Bachelorarbeit, 2015
73 Seiten, Note: 1,3
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Verzeichnis der verwendeten Symbole und Abkürzungen
1. Einleitung
2. Literatur
3. Agglomeration und Innovation
3.1 Was sind Innovationen?
3.2 Messung von Innovationen
3.2.1 Investitionen im Innovationsprozess
3.2.2 Patente
3.2.3 Weitere Indikatoren
3.3 Bestimmungsfaktoren der Agglomeration
3.3.1 First-nature Causes
3.3.2 Second-nature Causes
3.3.2.1 Pekuniäre Effekte
3.3.2.1.1 Innerbetriebliche Skaleneffekte
3.3.2.1.2 Lokalisierungseffekte
3.3.2.1.3 Urbanisierungseffekte
3.3.2.2 Nicht-pekuniäre Effekte
3.3.2.2.1 MAR-Externalitäten
3.3.2.2.2 Porter-Externalitäten
3.3.2.2.3 Jacob-Externalitäten
3.4 Datengrundlage und Regressionsstrategien
3.5 Empirische Ergebnisse
3.5.1 Welche Industrien weisen eine räumliche Konzentration auf?
3.5.2 Bestimmungsfaktoren
3.5.2.1 Beschäftigungsdichte und Stadtgröße
3.5.2.1.1 Konzept der pekuniären Wissens-Spillover
3.5.2.1.1.1 Das Modell
3.5.2.1.1.2 Ergebnisse
3.5.2.2 Lokale Forschungsinputs
3.5.2.3 Schutz von Betriebsgeheimnissen
3.5.2.3.1 Ein Zwei-Perioden-Modell
3.5.2.3.1.1 Die erste Periode
3.5.2.3.1.2 Die zweite Periode
3.5.2.3.1.3 Ergebnisse
3.5.2.4 Entrepreneurship und Firmengröße
3.5.2.5 Natürliche Vorteile
3.5.2.6 Lokaler Wettbewerb und Vielfalt
3.5.2.7 Input-Sharing und Matching
3.5.3 Geographische Konzentration als dynamischer Prozess
4. Wirtschaftspolitische Implikationen
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildung 1: Schematische Darstellung der first- und second-nature Causes der Agglomeration
Abbildung 2: Beispielhafte Regression zur Bestimmung der Patentintensität
Abbildung 3: Regionale Verteilung der Patentanträge pro 1000 Arbeiter in Europa
Abbildung 4: Anzahl der Innovationen in den USA
Abbildung 5: Patentintensität für Städte der USA
Abbildung 6: Patente-pro-Kopf und MA-Beschäftigungsdichte
Abbildung 7: Kosten und Erlöse für die WIssensproduktion als eine Funktion von z
Abbildung 8: Kosten und Erlöse der Wissensproduktion als eine Funktion von D
Abbildung 9: Kosten und Erlöse von Wissen im Konzept der PKE
Abbildung 10: Zusammenhang zwischen der Produktivität und Agglomeration im Konzept der PKE
Abbildung 11: Lage von F&E-Einrichtungen im Jahre 1998 in den USA
Abbildung 12: Übersicht über sämtliche Entscheidungen und Umweltzustände
Tabelle 1: Agglomeration zweistelliger SIC-Industrien
Tabelle 2: Die zehn vierstelligen SIC- Industrien mit der jeweils höchsten Agglomeration
Tabelle 3: Regression der Patentintensität
Tabelle 4: Regression mit alternativen Annahmen
Tabelle 5: Ergebnisse der OLS-Regression für die Schätzung der Gini-Koeffizienten zwischen Städten
Tabelle 6: Innovativer Output in kleinen und großen Unternehmen und F&E-Ausgaben in Millionen Dollar
Tabelle 7: Tobit -Regression von Innovationen nach Städten und technologischem Bereich
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die theoretischen und empirischen Forschungsansätze über die Beziehung zwischen Agglomeration und Innovation werden in dieser Arbeit betrachtet. Mehrere Studien haben gezeigt, dass eine geographische Konzentration die Produktivität fördert und letztendlich Wirtschaftswachstum stimuliert. Das wohl bekannteste Beispiel hierzu ist Silicon Valley. Doch wie genau laufen diese Prozesse ab? Bis heute wird versucht, diese „black box“ zu entschlüsseln, doch bisher scheint dies nicht vollständig gelungen zu sein.
Generell haben sich ein paar grundlegende Determinanten der Agglomeration herauskristallisiert. Die bedeutendsten sind dabei die sogenannten Wissens-Spillover. Dabei spielen auch Pooling-Prozesse auf Arbeitsmärkten und Input-Sharing eine entscheidende Rolle. Weiter scheinen Quellen natürlicher Ressourcen ebenso einen Beitrag zu leisten. Agglomeration bringt zudem auch negative Effekte mit sich. So zeigen aktuellere Studien, dass eine Überauslastung letztendlich den Nutzen der geographischen Konzentration schmälern kann.
In einer einleitenden Übersicht stelle ich zunächst die einschlägige Literatur und ihre Ergebnisse vor. Daraufhin folgt eine kurze konzeptionelle Unterscheidung zwischen Invention und Innovation und es werden Ansätze genannt wie diese Faktoren gemessen werden können. In Abschnitt 3.3 werde ich die theoretischen Grundlagen erläutern, in dem ich die verschiedenen, zum Teil mikrofundierten Bestimmungsfaktoren der Agglomeration darstelle. Nach einem kurzen Überblick der Datengrundlage folgt eine ausführliche Präsentation der empirischen Ergebnisse der Literatur. In Absatz 4 gehe ich auf wirtschaftspolitische Implikationen ein und fasse in einer abschließenden Übersicht die wesentlichen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammen.
Mit den Wachstumsraten der Städte und nationaler Staaten haben sich inzwischen viele Ökonomen auseinandergesetzt. Die ersten klassischen Wachstumstheorien entwickelten sich nach dem zweiten Weltkrieg, welche vor allem durch Schumpeter (1934) inspiriert wurden. Mitte der 1950er Jahre wurde das Interesse an diesen Wachstumstreibern immer größer und fand unter anderem durch Kaldor (1957), Solow (1957) und Arrow (1962) erste Erklärungsansätze. Dabei wurde das Wachstum durch exogenen technischen Fortschritt erklärt. Im Zuge der endogenen Wachstumstheorie Ende der 1980er Jahre erweitern vor allem Jacobs (1969), Lucas (1988), Romer (1986, 1990) und Porter (1990) diese Überlegungen um weitere Aspekte, wie z.B. die der Skaleneffekte. Man war sich bereits damals schon einig, dass Innovationen und technischer Fortschritt maßgebliche Größen im Wachstumsprozess sind.
Innerhalb dieser wachstumstheoretischen Konstrukte setzten sich einige theoretische Untersuchungen mit den Auswirkungen der Agglomeration auseinander. Dabei kann man dieses Phänomen generell auf mehreren geographischen Ebenen betrachten: Innenstädte von Metropolregionen, Ballungsräume, Außenbezirke, Landkreise, Postleitzahlgebiete, aber auch im größeren Radius wie Bundesstaaten, Nationen und Wirtschaftsverbänden wie beispielsweise der EU.
Ein Großteil der Fachliteratur konzentriert sich dabei auf die Analyse der Spillover im Produktionsprozess von Gütern und/oder Dienstleistungen. Dementsprechend wird immer wieder eine sogenannte „knowledge-production-function“ herangezogen, mit der die Erzeugung von Wissen dargestellt werden soll1. So betrachten die meisten Autoren sogenannte Wissensexternalitäten – oder allgemeiner gesagt den Austausch von nicht aneignungsfähigen Informationen – als Hauptursache für die geographische Konzentration von Unternehmen: nach Audretsch und Feldman (1996), sollten innovative Vorgänge dort aufkommen, wo wissensfördernde Inputfaktoren am größten und Wissens-Spillover am verbreitetsten sind. Somit sind vor allem in diesem Bereich viele empirische Studien vorhanden.
So zeigt beispielsweise Jaffe (1986), dass Investitionen in F&E sowohl durch Unternehmen als auch Universitäten Wissensexternalitäten erzeugen, welche wiederum von Dritten genutzt werden können. Auch Acs et al. (1994) kommen zu dem Ergebnis, dass sämtliche Investitionen in F&E den innovativen Output aller Unternehmen erhöhen. Audretsch und Feldman (1996) veranschaulichen, dass innovative Prozesse geographisch deutlich konzentriert sind und diejenigen Industrien, welche einen hohen Wert auf F&E legen, starke geographische Konzentrationen aufweisen. Feldman und Audretsch (1999, S.411) schlussfolgern, dass:
„ industries which use the same base of scientific knowledge exhibit a strong tendency to locate together for both the location of production and the location of innovation “.
Des Weiteren zeigen Jaffe et al. (1993) in ihrem Beitrag, dass Inventoren in näherer Umgebung dazu neigen, Patene von Dritten zu verwenden. Daraus resultiert, dass Wissens-Spillover tatsächlich ortsgebunden sind. So finden auch Feldman und Audretsch (1999) heraus, dass Patentierungen in Großstädten zunehmen. Sowohl Jaffe et al. (1993), als auch Rosenthal und Strange (2001) kommen zu der Erkenntnis, dass Wissens-Spillover vor allem auf geringeren Aggregatsebenen positive Auswirkungen auf die Agglomeration haben. Sie erklären dies damit, dass Wissensexternalitäten mit steigender Distanz abnehmen. Dies entspricht der Sichtweise von Marshall (1920), nach dem es Grenzen für Informationsflüsse gibt.
Generell scheint es aber noch zwei weitere relevante Mechanismen zu geben: Input-Sharing und Pooling-Prozesse auf dem Arbeitsmarkt. So führen Goldstein und Gronberg (1984) Agglomerationsvorteile auf eine gemeinsame Nutzung von Inputfaktoren zurück. Eberts und McMillen (1999) messen vor allem der öffentlichen Infrastruktur als Inputfaktor im Produktionsprozess große Bedeutung zu. So können beispielsweise unterschiedliche Produktivitätsniveaus in gleich großen Städten erklärt werden. Helsley und Strange (2002) modellieren die Verknüpfung zwischen Input-Sharing und Wirtschaftswachstum und zeigen, dass ein Innovationsprozess selbstverstärkend sein kann.
Wheeler (2001) hingegen zeigt, dass größere Lokalmärkte gleichzeitig produktivere Kompatibilitäten generieren. Auch Helsley und Strange (2002) und Berliant et al. (2006) betrachten Pooling-Prozesse auf den Arbeitsmärkten und kommen zu diesem Ergebnis. Fosfuri und Ronde (2004) untersuchen mit Hilfe eines Modells der kumulativen Innovationen, wo Wissens-Spillover endogen im Zuge der Mobilität von Arbeitskräften auftreten, die Anreize für Unternehmen, sich geographisch zu konzentrieren. Sie zeigen, dass der Schutz von Betriebsgeheimnissen nützlich für Clusterbildungen sein kann.
Rosenthal und Strange (2001) untersuchen in ihrer Arbeit sowohl Wissens-Spillover und Pooling-Prozesse auf Arbeitsmärkten als auch Input-Sharing. Demnach spielen alle drei Faktoren eine Rolle für die Agglomeration, wobei auch hier wieder Wissensexternalitäten vor allem auf geringeren Aggregatsebenen von Bedeutung sind. Einige andere Autoren2 zeigen darüber hinaus, dass sogenannte Lokalisierungs- und Urbanisierungsvorteile von hoher Bedeutung sind, wobei letztere geringere Auswirkungen auf die Produktivität haben.
Schon Marshall (1890) erkennt, dass die geographische Konzentration von Individuen sowie Arbeitsplätzen in Städten den Austausch von Informationen zwischen Firmen und Arbeitskräften fördert. So finden Glaeser et al. (1992) heraus, dass stärker industrialisierte und breit gefächerte Metropolregionen schneller wachsen. Auch Henderson et al. (1995) zeigen, dass Beschäftigungswachstum positiv mit höherer Konzentration der gleichen Industrie korreliert. Cicone und Hall (1996) stellen fest, dass eine Verdopplung der Beschäftigungsdichte in einem Landkreis zu einer sechsprozentigen Erhöhung der durchschnittlichen Arbeitsproduktivität führt. Feldman und Audretsch (1999) kommen in ihrer Analyse zu dem Ergebnis, dass Produkteinführungen fast ausschließlich von Unternehmen innerhalb großer Städte getätigt werden. So kommen 45 Prozent der Einführungen in den USA im Jahre 1982 aus New York, San Francisco, Boston oder Los Angeles. Lediglich vier Prozent aller Innovationen entstammen Regionen außerhalb der Ballungsräume. Berliant et al. (2006) zeigen, dass größere Städte selektivere Muster von Informationsflüssen aufweisen. Diese resultieren aus den geringeren Kommunikationskosten in räumlich konzentrierten Umgebungen.
Carlino et al. (2007) finden Hinweise darauf, dass die Anzahl der Patente-pro-Kopf positiv mit der Bevölkerungsdichte in Metropolregionen korreliert. So ist die Patentintensität in Metropolregionen mit vergleichsweise doppelt so hoher Beschäftigungsdichte nahezu 20 Prozent höher als in anderen Großstädten. Darüber hinaus machen die Autoren eine „Optimalgröße“ für Städte aus, die in etwa der Stadt Austin (Texas) entspricht. Für die optimale Beschäftigungsdichte erhalten sie einen Wert, der ungefähr der geographischen Konzentration von Baltimore oder Philadelphia gleichkommt. Darüber hinaus generieren Städte mit lokal stark ausgeprägten kompetitiven Marktstrukturen mehr Patente-pro-Kopf. Auch Glaeser et al. (1992) und Audretsch und Feldman (1999) zeigen, dass lokaler Wettbewerb ein besserer Nährboden für innovative Prozesse ist als es Monopole sind.
Weiterhin zeigen Elmslie und Sedgley (2004), dass eine übermäßige geographische Konzentration auch Nachteile mit sich bringt. Zum gleichen Ergebnis kommen auch Antonelli et al. (2010), die anhand einer modelltheoretischen Analyse einen Maximalwert der Agglomeration berechnen, ab dem abnehmende Erträge aufkommen. Zusätzlich weisen Glaeser et al. (1992) nach, dass Industrien in denjenigen Städten langsamer wachsen, in denen sie stark überrepräsentiert sind. Auch Helsley und Strange (2002) analysieren den Fall einer Überauslastung. Henderson (1995) zeigt, dass Vielfalt vor allem für junge Branchen von größerer Bedeutung ist, während reifere Industrien eher von einer spezialisierten Umgebung profitieren.
Dumais et al. (2002) betrachten die räumliche Konzentration als Ergebnis eines dynamischen Lebenszyklus: neue Betriebe kommen auf, existierende Unternehmen wachsen oder schrumpfen mit unterschiedlichen Raten und einige Firmen scheitern.
Außerdem scheinen das Ausmaß der Agglomeration sowie die Tendenzen zur geographischen Konzentration, erheblich zwischen den Industrien zu variieren (Rosenthal und Strange; 2001). Schlussendlich tendieren Wissensexternalitäten dazu, stark ortsgebunden zu sein. Sie gelten als Wirtschaftsmotoren und spielen vor allem in Metropolregionen eine tragende Rolle.
Um sich in die Thematik der Agglomeration von Innovationsprozessen hineinzuversetzen, bedarf es eines grundlegenden Verständnisses über die maßgeblichen Konzepte dieses Themenbereichs. Zunächst folgt eine kurze Definition der Begrifflichkeit der Innovation und ihrer Variationen. Anschließend wird ermittelt, wie genau man diese messen kann. In Abschnitt 3.3 gehe ich auf die primären Bestimmungsfaktoren der Agglomeration ein und verdeutliche diese anhand theoretischer Konstrukte und empirischer Grundlagen. Daraufhin präsentiere ich ökonometrische Ansätze als auch ihre Ergebnisse.
Die Rolle innovativer Prozesse für Wirtschaftswachstum wird nicht erst seit kurzem untersucht. Manche Überlegungen gehen bis auf Marshall (1890) zurück. Was genau sind Innovationen? So spricht das Gabler Wirtschaftslexikon von einer
„ Bezeichnung in den Wirtschaftswissenschaften für die mit dem technischem, sozialem und wirtschaftlichen Wandel einhergehenden (komplexen) Neuerungen […]“.
Gleichermaßen definiert die OECD in ihrem „Oslo Manual“ (2005, S.46) Innovationen wie folgt:
„ An innovation is the implementation of a new or significantly improved product (good or service), or process, a new marketing method, or a new organizational method in business practices, workplace organization or external relations.“
Was ist nun der Unterschied zur Invention (zu Deutsch: Erfindung)? Entsprechend mehrerer Einträge in renommierten Lexika handelt es sich bei beiden Begriffen um unterschiedliche Grundgedanken. So schreibt beispielsweise das „New Oxford Dictionary of English“: „ Creating something new, that has never existed before.“. Auch für Schumpeter (1939, S.81) besteht ein deutlicher Unterschied:
„ […] the making of the invention and the carrying out of the corresponding innovations are, economically and sociologically, two entirely different things […] “.
Demnach erzeugen Inventionen einen neuen Prozess, Dienst oder ein neues Produkt, während eine Innovation die Kommerzialisierung und Einführung jener Erfindung in den Markt darstellt. Zwar werden massenweise Patente angemeldet, letztendlich gelingt es aber nur wenigen, den Verbrauchermarkt zu erreichen. So kommt Schumpeter (1939, S.117) zu dem Ergebnis, dass die meisten Inventionen niemals in Innovationen umgesetzt werden (können). Von denjenigen, bei denen es gelingt, sind wiederum neun aus zehn unprofitable Misserfolge.
Zur Unterscheidung von Innovationen gibt es mehrere Möglichkeiten: einerseits beeinflussen sie das Ergebnis innovativer Anstrengungen und sind dementsprechend physischer Natur und „greifbar“. Andererseits können sie auch immaterielle Dinge wie bahnbrechende Softwareprogramme, eine optimierte Unternehmensstruktur oder gänzlich neue Geschäftsmodelle beinhalten.
Eines der ältesten und bekanntesten Unterscheidungsmerkmale bezieht sich auf die Auswirkung einer Innovation. Hierbei spricht man von sogenannten inkrementellen bzw. radikalen Eigenschaften. Vor allem Letzteres ist wahrscheinlich die prominenteste Form: sie betrifft die sogenannte „Schöpferische Zerstörung“ nach Schumpeter (1939). Demnach sind Innovationen ein Akt der Zerstörung: gegenwärtige Konstellationen und/oder Produkte werden gänzlich überholt und durch etwas vollkommen Neues ersetzt3. Ein zweites Unterscheidungsmerkmal differenziert zwischen Produkt- und Prozessinnovationen. Bei Produktinnovationen kommt ein neues und/oder verbessertes Gut auf den Markt, wohingegen die Prozessinnovation die Verbesserung der Produktionstechnologie eines Unternehmens betrifft. Dadurch kann der gleiche Output mit geringerem Input erzielt werden; man spricht hierbei auch von Produktivitätssteigerungen. Ein drittes Merkmal bezieht sich darauf, ob eine Innovation interner oder externer Natur ist. Im gleichen Zusammenhang spricht man auch von Erforschung und entsprechend Verwertung (Akcigit und Kerr, 2010; Carlino und Kerr, 2014).
Im Zuge der empirischen Literatur treten aber sowohl die Unterscheidung zwischen Innovation und Invention als auch die gerade ausgeführten Differenzierungen (zum Teil) in den Hintergrund.
Um Innovationen messen zu können, benötigt man geeignete Verfahren. Wie genau kann man dies in Zahlen erfassen? Kann die Wertigkeit einer Innovation ermittelt werden? Diese und weitere Fragen werden im Folgenden genauer betrachtet. In der in diesem Themengebiet immer größer werdenden Menge an Fachliteratur4 haben sich prinzipiell drei Vorgehensweisen herauskristallisiert, um das Konzept der Innovation quantitativ erfassen zu können: (1) verwendete Inputs im Innovationsprozess, (2) Patente und (3) weitere literaturbasierte Indikatoren.
Aufgrund der kaum vorhandenen Daten über innovativen Output haben vor allem ältere Studien immer wieder auf F&E-Ausgaben als Maßgröße für Innovationen zurückgegriffen. Mit voranschreitender Digitalisierung und neuen Speichermöglichkeiten nimmt diese Vorgehensweise, vor allem in aktuelleren Studien, immer mehr ab. Im Gegensatz von F&E-Daten sind Patentierungen einfacher zugänglich. Die Verwendung von F&E-Beschäftigung und –Ausgaben macht es nicht möglich, die generelle Qualität des Innovationsprozesses zu erfassen (Carlino und Kerr, 2014, S.6).
Eine weitere Möglichkeit bieten Gompers und Lerner (2001), die Risikokapital-Investitionen als Maß für unterschiedlich innovative Regionen heranziehen. Nach Carlino und Kerr (2014, S.7) ist dies aber problematisch, da jene Investitionen sich auf bestimmte technologische Gebiete (u.a. Computer, Software) und Arten von Unternehmen (vor allem jüngere Start-Ups) konzentrieren. Dementsprechend ist diese Methode für eine umfangreiche Erfassung aller Innovationen lückenhaft.
Ein direktes Maß für innovativen Output sind die Patentierungen. Die entsprechenden Daten sind auf mikroökonomischer Ebene vorhanden und ermöglichen es Forschern, die Details im Innovationsprozess genauer zu studieren. Der leichte Zugang und die dauerhafte Verfügbarkeit dieser Daten machen Patente in der empirischen Forschung extrem beliebt.
Dennoch sollten diese mit gewisser Vorsicht gesehen werden: so warnt bereits Schumpeter (1939, S.117), dass die meisten Patente niemals in Form von Endprodukten auf Verbrauchermärkten ankommen werden. Darüber hinaus kann sich die Qualität von Patenten drastisch unterscheiden. So zeigen Harhoff et al. (1997, 1999), dass die meisten Patente nicht viel wert sind. Wenn ein Patent also wertvoll wäre, müssten seine Inhaber dieses nach Ablauf erneuern. Serrano (2010, S. 693) schließt sich dem an und zeigt, dass 77,5 Prozent aller US-Patente (1983-2001) von kleinen Innovatoren nicht verlängert wurden (60,3 Prozent für Privatpersonen und 50 Prozent für Großkonzerne). Konsequenterweise sind die meisten dieser Patente somit für den Patentinhaber von geringer Bedeutung. Weitere Kritikpunkte kommen aus der Perspektive des Wettbewerbs: nach Carlino und Kerr (2014, S.8) benutzen viele Unternehmen Patente, um ihre Mitstreiter im Konkurrenzkampf um die Marktführerschaft strategisch auszubremsen. Darüber hinaus gibt es auch Erfindungen, die niemals patentiert werden. So zeigen Cohen et al. (2000, S.13), dass Patente unter Umständen zu viele Informationen nach außen tragen und die Möglichkeiten der (legalen) Imitation dadurch vereinfacht werden. Des Weiteren zeigen die Autoren (S.21), dass unterschiedliche Branchen auch unterschiedlich „patentfreudig“ sind. Außerdem können die Kosten einer Patentierung für kleine Unternehmen zum Teil zu hoch sind und sie deshalb wird eine Anmeldung einer Erfindung unterlassen.
Um die Qualität der Patente zu erfassen, verwenden aktuellere Studien5 die sogenannte „patent citation“ als Maßstab. Dabei wird die Inanspruchnahme von Patenten durch Dritte ermittelt. Ähnlich wie Journals und wirtschaftliche Beiträge anhand der Anzahl ihrer Zitierungen in eine Rangordnung gebracht werden (z.B. VHB-JourQual2), gilt auch hier: je höher die Anzahl der Inanspruchnahme, desto höher ist die Qualität des Patentes.
Es existieren noch weitere Möglichkeiten, um Innovation zu erfassen. So verwenden manche Ökonomen6 Daten über getätigte Produktankündigungen aus dem Jahre 19827. Der große Vorteil dieser Herangehensweise ist offensichtlich: es werden nur Erfindungen erfasst, die den Kommerzialisierungsprozess überstanden haben und entweder in Unternehmensprozessen implementiert wurden oder auf Endverbrauchermärkten käuflich erwerblich sind. Carlino und Kerr (2014, S.9) weisen allerdings daraufhin, dass Produktankündigungen in der heutigen Zeit vor allem Gegenstand des Marketings sind und so unter Umständen zu Verzerrungen in den Messungen führen können. Darüber hinaus gibt es weitere Indikatoren, die das Ingenieurswesen oder fachspezifische Veröffentlichungen betreffen.
Grundsätzlich gibt es mehrere Bestimmungsfaktoren, um innovative Prozesse zu erfassen. Manche scheinen geeigneter zu sein als andere. Um genauere Ergebnisse zu erzielen, müssen künftige Forschungen einen Weg finden, zwei oder mehrere dieser Indikatoren gleichzeitig zu verwenden.
In diesem Abschnitt werden die unterschiedlichen Ursachen für geographische Konzentration genauer betrachtet. Die bekanntesten Formen basieren auf Marshalls genereller Idee über Wissensdiffusion und der Lokalisierung von Industrien. Hierbei unterscheidet man prinzipiell zwischen sogenannten „first-“ und „second-nature causes“. Letztere lassen sich nochmals genauer unterteilen.
Die sogenannten „natural advantages“ bzw. natürlichen Vorteile beeinflussen die Standortentscheidung von Unternehmen. Zum einen aufgrund der Transportkosen des Inputs zur Fabrik und zum anderen, um die Kosten für die Übermittlung des Outputs auf den Endverbrauchermarkt zu verringern (Rosenthal und Strange, 2001, S.198). Viele Metropolregionen und Ballungsräume entstehen aufgrund dieser Vorteile. Dazu zählen unter anderem Dinge wie Klima (für die Lebensmittelindustrie), Flüsse und Ozeane (Handel), wie auch natürliche Ressourcen, z.B. Metall, Kohle, Erdöl oder andere Energiequellen8. Standorte mit guter Faktorausstattung tendieren dazu, eine höhere geographische Konzentration aufzuweisen, und zwar in unmittelbarer Nähe zu jenen natürlichen Quellen. So zeigen unter anderem Glaeser et al. (1992), Ellison und Glaeser (1999) und Kim (1999) die Bedeutung dieser Faktoren und ihrer Einflüsse. In Abschnitt 3.5.2.5 werden diese Umstände anhand empirischer Ergebnisse nochmals aufgenommen.
Innerhalb dieser Kategorie unterscheidet man zwischen pekuniären und nicht-pekuniären Effekten, welche wiederum nochmals untereinander differenziert werden können. Im Folgenden wird ihre Komplexität detailliert betrachtet.
Bei den pekuniären Effekten handelt es sich um eine monetäre Betrachtungsweise. Hier stehen vor allem die Kosten im Vordergrund. In der Theorie ermöglicht die geographische Konzentration von Unternehmen eine Kostenreduzierung und ist somit Anreiz für Agglomeration. Die umfangreiche Literatur9 unterscheidet hierbei drei Arten von Vorteilen: innerbetriebliche Skaleneffekte, Lokalisierungseffekte und Urbanisierungseffekte.
3.3.2.1.1 Innerbetriebliche Skaleneffekte
Das wohl bekannteste Prinzip ist das der innerbetrieblichen Skaleneffekte. Sie sind nicht nur Themengebiet der Volkswirtschaftslehre, sondern finden sich auch in der Produktionstheorie der Betriebswirtschaftslehre wieder. Schon Adam Smith (1776) geht auf diese Thematik ein und zeigt in seiner umfangreichen Arbeit „The Wealth of Nations“ unter anderem ihre Bedeutung. Skaleneffekte liegen demnach dann vor, wenn die Ausbreitung der Produktion die Kosten pro Stück senkt. Adam Smith führt dies vor allem auf Arbeitsteilung und Spezialisierung im Produktionsprozess zurück. Weiter spricht das Gabler Wirtschaftslexikon von „ Kostenersparnissen, die bei gegebener Produktionsfunktion (Produktionstechnik) infolge konstanter Fixkosten auftreten, wenn die Ausbringungsmenge wächst […]“. Im Zuge dieser Kostenvorteile ist es großen Unternehmen möglich, die kleineren Konkurrenten preislich zu unterbieten und aus dem Markt zu verdrängen. Ein Beispiel hierfür wären unter anderem die Automobil- und Stahlindustrie.
3.3.2.1.2 Lokalisierungseffekte
Grundsätzlich liegen Lokalisierungsvorteile dann vor, wenn die Stückkosten für eine Firma in einer Region, die viele Unternehmen der gleichen Branche beinhaltet, geringer sind. Nach Eberts und McMillen (1999, S.1461) sind die Kostenvorteile externer Natur und intern für eine Industrie. Demnach bleiben Betriebe immer klein und die gesamte industrielle Konzentration ist hoch. Wie auch bei den innerbetrieblichen Skaleneffekten kann die Spezialisierung zu Lokalisierungseffekten führen: größere Städte schaffen Unternehmen die Möglichkeit, sich auf einen Typ der Produktion zu konzentrieren. Nach Glaeser (1992, S.1148) sammelt sich eine Industrie in der Nähe von gemeinsamen Lieferanten an, um sowohl Beschaffungskosten zu reduzieren, als auch einen engeren Informationsfluss mit den Lieferanten zu haben10. Teilen Unternehmen einen Input, der nicht ohne zusätzlich hohe Kosten mobil ist, so ist es für sie von Vorteil, sich in nächster Nähe zu eben jenen Inputfaktoren anzusiedeln.
Ein konkretes Beispiel für Lokalisierungseffekte zeigt Saxenian (1990) mit der Computer-Industrie in Silicon Valley. Nach Eberts und McMillen (1999, S.1462) sind die dort ansässigen Software-Unternehmen typischerweise klein und die Kosten für Start-Ups relativ gering. Dennoch ist das Risiko hoch und Firmen scheitern regelmäßig. Aufgrund der Konzentration von Arbeitskräften und Unternehmen in dieser Region, ist es vergleichsweise einfach, einen Arbeitnehmer bzw. Arbeitgeber zu finden. Schlussendlich finden es kleine Unternehmen der gleichen Branche profitabel, sich in nächster Umgebung zueinander anzusiedeln.
3.3.2.1.3 Urbanisierungseffekte
Nach Eberts und McMillen (1999, S.1463) liegen Urbanisierungseffekte dann vor, wenn die Effekte sowohl für ein Unternehmen als auch für die Industrie an sich externer Natur sind. Auch Nakamura (1985) und Henderson (1986) kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Demnach finden es kleine Unternehmen dennoch profitabel, sich in einer Region anzusiedeln, auch wenn keine Kostenvorteile für geographische Konzentration in Aussicht stehen. Im Prinzip ist diese Kategorie eine Residualgröße: wenn der Standort eines Betriebes nicht durch andere Formen der Agglomeration erklärt werden kann, so ist die Standortwahl den Urbanisierungseffekten zuzuschreiben. Dementsprechend ist es nicht einfach, ihre Existenz zu erklären.
Goldstein und Gronberg (1984, S.92) zeigen ein einfaches Beispiel: ein Gewerbebetrieb in einer ländlichen Region, der einen Fuhrpark besitzt, muss seine eigenen Mechaniker beschäftigen oder lokale Mechaniker bei Bedarf beauftragen. In Metropolen kann jene Firma dagegen Unternehmen beanspruchen, die auf die Reparatur von Lastwagen spezialisiert sind. Nach Eberts und McMillen (1999, S.1463) fungiert eine Stadt als kommunales Lagerhaus, welches es kleinen Firmen ermöglicht, sich auf eine Produktion zu spezialisieren, ohne alle anderen (nebensächlichen) Leistungen abdecken zu müssen. Öffentliche Infrastruktur ist eine weitere Quelle für Urbanisierungseffekte: Autobahnen, öffentliche Versorgung, Fernmeldeeinrichtungen etc. senken die Kosten aller Firmen, die in dieser Region operieren11.
Glaeser et al. (1992, S.1149) merken an, dass das Wachstum einer Branche unter Umständen zum Wachstum anderer Industrien führen kann: wächst ein Gewerbe, so steigen sowohl die Gehaltskosten als auch die lokale Nachfrage, aus der wiederum branchenfremde Unternehmen Nutzen ziehen können. Ein potenzieller Nachteil wird dabei von den Autoren auch identifiziert. So führt die Überbevölkerung in einer Stadt dazu, dass sowohl die Löhne als auch Mieten steigen und es damit anderen Unternehmen erschwert wird, sich in dieser Region niederzulassen (S.1150).
Der schmale Grat zwischen Lokalisierungs- und Urbanisierungsvorteilen wird nun deutlich. Regionen, welche nahe einer billigen Stromquelle liegen, locken Unternehmen einer energieintensiven Industrie an (= Lokalisierungsvorteile). So können aber auch kleine Firmen angezogen werden, die keinen Bezug zueinander haben und bei denen ein Großteil der Gesamtkosten die Nutzung von Elektrizität (=Urbanisierungsvorteile) ausmacht (Eberts und McMillen, 1999, S.1463).
Nakamura (1985) weist in einer generellen Schätzung für Japan sowohl Lokalisierungs- als auch Urbanisierungsvorteile nach. Erstere scheinen sogar stärker zu sein (S.118). Darüber hinaus kommt er zu unterschiedlichen Ergebnissen für verschiedene Industriezweige: Betriebe der Leichtindustrie12 haben größere Vorteile aus Urbanisierungseffekten, während die Schwerindustrie13 vor allem Nutzen aus Lokalisierungseffekten zieht. In einer weiteren Studie von Henderson (1986) werden keine Urbanisierungseffekte für das produzierende Gewerbe in Brasilien und den USA, aber sehr wohl Lokalisierungsvorteile nachgewiesen.
Aus dem Begriff per se ist bereits erkennbar, dass es sich hierbei nicht (primär) um monetäre Effekte handelt. Vor allem drei (bzw. fünf14 ) Autoren der frühen Literatur haben sich besonders mit dem Thema der Wissens-Spillover und ihrer Auswirkungen beschäftigt. Alle Sichtweisen entspringen der grundlegenden Idee von Wissensexternalitäten, die von Unternehmen nicht internalisiert werden können und somit Dritten zur Verfügung stehen.
Die nicht-pekuniären Effekte unterscheiden sich innerhalb von zwei Dimensionen: Ursprung der Wissens-Spillover sowie Ausmaß des Wettbewerbs. Generell wird die Rolle der dynamischen Externalitäten für Städtewachstum betrachtet. Demnach wachsen Ballungsräume, weil Individuen miteinander kommunizieren. Diese Kommunikation findet sowohl intra- als auch interindustriell statt. Die Häufigkeit dieser Interaktionen hängt wiederum von der geographischen Konzentration an jenem Standort sowie der Wettbewerbsintensität ab.
3.3.2.2.1 MAR-Externalitäten
Die sogenannten MAR-Externalitäten gehen auf Marshall, Arrow und Romer zurück. Diese Autoren haben sich vor allem auf interindustrielle Wissens-Spillover konzentriert. Ideen und Wissen, welche von einer Firma akkumuliert werden, helfen der Technologie anderer Unternehmen. So kommen auch Audretsch und Feldman (2004, S.2723) und Dumais et al. (2002, S.139) zu der Erkenntnis, dass die Agglomeration einer Industrie in einer geographischen Region Wissens-Spillover fördert. Diese Vorgänge minimieren die Transaktions- und Kommunikationskosten, was wiederum in einer höheren Wahrscheinlichkeit von Wissensexternalitäten mündet. Offensichtlichstes Beispiel hierfür ist Silicon Valley: Individuen kommunizieren verstärkt miteinander. Als weiteres Beispiel führen Glaeser et al. (1992, S.1130) Mode-Designer in New York an, die ständig zwischen den Betrieben wechseln und ihr Wissen mitnehmen. Gleiches gilt auch für die T-Shirt-Industrie in Bangladesch in den 1980er Jahren. Hunderte von Unternehmen wurden von Wirtschaftsakteuren gegründet, welche vorher in einem einzigen koreanischen Joint-Venture angestellt waren (S.1131). Entsprechend wachsen Unternehmen schneller, wenn eine Industrie regional spezialisiert ist. In einer Studie von Henderson et al. (1995) wird gezeigt, dass diese Externalitäten tatsächlich existieren. Andere Beiträge hingegen widerlegen die MAR-Sichtweise15.
Darüber hinaus steigt das Tempo von Innovationen und Wachstum insgesamt an, wenn ein Unternehmen seine Externalitäten vollständig internalisieren und eine Monopolstellung einnehmen kann. Diese Firmen sehen sich nun weniger Imitatoren gegenüber und können ihre Profite maximieren. Wettbewerb hingegen schadet dem Wirtschaftswachstum (Glaeser et al., 1992, S.1131).
3.3.2.2.2 Porter-Externalitäten
Der einzige Unterschied zur vorherigen Sichtweise ist lediglich die des Wettbewerbs. Auch hier treten wichtige Wissens-Spillover innerhalb einer Industrie auf. Nach Porter (1990) beschleunigt lokaler Wettbewerb die Imitation und führt somit zur Verbesserung von Innovationen. Der starke Wettbewerb reduziert nicht nur die Renditen eines Innovators, sondern erhöht gleichzeigt auch den Druck, eine neue Innovation hervorzubringen (Glaeser et al., 1992, S.1131). Unternehmen, die keinen technologischen Vorteil besitzen, werden von ihren innovativeren Konkurrenten vom Markt verdrängt. Wettbewerb zwischen lokalen Firmen erhöht die Adaption von neuem Wissen und generiert entsprechend Industriewachstum.
3.3.2.2.3 Jacob-Externalitäten
Die Theorie nach Jacobs (1969) hingegen unterscheidet sich von der vorangegangenen Sichtweise in einem Punkt: Wissens-Spillover sind interindustrieller Natur. So haben nach Glaeser et al. (1992, S.1132) beispielsweise die Getreide- und Baumwollhändler in New York die Notwendigkeit sowohl nationaler als auch internationaler Finanztransaktionen gesehen. Daraus resultierte letztendlich die Branche der Finanzdienstleistungen. Die ertragsreichsten Regionen für Betriebsgründungen sind diejenigen Standorte, die mit einer Vielfalt an ähnlichen Gewerbesektoren ausgestattet sind (Dumais et al., 2002, S.193). Nach Audretsch und Feldman (2004, S.2724) fördert und begünstigt der Reichtum unterschiedlichster Industrien Wissens-Spillover und letztendlich Wirtschaftswachstum.
Des Weiteren geht diese Sichtweise davon aus, dass Monopole die Möglichkeiten einer Ökonomie unterdrücken (Jacobs, 1984, S.227). Dementsprechend sind Jacobs und Porter derselben Ansicht, wenn es um die Wettbewerbsintensität geht. Größerer Wettbewerb beschleunigt das Aufkommen innovativer Prozesse (Audretsch und Feldman, 2004, S.2725).Mehrere Faktoren spielen somit eine zentrale Rolle für die Entstehung von Agglomeration. Über die Arten der Wissens-Spillover streitet sich zwar die Literatur, aber generell sind sich die Autoren einig, dass lokalisierte Spillover die Standortentscheidungen von Unternehmen, räumliche Verteilung von F&E, industrielle Ballung und letztendlich die Diffusion von Wissen im Innovationsprozess beeinflussen. Diese Externalitäten scheinen offensichtlich nicht exklusiv zu wirken, sondern fungieren in einem Zusammenspiel über mehrere Kanäle. Zusammenfassend lassen sich die Bestimmungsfaktoren in einer abschließenden Übersicht wie folgt darstellen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Schematische Darstellung der first- und second-nature Causes der Agglomeration. Quelle: Christ (2009, S.15); eigene Darstellung.
In diesem Abschnitt sollen die generellen Datengrundlagen vorgestellt werden, auf denen die verschiedenen empirischen Ergebnisse basieren. Wie Abschnitt 3.2 deutlich gemacht hat, gibt es verschiedene Wege Innovationen zu erfassen. Dementsprechend kommen nicht immer die gleichen Schätzfunktionen und Variablen zum Einsatz. Außerdem beinhalten viele Forschungen unterschiedliche Regionen und Betrachtungszeiträume. Deshalb werde ich in folgendem Abschnitt einen kurzen Überblick schaffen und anschließend in Absatz 3.5 die empirischen Ergebnisse ausführlich besprechen.
Eine generelle Schätzfunktion bezüglich der geographischen Konzentration von Firmen existiert nicht. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, gibt es verschiedenartige Verfahren, die wiederum unterschiedliche Variablen berücksichtigen. Um innovative Prozesse messen zu können, verwendet ein Großteil der Ökonomen16 Patente als Maßgröße. Die Patent-Daten werden von Instituten wie dem European Patent Office oder der U.S. Small Business Administration bereitgestellt. Um die geographische Konzentration von Patentanträgen zu erfassen, werden ihre Anmeldungen dem entsprechenden Standort des erstgenannten Erfinders zugeordnet. Um die Beschäftigungsdichte zu ermitteln werden meistens die Arbeitskräfte pro Quadratmeile bzw. Quadratkilometer untersucht. Hierbei gilt zu erwähnen, dass diese Vorgehensweise problematisch sein kann, wenn Regionen betrachtet werden, bei denen ein Großteil der Fläche naturbelassen ist. Darüber hinaus unterscheiden beispielsweise Carlino et al. (2007) zwischen wohnortsbezogener und unternehmensbezogener Beschäftigung17. Zusätzlich erfolgt die Datenauswertung für mehrere geographische Ebenen: Bundesstaaten, Landkreise und Postleitzahlgebiete.
Weiterhin verwenden Ökonomen ökonometrische Schätzfunktionen und Verfahren. Dabei kommen vor allem OLS- und 3SLS-Regressionen zum Einsatz. In einer Studie von Acs et al. (1994) wird das Tobit-Verfahren angewandt, das zur Analyse beschränkt abhängiger Variablen herangezogen wird.
[...]
1 Im Anhang befindet sich eine Übersicht von Studien, welche solch eine Funktion verwenden.
2 Sveikauskas (1975), Moomaw (1981), Nakamura (1985), Henderson (1986) und Cicone und Hall (1986).
3 Für eine genauere Ausführung verweise ich auf die Arbeiten von Aghion und Howitt (1992) und Aghion et al. (2014).
4 Siehe hierzu Christ (2009), S.15.
5 Siehe hierzu unter anderem Jaffe et al. (1993); Hall et al. (2001); Audretsch und Feldman (2004); Henderson et al. (2005); Carlino et al. (2012) und Murata et al. (2014).
6 Acs und Audretsch (1988); Audretsch und Feldman (1996); Feldman und Audretsch (1999); Acs et al. (2002) und Capello und Lenzi (2014).
7 Unglücklicherweise sind nur Daten für das Jahr 1982 vorhanden und machen weitere (aktuellere) Analysen nicht möglich.
8 Das wohl prominenteste Beispiel ist die Öl-Industrie in Ohio um die Jahrhundertwende.
9 Siehe hierzu unter anderem Sveikauskas (1975), Moomaw (1981), Nakamura (1985), Henderson (1986), Glaeser et al. (1992), Eberts und McMillen (1999) und Rosenthal und Strange (2001).
10 Siehe hierzu auch Henderson (1986).
11 Dieser Umstand wird in Abschnitt 4 der Arbeit nochmals genauer aufgegriffen.
12 Konsumgüterindustrien.
13 Bergbau, Stahl- und Eisenindustrien.
14 Marshall (1890), Arrow (1962), Jacobs (1969), Romer (1986,1990) und Porter (1990).
15 Dieser Umstand wird in Abschnitt 3.5.2.6 nochmals genauer aufgegriffen.
16 Unter anderem Audretsch und Feldman (1996); Harhoff et al. (1997, 1999); Hall et al. (2001); Elsmlie und Sedgley (2004); Henderson et al. (2005); Carlino et al. (2007); Antonelli et al. (2010) und Murata et al. (2014).
17 Dabei erfassen die Autoren den Standort des Arbeitgebers bzw. den Wohnort des Angestellten.
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