und lvn, nicht zu beschädigen.
Das Häutchen wurde mit einer Pinzette ergriffen und vorsichtig nach rostral gezogen. Dadurch wurden die aus der anterioren Aorta austretenden und zur Magenmuskulatur führenden Nerven sichtbar und konnten durchtrennt werden (Abb.2.5,Schnitt a). Auf diese Weise wurde bis zu der Stelle verfahren, an der die Aorta anterior mit dem ihr inliegenden stn, zwischen den beiden gml Muskelbündeln in ventraler Richtung in die Körperhöhle abtaucht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.5: Schnittführung zur Herstellung eines Kopf-Stomatogastrik-Präparates. Schematische
Ansicht des Magens mit den anliegenden Teilen des STNS und des ZNS (zur Bezeichnung der einzelnen hier dargestellten Teile, siehe Abb. 1.1. Die mit a-h bezeichneten gestrichelten Pfeile stellen die einzelnen Schnitte dar, die zum Herauslösen des Präparates notwendig sind. Diese sind im Text näher erläutert. Modifiziert nach Ebersoll (1996)
In den nächsten Präparationsschritten wurde die gml Muskulatur durchtrennt, der Magensack nach caudal gezogen, und die weiteren Seitennerven des stn bis in Höhe des Ösophagus durchtrennt (Schnitt a). Ebenso wurden die zum Magensack führenden Muskelbündel entfernt.
Durch einen Schnitt (Abb. 2.5, c) am Übergang zwischen Ösophagus und Cardia- Region wurde der Magensack aus dem Tier gelöst und anschließend heraus gezogen. Der Darm wurde dabei hinter den Ansatzstellen des Hepatopankreas durchtrennt (Schnitt d), so daß in einem Arbeitsschritt sowohl Hepatopankreas als auch Cardia und Pylorus aus dem Tier entfernt werden konnte.
Durch leichten Zug der Reste des globuligenen Organs nach caudal konnte die Austrittsstelle des stn aus der Aorta anterior aus der Kopfkapsel heraus geführt werden und die Aorta rostral der Austrittssteile durchtrennt werden. Alle extrinsichen Muskeln des Ösophagus wurden durchtrennt (Schnitt e, f) ebenso die beiden Konnektive unterhalb der Knochenbrücke zwischen der Kommissur und dem Supösopheagal Ganglion (Schnitt h). Mit Hilfe eines Schnittes (g) entlang seiner Eintrittsöffnung konnte der Ösophagus, einschließlich der ihm anliegenden Nerven, aus dem Tier gelöst werden. Anschließend wurden die letzten beiden Verbindungsstellen zwischen Kopfkapsel und dem Rest des Körpers durchschnitten und das komplette Präparat in eine Sylgardschale, überfuhrt. Bei der Sylgardschale handelte es sich um eine etwa 5 mm hoch mit Silikonkautschuk (RTV-ME 601 a + b, Fa. Wacker-Chemie) befüllte Petrischale. Dort wurde mit Hilfe von Minutien und feinen Nädelchen (25 und 50 |im dicker Wolframdraht, Fa. Goodfellow) das Präparat so aufgespannt, daß die in dem jeweiligen Versuch zu untersuchenden Nerven für die Elektroden gut zugänglich waren (Abb. 2.3).
Um zu verhindern, daß bei den Geruchsversuchen die zu untersuchenden Substanzen in den Bereich des stomatogastrischen Nervensystems diffundierten, wurde die Schale mit einem Sylgardsteg in zwei Kompartimente geteilt. In diesem Steg befand sich eine 10 mm breite Öffnung, durch welche die beiden Konnektive geführt werden konnten. Nach dem Festlegen des Präparates wurde diese Öffnung mit Vaseline abgedichtet, so daß in der Versuchsschale zwei abgeschlossene Räume entstanden, einer mit der Kopfkapsei und den ihr angelagerten Sinnesorganen und einer mit den stomatogastrischen Teilen des Präparates sowie des Ösophagus'.
In dem Kopf-Kompartiment wurden zwei Schläuche angebracht (Laboflex Pumpenschlauch, 2,4 x 4,0 mm, Fa. Kronlab) angebracht über die die Geruchsstoffe dem Bad appliziert werden konnten.
Die hier beschriebene Präparation dauerte 15-20 min. Das Präparat konnte bei regelmäßiger Zugabe von Ringerlösung bis zu 48 Stunden für neurophysiologische Untersuchungen genutzt werden.
Um dem Absterben von einzelnen Neuronen des Gehirns entgegenzuwirken, wurde ständig frische Ringerlösung zugeführt. Dazu wurde eine über einer Flamme spitz ausgezogenen Einmalpipctte (20 ml Mikropipette, Fa. Heiland) in die, bei den vorhergehenden Versuchsschritten durchtrennte Aorta anterior eingeführt. Die Ringerlösung wurde mit Hilfe einer Schlauchpumpe über einen Kunststoffschlauch in die Aorta gepumpt, die in ihrem weiteren Verlauf dann das Gehirn mit frischer Lösung versorgt. Die erfolgreiche Einführung der Pipette konnte an einem Aufblähen des Perineuriums im Bereich der Konnektive erkannt werden. Ebenso konnte an den Schnittstellen der Konnektive das Herausspülen von koagulierten Hämolymph-Zellen gesehen werden. Die Perfusionsrate betrug zwischen 3 und 5 ml x min’1-
Mit Hilfe des durch die Perfusion entstandenen Überdrucks innerhalb des Perineuriums konnte weiterhin weitgehend verhindert werden, daß die Testreagenzicn die Neurone des Gehirns erreichen konnten, was einer möglichen Schädigung entgegenwirkte.
Für die Versuche am lebenden Tier wurde eine Präparation entwickelt, die eine dvn- Ableitung am freibeweglichen Tier ermöglichte. Die Präparation beruht auf der schon etablierten dvn-m Vivo-Ableitung bei Orconectes limosus, Raf. (Böhm 1997, Nießen 1995), die aber wegen der anatomischen Besonderheiten bei Cherax destructor abgewandelt werden mußte. Neben der Ableitung war es auch möglich über Schläuche, die am Tier angebracht waren, gezielt zu untersuchende Reagenzien, dem Wasser im Bereich der Antennulen zuzuführen. Mit Hilfe der unten beschriebenen Präparation konnten Versuchstiere erhalten werden, bei denen es 5-6 Wochen möglich war Ableitungen des dvn's von nahezu gleichbleibender Qualität zu erhalten. Auch die Tatsache, daß die Tiere nach Abschluß der Versuche weiterhin vollständig lebensfähig blieben (was sich in einem normalen Freßverhalten und zusätzlich durch das Häuten der Tiere äußerte), zeigt, daß die Krebse bei der Präparation relativ geringen Schaden nahmen, und somit Ergebnisse erzielt werden konnten, die den natürlichen Bedingungen recht nahe kommen.
Um die Tiere während der Präparation ruhig zu stellen, wurden sie mit Hilfe von Gummiringen mit ihrer dorsalen Seite auf einer Kunststoffplatte befestigt, die in einer Schale (Teil eines Besteckkasten) fest geklemmt werden konnte. Die Schale wurde so weit mit Wasser gefüllt, daß es den Krebsen weiterhin möglich war, ungehindert Atemwasser in die Kiemenhöhle einzustrudeln. Um einen Zugang zum Cephalothorax zu erhalten, befand sich an der entsprechenden Stelle in der Kunststoffplatte eine Öffnung.
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