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Bachelorarbeit, 2021
138 Seiten, Note: 1,8
1 Einleitung
1.1 Zielsetzung
1.2 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit
2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
2.1 E-Commerce
2.1.1 Entwicklung von E-Commerce
2.1.2 Definition und Abgrenzung des Begriffs E-Commerce
2.1.3 Elektronische Geschäftsbeziehungen und Geschäftsformen
2.2 Kundenbindung
2.2.1 Definition und Abgrenzung des Begriffs Kundenbindung
2.2.2 Entstehung von Kundenbindung
2.2.3 Notwendigkeit und Nutzen von Kundenbindung
2.3 Kundenbindung im E-Commerce
2.3.1 Einflussfaktoren der Kundenbindung im E-Commerce
2.3.2 Instrumente der Kundenbindung im E-Commerce
2.3.3 Kundenbindung im E-Commerce am Beispiel von Amazon
2.3.4 Kundenbindung im E-Commerce am Beispiel von About You
2.4 Ableitung der forschungsgeleiteten Fragestellung
3 Methoden
3.1 Qualitative Forschung
3.2 Untersuchungsplanung und Datenerhebung
3.2.1 Untersuchungsdesign
3.2.2 Fallauswahl
3.2.3 Das problemzentrierte Interview
3.2.4 Leitfadenkonstruktion
3.2.5 Ablauf der Datenerhebung
3.3 Datenaufbereitung
3.4 Qualitative Datenauswertung
4 Ergebnisse
4.1 Eigene Auffassung von Kundenbindung
4.2 Einflussfaktoren der Kundenbindung
4.3 Instrumente für den Aufbau einer Kundenbindung
4.4 Eigenes Kaufverhalten
5 Diskussion
5.1 Diskussion der Methode
5.2 Diskussion der Ergebnisse
5.3 Implikationen für die Praxis
5.4 Ausblick und Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildung 1. Unterstützung der Phasen einer Transaktion im Internet
Abbildung 2. Konzepte der Kundenbindung
Abbildung 3. Kundenbindung aus verhaltensorientierter Sicht im Kontext des Onlinehan-dels
Abbildung 4. Kundenbindung im weiten Sinne
Abbildung 5. Modifiziertes Gesamtmodell der Kundenbindung im Internet
Abbildung 6. Ausdifferenziertes Kategoriensystem
Abbildung 7. Erfolgskette der Kundenorientierung
Tabelle 1. Theoretische Ansätze zur Entstehung von Kundenbindung
Tabelle 2. Kundenbindungsinstrumente im Marketing-Mix
Tabelle 3. Stichprobenbeschreibung
Tabelle 4. Einfaches Transkriptionssystem nach Dresing und Pehl
Tabelle 5. Kaufentscheidungsfaktoren
Die vorliegende Bachelor-Thesis befasst sich mit der Kundenbindung im E-Commerce. Unternehmen versuchen Kunden an sich zu binden, um eine Abwanderung an die Konkurrenz zu verhindern. Vor dem Hintergrund einer steigenden Anzahl an Onlineshops, werden Unternehmen dabei vor eine große Herausforderung gestellt.
Das Ziel dieser Forschung ist es herauszufinden, wie sich die Kundenbindung aus Sicht der Verbraucher im Business-to-Consumer-Bereich entwickeln wird. Darüber hinaus wird untersucht, welche Faktoren in Zukunft für die Verbraucher relevant sein werden. Auf Grundlage der Ergebnisse werden Implikationen für die Praxis herausgearbeitet. Um die Forschungsfrage zu beantworten, werden im Rahmen eines qualitativen Forschungsdesigns fünf problemzentrierte Interviews durchgeführt.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Grenzen zwischen Unternehmen und Kunden sich immer weiter auflösen. Der Anspruch der Kunden reicht über qualitativ hochwertige Produkte hinaus. Für den Aufbau einer Kundenbindung ist es für Unternehmen empfehlenswert, sich an den Bedürfnissen und Anforderungen der Kunden zu orientieren. Eine tragende Rolle nehmen in diesem Zusammenhang auch die Werte ein, auf deren Basis Unternehmen agieren.
Die Thesis hat einen Umfang von 17417 Wörtern.
Grundlage ist der Leitfaden zum wissenschaftlichen Arbeiten in der Wirtschaftspsychologie in der Version 1.1 vom 01.08.2019. Dieser wurde von Prof. Dr. Christoph Berg und Prof. Dr. habil. Yvonne Ferreira verfasst.
In der Welt des E-Commerce scheint der nächste Onlineshop nicht weiter als einen Klick entfernt zu sein. Der Onlinehandel verzeichnet in den letzten Jahren ein stetiges Wachstum (HDE, 2020). Damit einhergehend wird eine tendenziell steigende Zahl an Onlineshops beobachtet. Ein vielfältiges Angebot ermöglicht den Konsumenten die freie Wahl des Anbieters und der zu erwerbenden Produkte. Um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es für Unternehmen daher essenziell sich von der Konkurrenz abzuheben. Studien belegen, dass die Gewährleistung einer hohen Kundenzufriedenheit dafür nicht ausreichend ist (Kaiser, 2005). Die Kunst besteht darin, zufriedene Kunden vor einer Abwanderung zu bewahren. Ein Lösungsansatz ist die langfristige Bindung von Kunden durch den Aufbau einer emotionalen Beziehung (Homburg & Bruhn, 2005). Die Relevanz dafür ist vor allem darin begründet, dass die Kosten für die Gewinnung von Neukunden bis zu fünf Mal höher sind als die Investition in eine bereits bestehende Bindung (Bauer, Göttgens & Grether, 2001). Aus diesem Grund scheint die Investition in den Aufbau einer Kundenbindung sinnvoll. Den Unternehmen stehen dabei eine Vielzahl an Instrumenten zur Verfügung (Homburg, 2017). Allerdings befassen sich nur wenige Studien damit, wie Kundenbindung aus Sicht der Konsumenten funktioniert und welche Faktoren Unternehmen dabei beachten sollten. Diese Problemstellung steht daher im Fokus der vorliegenden Arbeit. Auch das persönliche Interesse der Forschungsleiterin begründet die Auswahl des Forschungsthemas. Aufgrund der beruflichen Tätigkeit im Marketingbereich eines Großkonzerns, ist der Zugang zur Forschungsthematik bereits vorhanden. Darüber hinaus verbindet die Forschungsleiterin den Kauf über den Onlinehandel mit vielen Vorteilen. Die Erkenntnis, dass ein Anbieterwechsel mit emotionalen Hürden verbunden ist, gab den Anstoß für die Auswahl der Forschungsthematik.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es herauszufinden, welches Verständnis von Kundenbindung aus Sicht von Konsumenten vorherrscht. In diesem Zusammenhang soll erforscht werden, welche Faktoren dazu beitragen, dass eine Beziehung zwischen Anbieter und Kunde entsteht. Auf Basis einer Analyse des theoretischen und empirischen Hintergrunds zu der Thematik, soll dabei die Forschungslücke aufgezeigt und eine präzise Forschungsfrage herausgearbeitet werden. Diese gilt es im Anschluss, basierend auf den neuen Erkenntnissen, zu füllen.
Das erste Kapitel der Forschungsarbeit umfasst eine Einführung in die Thematik, die daraus resultierende Problemstellung und das Vorverständnis der Forschungsleiterin. Es folgt die Zielsetzung und ein Überblick über die Vorgehensweise sowie den Aufbau der Arbeit.
Das zweite Kapitel setzt sich mit dem theoretischen und empirischen Hintergrund des Forschungsthemas auseinander. Insgesamt lassen sich drei Themenbereiche für das Kapitel feststellen. Im ersten Teil wird die Entwicklung des E-Commerce im Laufe der vergangenen Jahre dargestellt und eine Definition des Begriffs vorgenommen. Auf dieser Basis werden Geschäftsbeziehungen und Geschäftsformen im Rahmen der Internetökonomie erklärt und eine Verbindung zum Konstrukt der Kundenbindung hergestellt. Der zweite Teil des Kapitels widmet sich dem Themenbereich der Kundenbindung. Es werden verschiedene Betrachtungsweisen der Kundenbindung aufgeführt und ein, für diese Arbeit relevanter, Definitionsansatz gewählt. Neben Auswirkungen der Kundenbindung werden im Anschluss Gründe und Theorien für die Entstehung von Kundenbindung aufgeführt. Die Betrachtung der Notwendigkeit und des Nutzens von Kundenbindung im Onlinehandel begründet die Relevanz des Forschungsthemas und schafft gleichzeitig die Basis für den drittel Teil des Kapitels. In diesem Abschnitt treffen die zwei Themenbereiche E-Commerce und Kundebindung aufeinander. Mit Hilfe eines Modells werden die Einflussfaktoren der Kundenbindung im Onlinehandel dargestellt. Die Analyse verfügbarer Kundenbindungsinstrumente und zwei erfolgreicher Onlineanbieter schlagen den Bogen zur Praxis über. Das zweite Kapitel legt den Grundstein für das weitere methodische Vorgehen der Arbeit und endet mit der Ableitung der forschungsgeleiteten Fragestellung.
Im dritten Kapitel wird zunächst die Auswahl des qualitativen Forschungsdesigns begründet. Anschließend folgen die Untersuchungsplanung sowie die einzelnen Schritte der Datenerhebung, -aufbereitung und -auswertung. Das dritte Kapitel bildet dabei den Ausgangspunkt für den empirischen Gang der Untersuchung.
Die Ergebnisdarstellung ist Gegenstand des vierten Kapitels. Entlang der Hauptkategorien, die im Rahmen der Datenauswertung gebildet wurden, werden die Ergebnisse der Studie zusammengetragen und mit prototypischen Beispielen der Probanden belegt.
Eine Diskussion der Ergebnisse vor dem theoretischen Hintergrund erfolgt in Kapitel 5. In diesem Zusammenhang werden auch die Limitationen der Studie aufgezeigt. Im Anschluss werden Handlungsempfehlungen für die Praxis herausgearbeitet und im Rahmen eines Fazits Implikationen für den weiteren Forschungsbedarf aufgezeigt.
Aus Gründen der Lesbarkeit wird in der gesamten Arbeit nur die männliche Form verwendet. Damit sind jedoch stets Personen des männlichen und weiblichen Geschlechts gleichermaßen gemeint.
Kapitel 2 befasst sich mit dem theoretischen und empirischen Hintergrund der Forschungsarbeit. Es unterteilt sich in die folgenden vier Unterkapitel: E-Commerce, Kundenbindung, Kundenbindung im E-Commerce und die Ableitung der forschungsgeleiteten Fragestellung.
Kapitel 2.1 hat den Themenkomplex des E-Commerce zum Gegenstand. Dieser Abschnitt unterteilt sich in drei Unterkapitel: Entwicklung von E-Commerce, Definition und Abgrenzung des Begriffs sowie elektronische Geschäftsbeziehungen und Geschäftsformen.
Bereits seit Anfang der neunziger Jahre hat die innovative Informationstechnologie einen Strukturwandel im sozialen und wirtschaftlichen Bereich hervorgerufen (Tapscott, 1996). Der tägliche Gebrauch von Computern und Netzwerken hat sich seither bei vielen Menschen etabliert und ist nicht nur Spezialisten vorbehalten (Kollmann, 2019). Durch die Einführung des Internets wurde den Nutzern ein globales Netzwerk eröffnet . Dieses dient nicht nur der Kommunikation, sondern kann gleichzeitig als Plattform für den Datenaustausch genutzt werden (Fritz, 2004). Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Informationstechnik und ihre wachsende Bedeutung haben in den folgenden Jahren das Fundament für die wirtschaftliche Zusammenarbeit auf digitalen Wegen gelegt und die Gründung neuer Geschäftsmodelle ermöglicht (Kollmann & Krell, 2011).
Die kommerzielle Nutzung des Internets und somit die Geburtsstunde des Onlinehandels beginnt mit der Gründung der Unternehmen Amazon im Jahr 1994 und eBay im Jahr 1995 (Riehm, 2004). Das Internet ist seither in vielen Bereichen des Lebens allgegenwärtig und hat auch das Kaufverhalten der Verbraucher stark beeinflusst (Kollmann, 2013). In seiner Funktion als Vertriebskanal für den Onlinehandel, ermöglicht es neben einer effektiveren Durchführung von Geschäftstransaktionen (Sebora, Lee & Sukasme, 2009) auch die Erschließung neuer Kunden und globaler Märkte (Mullane, Peters & Bullington, 2001). Der Begriff des Onlinehandels wird hierbei gleichgesetzt mit Synonymen, wie E-Commerce, Internethandel, E-Retailing oder Onlinevertrieb (Deges, 2020).
Weltweit nutzt etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung das Internet. In Deutschland sind es laut dem Statistischen Bundesamt (2019) sogar 90 Prozent der deutschen Bevölkerung im Alter von über 10 Jahren. Diese Entwicklung ist auch Grund für das große Marktpotential des Onlinehandels, welcher sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Laut dem Handelsverband Deutschland (HDE, 2020) ist der deutsche Onlinehandel im Jahr 2019 um 11 Prozent, von 53,3 Milliarden auf 59,2 Milliarden Euro, gestiegen. Dies macht bereits 10,9 Prozent des Umsatzes im gesamten Einzelhandel aus. Nicht nur die Pro-Kopf-Ausgaben sind gestiegen. Es konnte auch ein 6 prozentiger Anstieg an Nutzern des Online-Angebots verzeichnet werden. Dieses starke Wachstum macht sich auch im Offlinehandel durch Umsatzrückgänge in der Mode-, der Elektro, der Wohn- sowie der Freizeitbranche bemerkbar. Das größte Wachstum verzeichnen dabei die Marktplätze der erfolgreichsten Onlineanbieter, wie zum Beispiel Amazon, Zalando und About You. Die Gründe für dieses Wachstum sind vielfältig. Vor allem der Bequemlichkeitsfaktor (Convenience) spielt für Verbraucher eine tragende Rolle. Daneben werden unter anderem auch die Zeitersparnis, Flexibilität und eine ortsunabhängige Nutzung als Vorteile gesehen. Nicht zuletzt bietet das Internet eine große Transparenz durch verschiedene Vergleichsportale und Bewertungen anderer Käufer, sodass Produkte meist zu vergünstigten Preisen erworben werden können (Heinemann, 2020). Zusammen mit der stetig wachsenden Anzahl an Onlineshops und der zusätzlichen Internationalisierung hat dieser Prozess dazu geführt, dass sich die Wettbewerbsbedingungen im E-Commerce stark verschärft haben und Unternehmen sich immer mehr von der Konkurrenz abheben müssen (Kollmann, 2019). In einem Basisszenario prognostizieren Forscher von ibi research (2019) einen Anstieg des E-Commerce Anteils am Gesamtumsatz des deutschen Einzelhandels auf 15,5 Prozent im Jahr 2025. Beim progressiven Szenario steigt der prognostizierte Anteil am Einzelhandel auf 18 Prozent. Vor diesem Hintergrund ist also auch in den kommenden Jahren mit einer fortschreitenden Entwicklung des Onlinehandels zu rechnen. In Kapitel 2.1.2 der Arbeit soll, mit Hilfe von Fachliteratur, zunächst eine Definition des Begriffs E-Commerce hergeleitet werden. Im Anschluss wird der Begriff dann in einen gesamtwirtschaftlichen Kontext gebracht. Durch dieses Vorgehen wird eine Basis für die nachfolgenden Kapitel geschaffen.
In der Literatur lässt sich eine Vielzahl an unterschiedlichen Definitionen des Begriffs E-Commerce finden. Generell werden mit dem Begriff alle Kaufs- und Verkaufsvorgänge verbunden, die mit Hilfe von elektronischen Technologien durchgeführt werden (Kotler, Armstrong, Saunders & Wong, 2007). Als Abwicklungsmedium wird dafür hauptsächlich das Internet genutzt. Hermanns (2001) teilt die Funktionen des Internets in drei Bereiche ein: Der Informationsfunktion, welche dem Kunden ermöglicht im Vorfeld an die Transaktionen Informationen einzuholen, der Kommunikationsfunktion zwischen Kunden und Unternehmen sowie der Transaktionsfunktion, unter anderem durch die Erweiterung der verfügbaren Transaktionselemente. Durch eine Transaktionsabwicklung über das Internet können Unternehmen Transaktionskosten einsparen und Differenzierungsvorteile nutzen (Wohland, 2008). Laut Definition der OECD (2013) ist eine Transaktion im E-Commerce, der Kauf oder Verkauf von Waren oder Dienstleistungen über Computernetzwerke mit Hilfe von Prozessen, die speziell für den Erhalt oder die Aufgabe von Bestellungen entwickelt wurden. Auch wenn die Waren und Dienstleistungen über diesen Weg bestellt werden, ist es nicht notwendig, dass die Zahlung und die endgültige Lieferung ebenfalls online erfolgen. Eine Transaktion kann über das Internet, das Extranet oder einen elektronischen Datenaustausch erfolgen. Ausgenommen sind Bestellungen über Telefonate, Fax oder manuelle E-Mails. Für Hetzel (2009) spielt beim E-Commerce aber nicht nur der tatsächliche Verkauf von Leistungen eine Rolle, sondern auch alle Informations- und Kommunikationsprozesse, die mit dem Vertrieb zusammenhängen. Auch bei Deges (2020) lässt sich dieses erweiterte Begriffsverständnis wiederfinden. Auf Basis der Ausführungen verschiedener Autoren definiert Deges den E-Commerce als „elektronischen Handel mit Waren und Dienstleistungen, deren Transaktion, d.h. die Anbahnung, der Abschluss und die Abwicklung des Kaufs oder Verkaufs, über das Internet, mit Hilfe interaktiver Informations- und Kommunikationstechnologien durchgeführt wird“ (S. 2). Dieses Verständnis von E-Commerce wird auch als Basis für die nachfolgenden Kapitel dienen. Ziel des elektronischen Handels ist es dabei, Effizienzgewinne, Kostensenkungspotenziale und einen höheren Komfort während Handelstransaktionen zu realisieren (Hsu, Kraemer & Dunkle, 2006).
In der Literatur wird der Begriff E-Commerce häufig synonym zum Begriff E-Business verwendet (Chaffey, 2011). Jedoch hat sich zwischen diesen zwei Begriffen eine Abgrenzung etabliert, bei welcher E-Commerce, dem E-Business als Gesamtkonzept untergeordnet wird. Nach einer Auseinandersetzung mit den Ansätzen verschiedener Autoren, definiert Wirtz (2013, S. 22) den Begriff E-Business als „die Anbahnung sowie die teilweise respektive vollständige Unterstützung, Abwicklung und Aufrechterhaltung von Leistungsaustauschprozessen zwischen ökonomischen Partnern mittels Informationstechnologie (elektronischer Netze)“. Bei diesen Prozessen werden sowohl materielle als auch immaterielle Güter und Dienstleistungen im Austausch gegen zumeist kompensatorische Leistungen transferiert. E-Business umfasst neben dem E-Commerce dabei noch weitere Teilbereiche, wie unter anderem den Bereich der E-Communication, der E-Collaboration und dem Bereich des E-Entertainment (Wirtz, 2019). Während E-Commerce also auf den digitalisierten Vertrieb von Waren und Dienstleistungen fokussiert ist, beinhaltet der Begriff E-Business auch weitere, digitalisierte Wertschöpfungsprozesse eines Unternehmens (Deges, 2020). Töpfer (2007) zählt zum E-Business alle elektronisch unterstützten Geschäftsprozesse und Beziehungen zwischen den teilnehmenden Wirtschaftsakteuren, die als Geschäftspartner, Mitarbeiter oder Kunden auftreten können.
E-Business und E-Commerce sind beide Teil des übergeordneten Bereichs der Internetökonomie. Darunter versteht Wirtz (2001, S. 35) eine „im Wesentlichen digital basierte Ökonomie, welche die computerbasierte Vernetzung nutzt, um Kommunikation, Interaktion und Transaktion in einem globalen Rahmen zu ermöglichen“. Im Vergleich zur klassischen Ökonomie ermöglicht die Internetökonomie neue Arten von Geschäftsbeziehungen und Geschäftsformen, welche in Kapitel 2.1.3 näher erläutert werden.
Eine Geschäftsbeziehung basiert darauf, dass einzelne Transaktionen zwischen Marktparteien nicht als unabhängig voneinander betrachtet werden, sondern vielmehr in Abhängigkeit voneinander stattfinden (Rieker, 1995). Dabei ist die Austauschbeziehung innerhalb von Geschäftsbeziehungen zum einen gekennzeichnet durch den prägenden Einfluss einer Vergangenheit, zum anderen durch den einer antizipierten Zukunft. Plinke definiert eine Geschäftsbeziehung demnach als eine Folge von Markttransaktionen zwischen einem Anbieter und einem Nachfrager, die nicht zufällig ist. ‚Nicht zufällig’ heißt entweder, dass es auf der Anbieter- und/oder der Nachfragerseite Gründe gibt, die eine planmäßige Verknüpfung zwischen Markttransaktionen sinnvoll oder notwendig erscheinen lassen oder die de facto zu einer Verknüpfung führen. (Plinke, 1997, S. 23)
Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass eine Geschäftsbeziehung „eine Folge von Markttransaktionen [ist], zwischen denen einen innere Verbindung besteht“ (Plinke, 1997, S. 23). Dieses Begriffsverständnis einer Geschäftsbeziehung mit Fokus auf den Prozesscharakter der Interaktionen zwischen den jeweiligen Marktparteien, sieht Plinke auch als Grundlage für die Entstehung einer Kundenbindung. Da bei der Kundenbindung eher der Zustand einer Kunden-Anbieter-Beziehung fokussiert wird, kann „Kundenbindung als Erscheinungsform der Abhängigkeit in Geschäftsbeziehungen“ (Plinke & Söllner, 1999, S. 57) eingestuft werden. Eine genauere Definition der Kundenbindung wird im Kapitel 2.2.1 vorgenommen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 . Unterstützung der Phasen einer Transaktion im Internet (Silbermann, 2017, S. 34)
Für den Transaktionsbegriff lassen sich in der Literatur verschiedene Definitionsansätze finden. Darunter kann sowohl die Übertragung von Verfügungsrechten verstanden werden (Commons, 1931), als auch der Austausch von Gütern und Dienstleistungen (Williamson, 1975). Zudem kann eine Transaktion auch als „Prozess der Klärung und Vereinbarung eines Leistungsaustausches“ (Picot, 1982, S. 269) definiert werden. Picot, Reichwald & Wiegand (2016) unterteilen eine Transaktion in einzelne Phasen. In der Informationsphase werden verschiedenste Marktinformationen eingeholt, in der Vereinbarungsphase werden die Abwicklungskonditionen ausgehandelt und in der Abwicklungsphase werden die entsprechenden vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. Im Anschluss daran folgt die Nachkaufphase, bei der das Unternehmen durch Kundenmanagement die Geschäftsbeziehung zum Kunden aufbauen bzw. pflegen kann. Eine beispielhafte Darstellung der verschiedenen Transaktionsphasen im Online Handel erfolgt in Abbildung 1. Sowohl auf elektronischen als auch auf klassischen Märkten können gesammelte Erfahrungen während einer Transaktion, einen wiederholten Kauf des Kunden begünstigen (Silbermann, 2017). Aus diesem Grund ist es im Kontext der Kundenbindung notwendig, nicht nur die einzelne Transaktion zu untersuchen, sondern diese in Abhängigkeit vorangegangener Transaktionen sowie der dabei entstandenen Beziehung zwischen den Akteuren zu betrachten.
Im E-Commerce gibt es verschiedene Beziehungskonstellationen der teilnehmenden Akteure. Daher ist es wichtig zu erwähnen, dass in der vorliegenden Arbeit die Beziehung zwischen dem Unternehmen (Business) als Leistungsanbieter und privaten Haushalten (Consumer) als Leistungsempfänger untersucht wird (Wirtz, 2001). Im Business-to-Consumer-Bereich (B2C) kann es sich laut Bächle und Lehmann (2010) bei den Leistungsanbietern um reine Onlinehändler, stationäre Einzelhändler mit Onlinevertrieb oder auch Versandhandel mit Onlinevertrieb handeln. Der Vertrieb selbst kann über einen eigenen Onlineshop, einem E-Marktplatz, einem Subshop oder auch einer Aktionsplattform stattfinden.
Das folgende Unterkapitel beschäftigt sich mit dem Themenkomplex der Kundenbindung. Es gliedert sich in die folgenden Unterpunkte: Definition und Abgrenzung des Begriffs Kundebindung, Entstehung von Kundenbindung sowie Notwendigkeit und Nutzen von Kundenbindung.
Der Begriff der Kundenbindung wird in der Literatur unterschiedlich verwendet und ist weit gefasst. Allgemein wird die Kundenbindung „zunächst überwiegend als ein Phänomen angesehen, das die Geschäftsbeziehung (GB) zwischen einem Anbieter (A) und einem Kunden (K) betrifft“ (Diller, 1996, S. 81). Weder die Art des Gutes noch spezifische Vermarktungsbedingungen spielen hierbei eine Rolle. Bruhn und Homburg (2005, S. 8) definieren Kundenbindung als „sämtliche Maßnahmen eines Unternehmens, die darauf abzielen, sowohl die Verhaltensabsichten als auch das tatsächliche Verhalten eines Kunden gegenüber einem Anbieter oder dessen Leistungen positiv zu gestalten, um die Beziehung zu diesem Kunden für die Zukunft zu stabilisieren bzw. auszuweiten“. Aus dieser Definition wird deutlich, dass es sich bei Kundenbindung um ein multidimensionales und komplexes Konstrukt handelt, welches sowohl ex post (tatsächliche Verhaltensweisen) als auch ex ante (Verhaltensabsichten) Betrachtungen miteinbezieht. Um den Begriff weiter differenzieren zu können, schlägt Diller (1996) eine Definition mit Fokus auf verschiedene Perspektiven vor. Die Kundenbindung kann dabei aus Sicht des Anbieters, des Kunden oder in Bezug auf die Geschäftsbeziehung betrachtet werden. Eine Übersicht der verschiedenen Betrachtungsweisen wird in Abbildung 2 dargestellt. Diese Unterteilung der Kundenbindung wird auch von anderen Autoren vorgenommen und beinhaltet überwiegend die anbieter- und kundenbezogene Sichtweise (Meffert, 2003; Bruhn & Homburg, 2005; Meyer & Oevermann, 1995; Diller, 1996). Aus anbieterbezogener Sicht umfasst Kundenbindung die „Analyse, Planung, Durchführung sowie Kontrolle sämtlicher auf den aktuellen Kundenstamm gerichteten Maßnahmen“ (Bruhn & Homburg, 2005, S. 8). Aus kundenbezogener Sicht geht es um die „Einstellung eines Kunden zur Geschäftsbeziehung mit einem Anbieter (…), die sich in dessen Bereitschaft zu Folgetransaktionen niederschlägt“ (Diller, 1996, S. 83). Bezogen auf die Merkmale einer Einstellung unterscheidet Diller hierbei kognitive, affektive
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 .Konzepte der Kundenbindung (Silbermann, 2017, S. 52)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 . Kundenbindung aus verhaltensorientierter Sicht im Kontext des Onlinehandels (Majores, 2017, S. 8)
Für Meffert (2003, S. 129) ist die Kundenbindung ein Zustand, welcher den Grad beschreibt, „zu dem private oder institutionelle Nachfrager aufgrund faktischer oder emotionaler Bindungen beim Wiederkauf eine identische Entscheidung bei der Wahl der Leistung, einer Marke, eines Anbieters oder einer Geschäftsstätte treffen“. Unter faktischen Bindungen versteht Meffert solche vertraglicher, technisch-funktionaler oder ökonomischer Natur. Die Bereitschaft eines Kunden zu Folgetransaktionen „sollte also nicht a priori als freiwillige Bindung definiert werden“ (Diller, 1996, S. 83). Bezogen auf die Geschäftsbeziehung umfasst Kundenbindung „einerseits das bisherige Kaufverhalten und Weiterempfehlungsverhalten und andererseits die zukünftigen Wiederkauf- (…) und Weiterempfehlungsabsichten eines Kunden“ (Meyer & Oevermann, 1995, S. 1342). Es spielen jedoch auch psychologische Aspekte, wie die allgemeine Stimmung zwischen den Geschäftspartnern, das vorherrschende Vertrauen und die Zufriedenheit des Kunden mit dem Anbieter eine Rolle (Diller, 1996). Die eingangs erfasste Definition von Bruhn und Homburg (2005) soll im Folgenden als Grundlage dienen. Vor dem Hintergrund der Zielsetzung dieser Arbeit erscheint es jedoch sinnvoll, dabei einen Fokus auf die kundenbezogene Sichtweise zu legen, da die Entwicklung der Kundenbindung aus Sicht der Endverbraucher untersucht werden soll. Eine Übersicht darüber, wie sich das Verhalten der Kunden im Onlinehandel wiederspiegeln kann, wird in Abbildung 3 dargestellt.
In Abbildung 3 werden auch die zwei Dimensionen der Kundenbindung, das bisherige Verhalten und die Verhaltensabsicht, nach Homburg und Fassnacht (2001) deutlich. Die aufgezeigten Determinanten der Verhaltensabsicht werden von Braunstein (2001) auch als Kundenloyalität bezeichnet. Die Determinanten des bisherigen Verhaltens setzt Braunstein hingegen mit dem Begriff der Kundenbindung im engeren Sinne gleich. Beide Konstrukte zusammen ergeben demnach die Kundenbindung im weiten Sinne. Eine Darstellung dieses Zusammenhangs lässt sich in Abbildung 4 finden. Weinberg und Terlutter (2005) definieren Kundenloyalität aus einer anderen Perspektive. Für die beiden Autoren ist unter Kundenloyalität eine freiwillige Form der Kundenbindung zu verstehen, die auch als Verbundenheit bezeichnet wird. Sie ist klar abzugrenzen von der unfreiwilligen Kundenbindung, der Gebundenheit, bei welcher eine Abwanderung des Kunden durch Wechselbarrieren des Unternehmens erschwert oder ganz verhindert wird (Bruhn & Homburg, 2017; Meffert, 2003). Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Kundenloyalität eher als eine emotionale Bindung eingestuft werden kann. Bei der Kundenbindung spielen neben psychologischen Einflüssen auch faktische Ursachen eine Rolle (Georgi, 2000).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 . Kundenbindung im weiten Sinne (eigene Darstellung nach Homburg & Fassnacht, 2001; Braunstein, 2001)
In der Unternehmenspraxis gibt es zahlreiche Maßnahmen zum Aufbau einer Kundenbindung. Diese lassen sich im Bereich des Kundenbindungsmanagements einordnen, welches als Teil des Customer Relationship Managements (CRM), „die systematische Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle sämtlicher auf den aktuellen Kundenstamm gerichteten Maßnahmen mit dem Ziel, die Kundenerwartungen in Bezug auf einzelne Leistungsmerkmale zur erfüllen, damit diese Kunden auch in Zukunft die Geschäftsbeziehung aufrechterhalten und intensivieren“ (Bruhn & Homburg, 2000, S. 8), umfasst.
In der Literatur werden zur Erklärung der Entstehung von Kundenbindung hauptsächlich ökonomische und verhaltenswissenschaftliche theoretische Ansätze herangezogen (Töpfer, 2008). Eine ausführliche Übersicht und Analyse dieser Theorien lassen sich bei Silbermann (2017) finden. Eine von ihm durchgeführte Meta-Analyse zum Thema Kundenbindung stellt dabei heraus, dass in diesem Kontext, die Transaktionskostentheorie (Williamson, 1985), die Theorie der kognitiven Dissonanz (Festinger, 1957) und Lerntheorien aus der Psychologie (Meyer-Hentschel & Esch, 2001) am häufigsten aufgeführt werden. Aufgrund des Umfangs dieser Arbeit kann eine umfassende Darstellung der Theorien an diesem Punkt nicht erfolgen. In Tabelle 1 werden die genannten Theorien jedoch kurz in den Kontext der Kundenbindung eingeordnet und es wird herausgestellt, wie daraus eine Kundenbindung resultieren kann. Die Entstehung von Kundenbindung kann jedoch aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Meyer und Oevermann (1995) unterscheiden aus der nachfrageorientierten Perspektive fünf Ursachen für Kundenbindung
- Psychologische Faktoren (Kundenzufriedenheit, persönliche Beziehung, Gewohnheit)
- Situative Faktoren (Marktsituation, günstige Erreichbarkeit)
- Rechtliche Faktoren (Gebundenheit durch einen Vertrag)
- Ökonomische Faktoren (Anbieterwechsel würde einen finanziellen Nachteil bringen)
- Technologische Faktoren (Kompatibilität von Computersystemen)
Die Erhöhung der freiwilligen Kundenbindung soll dabei das vorrangige Ziel bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Kundenbindungssteigerung sein (Kotler & Bliemel, 1999).
Tabelle 1
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Theoretische Ansätze zur Entstehung von Kundenbindung (eigene Darstellung nach Williamson, 1985; Festinger, 1957; Meyer-Hentschel & Esch, 2001) Die Kundenzufriedenheit wurde bereits als Determinante für Kundenbindung genannt und nimmt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle ein. Als wissenschaftliche Erklärung für die Entstehung von Kundenzufriedenheit hat sich das Diskonfirmationsparadigma durchgesetzt (Homburg & Stock-Homburg, 2012). Dieses besagt, dass ein Individuum seine Erfahrungen mit einem Produkt (Ist-Leistung) mit seinen Erwartungen (Soll-Leistung) vergleicht und bei Übereinstimmung der beiden Leistungen, Zufriedenheit entsteht (Konfirmation). Werden die Erwartungen übertroffen, kommt es zu einer hohen Zufriedenheit (positive Diskonfirmation) und werden die Erwartungen nicht erfüllt resultiert dies in Unzufriedenheit (negative Diskonfirmation). Dieser Prozess umfasst sowohl kognitive als auch emotionale Komponenten (Homburg, Giering & Hentschel, 1999). Kundenbindung wird oft als Auswirkung von Kundezufriedenheit eingestuft. Empirische Untersuchungen haben jedoch einen komplexen Zusammenhang der beiden Konstrukte nachgewiesen (Homburg & Bucerius, 2006). Es lässt sich festhalten, dass Kundenzufriedenheit zwar als eine wichtige Voraussetzung für Kundenbindung gilt, aber dennoch nicht zwangsläufig zu einer Kundenbindung führt (Stauss & Neuhaus, 2002).
Die zunehmende Globalisierung und der dadurch einhergehende Wettbewerbsdruck für Unternehmen, hat der Bedeutung langfristiger Kundenbeziehungen einen neuen Stellenwert zu geschrieben (Holland, 2016). Homogener werdende Produkte, individuelle Kundenanforderungen und der technische Fortschritt haben daher in den 1990er Jahren den Paradigmenwechsel vom anonymen Marketing, dem sogenannten Transaktionsmarketing, hin zum Beziehungsmarketing (Relationship Marketing) ausgelöst (Martin, 2009; Bruhn, 2016). Dadurch ist die Kundenbindung für Unternehmen zu einem zentralen Marketingziel geworden (Peter, 1997) und der Aufbau langfristiger Geschäftsbeziehungen in den Fokus gerückt (Oliver, 1999). Die Notwendigkeit von Kundenbindung ist zudem bedingt durch gestiegene Kundenerwartungen, einem hohen Sättigungsgrad auf den meisten Märkten und einer hohen Austauschbarkeit von Produkten (Hofbauer & Schöpfel, 2010). Auch neue Kommunikationstechnologien haben zu einem Wandel beigetragen, da sie mit einem erhöhten Bewusstsein der Konsumenten für Qualität und Preise einhergehen und zu einem Überfluss an Informationen führen (Holland, 2004). Holland definiert unter anderem aus diesen Gründen, das Vertrauen der Kunden zu einem Unternehmen, die emotionale Beziehung zum Unternehmen sowie die Qualität ihrer Kundenbetreuung als ausschlaggebende Erfolgsfaktoren. Neben der Notwendigkeit von Kundenbindung ist auch der positive Nutzen für Unternehmen mit Hilfe zahlreicher Studien nachgewiesen. Reichheld und Schefter (2001) haben in einer Studie Effekte von Kundenbindung im Zusammenhang mit E-Commerce Geschäftsbeziehungen untersucht. Dabei kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass auch die Neukundenakquisition über das Internet dem Unternehmen zunächst Verluste bringt, welche im Laufe der Geschäftsbeziehung durch steigende Gewinne wieder zurückgewonnen werden können. Im Vergleich zu dem Aufwand für die Gewinnung von Neukunden im stationären Handel, sind diese jedoch teilweise deutlich höher. Weitere Studien zeigen, dass diese Kosten im Durchschnitt um etwa 20 bis 60 Prozent höher sind als die im stationären Handel (Reichheld & Schefter, 2001). Die ökonomische Bedeutung der Kundenbindung wird hervorgehoben durch die Erkenntnis, dass sich die Investitionen zu Beginn einer Geschäftsbeziehung erst amortisieren, wenn der Kunde mindesten zwei bis drei Jahre an das Unternehmen gebunden wird (Rombach, 2001). Die meisten Kunden gehen den Unternehmen jedoch schon vor Ablauf dieser Frist verloren. Im Gegenzug dazu, generieren Wiederkäufer und Stammkunden im Onlinehandel drei bis sieben Mal mehr Umsatz pro Besuch der Website eines Unternehmens und weisen eine höhere Konversionsrate auf (Adobe Systems GmbH, 2012). Eine dauerhafte Kundenbindung begünstigt außerdem eine erhöhte Weiterempfehlungsbereitschaft und eine Gewinnsteigerung durch eine erhöhte Preisbereitschaft sowie verstärkte Cross-Selling-Potenziale (Bruhn & Homburg, 2017). Weitere Effekte umfassen eine erhöhte Wiederkaufrate, eine verringerte Wechselbereitschaft und Abwanderungsrate sowie weitere Ertragssteigerungs- und Kostensenkungspotenziale (Holland, 2016).
Kapitel 2.3 umfasst den Themenkomplex der Kundenbindung im E-Commerce. Dabei ist es in vier Unterkapitel unterteilt: Einflussfaktoren der Kundenbindung im E-Commerce, Instrumente der Kundenbindung im E-Commerce, Kundenbindung im E-Commerce am Beispiel von Amazon und Kundenbindung im E-Commerce am Beispiel von About You.
Wie aus der Theorie hervorgeht, ist die Kundenbindung im E-Commerce von verschiedenen Determinanten abhängig. Um diese Determinanten in einem umfassenden Kundenbindungsmodell abzubilden hat Silbermann (2017) in einer umfangreichen Metaanalyse 265 Studien im Bereich der Kundenbindungsforschung untersucht. Ausgangspunkt für die Entwicklung seines Models ist dabei das Konstrukt der Kundenzufriedenheit, welches als Einflussfaktor der Kundenbindung in der Wissenschaft weitgehend erforscht und anerkannt ist (Homburg, Becker & Hentschel, 2008). Die Kundenzufriedenheit kann durch das Modell des Extended Performance Satisfaction Index (EPSI) erfasst und bemessen werden, dessen Güte anhand zahlreicher Studien validiert wurde (Eskildsen, Kristensen, Juhl, & Østergaard, 2004; Kristensen & Westlund, 2003). Das EPSI Strukturmodell geht davon aus, dass der wahrgenommene Nutzen, die Kundenzufriedenheit und die Kundenloyalität vom Image des Unternehmens, den Erwartungen des Kunden sowie der wahrgenommenen Produkt- und Servicequalität beeinflusst werden (González Menorca, Fernández-Ortiz, Fuentes Lombardo & Clavel San Emeterio, 2016). Abgeleitet aus der theoriebasierten Analyse klassischer Geschäftsbeziehungen erweitert Silbermann (2017) diese Determinanten um die Faktoren der ökonomischen und sozialen Wechselbarrieren, der Attraktivität von bestehenden Alternativen, des Vertrauens zum Unternehmen sowie dem Commitment des Kunden. Neben diesen Faktoren nimmt Silbermann noch vier weitere Determinanten, welche sich aus seiner Metaanalyse im Zusammenhang mit elektronischen Geschäftsbeziehungen abgezeichnet haben. Dazu zählen das vom Kunden wahrgenommene Risiko und die wahrgenommene Sicherheit sowie dessen habitualisiertes Verhalten. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit bilden diese Determinanten Silbermanns Kausalmodell der Kundenbindung im Onlinehandel (Abbildung 4) und dienen dieser Arbeit als Verständnisgrundlage. Aufgrund der Begrenztheit dieser Arbeit erfolgt eine detaillierte Analyse der forschungsrelevanten Determinanten im Diskussionsteil (Kapitel 5.2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5 . Modifiziertes Gesamtmodell der Kundenbindung im Internet (Silbermann, 2017, S. 424)
Um eine Kundenbindung herzustellen können Unternehmen auf zahlreiche Kundenbindungsinstrumente zurückgreifen. Vor dem Hintergrund der Digitalisierung besteht dabei die Heraus-forderung die klassischen Instrumente des Marketings zu ergänzen, sie weiterzuentwickeln und teilweise auch neu zu denken (Thommen, Achleitner, Gilbert, Hachmeister, Jarchow & Kaiser, 2020). Der Begriff der Digitalisierung kann im Kontext des Marketings nach Thommen et al. (2020) daher auch „als die zielgerichtete Transformation von Marketingmaßnahmen unter Nutzung von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien“ bezeichnet werden. Einteilen lassen sich die Kundenbindungsmaßnahmen analog zu den 4 P‘s des Marketing-Mix in den Bereichen der Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Vertriebspolitik (Diller, 1995). Aus diesen Bereichen lassen sich jeweils zahlreiche Instrumente sowohl für den Einzel- als auch für den Onlinehandel ableiten (Bruhn & Homburg, 2000). Tabelle 2 zeigt einige Maßnahmen auf, die für den jeweiligen Instrumentenbereich, im für diese Arbeit relevanten Kontext des E-Commerce, Verwendung finden können.
Tabelle 2
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Basierend auf einer umfassenden Literatur- und Marktanalyse sowie Expertengesprächen haben Blömeke, Clement, Shehu & Pagendarm (2013) relevante Kundenbindungsinstrumente für den E-Commerce in einer Übersicht zusammengestellt und daraus sieben Kategorien abgeleitet: Information, Individualisierung, Interaktion, Integration, Convenience, Community und Anreizsysteme. Eine empirische Analyse über die Wahrnehmung und Wirkung dieser Instrumentengruppen im Internet zeigt ein hochsignifikantes Ergebnis für die Maßnahmen im Bereich der Convenience, der Interaktion und der Individualisierung. Mit Convenience gemeint ist „der übersichtliche, intuitive und bequeme Einkauf im Internet-Shop“ (Blömeke et al., 2013, S. 78) durch Aspekte, wie einer kurzen Anmelde-Dauer, klaren Navigationsebenen, schnellen Ladezeiten der Website, sowie der Möglichkeit einer elektronischen Zahlungsabwicklung. Die Interaktion mit dem Kunden umfasst beispielsweise die Inanspruchnahme von Online-Beratern, das Versenden von Newslettern und einer guten Erreichbarkeit des Unternehmens. Die Individualisierung ermöglicht dem Kunden unter anderem individualisierte Angebote auf Basis der Kaufhistorie zu erhalten, eine konfigurierte Startseite vorzufinden und eine personalisierte Ansprache. Für den Bereich der Information konnten signifikante Ergebnisse verzeichnet werden. Darunter fallen Maßnahmen, wie Datenschutzhinweise, regelmäßige E-Mails und Serviceauskünfte. Die Umsetzung der verschiedenen Kundenbindungsinstrumente in der Praxis wird in den Kapiteln 2.3.3 und 2.3.4 anhand der zwei Beispielunternehmen Amazon und About You veranschaulicht.
Mit einem Umsatz von 10,49 Milliarden Euro im Jahr 2019 behauptet sich Amazon in der E-Commerce-Markt Deutschland Studie vom EHI Retail Institute und Statista (Holtmann, 2020) als der mit Abstand größte Online-Shop in Deutschland. Ziel von Amazon ist es, „das kundenzentrierteste Unternehmen der Welt zu sein, bei dem Kunden praktisch alles finden, was sie online kaufen wollen“ (Amazon, o .D.). Das Unternehmen bedient sich im B2C-Bereich dabei einer großen Auswahl an Kundenbindungsinstrumenten, welche im Folgenden auf Basis der Website von Amazon herausgearbeitet werden.
Im Bereich der Produktpolitik kann Amazon die Kundenbindung durch eine große Produktauswahl in verschiedenen Produktkategorien stärken. Für alle Produkte lassen sich dabei ausführliche Artikelbeschreibungen finden und die dazugehörigen Produktbilder. Teilweise sind auch Produktvideos oder 360 Grad Produktfotos vorzufinden. In einem Fragebereich können Kunden Fragen zum Produkt äußern und die Antworten, auf die bereits von anderen Kunden gestellten Fragen, sowie deren Antworten einsehen. Als weitere Informationsquelle und Entscheidungshilfe können die bisherigen Kundenrezensionen für den jeweiligen Artikel herangezogen werden. Bei weiteren Fragen des Kunden kann eine Service-Hotline kontaktiert werden. Auch digitale Produkte werden bei Amazon angeboten und können von den Kunden zum Beispiel in Form eines E-Books erworben und direkt genutzt werden. Der Registrierungsprozess für den Online-Shop ist schnell abgeschlossen und durch die vorhandene Suchfunktion können die gewünschten Artikel schnell gefunden werden. Die Produktsuche wird zudem durch eine Kategorienliste und einer personalisierten Startseite vereinfacht. Dabei analysiert Amazon das bisherige Kaufverhalten des Kunden und bietet dem Kunden auf dieser Basis neue Produkte an. Auf der Startseite werden dem Kunden Bestseller für verschiedene Produktkategorien angeboten und können für eine Zeitersparnis beim Einkauf sorgen. Der Online-Shop verfügt auch über Produkte, die vom Kunden individualisiert bestellt werden können. Für den Fall, dass ein Kunde den Einkauf nicht direkt tätigen möchte gibt es die Möglichkeit Produkte auf einem Wunschzettel oder einer Liste zu vermerken. Mitglieder des Vorteilsprogramms Amazon Prime haben des Weiteren Zugriff auf digitale Zusatzleistungen, wie Prime Video oder Prime Music.
Im Kontext der Preispolitik wird die Kundenbindung durch zahlreiche Rabattaktionen gefördert. Für Mitglieder von Amazon Prime werden dabei Exklusivrabatte, wie der Prime Day angeboten. Weitere Vergünstigungen gibt es zum Beispiel für Studenten, die einen verminderten Preis für die Prime Mitgliedschaft erhalten. Auch Produktabonnements oder der Kauf von Produktboxen führt zu einer Preisersparnis. Die Kunden haben außerdem die Möglichkeit durch einen Preisfilter gezielt nach Produkten aus der eigenen Preisklasse zu suchen und die Ergebnisse nach entsprechender Sortierung anzeigen zu lassen.
Die Kommunikationspolitik von Amazon zeichnet sich durch eine individualisierte Ansprache des Kunden aus. Sowohl auf der Website des Onlineshops wird der Kunde nach Anmeldung mit dem Namen angesprochen als auch bei Werbemails des Unternehmens. Letztere beziehen sich meistens auf die Produkte, die sich eine Kunde vorher angesehen oder gekauft hat. Die Bestellbestätigung kommuniziert Amazon direkt nach Abschluss des Kaufes auf der Website und anschließend per Mail. Falls ein Kaufprozess seitens des Kunden nicht vollständig abgeschlossen wurde, erhält dieser eine Erinnerungsmail von Amazon. Ist ein Kunde mit seinem Kauf nicht zufrieden oder hat er etwas zu beanstanden, greift das Beschwerdemanagement von Amazon.
Auch in der Distributionspolitik von Amazon lassen sich Kundenbindungsinstrumente finden. Eine Bestellung kann über den Online-Shop getätigt werden, aber auch über eine App oder vereinfacht mit Hilfe eines Dash Buttons. Dem Kunden werden dabei eine einfache Navigation bei allen Formaten und schnelle Ladezeiten geboten. Für Mitglieder von Amazon Prime gelten verkürzte Lieferzeiten und in einigen Regionen gibt es die Möglichkeit einer Same-Day Lieferung. Die Produktverfügbarkeit kann vom Kunden eingesehen werden und Amazon gibt Auskunft, über den zu erwartenden Lieferzeitraum. Beim Abschluss eines Kaufes hat der Kunde verschiedene Zahlungsmöglichkeiten und wird im Anschluss über den Status der Lieferung informiert. Für den Fall, dass ein Kunde mit der bestellten Ware nicht zufrieden ist, greift das Retourenmanagement von Amazon.
Der Online-Modehändler About You, verzeichnet laut der E-Commerce Markt Deutschland Studie vom EHI Retail Institute und Statista (Holtmann, 2020) im Jahr 2019 einen Umsatz von 524,7 Millionen Euro. Damit steigt das Unternehmen um drei Plätze zum Vorjahr auf Rang 13 der erfolgreichsten Online-Shops in Deutschland. Ziel von About You ist es dabei, dem Kunden „ein inspirierendes und personalisiertes Einkaufserlebnis“ zu ermöglichen (About You, o. D.). Die Kundenbindungsinstrumente, welche zur Erreichung dieses Ziels zum Einsatz kommen werden folgend mit Hilfe der Website des Onlinehandels herausgearbeitet.
Bereits durch den Namen des Unternehmens wird bei About You der Kunde in den Mittelpunkt gestellt. Dies wird dadurch verstärkt, dass auf der Startseite nach einer Anmeldung der Unternehmensname individuell auf den Kunden angepasst wird. Aus About You wird dabei About und der Name des jeweiligen Kunden. Die Startseite des Online-Shops ist anschließend unterteilt in verschieden Kategorien, die für den Kunden relevant sind und aus dem bisherigen Kaufverhalten abgeleitet wurden. Zudem dient die Startseite als Inspiration und verweist auf aktuelle Trends, Marken und Outfitkonstellationen. In einem personalisierten Newsletter erhalten die Kunden zudem eine Übersicht der aktuellen Trends per E-Mail sowie aktuelle Angebote und Gutscheincodes. Als Reaktion auf das steigende Nachhaltigkeitsbewusstsein der Konsumenten (HDE, 2020) hat About You zudem die Kategorie „Second Love“ erstellt, in welcher Secondhand Bekleidung angeboten wird.
Ähnlich zu Amazon zeichnet sich der Online-Shop im Bereich der Convenience unter anderem durch eine simple Navigationsstruktur, schnelle Ladezeiten und eine Suchfunktion aus. Zudem ist es möglich, vergangene Bestellübersichten einzusehen und Wunschlisten anzulegen, für Artikel, die nicht direkt erworben werden. Weitere Vorteile des Online-Shops sind die Möglichkeit des Kaufs auf Rechnung, der kostenlose Versand und Rückversand, eine schnelle Lieferung und ein 100 Tage Rückgaberecht. Da es sich bei About You um einen Payback Partner handelt, können Kunden bei einer Bestellung Punkte sammeln und diese für eine Ersparnis bei folgenden Einkäufen einlösen. Eine Antwort auf Fragen erhalten Kunden über die Service-Hotline oder durch das Versenden einer E-Mail an den Kundenservice. Das Sicherheitsempfinden des Kunden wird von zwei Gütesiegeln in Bezug auf die Bewertungen anderer Kunden und dem Schutz der Kundendaten bestärkt.
Die Interaktion mit dem Kunden findet zusätzlich zu den bereits genannten Maßnahmen durch ein starkes Social-Media-Marketing statt. Des Weiteren veranstaltet das Unternehmen Events, wie dem About You Fashion Festival, der About You Fashion Week oder den About You Awards.
Wie aus dem theoretischen und empirischen Hintergrund zu entnehmen ist, spielt die Kundenbindung eine entscheidende Rolle für den Erfolg eines Unternehmens. Die herausgearbeiteten Gründe für die Notwendigkeit von Kundenbindung machen deutlich, dass sich durch den stetigen Wandel der Gesellschaft und der Ökonomie auch die Kundenbedürfnisse verändern und Unternehmen ihre Strategien anpassen müssen. Darunter fällt auch die Gestaltung der Kundenbindungsmaßnahmen im Rahmen des Kundenbeziehungsmanagements. Vor allem im Bereich des Online-Handels bietet sich für Unternehmen dabei die Möglichkeit, schnell auf Veränderungen zu reagieren und individuelle Konzepte für unterschiedliche Zielgruppen zu gestalten. Die aufgeführten Praxisbeispiele erfolgreicher Onlineshops zeigen dabei die Relevanz des Kunden für den Erfolg des Unternehmens. Beide Onlineshops stellen den Kunden in das Zentrum ihrer Bemühungen. Bezogen auf die Bedürfnisse und Wünsche seitens der Verbraucher sind jedoch nur wenige Studien in der aktuellen Literatur zu finden. Es stellt sich daher die Frage, welche Faktoren in Zukunft aus Sicht der Verbraucher relevant sein werden, damit sie eine Bindung zu einem Unternehmen aufbauen und diesem trotz zahlreicher Konkurrenzangebote treu bleiben.
Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der Fragestellung, wie sich die Kundenbindung im E-Commerce aus Sicht der Verbraucher im B2C-Bereich entwickeln wird. Darüber hinaus soll analysiert werden, welche Faktoren in der Zukunft aus Sicht des Verbraucher für die Kundenbindung im E-Commerce relevant sein werden. Auf Basis der Erkenntnisse aus der qualitativen Forschung sollen im Anschluss Handlungsempfehlungen für Unternehmen herausgearbeitet werden.
Kapitel 3 widmet sich dem methodischen Vorgehen der Arbeit. Es wird in vier Unterkapitel untergliedert: Qualitative Forschung, Untersuchungsplanung und Datenerhebung, Datenaufbereitung und qualitative Datenauswertung.
Als Forschungsmethode für die vorliegende Arbeit wurde die qualitative Forschung gewählt, bei der es darum geht „Lebenswelten <<von innen heraus>> aus Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben“ (Flick, Kardorff & Steinke, 2017, S. 14). Im Vergleich zu quantitativen Methoden, welche eine exakte Messung von Merkmalen oder Zusammenhängen an einer meist großen Stichprobe vornehmen, liegt der Fokus bei der qualitativen Forschung „eher auf der intensiven Untersuchung weniger bzw. einzelner Fälle“ (Hussy, Schreier & Echterhoff, 2013, S. 10). Dabei steht die Entwicklung von Hypothesen im Vordergrund, welche induktiv aus dem Forschungsfeld erfolgt (Lamnek, 1993). Auch wenn es sich bei der qualitativen Forschung um „ein methodisches Spektrum unterschiedlicher Ansätze, die je nach Fragestellung und Forschungstradition ausgewählt werden können“ (Flick, Kardorff & Steinke, 2017, S. 22) handelt, gibt es zentrale Prinzipien zur Orientierung. Vor diesem Hintergrund definieren Lamnek und Krell (2016) sechs Prinzipien qualitativer Sozialforschung. Das Prinzip der Offenheit unterstreicht dabei die Explorationsfunktion der qualitativen Forschung. Um neue Hypothesen generieren zu können, ist der Forscher dabei angehalten während des gesamten Prozesses offen für neue Entwicklungen zu sein (Hoffmann-Riem, 1980). Das zweite Prinzip versteht qualitative Forschung als Kommunikation zwischen dem Forscher und dem Erforschten (Küchler, 1983) unter Beachtung der alltäglichen Kommunikationsregeln (Lamnek, 1993). Das dritte Prinzip schreibt der qualitativen Forschung einen Prozesscharakter zu, mit dessen Hilfe Entstehungszusammenhänge wissenschaftlich erfasst werden können und keine statischen Repräsentationen von Wirkungszusammenhängen, wie bei der quantitativen Forschung (Auer-Srnka, 2009). Die Reflexivität, als viertes Prinzip, fordert eine kritische Reflektion des Forschers über seine Vorgehensweise und entsprechend auch eine daraus resultierende Anpassung des Forschungsprozesses (Lamnek & Krell, 2016). Durch das fünfte Prinzip, der Explikation, soll sichergestellt werden, dass der Forscher seine Vorgehensweise offen darlegt und Untersuchungsergebnisse somit auch für andere Personen nachvollziehbar werden. Dadurch wird laut Lamnek und Krell (2016) die Intersubjektivität des Forschungsergebnisses gesichert. Als letztes Prinzip wird die Flexibilität aufgeführt und dadurch erneut der explorative Charakter der qualitativen Forschung aufgegriffen. Diesem Prinzip zufolge wird zu Beginn der Betrachtungswinkel sehr weit gefasst, um anschließend neue Erkenntnisse für den weiteren Forschungsprozess zu verwenden. Auch Mayring (2002) definiert ein Grundgerüst qualitativen Denkens, welches aus fünf Postulaten besteht. Das erste Postulat sagt aus, dass im Zentrum der qualitativen Forschung immer der Mensch, beziehungsweise das Subjekt, steht. Die erforschten Subjekte sind dabei sowohl Ausgangspunkt als auch das Ziel der Forschung. Als zweites Postulat definiert Mayring die Deskription, also Beschreibung des Gegenstandsbereiches, welche zu Beginn der Forschung genau und umfassend vorgenommen werden muss. Das dritte Postulat ist bezogen auf die Interpretation des Untersuchungsgegenstandes. Dieser liegt in der qualitativen Forschung nicht offen dar und muss mit Hilfe der Interpretation des Forschers erschlossen werden. Das vierte Postulat besagt, dass eine Untersuchung möglichst im natürlichen und alltäglichen Umfeld der Subjekte stattfinden sollte und das letzte Postulat, dass eine Verallgemeinerung der Ergebnisse immer schrittweise im Einzelfall begründet werden muss. Um diese fünf Postulate qualitativen Denkens für den Forschungsprozess anwendbar zu gestalten, hat Mayring (2002) die 13 Säulen qualitativer Forschung daraus abgeleitet. Diese finden im Verlauf des Forschungsprozesses Beachtung, werden aber aufgrund der Begrenztheit der vorliegenden Arbeit nicht näher aufgeführt.
Kapitel 3.2 behandelt die Untersuchungsplanung und Datenerhebung im Rahmen des methodischen Vorgehens der Studie. Das Kapitel unterteil sich in fünf Unterkapitel: Untersuchungsdesign, Fallauswahl, das problemzentrierte Interview, Leitfadenkonstruktion und Ablauf der Datenerhebung.
Als Untersuchungsdesign für diese Arbeit wurde die qualitative Einzelfallstudie gewählt. Dabei „handelt es sich nicht um eine spezifische Erhebungstechnik, sondern um einen Approach, einen Forschungsansatz“ (Lamnek & Krell, 2016, S. 288). Ziel dessen ist es, möglichst alle Dimensionen des Untersuchungsobjektes miteinzubeziehen und somit ein möglichst ganzheitliches und realistisches Bild des Untersuchungsgegenstandes zu erhalten.
Schmidt (2006, S. 107) definiert drei Kriterien für die Auswahl einer Fallstudie:
- Die Forschungsfrage hat einen „Wie“ oder „Warum“ Charakter.
- Der Untersuchungsgegenstand liegt in der Gegenwart.
- Es besteht keine Kontrolle über das Verhalten der involvierten Akteure oder sonstige Rahmenbedingungen.
Da alle Kriterien auf die vorliegende Untersuchung zutreffen, wird die Einzelfallstudie als passender Forschungsansatz eingestuft. Aus der Forschungsfrage geht außerdem hervor, dass die subjektiven Wahrnehmungen der Verbraucher in Bezug auf die zukünftigen Entwicklungen der Kundenbindung im Onlinehandel im Fokus dieser Studie stehen. Daraus lässt sich ableiten, dass es sich um eine explorative Einzelfallstudie handelt. Diese hat zum Ziel, „dem Forschungsgegenstand möglichst nahe [zu kommen], um zu neuen, differenzierten Fragestellungen und Hypothesen zu gelangen“ (Mayring, 2020, S. 10). Bei den Einzelfällen kann es sich dabei um „eine Person, eine Gruppe oder eine Organisation“ handeln (Merkens, 2017). Sie werden so ausgewählt, dass sie „hinsichtlich einer gleich oder ähnlich strukturierten größeren Menge von Phänomenen als typische Fälle oder besonders prägnante oder aussagekräftige Beispiele gelten“ (Hartfiel, 1982, S. 160). Um ein tiefes Verständnis des zu erforschenden Untersuchungsgegenstandes zu erlangen, wurde das Prinzip der Triangulation angewandt. Kennzeichnend für die Triangulation ist, dass Forschungsgegenstände aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden, um auf diesem Wege „für die Fragestellung unterschiedliche Lösungswege zu finden und die Ergebnisse zu vergleichen“ (Mayring, 2002, S. 147). Für die Literaturrecherche wurden aus diesem Grund verschiedene Datenquellen verglichen, um damit zu gewährleisten, dass möglichst viele Meinungen und Theorien einfließen (Mayring, 2016). Zusätzlich kommt das Prinzip der Triangulation durch die Befragung und Perspektiven mehrerer Subjekte in Bezug auf dasselbe Phänomen zum Einsatz, wodurch zuverlässigere Ergebnisse erreicht werden können (Miles & Huberman, 1994). Die Befragung fand in dieser Studie in Form von problemzentrierten Interviews statt (Kapitel 3.2.3).
Während es bei der Fallauswahl in der quantitativen Forschung um den Faktor der statistischen Repräsentativität geht, erstrebt die qualitative Forschung eine Generalisierbarkeit von Ergebnissen (Merkens, 2017). Diese entsteht dadurch, dass Merkmalsausprägungen erfasst werden, die auch auf andere, ähnliche Fälle übertragen werden können. Die in dieser Studie untersuchten Subjekte wurden so gewählt, dass sie „durch eine bewusste, kriteriengeleitete Fallauswahl das für die Fragestellung als relevant erachtete Varianzspektrum repräsentieren“ (Hensel & Kreuz, 2018, S. 77). Um dieses Varianzspektrum in der Studie abzubilden, wurden für die Teilnahme folgende Einschlusskriterien festgelegt:
- Alter zwischen 25 und 44 Jahren
- Wohnsitz in Deutschland
- Mindestens ein Teilnehmer mit Berufserfahrung im Marketingbereich
- Mindestens ein Teilnehmer mit abgeschlossenem Studium im Medien- oder Kommunikationsbereich
- Mindestens ein Teilnehmer mit einer Online-Bestellfrequenz von mindestens einem Kauf pro Monat
- Mindestens ein Teilnehmer mit einer Online-Bestellfrequenz von weniger als einem Kauf pro Monat
Die Fallauswahl für die Interviews erfolgte dabei nach dem Top-Down-Verfahren, da die Stichprobenkriterien bereits vor der Untersuchung definiert wurden (Hussy, Schreier & Echterhoff, 2013). Die Suche der Untersuchungsteilnehmer erfolgte mit Hilfe von Anzeigen auf Social Media Plattformen durch das Prinzip der Selbstaktivierung (Reinders, 2005). Eine Beschreibung der Untersuchungsteilnehmer mit anonymisierten Namen erfolgt in Tabelle 3.
Tabelle 3
Stichprobenbeschreibung (eigne Darstellung)
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Die Zielsetzung des problemzentrierten Interviews nach Witzel (1982) verfolgt „eine möglichst unvoreingenommene Erfassung individueller Handlungen sowie subjektiver Wahrnehmungen und Verarbeitungsweisen gesellschaftlicher Realität“ (Witzel, 2000, Abs. 1). Bei dieser Interviewform werden Erkenntnisse sowohl induktiv aus dem Datenmaterial als auch deduktiv aus der Empirie gewonnen. Witzel (2000) definiert dabei drei Grundprinzipien. Die Problemzentrierung zeichnet sich dadurch aus, dass der Untersuchungsleiter im Vorfeld an die Befragung eine gesellschaftlich relevante Problemstellung definiert und sich in die Thematik einarbeitet. Dadurch kann er während des Interviews flexibel auf die Aussagen der Interviewpartner eingehen und spezifische Nachfragen stellen. Das Prinzip der Gegenstandorientierung sagt aus, dass die eingesetzten Forschungsmethoden abhängig vom Forschungsgegenstand eingesetzt und passend darauf abgestimmt werden. Hierbei kann es auch sinnvoll sein, verschiedene Methoden miteinander zu kombinieren. Das dritte Grundprinzip nach Witzel ist die Prozessorientierung. Die Prozessorientierung bezieht sich auf die flexible und schrittweise Analyse des gewonnenen Datenmaterials (Witzel, 1985). Erkenntnisse werden durch die Herstellung von Zusammenhängen einzelner Elemente gewonnen, indem sie immer wieder vom Untersuchungsleiter reflektiert und in den methodischen Kontext gestellt werden. Die Prozessorientierung kann jedoch auch auf den gesamten Forschungsprozess bezogen sein. Im Teilbereich des Interviews betont sie die Wichtigkeit der Kommunikation zwischen den Interviewpartnern. Eine offene Kommunikationsweise schafft dabei Vertrauen auf Seiten des Interviewpartners und ermöglicht somit auch eine freie Entfaltung während des Interviews. Das problemzentrierte Interview wird für diese Studie eingesetzte, da es sowohl „einen Hypothesen generierenden als auch -prüfenden Charakter“ (Kurz, Stockhammer, Fuchs, Meinhard, 2009, S. 465) vorweisen kann. Auf diese Weise können auf Basis der bestehenden Empirie, neue Erkenntnisse für das Forschungsfeld gewonnen werden.
Zu den Instrumenten des problemzentrierten Interviews zählt unter anderem die Erstellung eines teilstandardisierten Leitfadens für die Durchführung der Interviews (Witzel, 1985). Dieser soll dem Interviewer als Orientierung dienen und eine vergleichbare Vorgehensweise für alle Interviews ermöglichen. Der Interviewleitfaden basiert auf den Vorkenntnissen der Autorin durch eine intensive Auseinandersetzung mit der relevanten Literatur und wurde nach dem SPSS-Prinzip von Cornelia Helfferich (2011) konzipiert. Die Gestaltung des Leitfadens sollte dabei stets „so offen wie möglich [und] so strukturierend wie nötig“ (Helfferich, 2014, S. 563) sein. Die Autorin schlägt eine Vorgehensweise in vier Schritten vor. Zunächst werden möglichst viele Fragen zum Forschungsthema innerhalb eines Brainstormings gesammelt (S). Der nächste Schritt umfasst die Prüfung (P) der gesammelten Fragen sowie die Streichung aller Fragen, die nicht als geeignet angesehen werden. Als dritter Schritt werden im Anschluss die verbliebenen Fragen inhaltlich sortiert (S) und gruppiert. Im vierten und letzten Schritt werden diese dann subsumiert (S). Dabei gibt es Leitfragen, die als Erzählaufforderungen genutzt werden können, aufrechterhaltende Fragen, die den Erzählfluss der Befragten unterstützen sowie Nachfragen, die zum Einsatz kommen, wenn bestimmte Aspekte nicht von den Befragten selbst angesprochen werden. Die Fragen werden innerhalb des Leitfadens so angeordnet, dass sie möglichst dem natürlichen Argumentationsfluss folgen und keine Themensprünge erzwingen. Zusätzlich wird der Erzählfluss durch eine Einstiegsfrage angeregt und der Befragte hat am Ende des Interviews die Möglichkeit, Aspekte zu nennen, die er selbst als relevant betrachtet. Durch die beschriebene Vorgehensweise können vier, für die Forschungsfrage relevanten, Fragekategorien abgeleitet werden:
- Die eigene Auffassung von Kundenbindung
- Die persönliche Einschätzung von Instrumenten zur Kundenbindung
- Das eigene Einkaufsverhalten im Onlinehandel
- Die persönliche Einschätzung relevanter Faktoren für den Kauf im Onlinehandel
Die Eignung der herausgearbeiteten Fragen wurde mit Hilfe von zwei Testinterviews erprobt. Im Anschluss an die zwei Testinterviews, wurden unklar formulierte Fragen notiert und der Leitfaden durch entsprechende Anpassungen optimiert.
Vor dem Interview wurde den Studienteilnehmern ein Informationsschreiben (Anhang A) zugesendet, durch welches Sie über das Thema sowie der Zielsetzung der Studie aufgeklärt wurden. Zudem beinhaltet das Informationsschreiben eine Erklärung der Studienleiterin, dass die Teilnahme freiwillig erfolgt und jederzeit ohne Angabe von Gründen abgebrochen werden kann (Helfferich, 2011). Ergänzend dazu wurde auch eine Einwilligungserklärung (Anhang B) an die Studienteilnehmer versendet, um sie über datenschutzrechtliche Aspekte aufzuklären. Zu Beginn eines jeden Interviews, wurde zusätzliche Zeit für weitere Fragen bezüglich der Studie eingeplant. Alle Interviews haben auf Wunsch der Teilnehmer bei ihnen zu Hause stattgefunden. Dabei wurde von allen auf eine ungestörte Umgebung geachtet. Nach einem kurzen Gespräch über die weitere Vorgehensweise, wurde den Studienteilnehmern ein Kurzfragebogen (Anhang C) ausgehändigt, um zum einen biographische Daten und zum anderen weitere, studienrelevante Informationen abzufragen (Witzel, 1985). Die Interviews wurden mit Hilfe eines Smartphones aufgezeichnet und im Anschluss an die Transkription gelöscht. Um auch nonverbale Aspekte mit in die Datenanalyse einfließen zu lassen, wurde nach dem Interview von der Studienleiterin ein Postskriptum (Anhang D) angefertigt. Dieses wurde auch verwendet, um erste Ideen zur Interpretation und eventuelle Auffälligkeiten der Interviewsituation festzuhalten (Witzel, 1985).
Die Transkription des Datenmaterials (Anhang E) erfolgte nach dem vereinfachten Transkriptionssystem nach Dresing und Pehl (2015) und mit Hilfe des Programms f4transkript. Dabei handelt es sich um „bewusst einfache und schnell erlernbare Transkriptionsregeln, die die Sprache deutlich ‚glätten‘ und den Fokus auf den (semantischen) Inhalt des Redebeitrags setzen“ (Kuckartz, Dresing, Rädiker, Stefer, 2008, S. 27). Eine Zusammenfassung der Transkriptionsregeln wird in Tabelle 4 aufgelistet.
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