Bachelorarbeit, 2018
55 Seiten, Note: 2,0
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Relevanz für die Praxis
1.3. Zielsetzung der Arbeit
1.4. Aufbau der Arbeit
2. Theoretischer Arbeitsteil
2.1. Definitionen und Begriffserklärungen
2.1.1. Sozioökonomische Rahmenbedingen
2.1.2. Offene Gesellschaften
2.1.3. Sportliches Erfolgsniveau bei Olympischen Spielen
2.2. Theoretischer Bezugsrahmen
2.3. Aktueller Forschungsstand
2.4. Forschungsleitende Hypothesen
3. Empirischer Arbeitsteil
3.1. Untersuchungsanliegen
3.2. Konzeption und Aufbau der Untersuchung
3.2.1. Erhebungsmethode
3.2.2. Datenbasis und Untersuchungszeitraum
3.3. Operationalisierung der Modellvariablen
3.4. Durchführung
3.5. Ergebnisse
4. Diskussion
5. Ableitung möglicher Optimierungspotenziale für Deutschland
6. Fazit
7. Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang X
Abbildung 1: Internationales Erfolgsniveau
Abbildung 2: Untersuchungskonzept
Abbildung 3: Normalverteilung der Residuen (Olympische Spiele 2012 )
Abbildung 4: Normalverteilung der Residuen (Olympische Spiele 2016)
"Wir müssten eigentlich nach der Tradition in beiden deutschen Staaten und nach unserer Wirtschaftskraft, mit der wir den Spitzensport fördern, mindestens ein Drittel mehr Medaillen bekommen, vielleicht mehr"1. Diese Forderung stellte der Innenminister Thomas de Maizière vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro an die deutschen Athleten. Bereits während der Olympischen Spiele in London 2012 ist eine Diskussion entfacht, die die Leistungs und Gesellschaftsfähigkeit des deutschen Spitzensports in Frage stellt. Diese zeigt auf, dass die Sportförderung in Deutschland nicht mehr den hohen internationalen Ansprüchen gerecht wird. Deshalb gab es 2013 einen umfassenden Aufruf an die deutsche Wirtschaft, um eine langfristige Athletenförderung zu sichern2. Das Ausbleiben des Erfolgs, besonders im Rahmen der Leichtathletik WM 2017 in London, zeigt allerdings, dass die angestrebte Athletenförderung noch keine sichtbaren Verbesserungen gebracht hat, obwohl das Innenministerium in den letzten drei Jahren vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 1,1 Milliarden € investiert hat3. Somit müssen andere Faktoren als die Finanzierung einen wesentlich größeren Einfluss auf den sportlichen Erfolg haben. Ob diese These den wirklichen Gegebenheiten entspricht soll Bestandteil der Untersuchungen dieser Arbeit sein.
Wenn die besten Sportler aus mehr als 200 Nationen sportliche Wettkämpfe gegeneinander austragen, schaut heute die ganze Welt zu. Denn in diesem Fall finden wieder Olympische Spiele statt. Dieses Großereignis wird nur alle vier Jahre ausgetragen und erstreckt sich über einen Zeitraum von 16 Tagen4. Doch die olympische Charta drängt die Bedeutung von den verschiedenen Nationen immer mehr in den Schatten und stellt den Wettbewerb zwischen den einzelnen Sportlern als zentrales Moment der Olympischen Spiele dar5. Trotzdem spielt die gewonnene Anzahl an Medaillen der einzelnen Nationen eine durchaus wichtige Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung. Grund hierfür sind ein positives Renommee im Ausland und die Identifikationswünsche der Bevölkerung mit den erfolgreichen nationalen Sportlern6. Zum Zweck ihrer nationalen Repräsentanz in internationalen Wettbewerben, wie zum Beispiel den Olympischen Spielen, betreiben alle gegenwärtigen Staaten eine mehr oder weniger systematische Auswahl und Förderung leistungssportlicher Eliten. Das Erfolgsniveau von Sportlern eines Landes bei den Olympischen Spielen hängt tatsächlich von verschiedenen sozioökonomischen und demografischen Rahmenbedingungen ab, wie in der Vergangenheit schon bewiesen wurde7. Die Spitzensportförderung eines Landes muss unter diesen nicht beeinflussbaren Rahmenbedingungen möglichst optimal gesteuert werden, sodass Athleten bei Olympischen Spielen erfolgreiche Ergebnisse erreichen8. Das deutsche Olympiateam erreichte in Rio zwar 17 Goldmedaillen, allerdings sinkt die Medaillenausbeute bei steigender Anzahl an Entscheidungen seit 1992 in Barcelona kontinuierlich. Die 42 Plaketten von Rio de Janeiro stellten einen neuen Tiefstwert für die deutschen Athleten dar9. Zwar ist gesellschaftlich sowie in der Sportführung dieser negative Entwicklungstrend auf Unzufriedenheit gestoßen, jedoch kann die Forschungsfrage aufgestellt werden, dass sich die Medaillenprojektionen für die Olympischen Spiele 2012 und 2016 als repräsentativ für die sozioökonomischen Rahmenbedingungen darstellen.
Die Schätzungen und Prognosen hinsichtlich der Medaillenanzahl eines Landes sind besonders für die Verantwortlichen der nationalen Sportfördersystem e von Bedeutung10. In Deutschland wäre dies zum Beispiel das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes. Die bereits bestehenden, sowie die in der Arbeit folgende Studie, liefern Berechnungen, wie viele Medaillen ein Land angesichts seiner allgemeinen Ressourcenausstattung bei weltdurchschnittlicher Effizienz seines Hochleistungssportsystems gewinnen sollte. Gewinnt eine Nation mehr Medaillen als prognostiziert, so weist dies auf ein effizientes Hochleistungssportsystem hin. Weniger gewonnene Medaillen als berechnet unterstreichen ein unterdurchschnittlich effizientes Hochleistungssportsystem. Somit kommt den sozioökonomischen Medaillenberechnungen eine sportliche Bedeutung zu. Sie beurteilen schließlich die Leistungsfähigkeit der nationalen Hochleistungssportsysteme11. Auf dieser Basis kann eine realisierbare Medaillenanzahl für ein Land vor den Olympischen Spielen als Ziel ausgerufen werden. Je nach tatsächlich gewonnener Anzahl an Medaillen können die Verantwortlichen die Effizienz ihres Leistungsspotsystems beurteilen und mit anderen Ländern, die ähnliche Voraussetzungen besitzen, vergleichen. Dies wiederum könnte Hinweise darauf geben, ob für den nächsten Olympiazyklus Veränderungen im nationalen Sportfördersystem vorgenommen werden müssten12.
Ziel dieser Arbeit ist es, unter Verwendung eines theoretischen Konstrukts, einen Überblick zu geben, auf welche Art und Weise die sozioökonomischen Rahmenbedingungen einer Nation mit dem olympischen Erfolgsniveau der Sportler zusammenhängen. Des Weiteren soll die empirische Untersuchung aufzeigen, welche Medaillenwerte für die jeweiligen Länder zu erwarten sind. In diesem Zusammenhang wird untersucht warum die Differenzen im Medaillenspiegel zwischen Deutschland und Großbritannien, sowie den USA, immer größer werden und ob es für diese Entwicklung noch weitere Einflussgrößen gibt. Zudem soll diese Untersuchung einen Maßstab liefern, damit die Verantwortlichen des Leistungssports den sportlichen Erfolg bei Olympischen Spielen auf einer theoretischen Basis beurteilen und mit anderen Nationen vergleichen können. Auf diese Weise besteht ebenso die Chance mögliche Fehlerquellen der nationalen Hochleistungssportförderung aufzudecken. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung sollen als Grundlage dienen, um zum Schluss der Arbeit die Vorteilhaftigkeit der anderen Leistungssportsysteme darzulegen und Optimierungspotenziale für Deutschland zu erarbeiten.
Im ersten Teil der Arbeit wird durch eine Einleitung eine kurze Einführung ins Thema gegeben. Zudem werden die Problemstellung, die Zielsetzung und die Relevanz für die Praxis erläutert.
Im zweiten Gliederungsabschnitt werden die für die Untersuchung relevanten Begriffe zunächst definiert. Gleichzeitig wird in diesem Teil ein theoretischer Bezugsrahmen für die Untersuchung erstellt, damit deutlich wird, auf welcher theoretischen Basis die empirische Studie beruht und wie der Zusammenhang zwischen den sozioökonomischen Bedingungen und dem olympischen Erfolgsniveau herzuleiten ist. Weiterhin wird der aktuelle Forschungsstand auf dem Gebiet der Studie beschrieben, um aufzuzeigen, welche Forschungserkenntnisse zu dem Thema bereits existieren. So kann der Fokus auf noch nicht untersuchte Aspekte des Themas gelegt werden und es kommt zu keiner Dopplung von Forschungsergebnissen. Der Abschluss des zweiten Kapitels ist den forschungsleitenden Hypothesen gewidmet. Diese bilden eine wichtige Verknüpfung zwischen der theoretischen und empirischen Ebene der Arbeit.
Im Fokus des dritten Kapitels steht die empirische Untersuchung. Zu Beginn wird kurz das Untersuchungsanliegen der Studie erläutert. Es folgt ein systematischer Überblick über den Aufbau der Untersuchung, um das Vorgehen zu verdeutlichen. In diesem Zusammenhang wird nachfolgend die verwendete Datenerhebungsmethode genauer beschrieben. Das dazugehörige Unterkapitel befasst sich mit der Beschreibung der relevanten Daten. Des Weiteren wird erläutert, welche Quellen zur Datenerhebung herangezogen wurden. Bevor mit der Durchführung begonnen wird, erfolgt eine Operationalisierung der Modellvariablen. Diese kann allerdings recht kurz gehalten werden. Wie bereits eben angeführt, folgt an dieser Stelle die Durchführung der Untersuchung mit Hilfe des Datenauswertungsprogramms SPSS. Als letztes wird eine Visualisierung und Beschreibung der Ergebnisse vorgenommen.
Das vierte Kapitel der Arbeit beschäftigt sich mit der Diskussion der Ergebnisse, sowie möglichen Einflussfaktoren, die nicht berücksichtigt wurden. Zudem werden die forschungsleitenden Hypothesen und die Problemstellung ausführlich diskutiert.
Nachfolgend werden auf Grundlage der Studie mögliche Optimierungspotenziale für die deutsche Sportförderung abgeleitet.
Den Abschluss bildet der sechste und siebte Gliederungspunkt der Arbeit. Im ersten Schritt wird im Fazit eine evaluierende Zusammenfassung der Arbeit gegeben und die in der Problemstellung formulierte Forschungsfrage beantwortet. Der Ausblick bildet den Abschuss der Bachelorarbeit.
Der theoretische Arbeitsteil beinhaltet vorwiegend Modelle, Konzepte und Theorien, die sich auf das Thema beziehen. Die Definitionen und gewählten Modelle zeigen die Forschungsrichtung an und bieten eine starke wissenschaftliche Basis für den empirischen Arbeitsteil.
In diesem Abschnitt werden die, für die Bachelorarbeit grundlegenden Begriffe definiert und erläutert, damit es im Verlauf speziell im empirischen Teil der Arbeit zu keinerlei Unverständlichkeiten kommt. Zudem ist eine Erläuterung der Begriffe essentiell, um den Zusammenhang zwischen dem theoretischen und empirischen Arbeitsteil zu verstehen.
Im bisherigen Verlauf der Arbeit kam es bereits vermehrt zu Verwendung des oben angeführten Begriffs. Die sozioökonomischen Rahmenbedingungen eines Landes bilden mit den wichtigsten Teil der Arbeit und sind Grundlage der empirischen Untersuchung. Daher ist es von elementarer Bedeutung, dass im Folgenden erläutert wird, welche Merkmale diesen Begriff prägen. Im Allgemeinen ist unter sozioökonomischen Rahmenbedingungen die „Gesamtheit aller sozialen, kulturellen, ethischen, moralischen, religiösen sowie politischen Faktoren, die Art und Umfang der ökonomischen Aktivitäten einer Volkswirtschaft determinieren“13 zu verstehen. Für die Untersuchung sind nicht alle aufgeführten Begriffe von Relevanz. Im Fokus der Betrachtung liegt der Bevölkerungsumfang, die Bevölkerungsdichte sowie der allgemeine Wohlstand, der sich aus dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ableiten lässt14. Der Bevölkerungsumfang lässt sich vereinfacht auch als die Bevölkerungszahl eines Landes beschreiben. Die Bevölkerungsdichte wird als eine Beziehungszahl beschrieben. Sie ist der Quotient der Bevölkerung eines Landes und dessen Fläche. Daraus ergibt sich eine bestimmte Einwohnerzahl pro Flächeneinheit, die später für die Untersuchung verwendet wird15.
Letzter Bestandteil der Basis der Untersuchung ist der allgemeine Wohlstand. Dieser steht wie bereits oben erwähnt im Zusammenhang mit dem Bruttoinlandsprodukt, welches ein Maß für die wirtschaftliche Leistung eines Landes in einem bestimmten Zeitraum darstellt16. Zudem gibt die pro Kopf Betrachtung Auskunft über den materiellen Wohlstand der Bevölkerung17. Der Zusammenhang zur vorliegenden Forschungsarbeit wird deutlich, da die jeweiligen Länder unter den beschrieben Einflussfaktoren die Förderung des Spitzensports organisieren müssen. Diese Faktoren stellen dabei unbeeinflussbare Rahmenbedingungen des Spitzensportfördersystems dar18.
Unter 2.1.1. wurde bereits dargelegt, dass die politischen Faktoren die Art und den Umfang der ökonomischen Aktivitäten in einem Land bestimmten. Dieses Kriterium ist für den nachkommenden Teil der Arbeit besonders zu beachten, weshalb eine ausführliche Reflexion des oben genannten Begriffs unumgänglich ist.
Die „offene Gesellschaft“ wird auch als das Idealbild der Philosophie von Karl Raimund Popper beschrieben und richtet sich gegen jegliche totalitäre Herrschaft. In Anlehnung an Popper werden Gesellschaften mit hoch ausgeprägten bürgerlichen und politischen Freiheitsrechten als „offene Gesellschaften“ bezeichnet19. Dieser Aspekt ist insbesondere für die Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens für die empirische Untersuchung von Bedeutung. Die Anzahl der Sportarten, die in einem Land betrieben werden sowie der Konkurrenzdruck, der im nationalen Sportsystem herrscht, beeinflussen das kollektive Erfolgsniveau. Diese beiden Variablen sind nur schwer messbar. Allerdings gibt es verschiedene Einflussfaktoren, die auf die genannten Variablen wirken. Die prognostizierten Einflüsse sind jedoch vor allem davon abhängig, inwiefern Individuen frei von staatlichen und organisationalen Zwängen sind und sich frei für das Betreiben von Sportarten entscheiden können20. Diese Erläuterung greift in der Analyse des theoretischen Bezugsrahmens zwar etwas voraus, ist aber angebracht, um zu verstehen, weshalb ein Vergleich mit den Ländern Großbritannien und USA vorgenommen wird. Auch andere Länder, wie China oder Russland, sind sehr erfolgreiche Sportnationen, die konstant vor Deutschland im Medaillenspiegel stehen. Somit wären sie theoretisch auch geeignete Vergleichsnationen gewesen. Jedoch sind in diesen autoritär geführten Ländern die Freiheitsrechte entscheidend geringer. Aus den angeführten Gründen werden diese Nationen daher nicht in die später durchzuführende Untersuchung aufgenommen21.
Der Begriff des Erfolgs wird verschiedenartig definiert. Die Definition ist immer vom subjektiven Vorstellungshorizont desjenigen abhängig, der die Begriffsdefinition abgibt22. In Verbindung mit der Arbeit liegt die Konzentration auf der Begriffserläuterung des sportlichen Erfolgsniveaus bei Olympischen Spielen, welches sich selbstredend am summierten Medaillenspiegel der jeweiligen Olympiade orientiert. Der gewichtet sowie auch der summierte Medaillenspiegel greifen lediglich auf das Konzept der „absoluten sportlichen Erfolgsmessung“ zurück, bei der nur sportliche Erfolge und Rekorde betrachtet werden, was für diese Untersuchung ausreichend ist23. Die äußeren Umstände der Länder, sowie deren Medaillenvorgaben werden nicht mit berücksichtigt24. Zum Beispiel hat der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) für die Spiele 2016 in Rio de Janeiro 44 Medaillen als Ziel ausgerufen25. Das Ergebnis von London sollte 2016 zumindest egalisiert, bestenfalls sogar übertroffen werden, um die Spiele als erfolgreich verbuchen zu können26. Tatsächlich erreichten die deutschen Sportler in der Summe aber nur 42 Medaillen. Infolgedessen zog der DOSB eine gemischte Bilanz bezüglich des Erfolgsniveaus bei dieser Olympiade. Wäre es zu einer Umsetzung der Zielvorgabe, durch die deutschen Athleten gekommen, so hätten die Spiele aus Sicht des deutschen Dachverbandes einen Erfolg für den Spitzensport dargestellt27. Diese vom Dachverband individuell formulierten Ziele sind für die Analyse nicht von Bedeutung. Sie orientiert sich ausschließlich an den eindeutigen Medaillenzahlen am Ende der Olympischen Spiele. Auf dieser Basis werden nachfolgend die einzelnen kollektiv Leistungen der Länder beurteilt. Für die später folgende Analyse gilt es abschließend hervorzuheben, dass GoldSilberund Bronzemedaillen gleichgewichtet sind. Das sportliche Erfolgsniveau bezieht sich nur auf die Summe der erreichten Medaillen und nicht auf ihre Gewichtung28.
Der folgende Abschnitt beinhaltet die Entwicklung eines theoretischen Konstrukts, welches die Basis für die spätere Analyse des kollektiven Erfolgsniveaus darstellt. Der theoretische Bezugsrahmen ermöglicht es, den Zusammenhang zwischen den sozioökonomischen Bedingungen und dem olympischen Erfolgsniveau herzuleiten. Angelehnt sind die theoretischen Überlegungen, sowie wie auch die empirische Analyse, an das Konzept von Emrich, Klein, Pitsch und Pierdzioch (2013) 29 . In der Literatur ist keine theoretische Begründung zwischen den sozioökonomischen Rahmenbedingungen und dem sportlichen Erfolg von Kollektiven zu finden. Aus diesem Grund werden nachfolgend diejenigen Determinanten begründet, welche in die empirische Analyse einfließen (Vgl. Abb.1)30.
Um den Wirkungszusammenhang von sozioökonomischen Rahmenbedingungen auf das sportliche kollektive Erfolgsniveau zu verstehen, muss folgende Annahme getroffen werden: Die Anzahl der Sportler einer Nation, die an unterschiedlichen Wettbewerben teilnehmen sowie ihr Leistungsniveau haben Einfluss auf die gewonnenen Medaillen bei Olympischen Spielen. Die Anzahl an Sportarten, die in einem Land angeboten und von der Gesellschaft betrieben werden, wirken sich ebenfalls auf das sportliche Erfolgsniveau aus. Zudem ist der Konkurrenzdruck, der in einem nationalem Sportsystem herrscht ein weiterer Indikator für den sportlichen Erfolg bei Großereignissen31. Aus welchem Grund sich dieses theoretische Konstrukt nur für „offene Gesellschaften“ eignet, wurde bereits in Punkt 2.1.2. erläutert.
Bernard und Busse gehen von der Annahme aus, dass anlage und umweltbedingte Leistungsvoraussetzungen in einer Bevölkerung ungefähr normalverteilt sind32. Aus dieser Annahme kann plausibel der Schluss gezogen werden, dass der Bevölkerungsumfang kausal dafür ist wie häufig Personen mit genetischen Voraussetzungen für sportliche Höchstleistungen in einer Bevölkerung vorhanden sind33. Die sozioökonomische Prognose zur Fußballweltmeisterschaft 2006 von Schmid, Hedrich und Kopp schließt den Fakt aus, dass der Bevölkerungsumfang eines Landes Auswirkungen auf den internationalen Erfolg hat. Die Herangehensweise ihrer Untersuchung ist adäquat und könnte auch auf diese Studie angewendet werden. Allerdings beziehen sie die Variable des Bevölkerungsumfangs nicht mit in ihre Berechnungen ein, weshalb die Studie von Emrich, Klein, Pitsch und Pierdzioch hier als Vorlage verwendet wird34. In Abbildung 1 wird verdeutlicht, dass der Bevölkerungsumfang einen der drei Basisfaktoren des Modells darstellt. Die Altersstruktur eines Landes überlagert zugegeben diesen Einfluss35. Dazu argumentieren die Autoren ähnlich wie in der Studie zur Fußballweltmeisterschaft auf Grundlage von Bernard und Busse, dass „Länder nicht zu jedem Wettkampf Athleten in Proportion zu ihrer Gesamtbevölkerung entsenden können“36. Dazu spielt die Tatsache, dass Mannschaftserfolge nur als eine Medaille im Medaillenspiegel gezählt werden, eine bedeutende Rolle37. Wie Emrich, Klein, Pitsch und Pierdzioch 38 argumentieren wird die Wahrscheinlichkeit des Auftretens seltener individueller Fähigkeiten, die die Menschen zu sportlichen Höchstleistungen befähigen, von den oben angeführten Punkten jedoch nicht beeinflusst.
Allerdings benötigt ein Individuum, welches diese eben genannten Voraussetzungen besitzt, auch die notwendige sportliche Infrastruktur in einem Land. Denn ein hohes Begabungspotenzial für eine bestimmte Sportart kann nur dann vollständig ausgeschöpft werden, wenn eben diese auch in einer Nation betrieben, unterstützt und gefördert wird39. Das Begabungspotenzial innerhalb der Gesellschaft wird bei freier Wahl des Zugangs zum Sport zum Ergebnis eines Zufallsprozesses. Die Chancen für das genannte Begabungspotenzial sind umso höher, je mehr potenziell Sporttreibende zur Verfügung stehen und je größer der Anteil der potenziell Begabten ist, die sich für das Ausüben einer Sportart entscheiden. Dies steht des Weiteren im Zusammenhang mit der Vielfalt an Sportgelegenheiten, die den Sporttreibenden zur Verfügung gestellt werden. Die beschriebenen Faktoren sind zudem mit der Größe des nationalen Sportmarktes in Verbindung zu setzen40. Aufgrund zunehmender Bevölkerung und dem Wachsen des nationalen Spotmarktes, steigen auch die Chancen für Sportler mehr Berühmtheit zu erlangen und mit ihren Siegen mehr Geld vereinnahmen zu können. Diese finanziell höheren Anreize sind dafür verantwortlich, dass es zu einer größeren Ausschöpfung der relevanten Bevölkerung kommt, welche auch als Risikopopulation bezeichnet wird41. Die Risikopopulation beschreibt folglich alle Personen unter Beobachtung bei denen es während des Beobachtungszeitraums zum tatsächlichem eintreten des Ereignisses „Sporttreiben“ kommen kann42. Wie zu sehen ist, erweist sich die Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens als ein sehr komplexes Konstrukt bei dem viele Faktoren in Verbindung gesetzt werden können, die das kollektive Leistungsniveau bei Olympischen Spielen beeinflussen.
Der Umfang des nationalen Sportmarktes wird nicht nur durch den zuvor komplex beschriebenen Populationsumfang beeinflusst, sondern insbesondere durch die regionale und demografische Dispersion der Bevölkerung. Vereine oder Verbände richten sportliche Angebote nur dann ein, wenn davon auszugehen ist, dass eine ausreichende Zahl an Personen mit Sportinteresse dieses Angebot wahrnehmen würde. Wie viele verschiedene Sportarten in einem Land betrieben werden und für wie viele Bürger die notwendige Infrastruktur zur Verfügung steht, hängt speziell mit der Bevölkerungsdichte, einem weiteren Basisfaktor das Modells (Vgl. Abb. 1), eines Landes zusammen. Die Anteile der Bevölkerung, die in Ballungsräumen als typische Verdichtungen leben, können dabei den Effekt der Bevölkerungsdichte überlagern43.
Wie viele potenziell leistungsfähige Athleten als Teilnehmer an Olympischen Spielen für ein Land zur Verfügung stehen, ist somit eine Funktion des Bevölkerungsumfangs und der Bevölkerungsdichte. Die Wahrscheinlichkeit mit der Sportler an internationalen Wettkämpfen teilnehmen und Erfolge erzielen, wird ebenfalls von den gleichen Faktoren beeinflusst44. Bernard und Busse beschreiben dieses Phänomen mit folgenden Worten „countries can not send atheltes in proportion to their populations for each event“45. Simplifiziert bedeutet dies, wie bereits im oberen Abschnitt kurz erwähnt, dass es nicht erlaubt ist Athleten im Verhältnis zum Bevölkerungsumfang zu den Olympischen Spielen zu entsenden. Ein Land mit größerem Bevölkerungsumfang hat natürlich die Möglichkeit aus einem größeren Pool an sportlichen Begabten für eine bestimmte Sportart zu wählen. Da die Qualifikation zur Teilnahme an den Olympischen Spielen meist durch hervorragende Leistungen in Vorwettkämpfen entschieden wird, ist die Konkurrenz in Ländern mit höheren Bevölkerungsumfang folglich deutlich stärker46. Bei geringem Populationsumfang und einer geringen Ausschöpfung der Risikopopulation reicht es oftmals aus, wenn Sportler eine niedrigere Norm erreichen, um zu den Olympischen Spielen endsendet zu werden. Das folgende Beispiel unterstützt diese theoretische Argumentierung.
Deutsche Sportler müssen beispielsweise die Normen des DOSB erfüllen, um eine Startberechtigung für die Olympischen Spiele zu erhalten. Für die deutschen Männer lag die Norm zur Teilnahmeberechtigung am olympischen 50 Kilometer Gehen Wettbewerb in Rio de Janeiro bei 3 Stunden und 53 Minuten. Dies musste in Vorwettbewerben erreicht werden47. Im Vergleich dazu, wurde im Schweizer Selektionskonzept von Swiss Olympics gleichzusetzen mit dem DOSB für die Olympischen Spiele 2016 für diesen Wettbewerb eine Norm von 3 Stunden und 59 Minuten vermerkt48. Am Wettkampf nehmen am Ende meist nur die drei Athleten eines Landes teil, die die vorgegebene Norm am weitesten überschreiten. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass Sportler aus bevölkerungsreichen Ländern sich im internationalen Vergleich tendenziell durch höhere Erfolgswahrscheinlichkeiten auszeichnen49.
Wie in Abbildung 1 zu sehen, bildet auch der allgemeine Wohlstand, in diesem Fall gleichzusetzen mit dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, einen der drei Basisfaktoren. Die Bereitschaft in der Freizeit Sport zu treiben, sinkt mit steigendem Anteil der täglichen Arbeitszeit, die zur physischen Existenzsicherung eingesetzt werden muss. Sport wird daher umso öfter betrieben, je niedriger die Arbeitszeiten im Beruf sind. Zudem führt ein erhöhtes Bruttoinlandsprodukt auch zu vermehrten Ausgaben für den Sport. Aufgrund der beschriebenen Argumente, ist es nicht von der Hand zu weisen, dass auch der allgemeine Wohlstand Einfluss auf die Ausschöpfung der Risikopopulation und dem damit einhergehenden Erfolgsniveau hat50.
Für ein nationales Spitzensportfördersystem stellen die analysierten Einflussfaktoren größtenteils nicht beeinflussbare Rahmenbedingungen dar. Sie können als Variablen für das spätere Regressionsmodell verwendet werden. Diese Faktoren können allerdings nur für Gesellschaften mit hohen politischen und bürgerlichen Freiheitsrechten sogenannte offene Gesellschaften (Vergleich 2.1.2.) beschrieben werden51.
Es kann für diese Forschungsarbeit festgehhalten werden,
1. dass der Umfang der Risikopopulation und des nationalen medialen Sportmarktes vom Bevölkerungsumfang des Landes beeinflusst wird. Zugleich übt dieser ebenfalls Einfluss auf den nationalen Sportartenmarkt aus. Die Altersstruktur eines Landes wird für die Untersuchung als kontrollierte Störvariable akzeptiert.
2. dass die Ausschöpfung der Risikopopulation sich auf den Umfang der Sporttreibenden Bevölkerung auswirkt. Diese beiden Faktoren bauen aufeinander auf und werden zugleich vom Umfang des nationalen Sportartenmarktes, wie auch vom nationalen medialen Sportmarkt beeinflusst.
3. dass sich die Bevölkerungsdichte auf die Anzahl der Sportarten, die in einem Land betrieben werden, auswirkt. Von diesem Faktor wird wiederum die Ausschöpfung der Risikopopulation und über diesen Aspekt, der Umfang der Sporttreibenden Bevölkerung beeinflusst.
4. dass die Ausschöpfung der Risikopopulation und darüber hinaus der Umfang der Sporttreibenden in einem Land, von dem Ausmaß des allgemeinen Wohlstandes beeinflusst wird.
5. dass sich der nationale Konkurrenzdruck, der innerhalb der verschiedenen Sportarten herrscht mit steigender Anzahl an Sporttreibenden erhöht. Die Selektionsmöglichkeiten der nationalen Sportverbände steigen und dies beeinflusst wiederum die Erfolgschancen der jeweiligen Sportart bei Olympischen Spielen52.
Im Text wurde bereits auf das unten stehende Modell kurz hingewiesen. Es verdeutlicht und vereinfacht die komplexen theoretischen Zusammenhänge, die auf das internationale kollektive Erfolgsniveau einwirken. Zudem werden die Zusammenhänge der einzelnen
Variablen äußerst verständlich dargelegt. Die Zahlen im Modell stimmen mit den oben angeführten Punkten überein. Die Zahl im Modell weist auf die Position der Argumente hin. Die durchgängig umrandeten Kästchen beschreiben feste, nicht veränderbare Variablen wie den Bevölkerungsumfang, die Bevölkerungsdichte und den allgemeinen Wohlstand. Das internationale kollektive Erfolgsniveau stellt ebenfalls eine feste, nicht veränderbare Variable dar53. Die gestrichelten Kästchen stellen vermutete, latente Variablen dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Internationales Erfolgsniveau
[...]
1 Spiegel Online, 2016, o. S.
2 Vgl. Deutsche Sporthilfe, 2014, o. S.
3 Vgl. Adami, 2014, o. S.; SchleswigHolsteiner Zeitungsverlag, 2016, o. S.
4 Vgl. Wiechers & Aufmkolk, 2017, o. S.
5 Vgl. Deutsche Olympische Akademie, 2013, S. 7 8
6 Vgl. Maennig & Wellenbrock, 2008, S. 1 2
7 Vgl. Emrich, Klein, Pitsch & Pierdzioch, 2013; Maennig & Wellenbrock, 2008; Bernard & Busse, 2004
8 Vgl. Emrich, Klein, Pitsch & Pierdzioch, 2013, S. 27
9 Vgl. Hamburger Abendblatt, 2016, o. S.
10 Vgl. Maennig & Wellenbrock, 2008, S. 4
11 Vgl. Maennig & Wellenbrock, 2008, S. 3 4
12 Vgl. Emrich, Klein, Pitsch & Pierdzioch, 2013, S. 27
13 Wirtschaftslexikon, o. D., o. S.
14 Vgl. Emrich, Klein, Pitsch & Pierdzioch, 2013, S. 28
15 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, o. D., o. S.
16 Vgl. Statistisches Bundesamt, o. D., o. S.
17 Vgl. Wirtschaft und Schule, o. D., o. S.
18 Vgl. Pitsch & Emrich, 2008, S. 35
19 Vgl. Emrich, Klein, Pitsch & Pierdzioch, 2013, S. 24; Wirtschaft und Schule, o. D., o. S.
20 Vgl. Emrich, Klein, Pitsch & Pierdzioch, 2013, S. 24
21 Vgl. Deutschlandfunk Kultur, 2017, o. S.
22 Vgl. Ziglar, 2009, S.29
23 Vgl. Jütting, 2001, S. 197
24 Vgl. Deutscher Olympischer Sportbund, 2016, o. S.
25 Vgl. Eurosport, 2016, o. S.
26 Vgl. Spiegel, 2015, o. S.
27 Vgl. Süddeutsche Zeitung, 2016, o. S.
28 Vgl. Maennig & Wellenbrock, 2008, S. 4
29 Vgl. Emrich, Klein, Pitsch & Pierdzioch, 2013, S. 20
30 Vgl. Emrich, Klein, Pitsch & Pierdzioch, 2013, S. 24
31 Vgl. Emrich, Klein, Pitsch & Pierdzioch, 2013, S. 24
32 Vgl. Bernard & Busse, 2004, S. 413
33 Vgl. Emrich, Klein, Pitsch & Pierdzioch, 2013, S. 24
34 Vgl. Schmid, Hedrich & Kopp, 2006, S. 5
35 Vgl. Pitsch & Emrich, 2008, S. 34
36 Bernard & Busse, 2004, S. 413
37 Vgl. Bernard & Busse, 2004, S. 413
38 Vgl. Emrich, Klein, Pitsch & Pierdzioch, 2013, S. 24; Pitsch & Emrich, 2008, S. 34
39 Vgl. Pitsch & Emrich, 2008, S. 34;
40 Vgl. Emrich, Klein, Pitsch & Pierdzioch, 2013, S. 25
41 Vgl. Pitsch & Emrich, 2008, S. 34
42 Vgl. o. V., o. D., o. S.
43 Vgl. Emrich, Klein, Pitsch & Pierdzioch, 2013, S. 25
44 Vgl. Emrich, Klein, Pitsch & Pierdzioch, 2013, S. 26; Pitsch & Emrich, 2008, S. 34
45 Bernard & Busse, 2004, S. 413
46 Vgl. Pitsch & Emrich, 2008, S. 34
47 Vgl. Deutscher LeichtathletikVerband, 2016, S. 21
48 Vgl. Swiss Olympics, 2016, S. 2
49 Vgl. Emrich, Klein, Pitsch & Pierdzioch, 2013, S. 26
50 Vgl. Pitsch & Emrich, 2008, S. 34; Reiche, 2016, S. 65
51 Vgl. Emrich, Klein, Pitsch & Pierdzioch, 2013, S. 27
52 Vgl. Emrich, Klein, Pitsch & Pierdzioch, 2013, S. 26 27
53 Vgl. Emrich, Klein, Pitsch & Pierdzioch, 2013, S. 28
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