Masterarbeit, 2021
88 Seiten
1 Zielsetzung, Struktur und Ausgangssituation
1.1 Problemstellung
1.2 Stand der Forschung
1.3 Zielsetzung und Forschungsfragen
1.4 Methodik
2 Technische Grundlagen
2.1 Datenkategorisierung
2.1.1 Personenbezogene Daten
2.1.2 Nicht-personenbezogene Daten
2.1.3 Gemischte Datensätze
2.2 Big Data und relevante Anwendungsfelder
2.3 Profiling
2.4 Carsharing
3 Carsharing als datengetriebenes Geschäftsmodell
3.1 Daten als Wirtschaftsgut - eine ökonomische Perspektive
3.1.1 Big Data als Erfolgsfaktor der Unternehmenssteuerung
3.2 Kategorisierung und Stellenwert erhobener Daten
3.2.1 Technische Daten als kontinuierliche Datensammlung
3.2.2 Kundeneigene Daten als notwendige Datengrundlage
3.2.3 Mobilitätsdaten als wertvolle Ressource
3.2.4 Big Data als Lern- und Wachstumspotential
3.3 Kritische Betrachtung aus ökonomischer Perspektive
4 Datenschutzrechtliche Hürden für das Geschäftsmodell Carsharing
4.1 Stellenwert des Datenschutzes und Herausforderungen
4.1.1 Personenbezug von Daten und Bestimmbarkeit
4.2 Grundsätze der Verarbeitung personenbezogener Daten
4.2.1 Grundsatz der Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben und Transparenz
4.2.2 Zweckbindung
4.2.3 Datenminimierung
4.2.4 Richtigkeit
4.2.5 Speicherbegrenzung
4.3 Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung
4.3.1 Vorvertragliches und vertragliches Interesse
4.3.2 Erfüllung gesetzlicher Vorgaben
4.3.3 Wahrung der berechtigten Interessen
4.3.4 Einwilligung der betroffenen Person
4.4 Big Data als datenschutzrechtliches Risiko
4.4.1 Herausforderungen hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Grundsätze
4.4.2 Anonymisierung zur weiteren Datenverarbeitung
4.4.3 Geotracking und Bewegungsprofile als datenschutzrechtliches Risiko
5 Zusammenfassung und Ausblick
6 Verzeichnisse
6.1 Literaturverzeichnis
6.2 Judikaturverzeichnis
6.3 Abbildungsverzeichnis
6.4 Tabellenverzeichnis
6.5 Abkürzungsverzeichnis
Danke...
An Frau Mag. (FH) Mag. Dr. Josefine Kuhlmann, LL.M. für die wertvollen Anregungen zur
Themenfindung im Rahmen des Seminars zur Masterarbeit.
An Herr Assessor Dipl.-Jur. Friedrich E. Seeber für die hervorragende fachliche
Betreuung bei der Erarbeitung dieser Masterarbeit.
An Tamara für deine Unterstützung und das Verständnis für die vielen Wochenenden, die ich
an der Fachhochschule verbracht habe.
An meine Eltern Andreas und Ildiko, für eure Ermutigung und Motivation diesen Weg bis zum
Ziel zu verfolgen.
An meine lieben Freunde, die mich stets unterstützt und begleitet haben.
Das persönliche Eigentum eines Fahrzeuges war seit jeher privat organisiert. Die Daten waren nahezu anonym und nur dem Fahrzeug zuzuordnen. Mit der Ausbreitung von Carsharing Angeboten konnten Fahrzeuge nun nur für den Zeitraum einer Fahrt angemietet werden. Die personenbezogenen Daten von NutzerInnen sowie die erzeugten Daten im Fahrbetrieb waren somit für kommerzielle Zwecke verwertbar und boten ein attraktives Geschäftsmodell. Durch die fortschreitende Digitalisierung und Nutzung von Big Data in den letzten Jahrzehnten gelang es die Auslastung der Fahrzeuge kosteneffizienter darzustellen. Für NutzerInnen wuchsen die datenschutzrechtlichen Bedenken, aufgrund der zunehmenden Erhebung und Verwertung personenbezogener Daten. Mit der Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) am 25. Mai 2018 wurden die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen gestärkt. Dies führte zu Herausforderungen für Carsharing-Anbietende gleichermaßen ökonomische Interessen zu verfolgen sowie datenschutzrechtliche Vorgaben einzuhalten. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die datenschutzrechtlichen Herausforderungen für Carsharing Anbietende, insbesondere im Hinblick der Nutzung von Big Data, auf dem europäischen Markt zu erforschen. Aus datenschutzrechtlicher Sicht sind die Grundsätze der DSGVO ebenso für Big Data anzuwenden. Dazu wurde zunächst die Datenabhängigkeit des Geschäftsmodells Carsharing und Möglichkeiten zur Datenverwertung analysiert. Nachfolgend wurden die datenschutzrechtlichen Hürden anhand der Datenschutzerklärungen der europaweit tätigen Carsharing-Anbie- tenden Cambio, Flinkster und Share now aufgezeigt. Die Ergebnisse der Arbeit zeigen, dass Carsharing-Anbietende nicht nur vielfältige Herausforderungen hinsichtlich der Nutzung von Big Data aufweisen, sondern ebenso bei der Einhaltung der Grundsätze der DSGVO, sowie der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung. In Bezug auf Big Data lässt sich ableiten, dass betroffene Personen nicht ausschließlich automatisierten Prozessen auszusetzen sind. Weiters gelingt es Carsharing-Anbietenden durch die Verwertung von Standortdaten Aussagen zu sensiblen Information zu treffen. Zur Achtung der schutzwürdigen Interessen der NutzerInnen sind Daten auf das notwendige Maß zu beschränken, sowie geeignete technische und organisatorische Maßnahmen einzusetzen und regelmäßig zu evaluieren.
The personal ownership of a vehicle has traditionally been organised privately. Data was almost anonymous and only attributable to the vehicle. With the spread of car-sharing services, vehicles could now only be rented for the duration of a ride. The personal data of users as well as the data generated during drives could now be used for commercial purposes and offered an attractive business model. Through the progressive digitalisation and use of big data in the last decades, it was possible to provide a more cost-efficient representation of the utilisation of the vehicles. For users, data protection concerns grew due to the increasing collection and use of personal data. With the introduction of the General Data Protection Regulation (GDPR) on 25 May 2018, the fundamental rights and freedoms of individuals have been strengthened. This led to challenges for car-sharing providers to pursue economic interests and to comply with data protection regulations simultaneously. The aim of this thesis was to explore the data protection challenges for car sharing providers in the European market, especially about the use of big data. From a data protection perspective, the principles of the GDPR also apply to Big Data. To do so, the data dependency of the car sharing business model and possibilities for data utilisation were first analysed. Subsequently, the data protection hurdles were highlighted based on the data protection declarations of the pan-European car sharing providers Cambio, Flinkster and Share now. The results of the thesis show that carsharing providers not only face various challenges regarding the use of Big Data, but also about compliance with the principles of the GDPR and the legitimacy of data processing. Regarding Big Data, it can be deduced that data subjects are not exclusively exposed to automated processes. Furthermore, carsharing providers can make findings on sensitive information using geographical data. To respect the legitimate interests of individual users, data must be limited to the necessary extent and appropriate technical and organisational measures must be implemented and regularly evaluated.
Der persönliche Besitz eines Automobils wird als Symbol für Freiheit und einem persönlichen Schutzbereich konnotiert. Bislang konnte das Fahren in eigenen Automobilen weitgehend anonym geschehen. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der betroffenen Personen fand nicht statt, lediglich das Kennzeichen des Fahrzeuges erlaubte eine Zuordnung. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung in den letzten beiden Jahrzehnten bietet das moderne Automobil nun jedoch Vernetzungsmöglichkeiten, welche der bisher gewohnten Anonymität entgegenstehen. Für betroffene Personen bedeutet dies eine fundamentale Veränderung. Auf der einen Seite ist durch die stetige Kommunikation ein Zuwachs an Komfort möglich und bietet die Grundlage für autonomes Fahren. Auf der anderen Seite steht jedoch das Aufgeben der bisher gewohnten Anonymität und der damit einhergehenden Befürchtung der durchgängigen Kontrolle durch die Fahrzeugindustrie.1
Durch die Vernetzung der betroffenen Person mit dem Fahrzeug sowie der TeilnehmerInnen des Verkehrsgeschehens werden kontinuierlich eine Vielzahl an Daten verarbeitet. Dazu zählen unter anderem technische Daten zur Aufrechterhaltung des Fahrbetriebs. Beispielsweise Geschwindigkeit und Bremsverhalten, als auch Mobilitätsdaten, wie Positionsdaten aber auch persönliche Daten, wie die ein- und ausgehende Kommunikation. Am Beispiel des Carsharing Geschäftsmodells ist die Nutzung von Big Data ein wichtiger Baustein, um die Fahrzeuge optimal im Geschäftsgebiet zu positionieren und demnach optimal auszulasten. Personen wird auf Grundlage eines Mietvertrages und durch die Eingabe ihrer personenbezogenen Daten sowie ihrer Position die Möglichkeit geboten Fahrzeuge in ihrer Nähe jederzeit zu orten. Die Buchung des Fahrzeuges erfolgt bequem über eine Applikation auf dem Smartphone.2
Die intelligente Nutzung von Big Data zählt unweigerlich zu einem Wettbewerbsvorteil des Geschäftsmodells Carsharing. Die Digitalisierung und Analyse von Daten sind essenziell, um den Betrieb der Mietwagenflotte kostengünstig zu gestalten. Für betroffene Personen kommen aus datenschutzrechtlicher Perspektive Bedenken auf. Unter anderem im Hinblick auf Anzahl und Sensibilität, als auch den Möglichkeiten der Kombination und Vernetzung der verarbeiteten Daten.3
Der Begriff Big Data steht hierbei für große Datenmengen, welche nicht nur gesammelt, sondern weiters analysiert und von Carsharing-Anbietenden weiterverwendet werden. Folglich lässt sich die Frage nach der Legitimität der Nutzung, insbesondere bei der hohen Anzahl personenbezogener Daten, ableiten. Aus datenschutzrechtlicher Perspektive sind die bestehenden Prinzipien ebenso bei Big Data anzuwenden.4 Weiters werden alle verarbeiteten Daten, die einem Fahrzeug zuzuordnen sind, als personenbezogene Daten betrachtet, da diese einer bestimmbaren Person zugehörig sind.5
Das Recht auf grundsätzlichen Schutz personenbezogener Daten sowie Selbstbestimmung ist bereits im Primärrecht, in Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) festgelegt.6 Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten auf europäischer Ebene finden sich bereits in der Richtlinie 95/46/EG aus dem Jahr 1995 wieder, in dem sich Regelungen zur Datenverarbeitung befinden.7 Seit dem 25.Mai 2018 gelten in Europa mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verschärfte Regelungen zur Verarbeitung personenbezogener Daten, welche die vorhergehende Richtlinie 95/46/EG aus dem Jahr 2002 ersetzt hat.8 Dahingehend bestehen für datenbasierte Geschäftsmodelle Herausforderungen, um den Datenschutzanforderungen weiterhin zu genügen.
Im Zuge der Literaturrecherche hat sich gezeigt, dass datenschutzrechtliche Aspekte im spezifischen Kontext des Geschäftsmodells Carsharing bisher wenig Beachtung fanden. Anknüpfungspunkte eröffnen sich jedoch im Bereich des vernetzen Automobils. Erste Überlegungen sind im Jahr 1995 bei Hassemer/Topp zu finden, welche datenschutzrechtliche Anknüpfungspunkte im Bereich des Kraftfahrzeuges bei der Erfassung der elektronischen Maut erforschten.9 Davon ausgehend befasste sich Weichert im Jahr 1996 mit den durch Lokalisierungssystemen anfallenden personenbezogenen Daten und potenziellen datenschutzrechtlichem Risiken für FahrerInnen.10 Anschließend wurden datenschutzrechtliche Gesichtspunkte des vernetzten Fahrzeuges in der Literatur detailliert untersucht.
Die Rechtssache 113 KLs 34/15 des LG Köln aus dem Jahr 2016, in welcher ein Carsha- ring-Anbietende ein minutiöses Bewegungsprofil ohne ausdrückliche Einwilligung eines Nutzers rekonstruieren konnte, rief datenschutzrechtliche Bedenken gegenüber der Datenerhebung und -speicherung auf.11 Bockslaff und Kadler thematisierten daraufhin die Rechtsgrundlage zur Datenverarbeitung und argumentierten Aspekte der Datensparsamkeit.12 In einer Studie des deutschen Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur wurde die Frage nach der Eigentumsordnung für Mobilitätsdaten erforscht, sowie das Geschäftsmodell Carsharing aus ökonomischer Perspektive betrachtet.13 Datenbasierte Geschäftsmodelle wurden nachfolgend von Buchner im Jahr 2019 diskutiert, der eine datenschutzrechtliche Perspektive ansetzte.14
Nach Bydlinski ist das Ziel einer juristischen Arbeit das Ermitteln und Zusammenfügen von relevanten Aspekten des Rechts. Durch das Verwenden von geeigneten Methoden sollen die abstrakten Gesetze, Normen und Verordnungen auf den konkreten Sachverhalt überprüft werden.15
Die vorliegende Arbeit soll die datenschutzrechtlichen Herausforderungen für das Geschäftsmodell Carsharing auf europäischer Ebene betrachten, sowie mögliche Konflikte mit Datenschutzprinzipien anhand dessen Stellung identifizieren.
Um die Arbeit thematisch abzugrenzen, wird nicht auf spezifische technische Sicherheitsanforderungen eingegangen oder konkrete Handlungsempfehlungen für Carsharing-An- bietende abgeleitet. Weiters steht nicht der Bereich des privaten Carsharings zwischen Privatpersonen im Fokus.
Folgende Forschungsfragen sollen im Rahmen der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit beantwortet werden:
1. Welche datenschutzrechtlichen Herausforderungen auf europäischer Ebene gelten für das Geschäftsmodell Carsharing?
2. Warum stellt Datenschutz eine Herausforderung für das Geschäftsmodell Carsharing dar?
3. Welche Verfügungs- und Nutzungsbefugnisse gelten für die datenschutzkonforme Verarbeitung im Kontext des Geschäftsmodells Carsharing?
Zur Begründung der definierten Forschungsfragen und Interpretation der relevanten Herausforderungen im Kontext des Datenschutzes soll eine Methode der qualitativen Inhaltsanalyse eingesetzt werden. Nach Mayring ist der Forschungsprozess grundsätzlich durch ein dreistufiges Phasenmodell zu beschreiben. Zuerst erfolgt die Definition der Fragestellung, danach die Auswahl und Entwicklung der Analysemethode. Nachfolgend wird die Analysemethode angewandt und schlussendlich die Ergebnisse ausgewertet, interpretiert sowie Schlüsse gezogen. Die Ergebnisse werden aufbereitet und auf den konkreten Sachverhalt bezogen.16
Aus den drei Grundformen des Interpretierens soll die Methode der Explikation beziehungsweise der Kontextanalyse gewählt werden. Charakteristika dieser Arbeitsweise ist es, bestimmte vage, ambivalente sowie besonders signifikante Sätze gezielt herauszubrechen und zu analysieren. Durch das gezielte Beifügen von weiterem Material kann der unklare Textbestandteil gedeutet und konkretisiert werden.17
Zur Anwendung der Methode sollen die Datenschutzerklärungen der drei europaweit tätigen Carsharing-Anbietende Cambio, Flinkster und Share now analysiert und näher zu betrachtende Textbestandteile identifiziert werden. Zuerst soll mit der engen Kontextanalyse fortgeführt werden, in der die fragliche Textstelle in der Datenschutzerklärung mit direktem Bezug zum Textumfeld betrachtet wird. Lässt das direkte Textumfeld keine Erklärung oder Erläuterung zu, soll zusätzliches Material herangezogen werden, um die fragliche Stelle zu erläutern. Zusätzliche Materialien können höchstgerichtliche Entscheidungen, rechtliche Kommentare oder der datenschutzrechtliche Rechtsrahmen selbst darstellen.18
Sollte bei der Analyse des geltenden Rechts Auslegungsbedarf notwendig werden, soll die Methode gewählt werden, welche bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt die Norm möglichst im Sinne des Gesetzgebers präzisiert. Bei simplen oder aus den Rechtsnormen abzuleitenden Beurteilungen sollen die Subsumption, sowie die Deduktion zur Beurteilung von Sachverhalten eingesetzt werden.19
In diesem Kapitel werden relevante Begriffe, welche hilfreich für das Verständnis der vorliegenden Arbeit sind, vorgestellt und auf Grundlage des gültigen europäischen Rechtsrahmens erläutert. Die ausgewählten Begriffe sind hierbei nicht taxativ aufgezählt, sondern bilden das grundlegende Fundament der Arbeit.
Zum Zweck der datenschutzrechtlichen Analyse werden Daten, entsprechend den Vorgaben der europäischen Union in Datenkategorien eingeteilt. Denn erst wenn die grundlegenden Datenkategorien bestimmt sind, kann nachfolgend eine strukturierte und tiefgehende Analyse erfolgen.
Der Schutz personenbezogener Daten natürlicher Personen wurde bereits im Reformvertrag von Lissabon zur „Arbeitsweise der europäischen Union" in Art. 16 Abs. 1 AEUV geregelt. Weitere Schutzbestimmungen werden in der Grundrechtecharta der europäischen Union in Art. 8 Abs. 1 GRCh angeführt, welche jeder natürlichen Person, seitdem in Kraft treten am l.Dezember 2009 informationelle Selbstbestimmung zusprechen.
Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), welche seitdem 25.Mai 2018 in Kraft ist, soll den freien Datenverkehr in Europa sicherstellen sowie personenbezogene Daten bei der Verarbeitung schützen. Der Schutz der Grundfreiheiten und Grundrechte von natürlichen Personen sowie deren personenbezogenen Daten ist nach Art. 1 Abs. 2 DSGVO der zentrale Gegenstand und Ziel der Verordnung. Der sachliche Anwendungsbereich umfasst nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO „die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen". Somit sind für jegliche Verarbeitungen personenbezogener Daten die Vorgaben der DSGVO zu beachten und einzuhalten. Weiters soll nach ErwGr 2 DSGVO der Schutz personenbezogener Daten ohne Beachtung der Staatsangehörigkeit oder des Aufenthaltsortes gewährleistet sein.
Dabei muss der Schutz personenbezogener Daten nach ErwGr 4 DSGVO verhältnismäßig mit anderen Grundrechten abgewogen werden, um gleichsam mit gültigen Grundrechten und -freiheiten Einklang zu finden Die sieben Grundprinzipien der DSGVO sind nach Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO folgendermaßen zu gliedern:
- Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz (lit. a DSGVO)
- Zweckbindung (lit. b DSGVO)
- Datenminimierung (lit. c DSGVO)
- Richtigkeit (lit. d DSGVO)
- Speicherbegrenzung (lit. e DSGVO)
- Integrität und Vertraulichkeit (lit. e DSGVO)
- Rechenschaftspflicht (Abs. 2 DSGVO)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 5 DSGVO
Quelle: eigene Darstellung
Nach Art. 4 Abs. 1 DSGVO sind personenbezogene Daten „alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Personen gelten damit laut DSGVO als identifizierbar, sobald eine Zuordnung mittels einer oder mehreren Merkmalen ermöglicht wird. Dies kann ebenso mittels einer bestimmten Kennung erfolgen, „die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind." Daraus ist zu resultieren, dass eine natürliche Person identifizierbar ist, sobald deren zusätzliche Daten eindeutig zuordenbar sind.
Zur Vermeidung des Risikos, dass Verantwortliche Stelle die Vorgaben der DSGVO durch neuartige Techniken umgehen, ist der Grundsatz der „Technologieneutralität" nach Er- wGr 15 DSGVO zu erwähnen. Der Schutz personenbezogener Daten ist demnach nicht von der verwendeten Technologie abhängig, sondern gleichermaßen für die manuelle als auch die automatische Verarbeitung anzuwenden. Der Rat der Europäischen Union veröffentlichte am 19.Dezember 2019 ein Positionspapier, in dem die Auswirkungen der Technologieentwicklung für die Vorgaben der DSGVO skizziert wurden. Einerseits stellen neu aufkommende Technologien, beispielsweise Big Data, Künstliche Intelligenz, Profiling und Gesichtserkennung, Herausforderungen für die Grundrechte und Freiheiten natürlicher Personen dar. Andererseits sind die genannten Technologiefortschritte ebenfalls eine Chance für europäische Bürgerinnen und können die Privatsphäre sogar verbessern. Der Europäische Rat betont, dass die DSGVO technologieneutral formuliert wurde sowie die Vorgaben diese neuen Herausforderungen bereits berücksichtigen.20
Zum Umgang mit nicht-personenbezogenen Daten hat die Europäische Kommission am 28.Mai 2019 eine Leitlinie veröffentlicht, um komplementär zur DSGVO eine Orientierungshilfe anzubieten. Nicht-personenbezogene Daten sind entsprechend der Leitlinie solche, welche sich nicht auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Darunter sind Daten zu verstehen, die keinen Personenbezug zu einer natürlichen Person aufweisen.21
Einerseits könnten dies Daten sein, welche keinen Bezug zu einer natürlichen Person haben, wie beispielsweise Sensoren-Daten über die Veränderungen des Wettergeschehens oder Statistikdaten. Andererseits können nicht-personenbezogene Daten zuvor personenbezogene Daten gewesen sein, welche rechtmäßig anonymisiert wurden. Dabei sollte für die Anonymisierung von Daten stets die gegenwärtig aktuellen Anonymisierungstechniken genutzt werden. Anonymisierte Daten sind somit nicht mehr einer natürlichen Person zuordenbar und könnten selbst durch das Hinzufügen zusätzlicher Daten oder technischer Hilfsmittel entschlüsselt werden. Nach ErwGr 26 DSVGO sind hierbei alle Mittel zu prüfen, welche von dem Verantwortliche Stellen „nach allgemeinem Ermessen wahrscheinlich zur Identifizierung der natürlichen Person genutzt werden, sollten alle objektiven Faktoren, wie die Kosten der Identifizierung und der dafür erforderliche Zeitaufwand, herangezogen werden, wobei die zum Zeitpunkt der Verarbeitung verfügbare Technologie und technologische Entwicklungen zu berücksichtigen sind}2
Sofern Daten, wie beispielsweise bei einem Bericht über eine Produktionslinie es ermöglichen, dass natürliche Personen, wie ProduktionsmitarbeiterInnen eines Fließbandes damit in Verbindung gebracht werden, sind diese als personenbezogene Daten einzustufen. Somit findet der sachliche Anwendungsbereich nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO Anwendung.23
Sofern Datensätze Anteile aus beiden Datenkategorien enthalten, somit aus personenbezogenen und aus nicht-personenbezogenen Daten, gelten diese als gemischte Datensätze. Diese machen zumeist in Datenbanken einen Großteil der Datensätze aus. Anhand einer fiktiven Datenbank soll dies illustriert werden. Beispielhaft für personenbezogene Daten können Name, Vorname, Anschrift oder die Ausweisnummer der betroffenen Person genannt werden, während nicht-personenbezogene Daten beispielsweise die E-Mail- Adresse oder die Handelsregisternummer darstellen.
Nach der Verordnung 2018/1807 vom 14.November 2018 über den freien Verkehr von nicht-personenbezogenen Daten in der europäischen Union ist Art. 2 Abs. 2 zu beachten: „Bei einem Datensatz, der aus personenbezogenen und nicht-personenbezogenen Daten besteht, gilt diese Verordnung für die nicht-personenbezogenen Daten des Datensatzes. Sind personenbezogene und nicht-personenbezogene Daten in einem Datensatz untrennbar miteinander verbunden, berührt diese Verordnung nicht die Anwendung der Verordnung (EU) 2016/679!"24
Bei Datensätzen bestehend aus personenbezogenen und nicht-personenbezogenen Daten, gelten für die nicht-personenbezogenen Datensätze die Bestimmungen der Verordnung über den freien Verkehr nicht-personenbezogener Daten, für personenbezogene Daten sind die Bestimmungen der DSGVO anzuwenden. Sofern die Daten nach Art. 2 Abs. 2 DSGVO „unzertrennbar miteinander verbunden sind, gelten die Bestimmungen22 23 24 der DSGVO für den gesamten Datensatz, womit der Anteil der personenbezogenen Daten daran unerheblich ist.
Die Definition „unzertrennbar miteinander verbunden ist weder in der Verordnung über den freien Verkehr nicht-personenbezogener Daten noch in der DSGVO festgelegt. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass dies auf Datensätze zutrifft, bei denen eine Trennung technisch nicht möglich oder die Umsetzung wirtschaftlich ineffizient wäre. Beispielsweise ist dies der Fall, wenn ein Unternehmen getrennte Software für personenbezogene und nicht-personenbezogene Daten erwerben müsste, wodurch die Kosten ein Vielfaches betragen würden. Die beiden Verordnungen verpflichten Unternehmen jedenfalls nicht, Datensätze getrennt zu verarbeiten.25
Der Einsatz von Big Data Anwendungen und die dadurch ermöglichte Steigerung des Profits gilt als unumstößliches Credo im IT-Umfeld und insbesondere relevant bei der Weiterentwicklung eines Unternehmens.26 Dennoch ist das Aufkommen nicht gänzlich neu. Bereits in den 1990er Jahren hat sich der Begriff „Business Intelligence" geformt. Damit wurde die strukturierte Sammlung und Kontrolle von Daten beschrieben. Aus historischen Daten konnten Einblicke zur Unterstützung des Unternehmens abgeleitet werden, was zumeist zu vagen Zukunftsvorhersagen führte. Heute können Daten in unvergleichlicher Menge erhoben und gesammelt werden.27
Die Nutzungsmöglichkeiten von Big Data sind vielseitig und dienen meist dazu, neue Zwecke der Datenverarbeitung zu identifizieren, Verbindungen zu bestehenden Daten festzustellen und diese wertschöpfend zu gestalten.28 Bedingt durch die zunehmende Datenerhebung und -verarbeitung und dem immer weiter steigenden Datenwachstum, verdoppeln sich Datenmassen jedes zweite Jahr, mit einem Großteil an unstrukturierten Datenmengen.29
Unternehmen, welche die Nutzungsmöglichkeiten von Big Data nicht frühzeitig erkennen und fördern, werden zunehmend vom digitalen Markt verdrängt. Das Versandhaus Quelle, welches noch vor über einem Jahrzehnt eine führende Markposition in der Datenverarbeitung innehatte, verlor diese schrittweise. Dies ist natürlich nicht nur auf die Veränderung der Möglichkeiten durch Big Data zurückzuführen, dennoch haben sich die Möglichkeiten im Umgang mit Daten fundamental geändert.30
Das US-amerikanische Marktforschungsinstitut Gartner definiert Big Data als sehr umfangreiche, hochfrequente und/oder variantenreiche Datenbestände, die kosteneffiziente und innovative Formen der Informationsverarbeitung erfordern. Daraus resultieren Möglichkeiten wie verbesserte Einblicke in das Unternehmen, eine möglichst objektive Entscheidungsfindung und Prozessautomatisierung.31
Der deutsche Digitalverband Bitkom beschreibt Big Data als Unterstützung bei der Strukturierung und Deutung von unterschiedlich organisierten Informationen, welche häufig geändert und dennoch gewinnbringend eingesetzt werden sollen. Dabei ist für das Unternehmen nicht nur die Analyse von großen Datenmengen relevant, sondern ebenso die Datenspeicherung sowie die schnelle Datenverarbeitung. Große Datenmengen lassen sich durch das „V" Modell in vier unterschiedlichen Ausprägungen beschreiben:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Big Data Merkmale Quelle: Weber, Mathias (2012), S. 19
Die Datenmenge (Volume) beschreibt die Anzahl von Datensätzen und Files, welche wieder in deren Größe unterschieden werden können. Datenvielfalt (Variety) bezieht sich auf das breite Spektrum an Datensätze mit der Unterscheidung in strukturierte, semistrukturierte und unstrukturierte Daten und Formate. Geschwindigkeit (Velocity) beschreibt die Datengenerierung in höherer Geschwindigkeit, wodurch die Übertragung in Sekundenbruchteilen ermöglicht wird. Schlussendlich folgt daraus die Möglichkeit der Big Data Analyse, wodurch Zusammenhänge, Muster und Prognosen in Echtzeit ermöglicht werden.32
Durch die Nutzung von Big Data gelingt es Unternehmen fundierte Entscheidungen auf Grundlage von objektiven Datensätzen zu treffen. Der Einzelhandelskonzern Wal-Mart entwickelte mithilfe vorliegender Daten eine intelligente Suchmaschine innerhalb des Onlineshops, um die Kaufabschlüsse von Onlinekäufern zu optimieren. Weiters kann Big Data durch gezielte Daten-Aufbereitung bisher verdeckte Einsichten ermöglichen und die Möglichkeit bieten Produkte zielgruppenspezifisch weiterzuentwickeln. Unternehmen, welche gezielt Big Data nutzen, stehen Möglichkeiten bei der Nutzung von bisher unzugänglichen Daten frei, wie beispielsweise öffentliche Informationen, Archivdaten und Social-Media-Daten. Gelingt es Unternehmen, Big Data intelligent zu nutzen, können tägliche Prozesse und Entscheidungen automatisiert in Echtzeit erfolgen. Der Fast-Food Konzern McDonald's konnte durch die Nutzung von Erfahrungswerten aus Big Data herkömmliche Backöfen ersetzen. Dadurch ist gelungen mithilfe der Nutzung von automatisierten Herstellungsmechanismen Backwaren gleichförmig herstellen und schlussendlich den Abfall reduzieren.33
Der Begriff des Profilings ist in Art. 4 Abs. 4 DSGVO wie folgt definiert: „jede Art der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten, die darin besteht, dass diese personenbezogenen Daten verwendet werden, um bestimmte persönliche Aspekte, die sich auf eine natürliche Person beziehen, zu bewerten, insbesondere um Aspekte bezüglich Arbeitsleistung, wirtschaftliche Lage, Gesundheit, persönliche Vorlieben, Interessen, Zuverlässigkeit, Verhalten, Aufenthaltsort oder Ortswechsel dieser natürlichen Person zu analysieren oder vorherzusagenf Nach ErwGr 71 Abs. 1 DSGVO werden als Resultat einer automatisierten Verarbeitung die Ablehnung eines Kreditbegehrens oder einer Bewerbung ohne Intervention einer Person genannt.
Weiters gelten Entscheidungen nach Art. 22 Abs. 1 DSGVO, welche ausschließlich auf Grundlage einer vollautomatisierten Verarbeitung von Daten beruhen, einschließlich Profiling, als unzulässig. Damit soll gewährleistet werden, dass betroffene Personen automatisierten Prozessen nicht ausgeliefert oder in sonstiger Weise beeinträchtigt werden. Dennoch ist Profiling nicht grundsätzlich verboten, da nach Art. 22 Abs. 1 DSGVO eine rechtliche Auswirkung oder Benachteiligung einer betroffenen Person notwendig ist.
Carsharing ist ein Überbegriff, der mehrere Formen des Teilens umfasst. Das Geschäftsmodell setzt sich in urbanen Gebieten in den Industriestaaten als auch in den Entwicklungsländern zunehmend durch.34
Das Konzept des Carsharings lässt sich in vier maßgebliche Modelle unterscheiden: Bu- siness-to-Customer (B2C) Point-to-Point, Business-to-Customer (B2C) Roundtrip, Nonprofit sowie Private-to-Private (P2P). Diese Arbeit legt den Fokus auf die beiden Busi- ness-to-Customer Geschäftsmodelle. Business-to-Customer Modelle charakterisieren sich dadurch, dass Carsharing-Anbietende ihre Fahrzeuge an wichtigen Plätzen in einem urbanen Gebiet verteilen. Eine weitere Unterteilung lässt sich in den zuvor genannten B2C-Modellen treffen. Point-to-Point Modelle (stationsbasiert) erlauben den NutzerInnen das Fahrzeug im gesamten Geschäftsgebiet des Carsharing-Anbietendes abzustellen, während bei Roundtrip-Modellen (Free-Floating) das Fahrzeug am zuvor entnommenen Standort retourniert werden muss.35
Im Gegensatz zu dem Free-Floating-Modell, muss bei stationsbasierten Modellen die Abhol- und Rückgabezeit, der Abholort sowie der gewünschte Fahrzeugtyp ausgewählt werden, um den Fahrtzweck zu bedienen. Weniger starr ist hingegen das Free-Floating Modell, denn verfügbare Fahrzeuge können spontan und frei innerhalb des Geschäftsgebietes per App geortet, gebucht und retourniert werden.36
Die Gründe für die Nutzung der Angebote von Carsharing-Anbietende sind vielfältig. Anschaffungskosten als auch laufende Ausgaben steigen. Weiters sind Parkmöglichkeiten, insbesondere im urbanen Stadtgebiet besonders rar und kostspielig. Darüber hinaus bieten Carsharing-Anbietende ein individuell nutzbares Angebot, wodurch die hohen Kosten und Nachteile des persönlichen Eigentums zu vermeiden sind. Dadurch gelingt es, dass urbane Gebiete Staus und Emissionen reduzieren können.37
Durch eine Mitgliedschaft bei einem Carsharing-Anbietende erhalten Personen Zugang zu einer ausgewählten Flotte von Kraftfahrzeugen, welche innerhalb eines Geschäftsgebietes betrieben werden. Dabei stehen für Personen die Vorteile eines privaten Fahrzeugs im Vordergrund, während die Kosten für die Anschaffung und Unterhalt eines Fahrzeuges vermieden werden können. Carsharing-Anbietende verwalten ihre Dienste meist mit modernen Technologien, die Reservierungsmöglichkeiten und Fahrzeugtracking umfassen können.38
Gegenwärtig gibt es weltweit mehr als 600 verschiedene Carsharing-Anbietende. NutzerInnen bezahlen für die Verwendung keine Versicherungskosten, Kraftstoffkosten, Wartung oder Inspektionskosten und haben zumeist die Möglichkeit in definierten Gebieten kostenfrei zu parken.39 Hingegen fallen für NutzerInnen meist geringe monatliche Gebühren bestehend aus der Nutzungszeit und der gefahrenen Distanz an.40
Durch den zunehmenden technologischen Wandel in den letzten Jahrzehnten verändern sich Präferenzen und nachfolgend Märkte nachhaltig. Die Digitalisierung hat Geschäftsmodelle, welche Daten intelligent verarbeiten, wie beispielsweise dem Carsharing, begünstigt und das zeitweilige Teilen von Ressourcen bedeutend einfacher gemacht.41
Das persönliche Eigentum ist keine unabdingbare Voraussetzung mehr für die Nutzung. Die „Sharing Economy" nutzt Güter, und leiht sie nach Bedarf aus, genießt daher nur Nutzungsrechte. Durch die gemeinschaftliche Verwendung eines Autos kann die Nutzung optimiert und Stehzeiten reduziert werden. Sofern nicht organisiert, erfordert Teilen einen erhöhten Organisationaufwand, lose Vereinbarungen können zwischen einer Vielzahl von Nutzerinnen Kollisionen verursachen und bedingen ein hohes Maß an Elastizität. Dennoch ist es nicht mehr notwendig, dass Fahrzeuge in einer sich bekannten Gemeinschaft geteilt werden.42
Carsharing-Anbietende bieten ihre Services mittlerweile auf allen Kontinenten an. Zentraleuropa verbleibt weiterhin als einer der wichtigsten Kernmärkte. Die steigende Nachfrage nach innovativen Mobilitätslösungen treibt das weltweite Wachstum an.43
im folgenden Kapitels soll dargelegt werden, wie Big Data verwendet wird und welche Methoden zur Anwendung kommen. Dabei sollen insbesondere Datenmassen aus ökonomischer Perspektive betrachtet, deren Nutzen dargestellt und die Veränderung durch die Digitalisierung aufgezeigt werden. Dieter Zetsche, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Daimler AG, äußerte zur Digitalisierung folgendes: „Die Entwicklung der digitalen Vernetzung wird weiter massiv an Dynamik gewinnen. Der globale Wettbewerb wird heute nicht nur in der realen, sondern auch in der digitalen Weit gewonnen."44
Big Data mit einer großen Fülle an Daten aus diversen Quellen beeinflusst die Gesellschaft in entscheidender Form.45 Dies führt zu einer grundlegenden Änderung der Märkte und bringt Innovationen hervor. Weiters haben Big Data und die Verwendung dessen längst Einzug im Alltag gefunden. Durch die Analyse von personenbezogenen Daten können Unternehmen intelligente Produkte entwickeln, welche NutzerInnen erhöhten Komfort versprechen und die Effizienz steigern.46
Dabei steigt der Wettbewerbsdruck für Unternehmen jedoch immer weiter an, Preis- und Produktvergleiche sind ohne Umstände bereits online möglich. Das Aufkommen von Suchmaschinen und Plattformen fördert den Austausch zwischen KäuferInnen und VerkäuferInnen und führt angebotsseitig zur Konzentration. Die zunehmende Digitalisierung bietet Unternehmen die Chance ihre Produkte gezielt auf ihre KundInnen abzustimmen und nach Segmenten zu spezifizieren.47
Weitere Möglichkeiten der Digitalisierung resultieren für Unternehmen im Bereich der Datennutzung, Automatisierung, Vernetzung und Ansprache von KundInnen. Automatisierungsmöglichkeiten fordern Unternehmen dazu auf klassische Systeme zu ersetzen, dadurch können Kosten nachhaltig reduziert sowie die Qualität erhöht werden. Die Möglichkeit der engen Vernetzung mit Unternehmen über der gesamten Lieferkette hinweg, macht es möglich, wertvolle Zeit in der Entwicklung, Produktion und Lieferung einzusparen. Die digitale Ansprache von KundInnen über das Internet macht es Unternehmen einfacher ihre Zielgruppe gezielt und mit modernen Methoden anzusprechen. Dabei werden nicht nur einzelne Segmente durch die Digitalisierung verändert, sondern ebenso gesamte Wertschöpfungsketten. Der Online-Händler Amazon entwickelte sich beispielsweise in wenigen Jahren ausgehend vom Online-Verkauf von Büchern zum umfassenden digitalen Kaufhaus einer Vielzahl von Artikel.48
Darüber hinaus bietet die Digitalisierung Unternehmen eine weitere tiefgreifende Veränderung im Bereich der Datennutzung. Die Möglichkeit Informationen von Personen zu sammeln, verknüpfen und systematisch zu analysieren, erlaubt es Unternehmen präzise Profile zu generieren, mit dem Ziel die Handlungen der Nutzerinnen bestmöglich vorauszusehen.49
Besonders das Aufkommen von digitalen Plattformen in verschiedenen Branchen hat traditionelle Märkte nachhaltig verändert, beispielhaft sind folgende Branchen und digitalen Marktführer zu nennen: Hotellerie (Booking.com), Warenhandel (Amazon), Taxi und Mietwagenmarkt (Uber). All die zuvor genannten Unternehmen haben innerhalb ihrer Branche, durch die Entwicklung von digitalen Geschäftsmodellen, die etablierte Ordnung nachhaltig verändert.50
Unternehmen, welche sich bereits frühzeitig mit Big Data beschäftigen, überdenken ebenfalls ihre Organisationsstrukturen. Bisher waren DatenexpertInnen zumeist Teil von internen Beratungsorganisationen, welche Führungskräften bei internen Entscheidungen unterstützten. Dies hat sich mittlerweile gewandelt, DatenexpertInnen sind in einigen Branchen bereits fester Bestandteil der Produktentwicklung und -weiterentwicklung.51
Die Auswirkungen der zunehmenden Nutzung von Daten wirken sich nicht nur auf Branchen, Unternehmen und deren Organisationstrukturen aus, sondern ebenfalls gesamt- heitlich zu betrachten auf die Volkswirtschaft. Die Folgen wirken laut Wirtschaftsprognosen kurzfristig positiv und langfristig wirtschaftshemmend. Die erhöhten Investitionen in den digitalen Wandel führen zu einer gesamtwirtschaftlichen Steigerung bis zum Jahr 2030. Ab dem Jahr 2040 bis 2050 sollen die Wachstumseffekte durch die Digitalisierung reduziert werden. Durch die steigende Nachfrage nach geteilten Produkten und Services, werden weniger Güter für den globalen Markt benötigt und demnach produziert.52
Der Einsatz von Big Data ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor, welches es einem Unternehmen ermöglicht Herausforderungen frühzeitig zu erkennen sowie Ressourcen optimal einzusetzen. Dabei können Risiken hinsichtlich Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit bewertet und Chancen ermittelt werden. Eine stetig lernende künstliche Intelligenz kann dazu beitragen aus den vorhandenen Daten Schlüsse zu ziehen sowie Prognosen über zukünftige Entwicklungen zu erstellen. Grundlage bilden die vorhandenen und zugänglichen Datensätze des Unternehmens, welche mithilfe von Big Data Anwendungen aufbereitet und durch Experten validiert werden.53
Aus der Wahrnehmung der betrachteten Handlungen in bestimmten Kontexten, sowie der getroffenen Entscheidungen der Subjekte gelingt es Big Data Anwendungen die einzelnen Hintergründe zu betrachteten und zu verstehen. Die Funktionsweise ist vergleichbar mit Synapsen in einem menschlichen Gehirn, welche Entscheidungen prüfen, erfolgreiche Lösungen verstärken, während ineffiziente weniger Beachtung finden. Damit werden Lösungswege als zielführend angesehen, welche ebenso eine hohe Verwendung aufweisen.54
Der Aspekt der Entscheidungsfindung ist wesentlich bei der Nutzung von Big Data. Aufgrund einer hohen Datenqualität können objektive Entscheidungen ermöglicht werden. Die Einbettung von Daten ist somit essenziell, um die Fachbereiche innerhalb des Unternehmens in einem gemeinsamen Entscheidungsprozess abzubilden. Die Anforderungen von KundInnen können in kürzester Zeit integriert werden, um eine zielgerichtete Dienstleistung anzubieten und in weiterer Folge eine erhöhte Zufriedenheit der KundInnen sicherzustellen.55
Brynjolfsson et al stellten im Jahr 2011 in einer Studie von 179 großen Unternehmen fest, dass datengetriebene Entscheidungen einen erheblichen Einfluss auf die Performance des Unternehmens haben, verglichen mit anderen verfügbaren technischen Opportunitäten. Im Durchschnitt zeigte sich, dass datengetriebene Entscheidungen durchschnittlich eine Steigerung von fünf Prozent der Produktivität, sechs Prozent der Profita- bilität und bis zu fünfzig Prozent des Unternehmenswertes ermöglichen.56
Die Fähigkeit, Datenmassen zu verwerten, ist ein wesentlicher Faktor bei der Generierung von Mehrwert für das Unternehmen. Dabei liegt der Fokus nicht ausschließlich auf der Optimierung der unternehmensinternen Prozesse, sondern in der Differenzierung gegenüber der Konkurrenz.57 Neely hat in diesem Zusammenhang ein „Performance Ma- nagement System" (PMS) beschrieben, welches in der Lage ist, den Entscheidungsprozess zu unterstützen, indem es Informationen sammelt, aufbereitet und analysiert.58 Die effektive Nutzung von Datenmassen ermöglicht es daher, ein Instrument zur Unternehmenssteuerung zu erstellen, das in der Lage ist, eine breite Palette von Daten zu sammeln und zu interpretieren.59
Durch die Nutzung von Datenmassen werden traditionelle Geschäftsprozesse aufgebrochen, da der Analyse und Gewinnung von Erkenntnissen aus Datenmassen eine besonders hohe Priorität eingeräumt werden. Daraus folgt, dass Prozesse stets weiterentwickelt werden müssen, um neue Daten zu identifizieren und wertschöpfend zu verarbeiten. Für das Unternehmen lässt sich ableiten, dass sie ihre wertschöpfenden Performance-Indikatoren identifizieren müssen, beispielsweise etwa KundInnen- oder Serviceinteraktionen oder sonstige relevante Kenngrößen. Mit der Weiterentwicklung der Datennutzung wird das Unternehmen zu einem Ökosystem an Daten: ein Netzwerk, welches stetig Informationen austauscht, Entscheidungen evaluiert, optimiert und neue wertschöpfende Erkenntnisse für das Unternehmen ableitet.60
Das vernetzte Auto, ausgestattet mit zahlreichen Sensoren, Kameras und Ortungsmöglichkeiten sammelt und überwacht kontinuierlich eine Vielzahl von Daten. Dadurch werden einerseits Statusdaten, wie beispielsweise Tankfüllung, Ölstand und Reifendruck, gesammelt. Andererseits werden Daten zum Verhalten der FahrerInnen erfasst, wie beispielsweise Müdigkeitserkennung und Reaktionszeit bis zur Übernahme des Steuers nach Warnung des Systems sowie fahrerbezogene Nutzungsdaten des Multi-Media-Systems. Daraus lässt sich eine Einsicht in das Verhalten, den Kommunikationsdaten sowie den persönliche Präferenzen ableiten. Aufgrund der zunehmenden Automatisierung nimmt nicht nur die Anzahl der Daten zu, sondern ebenso die Möglichkeiten der Wertschöpfung für Unternehmen.61
Zur Aufzeichnung und Übermittlung von Daten integrieren Carsharing-Anbietende meist eigens entwickelte Carsharing-Module, welche auf Basis einer modifizierten Software funktionieren. Dazu wird Machine-to-Machine (M2M) Kommunikation genutzt. M2M- Kommunikation beschreibt den automatisierten und direkten Informationsaustausch zwischen ein oder mehreren technischen Endgeräten. Dabei ist M2M-Kommunikation nicht auf eine bestimmte Technologie beschränkt, sondern kann sowohl über das Internet als auch über das Mobilfunknetz stattfinden. Fahrzeuge sind somit in der Lage stets direkt über das Internet mittels einer M2M-Plattform mit dem Hersteller verbunden und eröffnen durchgehende Kommunikations- und Aufzeichnungsmöglichkeiten.62
Folgende Funktionen werden unter anderem dadurch ermöglicht: Fahrzeugzugang per Smartphone-App über das persönliche Konto, die Aufzeichnung der Mietdauer zur Verrechnung, die Fahrzeugposition sowie die Kommunikation mit dem Carsharing-Anbieten- den. Weiters sind etwaige Fahrzeuganwendungen wie Navigationssysteme sowie eine Schnittstelle, um technische Daten abzurufen und um das Fahrzeug aus der Entfernung zu schließen möglich. Durch Erhebung, Zusammenführung und Analyse der Fahrzeugdaten, der Mobilitätsdaten sowie weiterer durch NutzerInnen bereitgestellter Daten ist der Carsharing-Anbietende in der Lage unmittelbar oder mittelbar Wertschöpfung zu betreiben.63
Um den Stellenwert sowie die Wertschöpfungsmöglichkeiten technischer Daten für das Geschäftsmodell Carsharing zu erläutern, soll zuerst eine Einordnung technischer Daten erfolgen, welche durch ein modernes Fahrzeug erzeugt und erhoben werden.
Technische Daten, welche in einem vernetzten Fahrzeug erzeugt werden, sind vor allem solche die zum reibungslosen Ablauf der Fahrt beitragen. Die beiden Assistenzsysteme ABS (Anti-Blockier-System) und ESP (Elektronisches Stabilitätsprogramm) verarbeiten während der Fahrt eine Vielzahl von Informationen, um die Fahrbewegungen in den richtigen Momenten zu korrigieren.64
[...]
1 Vgl. Roßnagel, 2019, S. 18-19.
2 Vgl. Wagner/Jost, 2020, S. 105-107.
3 Vgl. Picot et al., 2018, S. 377-378.
4 Vgl. König et al., 2018, S. 149-150.
5 Vgl. Bönninger et al., 2019, S. 358-359.
6 Vgl. GrCh ABl C 364/01.
7 Vgl. RL (EU) 95/46/EG ABl L 281.
8 Vgl. VO (EU) 2016/679 ABl L 2016/119.
9 Vgl. Hassemer/Topp, 1995, S. 169-173.
10 Vgl. Weichert, 1996, S. 77-82.
11 Vgl. LG Köln 113 KLs 34/15.
12 Vgl. Bockslaff/Kadler, 2017, S. 166-170.
13 Vgl. Denker et al., 2017, S. 1-174.
14 Vgl. Buchner, 2019, S. 59-73.
15 Vgl. Bydlinski, 2018, S. 5-6.
16 Vgl. Mayring, 2016, S. 21-22.
17 Vgl. Mayring, 2015, S. 115.
18 Vgl. Bydlinski, 2003, S. 5-6.
19 Vgl. Bydlinski, 2003, S. 12-14.
20 Vgl. COM (2019) 14994/1/19 REV 1, S. 7.
21 Vgl. COM (2019) 250 final, S. 5.
22 Vgl. COM (2019) 250 final, S. 6.
23 Vgl. COM (2019) 250 final, S. 7.
24 VO (EU) 2018/1807, S. 7.
25 Vgl. COM (2019) 250 final, S. 9.
26 Vgl. Laney et al., 2013, S. 7.
27 Vgl. Büst, 2013, S. 41.
28 Vgl. Moos et al., 2018, S. 683.
29 Vgl. Gantz/Reinsel, 2012, S. 1-9.
30 Vgl. Wachter, 2020, S. 18.
31 Vgl. Laney et al., 2013, S. 7.
32 Vgl. Weber, 2012, S. 19-21.
33 Vgl. Laney et al., 2013, S. 8.
34 Vgl. Bert et al., S. 2016.
35 Vgl. Cohen/Kietzmann, 2014, S. 283.
36 Vgl. ADAC, 2019, o.S.
37 Vgl. Shaheen et al., 1998, S. 35-52.
38 Vgl. Shaheen/Cohen, 2007, S. 81.
39 Vgl. Cohen/Kietzmann, 2014, S. 283.
40 Vgl. Barth/Shaheen, 2002, S. 106.
41 Vgl. Haucap, 2015, S. 91-93.
42 Vgl. Priddat, 2015, S. 98-99.
43 Vgl. Shaheen/Cohen, 2007, S. 88.
44 Vgl. Roland Berger Strategy Consultants, 2015, S. 4.
45 Vgl. Picot et al., 2018, S. 309.
46 Vgl. Wagner/Jost, 2020, S. 124.
47 Vgl. Haucap et al., 2017, S. 189-191.
48 Vgl. Roland Berger Strategy Consultants, 2015, S. 19-21.
49 Vgl. Dolata, 2015, S. 525.
50 Vgl. Kirchner/Beyer, 2016, S. 333.
51 Vgl. Davenport et al., S. 2012.
52 Vgl. Petersen, 2017, S. 186.
53 Vgl. Eckstein et al., 2021, S. 66-69.
54 Vgl. Gransche, 2020, S. 140-141.
55 Vgl. Schulte/Bülchmann, 2016, S. 54-60.
56 Vgl. Brynjolfsson et al., 2011, S. 4.
57 Vgl. Davenport, S. 2006.
58 Vgl. Neely, 2005, S. 1264-1277.
59 Vgl. Bourne et al., 2018, S. 2010-2021.
60 Vgl. Davenport et al., S. 2012.
61 Vgl. Gründinger, 2018, S. 2.
62 Vgl. Eisel, 2012, S. 30-31.
63 Vgl. Denker et al., 2017, S. 25.
64 Vgl. Raith, 2018, S. 17-18.
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