Bachelorarbeit, 2020
31 Seiten, Note: 2
Einleitung
1 Die Epoche der Romantik
1.1 Phasen der deutschen Romantik
1.2 Literarische Gattungen
1.3 Symbol der Wanderschaft in der romantischen Literatur
2 Joseph von Eichendorff – Leben und Werk
3 Wandermotiv in ausgewählten Werken von Joseph von Eichendorffs
3.1 Die romantische Wanderung in die Welt in der Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts
3.2 Die Bedeutung des Wanderns anhand des Gedichts Der frohe Wandersmann
4 Schlussfolgerungen
5 Literaturverzeichnis
Das Motiv des Wanderns ist ein in der Literatur der Romantik sehr verbreitetes Bild. Das Motiv hat in der Regel eine doppelte Bedeutung. Erstens ist das Wandern meist einfach eine Reise, ein Ortswechsel der Figur, für die es gleichbedeutend mit dem Sammeln neuer Erfahrungen und der Vertiefung ihres Wissens ist. Der Wanderer hat immer ein Ziel vor Augen, das er konsequent und beharrlich anstrebt. Zweitens aber hat diese Wanderung ebenso oft eine symbolische, metaphorische Dimension. Dann kann die Interpretation auf verschiedene Weisen dargestellt werden. Eine Reise oder ein gewöhnliches Wandern wird in dieser Situation meist als eine Reise zum eigenen Inneren, zum tief verborgenen Selbst, verstanden. Nicht selten symbolisiert es aber auch einfach die menschliche Existenz. Das Motiv des Wanderns taucht recht häufig in den Werken der Romantik auf. Hier wurde die Biographie des Künstlers oft in Literatur umgesetzt. Seine Gefühle, Emotionen und Haltungen wurden oft auf Papier übertragen. Dramatische Erfahrungen konnten der Bedeutung eines romantischen Werkes einfach nicht gleichgültig sein. Schließlich war die Reise ein äußerst wichtiges Element im Leben der Romantiker. Bereits die antiken Philosophen stellten fest, dass alles in der Welt in Bewegung ist, alles fließt (panta rei). Der Mensch ist offensichtlich ein Teil dieser Welt, also ist auch die Bewegung sein Anteil. Er reist, bewegt sich, nimmt die Rolle eines Wanderers, eines Pilgers, manchmal eines ewigen Wanderers an. In der Wanderung unternimmt er natürlich auch sehr häufig eine Reise in sich selbst, in sein eigenes "Ich", die ihn seine eigene Identität wirklich entdecken lässt.
In der folgenden Arbeit wird das Wandermotiv am Beispiel ausgewählter Werke von Joseph von Eichendorff dargestellt. Eichendorff ist einer der bekanntesten Dichter der deutschen Romantik und das Motiv des Wanderns lässt sich in sehr vielen Werken des Autors erkennen.
Die Arbeit besteht aus zwei Teilen und zwar einem theoretischen und einem praktischen Teil. Der erste Teil der Arbeit bezieht sich auf die Epoche der Romantik, die bereits sehr genau im ersten Kapitel beschrieben wurde. Weiterhin im zweiten Kapitel wird auf das Leben von Joseph von Eichendorff eingegangen, als auch auf sein literarisches Schaffen. Obwohl der Dichter vor allem durch seine Gedichte bekannt wurde, hat er auch viele Novellen und Erzählungen verfasst. In Eichendorffs literarischer Leistung befinden sich auch Epen und Theaterstücke. Der zweite bzw. praktische Teil der Arbeit bezieht sich auf die Analyse von zwei Werken des Dichters, die sehr gut das Motiv der Wanderung in der Epoche der Romantik veranschaulichen. Das erste Werk ist die Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“, das 1826 veröffentlicht wurde und als das bekannteste Werk des Dichters gilt. Das zweite Werk ist das Gedicht „Der frohe Wandersmann“. Das Werk wurde 1822 publiziert und bereits im Titel lässt sich das Leitmotiv des Gedichts feststellen, nämlich das Wandern.
Die Epoche der Romantik gilt als eine geistige und künstlerische Bewegung in Europa in den Jahren 1790 - 1850. Philosophisch und literaturgeschichtlich kann man diese Epoche zwischen Klassik, Aufklärung und Realismus positionieren. Ihre Hauptausprägung fand in Deutschland im Jahr 1793 Jahr statt, hauptsächlich von Wilhelm Heinrich Wackenroder und Ludwig Tieck ausgelöst, die die mittelalterliche Kunst und Religion als Gegenbild und Vorbild für ihre Zeit entdeckten. Die Romantik wurde nicht nur auf den dichterischen und literarischen Bereich beschränkt, sondern auf das gesamte geistliche Leben, vor allem in den naturwissenschaftlichen Kreisen und in der Philosophie übertragen1.
Vor der Bezeichnung der Epoche der Romantik durch das betreffende Nomen existierten in der deutschen Sprache die Wörter „Romantik“ und „romantisch“, die beide aus der englischen Sprache entlehnt wurden. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bedeutete das Adjektiv „romantisch“ das gleiche wie „wunderbar“, „phantasievoll“ und „unreal“ und beschrieb alles was zum Verstand im Gegensatz stand2. Die betreffende Beschreibung war sehr eng mit dem ideologischen Hintergrund der Bewegung als auch mit ihrem Handeln auf sozialer und gesellschaftlicher Ebene verbunden. Die damaligen Befreiungskriege und Unabhängigkeitsbewegungen mit einem demokratisch-liberalen Charakter waren charakteristisch für den Anfang des 19. Jahrhunderts. Sowohl die Französische Revolution als auch der Wiener Kongress hatten enorme Auswirkungen auf ganz Europa und so auch auf Deutschland, in dem es zu einer Neuordnung der gesellschaftlichen und finanziellen Strukturen des Staates kam3. Die Romantik entwickelte sich fast parallel zu der Klassik. Beide Bewegungen waren gegen die Französische Revolution und hatten eine ablehnende Stellung gegenüber ähnlichen Versuchen in Deutschland. Diese Gegenstimme war jedoch die einzige Gemeinsamkeit, denn im weitesten Sinne galt Romantik als eine oppositionelle Bewegung gegenüber der Klassik. Romantische Autoren wollten die Irrationalität in den Vordergrund stellen und sich mit solchen Dingen wie Krankheit, Wahnsinn, Sinnlichkeit oder Sehnsüchte auseinandersetzten. Außerdem kämpften sie um die soziale Funktion der Kunst. Das Ziel der romantischen Poesie war es, zu keiner Trennung zwischen Kunst und Leben kommen zu lassen4. Auch wenn die Künstler aus dieser Epoche mit ihren Werken manchmal verschiedene Ziele verfolgten, so waren sie sich bei einer Sache stets einig, nämlich, dass „nur durch eine ’romantische‘ Erneuerung der Literatur und Künste eine Überwindung der seit der Französischen Revolution manifest gewordenen globalen Krise der Gesellschaftsordnung wie der individuellen Lebenspraxis zu erreichen sei“5.
Die romantischen Künstler, enttäuscht von den damaligen Lebensbedingungen, hatten einen starken Drang, vor der Realität zu flüchten und sich gegen die Rationalität zu stellen. Das Traumhafte, Irrationale und Unbewusste standen im Fokus der romantischen Bewegung. Die Grenzen zwischen der Realität und der Phantasie waren fließend und um bestimmte Ereignisse zu beschreiben, wurde oftmals zur Ironie, arabesken Verwirklichungen oder märchenhafter Willkür gegriffen6. Beliebt zu damaligen Zeiten waren Beschreibungen von den durch Phantasie und Vorstellungskraft gemachten Reisen in exotische Länder, die den Drang nach dem Entfernten und oftmals Unerreichbaren symbolisierten7. Nach der Meinung der Romantiker sollte es eine strikte Verbindung zwischen dem Leben und der Kunst geben. Die Kunst sollte hierbei als Mittel wahrgenommen werden, durch das die Realität auf einer ästhetischen Dimension zu sehen sein sollte8. In der Romantik stand das „Ich“ an erster Stelle. Es wurde endlich wahrgenommen und man konnte und wollte sich mit dem menschlichen Inneren auseinandersetzen. Wichtig war die Darstellung der menschlichen Seele, die Gefühle und die Eindrücke eines jeden Menschen. Vom Blickwinkel des „Ich“ war die allgemeine Weltanschauung abhängig, denn von nun an war es auf diese Weise möglich, den Sinn der Wirklichkeit zu entdecken und zu interpretieren9.
Romantiker waren im Gegensatz zu den Vertretern der Klassik, klare Befürworter einer Mischung der Gattungen im Rahmen von literarischen Texten. Sie waren auch für einen fragmentarischen Schreibstil und die Hinwendung zum Mittelalter und der volksliterarischen Poesie. Das generelle Ziel war es, die künstlerische Ausdrucksweise auszuweiten und dabei die Phantasie freizusetzen10.
Die Epoche der deutschen Romantik wird in drei Phasen gegliedert, nämlich die frühe Romantik, die mittlere Romantik und die Spätromantik11. Im Jahr 1798 entstand die erste Gruppe der Romantiker, die sogenannten Frühromantiker, zu deren bekanntesten Vertretern die Brüder Friedrich und August Wilhelm Schlegel, wie auch Ludwig Tieck und Wilhelm Heinrich Wackenroder zählten. In der Zeit der frühen Romantik konnte man eine Konstitution der romantischen Literatur beobachten. Den Anfang machten Texte, die man am Anfang eher zur spätaufklärerischen Unterhaltungsliteratur einordnen konnte, doch im Laufe einer kurzen Zeit, enthielten sie den Hauch von Poetik des Wunderbaren und Imaginativen. Beispiele für solche Texte können sowohl die Dramen von Ludwig Tieck Die Sommernacht und Karl von Berneck sein, wie auch der Briefroman Die Geschichte des Herrn William Lovell des selben Autors12. Zu den weiteren literarischen Gattungen, die im Laufe der Frühromantik immer größeren Stellenwert bekamen, gehörten auch solche Märchen wie: Der blonde Eckbert, Der getraute Eckhart und Der Runnenberg von Ludwig Tieck , und auch Komödien, z.B. Der gestiefelte Kater von Brüder Grimm oder Tieck‘s Prinz Zerbino oder die Reise nach dem guten Geschmack. Die Frühromantik endete im Jahr 1801 mit der Veröffentlichung des Romans Godwi oder das steinerde Bild der Mutter von Clemens Brentano13 .
Die zweite Phase der Romantik, genannt mittlere Romantik, hatte ihren Ursprung in Heidelberg im Jahr 1805. An diesem Ort entstand die Heidelberger Gruppe, die ihre bekanntesten Beiräte zur deutschen Literatur in den Jahren 1805 und 1808 veröffentlichte. Zu diesen literarischen Beiträgen gehörten die von Clemens Brentano und Ludwig Achim von Armin gesammelten und bearbeiteten alten deutschen Lieder unter dem Titel Des Knaben Wunderhorn, wie auch deren Gedichte und Novellen. Charakteristisch für die Heidelberger Gruppe war ihre historische und philosophische Orientierung. Ergänzt wurde dies durch eine mythengeschichtliche Ausrichtung, dessen Vertreter Friedrich Creuzer war, wie auch durch eine etymologische Orientierung, wie z.B. bei den Brüdern Grimm oder Johann Arnold Kanne14. Nicht nur in Heidelberg entfaltete sich die mittlere Romantik, sondern auch in Berlin. Im Zentrum der Hauptstadt konnte man beobachten, dass der Fokus viel mehr auf genuin literarische Publikationen lag. Die Berliner Phase kann man zwischen dem Jahr 1809 und 1822 datieren. Den Anfang machten zahlreiche Zeitschriftenprojekte von Adam Müller und Heinrich von Kleist zu denen Phöbus und Berliner Abendblätter gehörten, wie auch Dramen, Romane und Novellen der beiden, wie z. B. die Erzählung Michael Kohlhaas oder Die Marquise von O… von Kleist . Ab dem Jahr 1812 entstanden auch die wichtigsten Werke von E.T.A Hoffmann, z.B. Fantasiestücke, Nachtstücke und Die Elixiere des Teufels und Joseph von Eichendorff, u.a. Ahnung und Gegenwart und Das Marmorbild. Zu den Autoren der mittleren Romantik gehörten auch Adelbert von Chamisso mit seinem Kunstmärchen Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte und Friedrich de la Motte Fouqué mit seinem Märchen Undine 15.
Die dritte und letzte Phase der Romantik wird auf die Jahre 1815-1830 datiert. Sie wird als katholische Spätromantik bezeichnet, wie auch „korrespondierendes Mitglied der katholischen Propaganda“16. Vor allem Brentano und Eichendorff publizierten hauptsächlich Arbeiten, die mit der Religion verbunden waren. In diesen Jahren dominierten Werke, die den katholischen Standpunkt vertaten, wodurch die Spätromantik als ein christlich-katholisches Projekt interpretiert wurde. Außerdem konnte man auch eine Hinwendung zur Mystik und zum Unheimlichen beobachten. Die einst patriotischen Gefühle der Romantiker wandelten sich hin zu konservativen und restaurativen Bestrebungen17.
Als deutsches Zentrum der katholischen Spätromantik, fungierte München, wo sowohl Brentano, Joseph Görres als auch Friedrich Wilhelm Joseph Schelling tätig waren. Der damalige König von Bayern, Maximilian I, wollte unbedingt die Münchner Universität zu einem Zentrum für katholische konservative Politik erschaffen. Bei der Realisierung dieses Plans war vor allem das umfangreiche Werk von Görres unter dem Titel Christliche Mystik hilfreich18.
In der Epoche der Romantik gab es ein breites Spektrum an literarischen Gattungen. Im Mittelpunkt der damaligen Zeit stand der Roman. Dieser ging aus dem Roman der Aufklärung und der Empfindsamkeit hervor und blieb dessen psychologisch-anthropologischem Grundzug weitesten verpflichtet. Es kamen jedoch neue Akzentsetzungen hinzu. Der Roman eignete sich hierbei sehr gut, um die Grenzen zwischen der Erfahrungswelt und der Imagination und Phantasie durchlässig zu machen. Autoren wie E.T.A Hoffmann und Ludwig Tieck nutzten in ihren Romanen traumhafte und mythische Elemente, die sie in die erlebte Welt eindringen ließen19. Der Roman erlangte während der Frühromantik seinen Höhepunkt. Dies geschah im Rahmen komplexer Reflexionen über die Kunst und ihren Status gegenüber dem Leben, der Philosophie und Wissenschaft. Friedrich Schlegel, einer der wichtigsten Theoretiker der damaligen Zeit sagte, dass die Bestimmung der romantischen Poesie sei „alle getrennten Gattungen der Poesie zu vereinen und die Poesie mit der Philosophie und Rhetorik in Berührung zu setzen“20. Dadurch, dass der Roman keine Formkonvention besaß, eignete er sich wunderbar dazu, Elemente verschiedener Gattungen in sich zu vereinen, nämlich die narrativen, dramatisch-dialogischen und lyrischen. Zusätzlich ermöglichte er die Synthese zwischen literarischer Präsentation, philosophischer Reflexion und rhetorischer Praxis21.
Die zweite wichtige literarische Gattung im Zeitalter der Romantik, war das Märchen. Märchen spielten für die Romantiker eine sehr große Rolle, denn sie konnten zum Beispiel alte überlieferte Märchen den Menschen wieder näherbringen. Dies erzielten sie sowohl durch eine schriftliche Fixierung der nur mündlich bekannten Werke, als auch durch eine Umformung der bereits schriftlich existierenden Märchen. In Märchen gibt es keine Gesetze der Wirklichkeit und es gab praktisch keine Grenzen zwischen der Realität und dem Unwirklichen22.
Eine weitere wichtige literarische Gattung während der Romantik, war das Drama. Es stellte einen Übergang zwischen dem klassischen Drama und dem der Moderne dar. Dichter lösten sich zu dieser Zeit von den bisher geltenden Normen, wie ein Drama konzipiert sein sollte und wollten eine vollkommen neue Art des Dramas erschaffen23. Bei den romantischen Dramen handelte es sich eher um Lesedramen, die aus diesem Grund für Theaterinszenierungen ungeeignet waren. Durch die Elimination der ursprünglichen Funktion des Dramas, drückten die romantischen Dichter ihre Unzufriedenheit mit dem noch vorherrschenden Weltbild der Aufklärung aus, das vom Rationalismus und Normdenken geprägt war24. Neben Prosa und Drama, gab es noch die romantische Lyrik, zu der vor allem Gedichte gehörten. Romantiker schrieben ihre Gedichte auf gefühlvolle Art und Weise und verzierten sie mit zahlreichen Symbolen und Leitmotiven. Dennoch sollten die Gedichte leicht verständlich sein und für das ganze Volk bestimmt sein. Romantische Poeten hatten eine Vorliebe für gleichförmige Strophen und Reime und beschrieben keine Erlebnisse, sondern das Unbewusste und Unwirkliche. Diese einstige Vorstellung der romantischen Dichtkunst wurde besonders durch die Gedichte des Spätromantikers Joseph von Eichendorff getragen. Seine Gedichte, die häufig in Form eines Volksliedes erschienen, waren durch eine einfache Sprache geprägt und beschrieben die Natur und den Übergang zwischen Traum und Wirklichkeit25.
In der Literatur der Epoche der Romantik spielt das Motiv des Wanderns eine wesentliche Rolle. Viele Dichter, die in dieser Zeit geschrieben haben, waren selbst viel unterwegs und bezogen sich in ihren Werken auf persönliche Wandererfahrungen. Das Motiv des Wanderns ist meistens sehr eng mit der Sehnsucht nach der Ferne, als auch mit der Natur verbunden, denn alle Dichter in der Romantik zog es in die Natur weit von den Städten. Die Romantiker schilderten die Natur auf eine ganz andere Weise, als die Menschen heutzutage. Natur spiegelte für sie eine göttliche Welt auf der Erde wider bzw. war eine Widerspiegelung für perfekte Welt. Sie träumten von einer Natur und wanderten in einer Natur, in der Harmonie herrschte und in der, die Menschen und Tiere als Einheit lebten26. Ungefähr ab dem 18. Jh. ist das Wandern ein beliebtes Motiv in den literarischen Werken geworden wie z. B. bei Jean-Paul, La Roche oder Georg Christoph Lichtenberg. Dieses Motiv wurde damals als Wandern in kleinsten Räumen oder in Zimmern gemeint, womit die Wanderung der Augen sehr eng verbunden ist. Die Augen wandern durch Zimmern oder ins Weite durch ein Fenster, wie in der Erzählung von E.T.A Hoffmann Des Vetters Eckfenster. Der Begriff Wandern bedeutet in der Literatur nicht immer eine reale Bewegung, sondern auch eine imaginäre Bewegung im Gedanken27. Im 19. Jahrhundert nimmt das Wandern an Bedeutung zu und wird in der romantischen Literatur zur zentralen Figur. Im Vordergrund der Dichtung steht mehr die emotionale Motivation. Der Wanderer verliert sich im Raum der Natur, fühlt sich unbegrenzt und strebt nach etwas Unbestimmtem28. Die Dichter schreiben dem Wandern verschiedene Bedeutungen zu. Häufig wird dieses Motiv mit geistigen Problemen assoziiert, mit Mythologie oder metaphorisch für den Lebensweg des Menschen. Als Beispiel kann Novalis angegeben werden, einer des bekanntesten Autoren der Romantik. Wandern war nicht nur ein Motiv, das er in seinen Texten beschrieben hat, sondern ein Teil seines Lebens. Bekannt sind seine Wanderungen im Harz, im Thüringer Wald, im Erzgebirge als auch von Zeitz nach Leipzig29. In dem Werk Heinrich von Ofterdingen wird durch den Autor hauptsächlich eine imaginäre Wanderung, die mit körperlichem Bewegen wenig zu tun hat und, die typisch für die romantischen Werke ist, sehr deutlich dargestellt. Heinrich von Ofterdingen ist ein Romanfragment, der 1802, nach Novalis Tod publiziert wurde. Bereits im ersten Kapitel verfällt die Hauptfigur in eine Traumwelt, in der er phantastische Erlebnisse erfährt. Im Schlaf tritt er aus der realen Welt in eine Welt, in der alles möglich ist. Die Reise, die er in seinen Träumen entdeckt, erlaubt ihm all dies zu erleben, das im alltäglichen Leben unvorstellbar ist. Er befindet sich zwischen Traum und Wirklichkeit30. Der Junge glaubt in der phantastischen Welt sein Glück zu finden. Das Glück bedeutet in diesem Fall eine innere Harmonie und Zufriedenheit, welche der Wanderer erst am Ende der Reise erreicht. In dem Werk wurden sehr viele Aspekte dargelegt, die eine romantische Literatur aufweisen, wie: Leidenschaft, Träume, Reise, Wandern, Selbsterfahrung oder dauernde Suche. Das, was das Werk von anderen Werken stark unterscheidet und einmalig macht, ist das Symbol der „blauen Blume“ die in dem Roman eine wesentliche Rolle spielt und als Symbol des Glücks bezeichnet wird. In dem Roman werden unterschiedliche Träume der Hauptfigur beschrieben, welche sich auch später erfüllen. Der erste Traum handelt z. B. von einer Reise. Der junge Heinrich befindet sich in einer Gegend, in der er gern wandert. Der Weg, den er geht ist nicht immer leicht, sondern momentan sehr schwierig. Er wandert bis zu einer Berghöhle, in der er eine blaue Blume entdeckt. Er näherte sich der Blume und in dem Moment verwandelte sie sich in ein Mädchengesicht:
„Der Jüngling verlor sich allmählich in süßen Phantasien und entschlummerte. Da träumte ihm erst von unabsehlichen Fernen und wilden, unbekannten Gegenden. Er wanderte über Meere mit unbegreiflicher Leichtigkeit; wunderliche Tiere sah er, er lebte mit mannigfaltigen Menschen […]. Er fand sich auf einem weichen Rasen am Rande einer Quelle, die in die Luft hinausquoll und sich darin verzehren schien […]. Der Himmel war schwarzblau und völlig rein. Was ihn aber mit voller Macht anzog, war eine hohe lichtblaue Blume, die zunächst an der Quelle stand […]. Die Blume neigte sich nah ihm zu und die Blütenblätter zeigten einen Blauen ausgebreiteten Kragen, in welchem ein zartes Gesicht schwebte“31.
Heinrich nahm seine Träume immer sehr Ernst und versuchte den Träumen eine Bedeutung zuzuschreiben. Es war für ihn eine Reise nach innen. Heinrich von Offendingen ist ein Romanfragment, der Geschichte eines Menschen schildert, der auf der Suche nach der Selbstverwirklichung ist und dabei spielen Reise und Wanderung eine bedeutende Rolle.
[...]
1 Vgl. Belač, Lorena: Zur philosophischen und ästhetischen Kritik der Romantik am Beispiel von Schlegels Roman Lucinde. Zadar 2017, S. 3.
2 Vgl. Madsen, Rainer: Geschichte der deutschen Literatur in Beispielen- Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Paderborn 2003, S. 151.
3 Vgl. Beutin, Wolfgang: Deutsche Literaturgeschichte - Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart 2001, S. 188.
4 Vgl. Beutin, Wolfgang: Deutsche Literaturgeschichte - Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart 2001, S. 204.
5 Ebd., S. 203.
6 Vgl. Kremer, Detlef: Romatik. Lehrbuch Germanistik. Stuttgart 2007, S. 41.
7 Vgl. Katsouli, Eleni: Das Kunstmärchen in der Romantik. „Das Märchen von Rosenblättchen“ von Clemens Brentano. Thessaloniki 2008, S. 13.
8 Vgl. ebd., S. 12.
9 Vgl. ebd., S. 13.
10 Vgl. Beutin, Wolfgang: Deutsche Literaturgeschichte- Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart 2001, S. 204.
11 Vgl. Kremer, Detlef: Romatik. Lehrbuch Germanistik. Stuttgart 2007, S. 47.
12 Vgl. ebd., S. 48.
13 Vgl. ebd.
14 Vgl. Kremer, Detlef: Romantik. Lehrbuch Germanistik. Stuttgart 2007, S. 48.
15 Vgl. ebd., S. 48f.
16 Ebd., S. 49.
17 Vgl. ebd.
18 Vgl. ebd.
19 Vgl. Schmitz-Emans, Monika: Der Roman und seine Konzeption in der deutschen Romantik. In: Revue internationale de Philosophie. O.o. 2009, S. 100f.
20 Zit. nach ebd., S. 101.
21 Vgl. ebd.
22 Vgl. Lobeck, Helmut: "Kunstmärchen". In: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. Erster Band, Berlin 1958, S. 910.
23 Vgl. Fetzer, John: Das Drama der Romantik. In: Schanze, Helmut (Hrsg.): Romantikbuch. Tübingen 2004, S. 289.
24 Vgl. ebd., S. 289.
25 Vgl. Röhring, Tanja: Das Nachtmotiv in der romantischen Lyrik am Beispiel ausgewählter Gedichte von Novalis, Brentano und Eichendorff. München 2012, S. 13.
26 Vgl. Malaguti Simone: Die Suche nach dem Glück in der deutschen Literatur. Zur Bedeutung der blauen Blume in Noveli‘s Heinrich von Ofterdingen. O. o. 2005, S. 212.
27 Vgl. Röhring, Tanja: Das Nachtmotiv in der romantischen Lyrik am Beispiel ausgewählter Gedichte von Novalis, Brentano und Eichendorff. München 2012, S. 12.
28 Vgl. ebd., S. 16,17.
29 Vgl. Glatz, Edith: Wandern in poetischen Texten. Würzburg 2011, S. 56.
30 Vgl. Knop, Inga: Novalis-Heinrich von Ofendinger - Romantische Odyssee. O. o. 2000, S. 6.
31 Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Hrsg. Frühwald, Wolfgang, Stuttgart 1988, S. 10-12.
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