Diplomarbeit, 1994
84 Seiten, Note: sehr gut
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1 Einleitung
In seinem Buch ” Zetafunktionen und quadratische K¨ orper“ benutzte Don Bernard Zagier
die Gaußsche Korrespondenz zwischen Idealklassen und ¨ Aquivalenzklassen von bin¨ aren
quadratischen Formen, um Zetafunktionen reell quadratischer Zahlk¨ orper zu berechnen.
Insbesondere fand Zagier einen neuen Beweis f¨ ur das folgende von Friedrich Hirzebruch
stammende Resultat:
Theorem Sei
die negative Kettenbruchentwicklung der Quadratwurzel einer Primzahl p ≡ 3 mod 4 mit √
p
=
3,
f¨ ur welche die Klassenzahl im weiteren Sinn von
Q(
Klassenzahl im engeren Sinn von Q(
Schon 1921 stellte Artin in seiner Doktorarbeit ([Art]) fest, daß quadratische Zahlk¨ orper
und quadratische Funktionenk¨ orper ¨ uber IF p viele Gemeinsamkeiten besitzen, und daß sich
viele Ergebnisse des klassischen Zahlk¨ orperfalls auf den Funktionenk¨ orperfall sinngem¨ aß
ubertragen lassen. ¨
Christian D. Gonz´ alez ver¨ offentlichte 1992 im Journal of Number Theory den Artikel
Class Numbers of Quadratic Function Fields and Continued Fractions“, in welchem er ”
Zagiers Methoden auf reell quadratische Funktionenk¨ orper ¨ uber IF p erfolgreich ¨ ubertrug.
Neben einer Formel f¨ ur die Zetafunktion einer Idealklasse eines reell quadratischen Funk-
tionenk¨ orpers fand Gonz´ alez ein Analogon zum oben zitierten Theorem von Hirzebruch f¨ ur
den Funktionenk¨ orperfall, in welchem der von Artin f¨ ur reelle Funktionenk¨ orper entwor-
fene Kettenbruchalgorithmus eine wesentliche Rolle spielte. Gonz´ alez benutzte bei seinen
Untersuchungen die ¨ Aquivalenz ” im weiteren Sinn“, welche auch Artin schon verwendet
hatte.
In seinem Artikel ”
Definition der ¨ Aquivalenz von Idealen in reellen Funktionenk¨ orpern vor, in welcher ins-
besondere eine zum Zahlk¨ orperfall analoge Definition von ”
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2 Grundlagen
Sei im folgenden p stets eine ungerade Primzahl und IF p der K¨ orper mit p Elementen.
IF p (t) bezeichne den rationalen Funktionenk¨ orper in der Unbestimmten t.
IF p (t) besitzt die multiplikative Bewertung | |, definiert durch:
Insbesondere gilt f¨ ur Z 1 , Z 2 ∈ IF p (t) die starke Dreiecksungleichung
|Z 1 + Z 2 | ≤ max{|Z 1 |, |Z 2 |} .
F¨ ur den zugeh¨ origen Bewertungsring R := {Z ∈ IF p (t) : |Z| ≤ 1} erh¨ alt man
R = IF p [t −1 ] (t −1 ) (Lokalisierung nach dem Primideal (t −1 ) ) ,
woran man ablesen kann, daß | | eine diskrete Bewertung ist. Somit ist π := t −1 das bis
auf Assoziiertheit eindeutig bestimmte Primelement in R und m := (π) das maximale
Ideal von R.
Bezeichne nun (IF p (t) ∞ , | | ∞ ) die Komplettierung von (IF p (t), | |). Nach einem Satz der
Bewertungstheorie kann man IF p (t) ∞ in der Form
∞
IF p (t) ∞ =
explizit beschreiben, wenn man ein Repr¨ asentantensystem S aus R bez¨ uglich der Rest-klassenbildung nach m kennt (vgl. [Neu], S. 132).
Beh.: S := IF p ist so ein Repr¨ asentantensystem.
Beweis:
wobei P (t −1 ) ∈ IF p [t −1 ], Q(t −1 ) ∈ IF p [t −1 ]\(t −1 ), ist ein surjektiver Ringhomomorphismus
mit Kern(ϕ) = m. Somit hat R /m genau p Elemente. Da die p Elemente aus IF p sicherlich
inkongruent mod m sind, bilden sie ein gew¨ unschtes Repr¨ asentantensystem.
Wegen π = t −1 erhalten wir damit f¨ ur IF p (t) ∞ :
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4 Quadratische Formen
√
K
=
IF
p
(t)(
K¨ orper. F (D) bezeichne die Menge der bin¨ aren quadratischen Formen ¨
Diskriminante D, d.h. f¨ ur f ∈ F (D) mit f (X, Y ) = AX 2 + BXY + CY 2 sind die Koef-
fizienten A, B, C ∈ IF p [t] durch die Bedingung B 2 − 4AC = D verkn¨ upft. Zur Abk¨ urzung
der Notation wird im folgenden in der Regel die Schreibweise f = [A, B, C] gew¨ ahlt.
Wir f¨ uhren auf F (D) nun eine enge ¨ Aquivalenzrelation ein, welche der engen ¨ Aquivalenz-relation im Zahlk¨ orperfall (vgl. [Zag], S. 58) entspricht:
Definiert man
2 }, QL 2 (IF p [t]) := {T ∈ GL 2 (IF p [t]) : det(T ) ∈ IF ∗ p
so hat man eine Anti-Operation ◦ von QL 2 (IF p [t]) auf F (D):
◦ : QL 2 (IF p [t]) × F (D) −→ F (D), (T, f ) −→ T ◦ f ,
wobei
(T ◦ f ) (X, Y ) := det(T ) −1 f ((X, Y ) T t ) .
( Anti-Operation“, da (S T ) ◦ f = T ◦ (S ◦ f ) f¨ ur S, T ∈ QL 2 (IF p [t]), f ∈ F (D), gilt, wie ”
man leicht nachrechnen kann. Daß Bild (◦) ⊂ F (D) gilt, kann man ebenfalls ohne Schwie-rigkeiten nachpr¨ ufen. Im folgenden wird das Symbol ◦ in der Regel weggelassen werden.)
Die Anti-Operation ◦ induziert nun eine ¨ Aquivalenzrelation auf F (D) via
= T f f ∼ f :⇐⇒ ∃ T ∈ QL 2 (IF p [t]) : f
∈
F
(D). Die ¨ f¨ ur
f, f
Aquivalenzklassen bzgl. dieser Relation sind genau die Bahnen
der Anti-Operation. Daß nur endlich viele ¨
mitbewiesen.
Wird im sp¨ ateren Verlauf dieser Arbeit von ¨ Aquivalenz von Formen aus
F
(D) im weite-
ren Sinn gesprochen, so ist damit Artins klassische ¨
Anti-Operation von GL 2 (IF p [t]) auf F (D) entsteht.
2 bis zum Ende dieser Arbeit fest gew¨ ahlt. Man definiert: Sei nun g ∈ IF ∗ p \ IF ∗ p
Definition 4.1 W ∈ K \ IF p (t) heißt reduziert, falls | W | > 1 > | W | (also W Artin-
reduziert ist) und zus¨ atzlich sgn(W ) ∈ {1, g} gilt.
√
Definition 4.2 f = [A, B, C] ∈ F (D) heißt reduziert, falls W f :=
reduziert ist.
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5 Fast-Darstellungen
In diesem Abschnitt wird ¨ uber die Untersuchung des Bildbereiches von quadratischen
Formen aus F (D) die Vorbereitung daf¨ ur geschaffen, um in Abschnitt 7 die Zetafunktionen
von reell quadratischen K¨ orpern ausrechnen zu k¨ onnen. Die Basis f¨ ur diese Berechnungen
wird dabei das Corollar 5.10 bilden.
Definition 5.1 Sei N ∈ IF p [t] \ {0} und f ∈ F (D). N heißt fast-dargestellt durch f , falls
2 gilt. Das Paar (X, Y ) ∈ IF p [t] 2 heißt X, Y ∈ IF p [t] existieren, so daß f (X, Y )/N ∈ IF ∗ p
Fast-Darstellung von N durch f .
(Im folgenden werden die Fast-Darstellungen auch zuweilen als Spaltenvektoren geschrie-
ben, um Matrizen aus QL 2 (IF p [t]) von links auf ihnen operieren zu lassen.)
Es gilt:
, Y
Satz 5.2
Ist
(X
f¨ ur ein T ∈ QL 2 (IF p [t]), so ist
Beweis:
Daraus ergibt sich aufgrund der Symmetrie der auf Seite 15 eingef¨ uhrten ¨ Aquivalenzrela-tion auf F (D):
Corollar 5.3 ¨ Aquivalente Formen haben denselben Fast-Darstellungsbereich.
Wir f¨ uhren nun eine ¨ Aquivalenzrelation auf der Menge
FD (N, D) := {(f, (X, Y )) : f ∈ F (D), (X, Y ) ist Fast-Darstellung von N durch f }
ein:
, Y , (X )) ∈ FD (N, D) setzt man: Definition 5.4 F¨ ur (f, (X, Y )), (f
(Daß es sich hierbei tats¨ achlich um eine ¨ Aquivalenzrelation handelt, l¨ aßt sich mit Hilfe
von Satz 5.2 leicht nachpr¨ ufen.)
F¨ ur ein festes f erh¨ alt man aus Definition 5.4 eine ¨ Aquivalenzrelation auf
FD (N, f ) := {(X, Y ) ∈ IF p [t] 2 : (X, Y ) ist Fast-Darstellung von N durch f } :
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6 Idealklassen
Bezeichne O K den ganzen Abschluß von IF p [t] in K. Dann ist O K ein Dedekindscher Ring.
(Artin bewies dies explizit in [Art], S. 168/169. Die Aussage folgt aber auch aus einem
Satz der algebraischen Zahlentheorie, wonach ganze Abschl¨ usse von Dedekind-Ringen in
endlichen Erweiterungen ihres Quotientenk¨ orpers wieder Dedekind-Ringe sind, vgl. [Neu],
S. 47). Auf der Gruppe
I(K) := {a : a ⊂ K, a O K − Modul, ∃ d ∈ IF p [t] \ {0} mit da ⊂ O K }
der gebrochenen Ideale von
K
werden wir jetzt eine (enge) ¨ Aquivalenzrelation einf¨ uhren
und anschließend die Existenz einer Bijektion zwischen den Idealklassen und den ¨
lenzklassen von Formen aus F (D) nachweisen. (Diese Bijektion wird Analogien aufweisen
zur ” klassischen“ Bijektion der engen Klassen in [Zag], S. 94.)
· ·
Sei das Legendre-Symbol ¨ uber p. Man kann fortsetzen zu einem Homomorphis- p p
mus χ : K ∗ −→ {−1, 1}, indem man f¨ ur x ∈ K ∗ definiert:
sgn(x)
Bezeichne
N := N K/I F p (t) : K −→ IF p (t), x −→ xx
die Normabbildung von K nach IF p (t). (N| K ∗ ist Homomorphismus von K ∗ nach IF p (t) ∗ .)
Wir definieren die ¨ Aquivalenzrelation auf I(K) wie folgt:
Definition 6.1 F¨ ur a, b ∈ I(K) definiert man:
a ∼ b :⇐⇒ ∃ x ∈ K ∗ : a = x b und χ(N (x)) = 1
(Da χ ◦ N| K ∗ ein Homomorphismus ist, liegt tats¨ achlich eine ¨ Aquivalenzrelation vor.)
K mit χ(N (ε)) = −1 existiert, f¨ allt diese ¨ Aquivalenz mit der weiten ¨ Falls ein ε ∈ O ∗ Aqui-valenz (definiert ohne die zweite Bedingung) zusammen (und offenbar auch genau dann).
Andernfalls zerf¨ allt jede weite ¨
junkte enge ¨ Aquivalenzklassen A und uA := {ua : a ∈ A}, wobei u ∈ K ∗ ein Element mit
χ(N (u)) = −1 ist (welches immer existiert, vgl. Seite 44).
Ob die ¨ Aquivalenzklassen zusammenfallen oder nicht, wird (unter anderem) durch den
Werte von χ ◦ N auf einer beliebigen Grundeinheit ε 0 von K angezeigt:
F¨ ur jedes ε ∈ O ∗ K hat man eine Darstellung ε = a ε k 0 mit a ∈ IF ∗ p , k ∈ Z Z ([Art], S. 197).
Daraus ergibt sich:
χ(N (ε)) = χ(ε ε) = χ(a 2 ε k k ) = χ(ε 0 ε 0 ) k = χ(N (ε 0 )) k 0 ε 0
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7 Zetafunktionen
Mit den nun zur Verf¨ ugung stehenden Resultaten k¨ onnen wir jetzt die wie folgt definierten
Zetafunktionen berechnen:
Definition 7.1 Man definiert die Zetafunktion von K als
F¨ ur A ∈ C(K) definiert man
als die Zetafunktion der Idealklasse A.
Bez¨ uglich des Beweises der absoluten Konvergenz auf dem angegebenen Bereich Re (s) > 1
sei auf Artin ( [Art], S. 207/208) verwiesen.
Mit Hilfe der in Abschnitt 6 konstruierten Bijektion zwischen den ¨ Aquivalenzklassen von
gebrochenen Idealen und quadratischen Formen der Diskriminante D zeigen wir nun:
Theorem 7.2 Sei A ∈ C(K) gegeben und [f ] die zu A korrespondierende ¨ Aquivalenzklas-se quadratischer Formen der Diskriminante D. Dann gilt:
(Die Darstellungszahl fd (N, f ) hing nur von der ¨ Aquivalenzklasse von f ab, vgl. Seite 36.)
Beweis: Nach Voraussetzung gilt
A = ψ ( [ f ] ) = [ u f < 1, W f > ], d.h. a f := u f < 1, W f > ∈ A.
Bezeichne nun wie in Abschnitt 6
O ∗+ K := {ε ∈ O ∗ K : χ(N (ε)) = 1}
die Untergruppe der ” positiven“ Einheiten von O K . Dann kann man analog zu Artin ([Art],
S. 211) und zu Zagier ([Zag], S. 98/99) zeigen:
(z ∈ a f /O ∗+ K soll dabei bedeuten, daß nur paarweise nicht ” positiv“ assoziierte Elemente
des Ideals a f aufsummiert werden sollen.)
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8 Klassenzahlformeln
In diesem Abschnitt werden wir mit der Darstellung von ζ K (s, A) in Corollar 7.8 die bei-
den ” Hirzebruch Analoga“ aus [Hay], S. 232/233, folgern. Dies wird unter Zuhilfenahme
der von Hayes bzw. Artin bewiesenen Theoreme 8.1 und 8.12 geschehen, in welchen ¨ uber
die Zetafunktion der engen bzw. weiten Hauptidealklasse bestimmter reell quadratischer
K¨ orper Beziehungen zu Klassenzahlen von imagin¨ ar quadratischen K¨ orpern hergestellt
werden.
√
Sei
P
∈
IF
p
[t] normiert, irreduzibel und von ungeradem Grad. Dann ist
L
:=
IF
p
(t) (
:= IF p (t) ( ein reell quadratischer K¨ orper und L
Seien h(tP ) und h(−P ) die Klassenzahlen im weiteren Sinn von L bzw. L
Klassenk¨ orpertheorie bewies Hayes f¨ ur den Fall h(tP ) = 1 folgende Beziehung zwischen
: den K¨ orpern L und L
Theorem 8.1 Gilt mit den obigen Bezeichnungen h(tP ) = 1, so hat man
h(−P ) = 2 ζ L (0, 1 1 L ) ,
wobei ζ L (0, 1 1 L ) der Wert der Zetafunktion der engen Hauptidealklasse 1 1 L an der Stelle 0
ist.
Mit Hilfe unserer Formel aus Corollar 7.8 k¨ onnen wir ζ L (0, 1 1 L ) folgendermaßen ausdr¨ ucken:
Sei {f 1 , . . . , f λ } das zur engen Hauptidealklasse 1 1 L korrespondierende Zykel reduzierter
Formen, {W 1 , . . . , W λ } das zugeh¨ orige Zykel reduzierter Elemente und die Notation wie
auf Seite 53. Dann folgt mit Corollar 7.8:
1
ζ L (0, 1 1 L ) =
=
In Verbindung mit Theorem 8.1 erh¨ alt man also:
Corollar 8.2 Gilt mit den obigen Bezeichnungen h(tP ) = 1, so hat man
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9 Residuen und Kronecker-Grenzwerte
Sei wie im vorherigen Abschnitt A ∈ C(K), {f 1 , . . . , f λ } das korrespondierende Zykel
reduzierter Formen, {W 1 , . . . , W λ } das korrespondierende Zykel reduzierter Elemente,
:=|W r |, M r := [W r ] f¨ ur 1 ≤ r ≤ λ sowie n := 1 deg(D) definiert. r 2
Wie man bei genauerer Betrachtung der Formel f¨ ur Z(s, f r ) in Theorem 7.7 feststellt, hat
die meromorphe Fortsetzung von Z(s, f r ), und damit via Corollar 7.6 auch die meromor-
phe Fortsetzung von ζ K (s, A), genau an den Stellen s = 1 +
nung (genau dann, falls U =
wollen wir nun abschließend die Residuen und die Kronecker-Grenzwerte der Laurent-
Entwicklung der Zetafunktionen von engen und weiten Klassen an der Stelle 1 berechnen.
Zun¨ achst gilt:
Satz 9.1 Mit den obigen Bezeichnungen hat man
Beweis:
Res s=1 (Z(s, f r )) = lim (s − 1) Z(s, f r ) s→1
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