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Bachelorarbeit, 2020
37 Seiten, Note: 1,3
Abkurzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Homeschooling
2.1 Begriffsklarung
2.2 Faktoren fur das Gelingen des Homeschooling
3. Kommunikation
3.1 Kommunikation im Unterricht
3.2 Kommunikation im Wirtschaftsunterricht
3.3 Schuler-Lehrer-Kommunikation
4. Kommunikation im Homeschooling
5. Diskussion
6. Schlussbetrachtung und Ausblick
7. Literatur
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
“Bei dieser Transformation der Schulen kann es nicht um eine Eins-zu-Eins-Ubertragung des Analogen ins Digitale gehen, sondern Lernstrukturen und -prozesse mussen neu gedacht und weiterentwickelt werden.” (Gesellschaft fur Informatik 2020: 2)
Die von der offentlichen Debatte uber Jahre gefuhrte Diskussion uber Transformation und Digitalisierung der Schulen wurde im Marz 2020 ad hoc im Rahmen der Corona Ausnahmeregelungen in die Praxis umgesetzt. Im Rahmen der SchulschlieBungen fand der Unterricht uber Monate im Homeschooling statt, was ein absolutes Novum in Deutschland darstellt. Noch im Stadium derTheorie bescheinigten viele Stimmen dem Schulsystem in Deutschland, dass dieses nicht fur eine Digitalisierung vorbereitet sei. Dementsprechend war die Skepsis groB, wie sich die Zwangs-Digitalisierung des Unterrichts gestalten wurde im Homeschooling.
Im offentlichen Diskurs zum Homeschooling in Deutschland dominiert nach wie vor die Debatte uber die Digitalisierung der Schule und die dafur notwendige technische Infrastruktur. Ein Aspekt, der ohne Frage von groBer Relevanz ist. Demgegenuber verbleibt die Diskussion, wie Unterricht trotz erschwerter Bedingungen tatsachlich gestaltet werden kann, sodass den SuS1 keinerlei Nachteile entstehen, auf Seiten der Lehrer und wird bisher kaum flachendeckend thematisiert. Erkenntnisse aus der Forschung bezuglich des erreichten Lernstandes bzw. Lernzuwachs deutscher SuS in der Phase des Homeschooling gibt es bisher kaum. Eine Studie von Bildungsforschern der Universitat Oxford bescheinigt den Niederlanden hohe Verluste in diesem Bereich, was sich einigen Meinungen ebenfalls uber den Stand der deutschen SuS vermuten lasst (Burchard 2020).
Es ist nicht die Frage, ob Homeschooling gewunscht ist oder nicht, sondern vielmehr wie das Homeschooling gewinnbringend gestaltet werden kann. Dies ist umso dringender angesichts des Risikos eines erneuten Lockdowns und nicht zuletzt fur die SuS von Relevanz, die sich weiterhin im Homeschooling befinden und deren personliche Entwicklung wesentlich von einem ganzheitlichen Homeschooling-Konzept abhangt.
Nach uberwiegender Meinung in der Bildungsforschung wird Lehr- und Lernerfolg wesentlich durch Kommunikation getragen und vermittelt. Ganzheitliche Betrachtungen bezuglich der Unterrichtsform des Homeschooling sollten daher unbedingt auch die kommunikativen Aspekte des Unterrichts untersuchen. Guter Unterricht basiert wesentlich auf der kommunikativen Gestaltung und der Nutzung geeigneter Instrumente. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf Facher wie Wirtschaft zu verweisen, die wie die Ausfuhrungen deutlich machen werden, fur die Kommunikation und durch sie geschulte Kompetenzen unverzichtbares Gestaltungselement sind.
Basierend auf der Annahme, dass die Unterrichtsform des Homeschooling Veranderungen fur den Unterricht und die sarin stattfindende Kommunikation mit sich bringt, lautet die Forschungsfrage dieser Arbeit wie folgt:
Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich aus den spezifischen Bedingungen des Homeschooling fur den Aspekt der Kommunikation am Beispiel des Wirtschaftsunterrichts?
Anspruch dieser Arbeit ist, die spezifischen Aspekt der Kommunikation im Homeschooling zu analysieren sowie deren Rahmenbedingungen, Auspragungen und Veranderungen gegenuber dem traditionellen Unterricht.2 Daher geht es in dieser Arbeit bei der Diskussion der Chancen und Herausforderungen auf der Ebene der Kommunikation vor allem darum, bisher gewonnene Erkenntnisse und Gedanken zur Situation des Homeschooling zu sammeln und fur eine mogliche Weiterentwicklung bzw. weitere Forschungen abzubilden.
Da die Kommunikation ein Aspekt des Unterrichts ist, wird im zweiten Kapitel zunachst dargelegt, was Homeschooling als Unterrichtsform ausmacht und was ein hierfur funktionierendes didaktisches Konzept berucksichtigen muss. Der Kommunikation kommt in solch einem Konzept eine ubergeordnete Rolle zu, da diese nicht nur Bestandteil, sondern auch tragendes Medium darstellt. Daher widmet sich das dritte Kapitel der Kommunikation und deren Dimensionen. Auf Grund dessen, dass Homeschooling mutmaBlich wesentliche Veranderungen in allen Bereich des Unterrichts mit sich bringt, wird zunachst die Unterrichtskommunikation im Allgemeinen thematisiert. AnschlieBend wird im Kapitel der Wirtschaftsunterricht und dessen besondere Anforderungen an die Kommunikation betrachtet. AbschlieBend werden spezifische Kommunikationsaspekte vorgestellt, die insbesondere in der Kommunikation zwischen Lehrer und SuS zum Tragen kommen. In Kapitel vier werden Erkenntnisse aus Studien und Erhebungen, die einen Bezug zum Thema Kommunikation im Unterrichtskontext aufweisen, gesammelt und dargestellt. Die sich daraus ableitenden Herausforderungen werden im funften Kapitel diskutiert, mit besonderem Blick auf Losungsansatze und sich ergebenden Chancen im Bereich der Kommunikation. AbschlieBend erfolgt im sechsten Kapitel die Beantwortung der Forschungsfrage und die Einschatzung der Implikationen fur den Wirtschaftsunterricht.
Da Homeschooling in Deutschland ein Novum darstellt, ist die entsprechende Literatur- und Forschungslage weitestgehend noch im Anfangsstadium. Aus diesem Grund erfolgt insbesondere die Diskussion der Herausforderungen und Chancen zu groBen Teilen auf eigenen Annahmen und Einschatzungen. Gleiches gilt fur die Implikationen zum Wirtschaftsunterricht, der in seiner inhaltlichen Gewichtung und Ausrichtung kaum naher in der Bildungsforschung betrachtet wurde. Die im Kapitel vier vorgestellten Daten basieren auf Studien, die teils in Deutschland, Osterreich und der Schweiz erhoben wurden.
Der aktuell in der offentlichen Debatte um Schule und Pandemie verwendete Begriff des Homeschooling stellt eine Besonderheit dar.3 Der aus dem Englischen stammende Begriff bezeichnet im traditionellen Sinne einen Ansatz, bei dem Kinder in ihrem hauslichen Umfeld lernen, anstatt dem Ort Schule. In diesem Verstandnis findet eine Anleitung des Lernprozess der SuS durch Eltern oder der Familie nahestehende Personen statt (Spiegler 2008: 11). Damit entspricht die Definition eher dem Hausunterricht4 der in Deutschland nicht erlaubt ist. Deutlich ist, dass das 2020 in Deutschland praktische Konzept des Homeschooling sich inhaltlich von dieser Definition unterscheidet und erweitert werden muss. Meyer definiert den Begriff des Homeschooling unter Beachtung der aktuellen Gegebenheiten als “[...]eine Variante individualisierenden Unterrichts,bei derdas gemeinsame Arbeiten in der Klasse zeitlich befristet aufgehoben und durch Hausarbeit ersetzt wird, die mit digitalen und analogen Unterrichtsmedien unterstutzt wird.” (Meyer 2020)
Die Lehrform des Homeschooling wurde situationsbedingt geschaffen, um eine Fortsetzung des Unterrichts fur SuS wahrend des Shutdowns 2020 zu gewahrleisten. “Eine solche verordnete hausliche Beschulung, mit der die gesellschaftliche Bildungsfunktion [...] und die Schulpflicht aufrechterhalten werden sollen, ist beispiellos in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Lander” (Wacker et al. 2020: 80) Henkelmann (2020) fasst es kurz zusammen: “Wir denken bei Homeschooling an Unterricht in digitaler Form, in virtuellen Klassenzimmern und mit Unterstutzung moderner Technik. Die Lehrkraft bleibt dabei den Schulerinnen und Schulern im Lehr-Lernprozess erhalten.” (Lehrer-Online 2020) Sie fuhrt weiter aus, dass Unterricht in dieser Form ortsunabhangig stattfindet und den Einsatz digitaler Medien braucht, wobei die “[...] technischen Moglichkeiten unterstutzen Lehrkrafte ganz pragmatisch, aber ersetzen keine gute Padagogik. Es ist eine Erganzung - die Lehrpersonlichkeit bleibt das Zentrum, auch virtuell.” (Lehrer-Online 2020) Ein weiteres Merkmal des Homeschooling ist der Wegfall der schultypischen Systematisierung der Zeit bzw. des Tagesablaufs.
Grundlegende Voraussetzung fur erfolgreiches Homeschooling ist die Technik. Dies umfasst einerseits das Vorhandensein von passenden Endgeraten, wie Computer oder Tablets, bzw. den Zugang zu diesen Geraten. Andererseits ist ebenfalls essentiell, dass eine stabile Internetverbindung verfugbar und nutzbar ist. Dies giltfur Lehrer und SuS gleichermaBen (Tengler et al. 2020: 6). Neben der grundlegenden technischen Ausstattung ist ein uberlegtes Nutzungskonzept der vorhanden Moglichkeiten relevant, was spater in der Arbeit besonders an dem Punkt Kommunikation noch deutlich wird. Ein Nutzungskonzept beachtet sowohl verwendbare Technologien als auch zur Verfugung stehende Medien, die vom Lehrer eingesetzt und vom SuS genutzt werden konnen (Hametner et al. 2006: 10f). Im Idealfall stehen hier Lernplattformen zur Verfugung, die extra fur den didaktischen Kontext gedacht sind. Die Effizienz solcher Medien und Plattformen bemisst sich nach den Kriterien der Zuganglichkeit und Intuitivitat (Tengler et al 2020: 7, Hametner et al. 2006:11).„Der Lernende darfsichnicht mit technischen Problemen oder langen Einarbeitungsphasen auf Grund von komplizierten Systemen beschaftigen, sondern muss problemlos und rasch mit den Inhalten arbeiten konnen [...]“ (Kreidl 2011: 41).
Darauf aufbauend sind Vorkenntnisse ein weiteres Kriterium fur das Gelingen des Homeschooling. Je besser die Vorkenntnisse der Lehrer und SuS im Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien ausgepragt sind, umso besser kann deren Nutzung erwartet werden (Tengler et al. 2020: 7). Allgemein kann man hier von einer gut ausgebildeten Medienkompetenz sprechen, die sowohl Wissen um die Nutzung technischer Endgerate beinhaltet, als auch Erfahrung im Umgang mit den gangigen technischen Anwendungen. Ebenfalls von Vorteil sind Vorkenntnisse der SuS im Bereich des selbststandigen bzw. selbstregulierten Arbeiten und Lernens dank bereits gelernter Arbeitstechniken und Haltungen (Meyer 2020).
Ein weiterer Faktor ist die Zeit bzw. derenPlanung. Im Homeschooling kann man von einer teilweisen Entgrenzung der Zeit ausgehen im Vergleich zum Prasenzunterricht auf Grund eigener Zeiteinteilung, fehlender Zeitbegrenzungen wie Unterrichtsbeginn und Pausenklingeln. Daher ist die Zeit wesentliches Planungselement fur die Gestaltung der Lehre. Hilfreich ist hier, wenn im Vorfeld klar definiert wird, wie viel Zeit fur verschiedene Aufgaben seitens des SuS aufgewendet und benotigt wird (Hametner et al. 2006: 12). Dies ist insbesondere relevant, da eine Stunde im Homeschooling sich anders gestaltet als im Prasenzunterricht, allein auf Grund fehlender Wortmeldungen, Diskussionen etc. und damit Zeit anders genutzt wird. “Der Lehrende muss sich auch daruber im Klaren sein, wie viel Zeit fur Vorbereitung, Verteilung der Materialien, Verbesserung und Feedback aufgewendet wird.” (Tengler et al. 2020: 7)
Der didaktischen Organisation kommt im Homeschooling als Unterrichtsform eine besondere Gewichtung zu, da eben eine Entgrenzung im Punkt Zeit und eine Ausweitung der technischen Moglichkeiten vorliegt, was gleichermaBen fur die Lehrgestaltung neue Herausforderungen bringt. Hinzu kommt, dass Unterricht nicht bzw. seltener in Echtzeit stattfindet und damit ebenfalls nicht in Echtzeit auf die SuS und deren Belange und Fragen eingegangen werden kann. Dies muss ebenfalls in der didaktischen Planung berucksichtigt werden (Tengler et al 2020: 7).
Letzter und wichtigster Faktor ist die Kommunikation. Erster Aspekt hierzu ist die Auswahl passender Kommunikationswerkzeuge. Je nachdem welche technischen Mittel und Medien genutzt werden, muss die Wahl der Kommunikationsmoglichkeiten passend gewahlt werden.
Kommunikationsangebote mussen zudem dem Einzelnen als auch der Gruppe gerecht werden (Tengler et al. 2020: 7). Desweiteren kommt der Kommunikation eine ubergeordnete Rolle zu im Sinne einer Moderations- und Informationsfunktion. Treten Schwierigkeiten auf sei es technischer, didaktischer oder personlicher Art, mussen Moglichkeiten der Kommunikation gegeben sein, um insbesondere Unsicherheiten vorzubeugen. Aber auch auf der Mikroebene insbesondere im zwischenmenschlichen Bereich, stellt das Modell Homeschooling spezifische Anforderungen an die Kommunikation (Vogel 2013: 9). Welche Implikationen sich in diesem Kontext fur die Kommunikation ergeben, wird in den folgenden Kapiteln dargestellt.
Lange galt aus theoretischer Sicht ein hohes fachliches Wissen als wichtigste Determinante fur eine positive Schulerleistung. Je hochwertiger das Wissen,umso hochwertiger die erwartbare Leistung. Doch die Erfahrung aus der Praxis lehrte, dass es sich hierbei nur um ein Kriterium unter vielen handelte (Sann/ Preiser 2017: 114f). Die Praxis der Lehre ist vor allem kommunikativer Art. Kommunikation bestimmt die Institution Schule und damit den Unterricht. “Das hangt damit zusammen, daB der - oder ein - Zweck der Schule darin liegt, wichtige Teile des gesellschaftlichen Wissens an die folgende Generation weiterzugeben.” (Ehlich/ Rehbein 1983: 7) Der Begriff der Kommunikation umfasst das sprachliche Geschehen zwischen einem Sender und einem Empfanger. Es handelt sich um eine gemeinsame Tatigkeit, ein gemeinsames Handeln. „Menschliche Kommunikation ist ein Prozess zwischen zwei oder mehreren Beteiligten, in dem die Akteure durch Zeichen und Symbole verschiedener Modalitaten direkt oder indirekt uber Medien miteinander in Beziehung treten.“ (Vogel 2013: 10) Die Wechselseitigkeit ist ein bezeichnendes Element der Kommunikation und zugleich Grund fur deren Komplexitat, nicht zuletzt im schulischen Kontext, da sowohl Lehrer als auchSuSals Konstrukteure fungieren (Haustein 2012: 23f).
Im Unterricht dient die Sprache als wichtigstes Medium. Fachwissen wird sprachlich vermittelt, Diskussionen uber fachliche Inhalte werden gefuhrt, Fragen werden gestellt und Ergebnisse formuliert. “Sprache ist damit die zu erwerbende Grundlage, der Lern- und Reflexionsgegenstand, das Lernmedium, das Kommunikationsmittel und wichtiges Mittel zur Leistungsuberprufung [...]” (Budke/ Kuckuck 2017: 7). Giesinger fuhrt aus, dass die padagogische Kommunikation durch ihre spezifische Intention gekennzeichnet ist, bei anderen Lernprozesse auszulosen, was durch das Lenken der Aufmerksamkeit umgesetzt wird (Giesinger 2008: 9). Die Effektivitat von Lernprozessen hangt wesentlich von der Fahigkeit zu kommunizieren ab (Haustein 2012: 35). Merkmale, wie Kommunikation im Unterricht eingeschatzt werden kann, haben Buchalik und Riedl (2007) identifiziert.
Merkmal der im Unterricht stattfindenden Kommunikation ist zum einen die Funktion, die der Lehrer einnimmt. Im traditionellen Unterricht wirkt der Lehrer in erster Linie steuernd, daher adminstrativ und sozial. Auf Grund des Lernens in der Klasse, steht die Steuerung des Gesamtprozess im Vordergrund - daher die Koordination und Moderation (Buchalik/ Riedl 2007: 3). Des Weiteren nennen die Autoren die Diagnostische Funktion, die Lernenden sowie Lehrenden Ruckmeldungen uber einen erreichten Lern- und Leistungsstand liefert zum Sinne der Forderung des Lernpotenzials seitens des SuS und der Reflexion der Lehrgestaltung seitens des Lehrers (Buchalik/ Riedl 2007: 3). Ein weiteres Merkmal ist die Sozialform. Im klassischen Frontalunterricht adressiert der Lehrer in seiner Kommunikation an das Plenum, weswegen gruppensoziale und gruppeninteragierende Aspekte vorwiegen. Das Merkmal der Kommunikationsart und Kommunikationsrichtung wird im traditionellen Unterricht daran deutlich, dass beispielsweise im Plenum weniger Personen an der aktiven Kommunikation beteiligt sind. Der Lehrer tritt in dieser Form als Experte auf, der die Kommunikation steuert. Das Merkmal der Initiierung bezieht sich auf das Zustandekommen einer Schuler-Lehrer-Kommunikation. Diese kann vom Lehrer, vom SuS oder strukturell durch den Lernstoff ausgehen. Die Autoren merken an, dass im traditionellen Unterricht seltener SuS die Initiatoren eines Gesprachs mit dem Lehrer sind und sich stattdessen eher an ihre Mitschuler wenden. Das letzte Merkmal ist die Position im Lernverlauf. “Fachgesprache konnen zu Beginn, wahrend und zum Abschluss einer Lernstrecke stattfinden. Da zu Beginn einer Lerneinheit in der Regel fachlich-inhaltliche Kommunikationsaspekte zur Reflexion und zum Verstandnis von Lerninhalten geringer zum Tragen kommen, liegt die Bedeutung von Fachgesprachen insbesondere in der Unterstutzung der Lernenden wahren(d) des Lernverlaufs und auf emem formalen Abschluss einer Lernsequenz.” (Buchalik/ Riedl 2007: 4)
Ein weiteres die Kommunikation im Unterricht strukturierendes Elemente ist die Zeit. Der Unterricht und die in ihm stattfindende Kommunikation ist strukturell gegliedert in Unterrichtsstunden, Pausen sowie Anfangs- und Endzeiten. Dadurch strukturieren sich ebenfalls die generellen Kommunikationsmoglichkeiten zwischen Lehrern und SuS (Bittner 2006: 23).
Vogt (2015) verweist darauf, dass Kommunikation im Unterricht auch immer aus einer fachspezifischen Perspektive betrachtet werden muss. Grund dafur sind die unterschiedlichen Inhalte und Ziele, die unterschiedliche kommunikative Schwerpunkte setzen und damit unterschiedliche didaktische Mittel notwendig machen, die durch Kommunikation wiederum umgesetzt werden (Vogt 2015: 8f). “Um aber den thematischen Schwerpunkt der Unterrichtskommunikation zu fokussieren, mussen auch die jeweiligen Fachdidaktiken und die darin formulierten Lernziele berucksichtigt werden. [...] Erst dann ist eine differenziertere Einschatzung des Unterrichtsgeschehens moglich.” (Vogt 2015: 9)
GemaB der fachdidaktischen Konzeption des Wirtschaftsunterrichts sollen Lehrkrafte die lebensweltliche Dimension der Wirtschaft fur praktisch relevante Zusammenhange der SuS aufbereiten. “Die Schulerinnen und Schuler werden in diesen Lehr-Lernsituationen auf die Bewaltigung sozio-okonomischer Lebenssituationen vorbereitet, was das Spezifizierende der Wirtschaftsdidaktik ausmacht [...]” (Berg 2014: 2). Die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Konsequenzen betreffen weitgehend alle Bereichen des Lebens und finden damit Eingang in die sozio-okonomische Realitat (SMK 2020: 13). Im Curriculum des Landes Sachsen zum Wirtschaftsunterricht wird spezifiziert: “Demokratische Mitwirkung, Toleranz und Konsensfahigkeit werden als unerlassliche Werte und Prinzipien fur eine funktionierende Teilhabe und Mitverantwortung fur die Gesellschaft verstanden und vertieft.” (SMK 2020: 11)
Welche spezifischen Anforderungen der Wirtschaftsunterricht an die Kommunikation stellt, wurde bisher kaum erforscht. Dennoch lassen sich Anspruche aus den landerspezifischen curricularen Anforderungen an das Fach Wirtschaft ableiten. GemaB den Ausfuhrungen des Bildungsservers Rheinland-Pfalz zu der Frage, was einen guten wirtschaftlichen Unterricht ausmacht, wird unter anderem die kommunikative und interaktive Kompetenz der Lehrkraft hervorgehoben. Im Allgemeinen zeigt sich dies in der Schuler-Lehrer Beziehung exemplarisch in (Bildungsserver Rheinland-Pfalz 2020/ SMK 2020):
- dem Ermutigen zur eigenen GedankenauBerung uns der Wahrung der aktiven Teilhabe der Lerngruppe im Prozess
- der Moderation von MeinungsauBerungen im gruppendynamischen Prozess
- in der Forderung einer angemessenen sprachlichen Konstruktion bei den Lernenden
- in der Schaffung schulerorientierter Kommunikation und deren Reflexion zur Diskussion von Zielkonflikten
- der Forderung multiperspektivischen und vernetzten Denkens
Als Schwerpunkt der curricularen Empfehlungen lasst sich die Forderung der Kompetenzen der SuS herauslesen. Insbesondere jener, die im Gruppenkontext relevant sind und daher einen sozialen Bezug aufweisen. Schule als sozialer Ort ist gleichermaBen ein Ort der Kommunikation und Interaktion und wesentlich fur die Kompetenz- und Personlichkeitsentwicklung von SuS. Welch Relevanz diesem Aspekt zukommt, sieht man, wie Klieme(2020)ausfuhrt, anden diversen richterlichen Entscheidungen gegen ein systematisches Homeschooling in Deutschland. Diese “[...] wurden interessanterweise nicht mit dem Argument begrundet, dass man Unterricht im Klassenverband brauche, um Wissen und Fertigkeiten zu erwerben, sondern mit dem Hinweis, dass Schule ein wesentlicher Ort der sozialen Integration sei. Auch Bildung im Sinne der Personlichkeitsentfaltung und kulturellen Aneignung findet nicht nur im (Fach-)Unterricht statt.” (Klieme 2020: 119) SuS machen wesentliche Sozialisationserfahrung in der Schule, im Klassenverband bezuglich des Umgangs mit Lernen, den Mitschulern, den Lehrern.
Der Kommunikation im gruppendynamischen Prozess spricht die Literatur einige positive Effekte im Bezug auf den SuS zu. Die Interaktion mit dem Lehrer und den Mitschulern fordert das Verstandnis von “Ich” und “Wir” und damit die Reflexion und Koordination von Selbst- und Weltwahrnehmung, was eine wichtige Komponente fur die Identitatsbildung ist (Haustein 2012: 39). “[...] je differenzierter ein Individuum in der Lage ist, uber seine Annahmen vonetwaszu kommunizieren und diese mit den Annahmen anderer abzugleichen, je bewusster es dabei seine Wirklichkeitstheorien durch assoziative Koordination von Neuem und bereits Gelerntem fassen und formulieren kann und je aufmerksamer es im Formulieren und Aufnehmen von Informationen ist, umso wahrscheinlicher istes, dass es das Gemeinte, bzw. den wesentlichen Inhalt empfangen und senden kann, indem die Informationen bei geringerer Storung transportiert und transformiert werden.” (Haustein 2012: 35) Den Einsatz solch interaktions- und diskursbasierter Unterrichtsformate empfiehlt auch der Sachsische Lehrplan: “Dem allgemeinen didaktischen Prinzip der Kontroversitat folgend, sindbei Inhalten mit politischem Gehaltauchdiedamit in Verbindung stehenden fachspezifischen Arbeitsmethoden der politischen Bildung einzusetzen. Dafur eignen sich u. a. Rollen- und Planspiele, Streitgesprache, Pro- und Kontra-Debatten, Podiumsdiskussionen oder kriterienorientierte Fall-, Konflikt und Problemanalysen.” (SMK 2020: 13)
[...]
1 Schuler und Schulerinnen werden in dieser Arbeit unter dem Kurzel SuS gefasst. Jegliche Verwendung des Begriffs 'Schuler' in dieser Arbeit wird der Lesbarkeit halber verwendet, bezieht sich aber auf alle Geschlechter.
2 In Abgrenzung zur Unterrichtsform des Homeschooling wird in dieser Arbeit der Terminus “traditioneller Unterricht” verwendet, der die herkommliche Unterrichtssituation im Frontalunterricht am Ort Schule umfasst.
3 Inwiefern der Begriff “Homeschooling” tatsachlich der passende Ausdruck fur die Schul-Fortfuhrung in Ausnahmesituationen ist oder ob Begriffe wie Fernunterricht, distance learning etc. sich besser zur Beschreibung eignen, wird im Rahmen dieser Arbeit nicht thematisiert. Fur die Betrachtung des Aspektes Kommunikation spielt die ubergeordnete Bezeichnung der Unterrichtsform nur eine marginale Rolle. Weiterfuhrende Literatur dazu: vgl. Klieme 2020.
4 Weiterfuhrende Literatur zum Hausunterricht: vgl. Spiegler 2008.