Bachelorarbeit, 2010
22 Seiten, Note: Gut
1. THEORIE
1.1 Mentalisierung und Affekte
1.2 Forschungsstand und Desiderata
1.3 Kritische Auseinandersetzung mit dem Beurteilungsakt des Sozial-verhaltens der SchülerInnen durch die LehrerInnen
2. METHODE
2.1. Strukturierte Inhaltsanalyse
2.2 Die Entwicklung der Kategorien bezüglich der Mentalisierungsfähigkeit in den Bildbeschreibungen
2.3 Die Entwicklung der Beurteilungskriterien bezüglich des sozialen
Verhaltens in der Schule
3. DURCHFÜHRUNG UND ERGEBNISSE
3.1 Freies Schreiben
3.2 Ergebnisse der Beurteilung des sozialen Verhaltens
3.3 Ergebnisse und Interpretation der SchülerInnenbeschreibungen des Impulsbildes
4. AUSBLICK
5. LITERATURVERZEICHNIS
Die vorliegende Bachelorarbeit entstand im Rahmen des Forschungspraktikums und des Bachelorarbeit I Begleitseminars "Mentalisierung und reflexive Kompetenz im Studienjahr 2009/10.
Ziel meiner Arbeit ist es, Auswirkungen der Mentalisierungsfähigkeit auf das soziale Verhalten von SchülerInnen einer ersten Klasse der Schule zu untersuchen.
Das soziale Verhalten der SchülerInnen wird durch deren LehrerInnen beurteilt und in drei Kategorien – sozial außergewöhnlich angepasstes, sozial angepasstes und sozial auffälliges Verhalten – eingestuft. Die Mentalisierungsfähigkeit der einzelnen SchülerInnen wird aus deren Beschreibungen eines Impulsbildes (siehe S. 23) mittels strukturierter Inhaltsanalyse herausgearbeitet. Die Beurteilungen des sozialen Verhaltens der SchülerInnen durch die LehrerInnen werden der Mentalisierungsfähigkeit der SchülerInnen gegenübergestellt und ein möglicher Zusammenhang zwischen Mentalisierungsfähigkeit und sozialem Verhalten wird überprüft und, falls gegeben, beschrieben.
Im ersten Abschnitt meiner Arbeit diskutiere ich relevante theoretische Aspekte der Mentalisierungstheorie in Bezug auf meine Forschungsfrage. Weiters befasse ich mich kritisch mit der Beurteilung des sozialen Verhaltens der SchülerInnen durch die LehrerInnnen. Im Kapitel zwei beschäftige ich mich mit der Methode der strukturierten Inhaltsanalyse und setzte mich mit der Kategorienbildung der Mentalisierungsfähigkeit sowie der Entwicklung der Beurteilungskritierien bezüglich des sozialen Verhaltens der SchülerInnen auseinander. Schließlich beschreibe ich im dritten Kapitel die Durchführung meiner Forschung, lege die Ergebnisse offen und diskutiere diese. Im abschließenden Ausblick werde ich offene Fragen aufzeigen und praktische Überlegungen aufgrund der Ergebnisse meiner Untersuchung darlegen.
Der folgende Theorieteil soll dazu dienen, die wesentlichen theoretischen Vorgaben bezüglich meiner Arbeit zu klären. Im Kapitel 1.1 und 1.2 habe ich versucht, jene Teilbereiche der Mentalisierungstheorie, die für meine Arbeit wesentlich sind, ausführlich darzustellen.1Im Kapitel 1.3 befasse ich mich mit der Subjektivität der LehrerInnenbeurteilungen bezüglich des SchülerInnenverhaltens.
Wesentlich für die vorliegende Arbeit ist die Auseinandersetzung mit der Mentalisierungs- theorie in Bezug auf Affekte und deren Regulation. Affektzustände hängen eng mit Mentalisierung zusammen und Affektregulierung kann als Präludium der Mentalisierung gesehen werden, was folgendes Zitat verdeutlichen soll:
"Die Affektregulierung, das heißt die Fähigkeit, emotionale Zustände zu modulieren, hängt eng mit dem Mentalisieren zusammen, das eine grundlegende Rolle für das Auftauchen eines Gewahrseins des Selbst und seiner Urheberschaft spielt. Dieser Sichtweise zufolge ist die Affektregulierung ein Vorspiel zum Mentalisieren. Sobald jedoch das Mentalisieren auftaucht, wird die Art der Affektregulation verändert: Das Mentalisieren ermöglicht nicht nur die Anpassung emotionaler Zustände, sondern wird – auf einer grundlegenderen Ebene – zur Regulierung des Selbst benutzt. ..." (Fonagy 2009, 113)
Fonagy und seine MitarbeiterInnen beschreiben verschiedene Ebenen der Affektregulierung. Für meine Arbeit ist jene Ebene von Belang, die von den AutorInnen "mentalisierte Affektivität" genannt und wie folgt beschrieben wird:
"Auf einer weiteren Ebene findet die Regulierung im Zusammenhang mit unserer Beziehung zu anderen statt. Sie hilft uns, Affekte zu formen und sie mitzuteilen (manchmal anstelle von entsprechendem Handeln). Im Grunde betrifft diese Ebene beinahe ebenso sehr die Selbstregulierung wie die Affektregulierung. Die Affektregulierung reguliert die Affekte, hat aber gleichwohl Konsequenzen für das Selbst, denn sie ist daran beteiligt, dass es überhaupt entstehen kann." (Fonagy u.a. 2008, 103)
Das Konzept der "mentalisierten Affektivität" bezeichnet die Affektregulierungsfähigkeit von Erwachsenen. Diese Fähigkeit ermöglicht es, sich der eigenen Affekte bewusst zu sein und den Affektzustand gleichzeitig aufrechtzuerhalten. Die SchülerInnen, auf die sich meine
Untersuchung bezieht, sind im Alter von 10-13 Jahren2, ein Alter indem aus soziologischer Sicht die Peers an Bedeutung gewinnen und das Ringen um Identität und der Kampf um die Herrschaft zwischen Ich und Es aus psychoanalytische Sicht tobt (vgl. Göppel 2005).
Diese Entwicklungsstufe setzt einerseits ein gewisses Maß an Mentalisierungsfähigkeit bereits voraus, andererseits wird gerade in diesem Lebensabschnitt m.E. vor allem im Umgang mit den Peers das Mentalisieren geübt und verbessert.
Explizites3 Mentalisieren spielt laut Allen (2009, 48) "vor allem für die Lösung zwischen- menschlicher Schwierigkeiten eine wichtige Rolle. In ähnlicher Weise kommt das explizite Mentalisieren (Selbstgewahrsein) auch der Lösung intrapersonaler Probleme und insbe- sondere der emotionalen Regulierung zugute." Sowohl das explizite als auch das implizite Mentalisieren kann das Selbst und andere Menschen betreffen. Sich selbst implizit zu mentalisieren setzt "einen mit dem Selbst verbundenen emotionalen Zustand" (ebd., 34)
voraus. Mit mentalisierter Affektivität ist jene Ebene der Mentalisierungsfähigkeit gemeint, die es erlaubt, ein Selbstgefühl wahrzunehmen und sich seiner eigenen emotionalen Zustände klar zu sein, was für die emotionale Regulation unabdingbar ist. Holmes (2009, 73) datiert das Auftauchen der Fähigkeit, andere zu mentalisieren gleichzeitig mit dem Entstehen der Fähigkeit, sich selbst zu mentalisieren bzw. sogar früher. Das Kind lernt also, "das Mentali- sieren anderer als Erklärung für seine Handlungen und Reaktionen zu berücksichtigen" (ebd.).
Um sich sozial angepasst verhalten zu können, müssen Affekte reguliert werden. Das Hauptproblem von Kindern und Jugendlichen, die auffälliges Verhalten zeigen, ist laut Katzenbach ihre eingeschränkte Fähigkeit zur Affektregulation (Gerspach 2007, 290). Und Gerspach schreibt weiter: "Als Ziel der emotionalen Entwicklung formuliert er [Katzenbach,
Anm.d.V.]:'Zugang zu den eigenen Affekten haben, ohne ihnen ausgeliefert zu sein' ...und setzt dies in Verbindung mit Fonagys und Targets Konzept des Mentalisierens" (ebd.).
Das Konzept des Mentalisierens wird seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in der psychoanalytischen Literatur verwendet, aber erst in den neunziger Jahren wurde es zu einem Synonym für die "Theorie des Geistes" in der Erforschung der kognitiven Entwicklung.
Fonagy et al. ist es gelungen, dieses Konzept über das False-Belief-Paradigma, den Autismus und die Erforschung von Vorschulkindern hinaus zu erweitern.
Mentalisierung ist mehr als die Theorie des Geistes und beinhaltet laut Baron-Cohen (2003) neben der kognitiven Komponente auch eine Empathiekomponente. Sie deckt ebenso die Fähigkeit ab, über die eigene Psyche nachzudenken. Neuere Studien gehen der Frage nach, inwiefern Kinder Gedanken, Gefühle etc. falsch wahrnehmen, also verzerrt mentalisieren. Die Einsicht, dass Menschen, die über dieselben Information verfügen, zu unterschiedlichen Überzeugungen gelangen können, entwickeln Kinder etwa um das zehnte bis elfte Lebensjahr. (Sharp 2009, 153ff)
Die jeweiligen Probleme von Verhaltensstörungen zeigen sich für gewöhnlich in sozialen Interaktionen. Sutton, Reeves und Keogh (2000) untersuchten den Zusammenhang zwischen Verhaltensstörung und Mentalisieren und konnten keine Beziehung zwischen dem Mentalisieren und disruptiven Verhalten feststellen. Die Ergebnisse wiesen im Gegenteil darauf hin, dass Kinder mit störendem Verhalten über besonders gut entwickelte Mentalisierungsfähigkeiten verfügen. Sie haben laut Sutton durch strenge und unberechenbare
Erziehungsmethoden besonders gut zu mentalisieren gelernt. (ebd., 162ff)
Hughes, Bunn und White (1998 u. 2000) folgerten aufgrund der Ergebnisse ihrer Untersuchungen, "dass die interpersonalen Probleme disruptiver Kinder in höherem Maße auf Beeinträchtigungen der Verhaltensregulierung (exekutives Funktionieren) als auf Probleme mit dem sozialen Verstehen an sich zurückzuführen seien" (ebd., 167ff).
Dennoch sind sich die ForscherInnen nicht einig über die Beziehung zwischen der Theorie des Geistes und dem exekutiven Funktionieren, und im weiteren Sinne dem Mentalisieren und dem sozialen Verhalten. Manche Forscher sehen intaktes exekutives Funktionieren als die Voraussetzung für die Entwicklung des Mentalisierens an. Caruthers (1996), Perner und Lang (2000) Perner, Lang und Kloo (2002) machen hingegen geltend, dass Kinder mit der Bildung komplexer mentalen Konzepte ihre eigene Mentalität besser verstehen lernen, was zu einer besseren Kontrolle über ihre mentalen Prozesse führe. Dies wiederum ermögliche eine bessere Regulation des Verhaltens und der Emotionen. Diese Auffassung stimmt mit dem Verständnis Fonagys et al. überein, die dem Mentalisieren auf fortgeschrittenem Niveau die Aufgabe zuweisen, den Kindern bei der Steuerung der mentalen Prozesse zu helfen und Gefühle wie auch Verhalten zu regulieren. (Sharp 2009, 167ff)
Antisoziale Kinder können z.B. die Gedanken und Gefühle anderer zwar lesen, dies aber mit verzerrtem Blick. Kinder mit indirekter oder relationaler Aggression mentalisieren im kognitiven Bereich unter Umständen sogar äußerst gut. Allerdings gibt es in Bezug auf die Einfühlungskomponente und die impliziten Aspekte des Mentalisierens Beeinträchtigungen. Kinder mit Verhaltensproblemen und/oder psychopathischen Tendenzen haben besondere Schwierigkeiten mit der Empathie. (ebd.)
Hier möchte ich meine Untersuchung ansetzten. Das von mir gewählte Bild, welches die SchülerInnen beschreiben müssen, zeigt drei Personen. Zwei Kinder streiten sich um einen Teddy. Die dritte Person steht im Hintergrund. Um die Personen bzw. die Situation beschreiben zu können, müssen sich die SchülerInnen in diese Personen bzw. die Situation hineinversetzen. Mentalisieren und Einfühlung sind nicht identisch, aber hoch korrelierte Konstrukte. Blair (1995) hat den Bezugrahmen formuliert, der es erleichtert, die Überschneidung zwischen Empathie und Mentalisierung zu verstehen. Er definiert laut Sharp
(2009, 195) Empathie
"... als eine affektive Reaktion, die auf eine Situation eines anderen Menschen besser abgestimmt ist als auf die eigene. Als emotionale Reaktion auf den Zustand des Anderen kann die Empathie auch als Ergebnis einer Rollenübernahme verstanden werden. Die Rollenübernahme wiederum setze voraus, dass der innere Zustand des Anderen repräsentiert wird, das heißt, sie verlangt ein Mentalisieren. Insofern ist die Empathie eine emotionale Reaktion auf die Repräsentation des inneren Zustands eines Anderen."
Jon G. Allen sieht die Empathie als "eine Facette des Mentalisierens", vielleicht sogar als die allerwichtigste und weist darauf hin, "dass die Begriffe Empathie und Mentalisieren beinahe synonym wären, wenn wir mit 'Empathie' auch die Einfühlung ins eigene Selbst bezeichneten" (Allen 2009, 37).
Meine Arbeitshypothese, die sich auf Fonagys u.a. Auffassung von Mentalisieren sowie auf meine Erfahrungen als Lehrerin beziehen lautet, dass bei SchülerInnen, die ein sozial angepasstes Verhalten in der Klasse aufweisen, die Fähigkeit zu mentalisieren gut entwickelt ist bzw. dass bei SchülerInnen, deren Mentalisierungsfähigkeit weniger gut entwickelt ist, Auffälligkeiten im sozialen Verhalten zu erkennen sind.
"Ob sich ein Lehrer mit einem Schüler unterhält, ein Händler mit einem Käufer, ein Therapeut mit einem Klienten oder ein Meister mit seinem Arbeiter, der Erfolg des resultierenden Verhaltens hängt ... von den Wahrnehmungen ab, die eine Person einer anderen entgegenbringt." (Gage 1952, 1, zit. n. Mann 1999, 138)
Im folgenden Kapitel befasse ich mich mit der "Organisation der Vorstellungen von Lehrern über die Schülerpersönlichkeit" (Hofer 1986, S. 75) sowie mit der perspektivischen Wahrnehmung und der damit verbundenen Subjektivität der Verhaltensbeurteilung durch die LehrerInnen. Danach beleuchte ich aus psychoanalytischer Sicht das Thema der Verhaltensstörung von SchülerInnen in der Schule, wobei ich mich auf Helmuth Fidgors Artikel "'Mythos Verhaltensstörung': Wer stört wen?" (2001) stütze.
1.3.1 Implizite Persönlichkeitstheorie und perspektivische Wahrnehmung
"Mit impliziter Persönlichkeitstheorie wird das Insgesamt an Annahmen einer Person bezeichnet, die Schlussfolgerungen über Eigenschaften einer anderen Person ermöglichen" (Hofer 1986, 75).
Menschen schließen aus dem Vorhandensein einer Eigenschaft bei anderen Menschen auf das Vorhandensein einer oder mehrerer anderer Eigenschaften (z.B. blond und dumm). Diese Persönlichkeitstheorie wird abgegrenzt von der expliziten (wissenschaftlichen, objektiven)
Theorie implizite (naive, alltagspsychologische) Theorie genannt. Sie ist das Insgesamt an
Annahmen, die Menschen über die Zusammenhänge und Organisation von Eigenschaften bei anderen Menschen besitzen. Es wird angenommen, dass Individuen bei der Eindrucksbildung und der Beurteilung von Menschen bestimmte Erwartungen bezüglich der Zusammenge- hörigkeit und der Organisation von Eigenschaften besitzen und dass die subjektiven Persönlichkeitsdimensionen relativ dauerhaft und doch zugleich veränderbare Variablen sind. Wahrnehmung ist nicht objektiv. Sie richtet sich auf das Auffallende und das Bedeutende. Wie sich eine Person in einer Situation verhält, hängt davon ab, wie sie diese "sieht", also welchen Sinn die Person der Situation zuschreibt. Personen achten vor allem auf die Eigenschaften bei anderen, die im Hinblick auf ihre Zielsetzungen funktional sind. Um sich schulische Erscheinungen zu erklären, können LehrerInnen die in der impliziten Theorie enthaltenen Dimensionen zur Beschreibung anderer Personen als Basis für die Bildung von Personen-Kategorien verwenden, was die Auswahl von Handlungsentwürfen erleichtert, was aber auch zu Fehlinterpretationen führen kann. (Hofer 1986, 69ff)
1.3.2 "Verhaltensstörung" von SchülerInnen aus psychoanalytischer Sicht
Wer bestimmt die Kriterien, die eine Verhaltensstörung ausmachen? Im schulischen Bereich sind das v.a. die LehrerInnen. Aber verschiedene PädagogInnen schätzen SchülerInnen unterschiedlich ein. Das weist erstens darauf hin, dass LehrerInnen unterschiedliche Persönlichkeiten sind, die auf SchülerInnen unterschiedlich reagieren (welche Erwartungen sie an die Kinder herantragen, wodurch sie sich persönlich gestört, verletzt oder sogar bedroht fühlen) und zweitens, dass SchülerInnen sich unterschiedlich benehmen, je nachdem, mit wem sie es zu tun haben und in welcher Situation sie sich befinden. Werden Kinder nun als "verhaltensgestört" bezeichnet, handelt es sich laut Figdor im oben genannten ersten Fall um Gegenübertragung - damit ist in diesem Zusammenhang die Gesamtheit der bei den PädagogInnen in der Begegnung mit den Kindern ausgelösten bewussten und unbewussten seelischen Regungen gemeint - und im zweiten Fall um einen Ausdruck einer Beziehungsstörung. Beide Aspekte spielen oft zusammen. (Figdor 2001, 4)
Die Schule als Institution stellt ein tendenziell repressives System dar, in dem angepasste Kinder weitaus konfliktarmer ihre Schulkarriere durchlaufen als jene, die durch störendes Verhalten auffallen. Allerdings sagt dies nichts über die psychische Gesundheit dieser Kinder aus, wie auch "störendes Verhalten" per se kein hinreichendes Indiz für eine pathologische Entwicklung ist. Wohlverhalten kann auf Flexibilität und Anpassungsfähigkeit beruhen als auch ein Resultat pathologischer Unterwerfung sein; störendes Verhalten kann Ausdruck gesunden Aufbegehrens als auch Resultat psychischer Krisen oder Ausdruck defizitärer Ich-Entwicklung sein.
Auch die heutigen LehrerInnen fordern von den SchülerInnen Ordnung, Pünktlichkeit, emotionale Kontrolle, Bereitschaft zur Anpassung an Normen etc.; allerdings werden diese Eigenschaften anstatt durch Repression durch "Freundlichkeit, Erklärung und die Vergrößerung von Freiheitsspielräumen" (Figdor 2001, 7) eingefordert. Dies birgt laut Figdor allerdings die Gefahr, dass der Interessenskonflikt zwischen den Bedürfnissen der Kinder und den Ansprüche der LehrerInnen geleugnet wird und es zu einer tendenziellen Destrukturierung des pädagogischen Feldes kommt. (Figdor 2001, 5ff)
Die Vernachlässigung der Frage, warum ein Kind tut, was es tut, hat oft unheilvolle Folgen. Wenn sich der Pädagoge/die Pädagogin die Differenz zwischen Ziel seines/ihres Bemühens und Ergebnis desselben als persönliches Versagen anlastet, wird das Kind nicht nur zum Objekt der Projektion des Pädagogen/der Pädagogin, sondern zum Feind/zur Feindin: der Lehrer/die Lehrerin erblickt in ihm/ihr den Schuldigen/die Schuldige an seinem/ihrem Misserfolg. Einfühlungsvermögen, Verständnis und Liebe haben dann keinen Platz mehr in der pädagogischen Beziehung. Haben LehrerInnen theoretische Vorstellungen der Machbarkeit verinnerlicht und ist die Kluft zwischen Engagement bzw. Ziel und Ergebnis groß, werden SchülerInnen zu "FeindInnen" und die Einschätzung durch die LehrerInnen nehmen oftmals extreme Formen an. (ebd., 9f)
Die Beurteilung des Verhaltens von SchülerInnen hängt - wie oben ausgeführt – von vielen Faktoren ab. Es ist daher angebracht, sich die Subjektivität der Beurteilungen immer wieder bewusst zu machen und den Ergebnissen der SchülerInnenbeurteilung die Absolutheit abzusprechen. Auch die Auswertung der Beurteilung des sozialen Verhaltens durch die LehrerInnen im ersten Semester 2009/10 weist auf die Subjektivität der Beurteilungen hin.4
Nachfolgend beschreibe ich die gewählte Methode der strukturierten Inhaltsanalyse für die Auswertung der Bildinterpretationen der SchülerInnen. Weiters werden Merkmale der Mentalisierungsfähigkeit, die von verschiedenen AutorInnen beschrieben wurden, vorgestellt.
Mittels dieser theoretischen Auffassungen von Mentalisierung bzw. Mentalisierungsfähigkeit werde ich Kategorien entwickeln, um eine Zuordnung der Beschreibungen zu ermöglichen.
[...]
1Eine Auseinandersetzung mit der Theorie der Mentalisierung im Allgemeinen findet sich in meinem Forschungsbericht zum Seminar Mentalisierung und reflexive Kompetenz geleitet von Mag. Dr. Michael Wininger im Wintersemester 2009/10 auf den Seiten 6ff.
2 Die Altersangabe ist deswegen nicht homogen, da in der Klasse SchülerInnen sind, die bereits ein Vorschuljahr absolvierten, aus Sprachgründen (Nichtbeherrschen bzw. mangelhaftes Beherrschen der deutschen Sprache) rückgestuft wurden oder aus sonstigen Gründen eine Klasse wiederholen mussten.
3 Allen (2009, 31ff) definiert explizites Mentalisieren als das gezielt und bewusste Nachdenken und Sprechen über mentale Zustände; implizites Mentalisieren beschreibt er als intuitiv, prozedural, automatisch, nicht bewusst und unausgesprochen.
4 Die Ergebnisse der LehrerInnenbeurteilung des sozialen Verhaltens der SchülerInnen - bezogen aufalleKategorien des Verhaltens (Umgangston, Verhalten in der Gruppe, befolgt Anweisungen, Ordnung, Ausdauer und Konzentration, Arbeitsweise) im Wintersemester 2009/2010 - finden sich in meinem Forschungsbericht zum Seminar "Mentalisierung und reflexive Kompetenz" geleitet von Mag. Dr. Michael Wininger im Wintersemester 2009/10 auf den Seiten 14 und 15.
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