Examensarbeit, 2004
47 Seiten, Note: 2
1. Einleitung
2. Englische Bildungseinrichtungen und ihre Ideologie
2.1 Staatliche Schulen
2.2 Privatschulen
3. Sport an der Public School – die „Geburt“ des Rugbyspiels
4. Fußball versus Rugby – Professionalism versus Amateurism
5. „The Great Divide“ – die soziale Teilung des Rugbysports
5.1 Soziale Aspekte der Teilung
5.2 Rugby League als Identitätsmerkmal
5.3 Soziale Aspekte während der Weltkriege – Australien und Frankreich
6. Zusammenfassung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im August 2004 wurden in Athen die 28. Spiele der Olympiade der Neuzeit durchgeführt. Wie alle vier Jahre, so trafen sich in der griechischen Hauptstadt auch dieses Mal Menschen vieler Nationalitäten, um in Sportarten gegeneinander anzutreten, deren Ausübung in den weitesten Teilen der Welt für Begeisterung sorgt. Doch wie bei allen bisherigen Olympischen Spielen nach 1924, so fehlte auch 2004 wieder eine von Millionen Menschen betriebene Sportart – Rugby. Dieses interessante und traditionsreiche Mannschaftsspiel, in Unkenntnis des Regelwerks gelegentlich als gefährlich oder gar brutal angesehen, ist nicht Teil des größten Sportereignisses der Welt, obwohl es Nationalsport in Ländern der nördlichen wie auch der südlichen Hemisphäre ist. So gehören die Nationalmannschaften Australiens, Neuseelands oder Südafrikas genauso wie die Englands oder Irlands stets zu den Titelanwärtern, wenn um die Trophäe des Weltmeisters gespielt wird – den nach dem angeblichen Begründer des Rugbysports benannte William-Webb-Ellis-Cup.[1]
Doch nicht nur diese Nationen, deren Gebiete einst direkt der englischen Krone unterstanden, und die durch den Export des Spiels von England aus mit Rugby in Berührung kamen, sind regelmäßige Vertreter bei internationalen Meisterschaften. Auch in den USA, in Argentinien, Italien, Frankreich oder beispielsweise Japan wird der Sport mit Begeisterung betrieben, ohne dass jedoch (mit Ausnahme Frankreichs) Erfolge erzielt werden, die mit denen der erstgenannten Mannschaften vergleichbar wären.[2] Es muss also einen Grund für die Verbreitung geben, der außerhalb der sportlichen Missionarstätigkeit von Offizieren oder sonstigen Angehörigen des Britischen Imperiums zu finden ist – einen Grund im Sport selbst.
In der folgenden Arbeit werden die Hintergründe und Entstehungssituation des Rugbysports vor allem an Hand dessen erarbeitet, welche Ideologie hinter dem Spiel steht und woher diese Ideologie stammt. Der oben angesprochene Gründungsmythos bezieht sich auf das Jahr 1823 und die Privatschule der Stadt Rugby in der Grafschaft Warwickshire in den Midlands Englands; eine Schule der Sacred Seven.[3] Diese wurden im neunzehnten Jahrhundert gemeinsam mit neu gegründeten Public Schools Zentrum für die Entwicklung von organisierten Spielen als pädagogische Werkzeuge, womit sich bereits ein Hinweis auf die der Spielidee innewohnenden Prinzipien und die gesellschaftsspezifischen Hintergründe der Entstehung und Entwicklung des Rugbysports ergibt. Schließlich wurden im neunzehnten Jahrhundert nicht nur Spiele als mögliche Mittel zur Übermittlung von pädagogischen Werten entdeckt, sondern es fand ein weitreichender gesellschaftlicher Umbruch statt. Vielfältige ökonomische und politische Veränderungen führten wie in großen Teilen Europas, so auch in Großbritannien, zu einer veränderten Ausdifferenzierung der Gesellschaft – der „Klassenkampf ohne Klassen“[4] der ständischen Gesellschaft des früheren achtzehnten Jahrhunderts wich mit Verlauf der Industriellen Revolution einem steigenden Klassenbewusstsein und tatsächlichen Klassenkampf.[5]
Dieses Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse wiederum suchte seinen Ausdruck unter anderem auch darin, wie das Angebot an sportlichen Aktivitäten rezipiert und weiterentwickelt wurde, und welche Ein- beziehungsweise Ausschlussmöglichkeiten es hinsichtlich anderer Klassen gab. Es ist deshalb auch eines der Ziele dieser Arbeit, darzustellen, warum sich aus dem bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts eher regellosen Fußballspiel der Public Schools die zwei unterschiedlichen Regelwerke des Association Football (Soccer beziehungsweise Fußball) und Rugby Football (Rugby) entwickelten. Damit eng verknüpft ist die Fragestellung, inwiefern die Kodifizierung der Regeln Rahmenbedingungen der Sportarten voneinander abgrenzt. Denn die Gründung der Football Association im Jahr 1863 trennte nicht nur diejenigen Spieler, die den runden Ball mit dem Fuß treten, von denen ab, die den ovalen Ball vorrangig mit der Hand spielen. Vielmehr wurde eine strikte soziale, ökonomisch begründete Ausgrenzung vorgenommen, welche den Verfechtern der letzteren Spielvariante die Werte erhalten sollte, deren Ursprung in den Schulen der oberen Mittelklasse lag und die sie – wie auch die Offiziellen anderer Sportverbände – durch die uneingeschränkte Öffnung des Sports hin zur Arbeiterklasse gefährdet sahen: Amateurism und Sportmanship.[6]
Die entscheidenden Vorgänge, die für diese Arbeit relevant sind, spielen sich fast ausnahmslos in einem Abschnitt von etwa einhundert Jahren ab. Ausgehend von der Öffnung der Public Schools für die Mittelklasse, über die Entwicklung organisierter Spiele und die Gründung getrennter Verbände für Fußball und Rugby, bis hin zur letztendlichen Teilung des Rugbysports aufgrund klassenspezifischer Unstimmigkeiten bietet das neunzehnte Jahrhundert den Rahmen. Lediglich für die Betrachtung der Teilung des Rugbysports im Jahr 1895 sowie von deren Auswirkungen ist ein Blick auf das zwanzigste Jahrhundert unverzichtbar.
Grob gesagt lassen sich die klassenspezifischen Aspekte des Rugbysports somit in die drei Hauptbereiche „Entstehung aus der Ideologie der Public School heraus“, „Fußball versus Rugby“ und „Rugby Union versus Rugby League“ untergliedern. Der Betrachtung der Herausbildung des Spiels an den Public Schools ist ein Kapitel über die allgemeine Ideologie an englischen Bildungseinrichtungen vorangestellt. Dieses ist nötig, um die Bevorzugung von Mannschaftssportarten zur Vermittlung bestimmter Ideale plausibel zu erklären. Viele der beschriebenen Ereignisse bedingen einander, die Reihenfolge der Kapitel entspricht deshalb weitestgehend der chronologischen Reihenfolge des Geschehens.
Es ist einleitend behauptet worden, die Ideologie der Mittelklasse an den Public Schools des früheren neunzehnten Jahrhunderts habe entscheidend zur Kodifizierung des Rugby-Regelwerks beigetragen. Wie auch in anderen Bereichen des Lebens, so fand das viktorianische Klassensystem seinen Ausdruck im Bildungssystem des neunzehnten Jahrhunderts – und nicht zuletzt in den Arten des Sports und Spiels, die an dessen Institutionen gefördert wurden.[7] Wenn diese Behauptung haltbar ist, muss es distinktive Merkmale geben, welche die Bildung eben dieser sozialen Schicht an eben diesen Bildungseinrichtungen von der unterscheidet, die andere Klassen an anderen Einrichtungen in Anspruch nahmen.[8] Es wäre allerdings sicher verallgemeinert, zu behaupten, das reine Bildungsziel der Public Schools wäre verantwortlich für die Entwicklung des Rugbyspiels selbst gewesen. Vielmehr muss eine Verbindung gesucht werden zwischen den Anforderungen, die im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts an die Schüler gestellt wurden und der Umsetzung dieser Anforderungen.
Das Ziel der Vertreter der Mittelklasse, die ihre Söhne an den Privatschulen des neunzehnten Jahrhunderts ausbilden ließen, war geprägt von der Abgrenzung gegenüber den unteren Gesellschaftsschichten. Die Privatschule bot schließlich die Möglichkeit, das Klassenbewusstsein gegen Kontamination von unten zu schützen, denn sie war nicht die Bildungseinrichtung der Arbeiterschicht. Zudem führte der Weg vom wirtschaftlichen Aufschwung zur Ausübung auch von politischer Macht nur über Bildung, denn denjenigen „Neureichen“, die vor allem ihre Lebensweise der eines Gentleman anzupassen bereit waren, hielt der politisch einflussreiche Adel durchaus die Tür zum sozialen Aufstieg offen.[9]
Dem Wunsch der aufsteigenden Mittelklasse, sich dem Adel anzunähern, war wohl auch der Charakter der Public Schools als Boarding Schools zuträglich, also die Unterbringung der Schüler in schuleigenen Heimen. Wie Gathorne-Hardy für den Zeitraum der zwanziger und dreißiger Jahre heraushebt, konnten besonders aus diesem Grund die Jungen kodifizierte Verhaltensweisen erlernen, die denen der Oberklasse glichen, und die in einer sozial relativ homogenen Gruppe wie an den Public Schools auch kontrolliert werden konnten.[10] Doch selbst diese Verhaltensweisen dürften nicht zum reinen Selbstzweck erlernt worden sein, sondern die mittleren Klassen verfolgten im Zuge ihres Aufstiegs weitere, zunehmend politische Ziele, die nur mit Hilfe der Public Schools erreicht werden konnten.
Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die staatlich geförderte Bildung im England des neunzehnten Jahrhunderts gegeben, gefolgt von einer ausführlicheren Darstellung der Privatschulen. Besonders die jeweiligen Haltungen zum Wert einer körperlichen Ausbildung bringen gravierende Unterschiede zu Tage, was als direkter Ausdruck verschiedener Ideologien offensichtlich wird.
Eine Art „Schulsystem“ im engeren Sinne für alle Kinder und Jugendliche des Landes gibt es in Großbritannien erst seit dem frühen zwanzigsten Jahrhundert.[11] Wie um die Jahrhundertwende auch andere Domänen des öffentlichen Lebens Veränderungen unterworfen waren, so ging zumindest im großen Rahmen die Herausbildung einer staatlichen Bildung, die „institutionell zusammengehalten durch einheitliche Bedingungen für alle, abgestuft ausschließlich nach der Leistung des einzelnen [sic]“[12] wurde, erst einher mit der vermehrten politischen Partizipation der Arbeiterklasse nach Gründung von Arbeitervertretungen gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts[13]. Politisch gesehen war das Proletariat nach dem endgültigen Kollabieren des Chartismus in den 1840er Jahren vorerst kein ernst zu nehmender Gegner für das Establishment, und erst die Ausweitung des Wahlrechts im Jahr 1867 wird im Allgemeinen als ein geordneter Eintritt der Arbeiterklasse in die Politik angesehen.[14] Besonders seit dem Reform Act von 1832, gleichbedeutend mit einer Allianz der neuen bürgerlichen Klasse mit der Aristokratie, hatte sich die Arbeiterklasse schwer getan, an der Macht teilzuhaben.[15]
Das damalige Fehlen eines Bildungsangebotes mit Systemcharakter impliziert zwar nicht, dass es vor dem zwanzigsten Jahrhundert abseits der Public Schools keinerlei pädagogische Fürsorge für untere Gesellschaftsschichten gegeben hätte. Doch im Unterschied zu der Entwicklung in anderen Teilen der Welt war der Ursprung des Bildungswillens in England anders gelagert: So war es in den deutschen Kleinstaaten des 17. und 18. Jahrhunderts „staatlicher Erziehungs- und Kontrollwillen“[16], der zum Aufbau des Schul- und Universitätssystems beitrug, während die Initiative in England eher von anderen Institutionen oder Privatleuten ausging. Bereits gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts gingen beispielsweise „Justizbeamte, Geistliche und Kaufleute […] in moralischer Abwehrhaltung gegen das gemeine Volk und die befürchtete Verrohung der Jugend“[17] dazu über, im Rahmen der Sonntagsschulbewegung allgemeine Erziehungsformen zu praktizieren, die auch von den Arbeitern genutzt wurden.[18] Mitte des folgenden Jahrhunderts hatte sich dieser Einfluss soweit ausgedehnt, dass die Sunday School zwei Millionen Mitglieder zählte und es kaum ein Kind gab, das nicht mit ihr in Berührung gekommen wäre.[19] Besonders der Einfluss der Geistlichen hat sich im Laufe der Zeit mehr als nur vereinzelt auf die Bildungslandschaft ausgewirkt, denn schließlich war der funktionierende englische Staat – in der ausgehenden ständischen Gesellschaft noch mehr als in der darauf folgenden industriellen Zeit – auf das Fundament der Kirche aufgebaut. An Hand der Menge kirchlich gestützter Elementarschulen lässt sich dies klar ablesen, wie Peter Catterall feststellt: „In 1900 for by far the largest number of these [elementare Bildungseinrichtungen, d.A.] the Anglican Church was the maintaining authority, and in some 8.000 districts of England and Wales its schools were the only ones available.”[20] Bis zur Mitte des folgenden Jahrhunderts und auch darüber hinaus entwickelten sich sowohl die Anzahl der Schulen als auch – durch Zusammenarbeit von Kirche und dem finanziell involvierten Staat – die Lehrerbildung vor allem für die Elementarstufe entscheidend weiter; als Indikator für den Abschluss dieser Entwicklungsphase kann die Einführung der allgemeinen Schulpflicht im Jahr 1880 gesehen werden.[21]
Was die Physical Education betrifft, also körperliche Bildung in den nicht privaten Schulen, so ist deren Geschichte kaum an Hand offizieller Berichte und Aufzeichnungen seitens der Regierung für das neunzehnte Jahrhundert nachzuvollziehen, obwohl der positive Einfluss von körperlicher Betätigung auf Charakter und Gesundheit von der Jahrhundertmitte an in offiziellen Untersuchungen zur Bildung belegt ist.[22] Es ist dagegen als sicher anzunehmen, dass die primären Bildungsziele vor der Einflussnahme des Staates auf elementare Fähigkeiten gerichtet waren, um die soziale Mobilität der eher Benachteiligten zu erhöhen, oder aber, wie bereits in oben genanntem Zitat abzulesen ist, für den moralisch richtigen Weg einer sich pöbelhaft verhaltenden Jugend zu sorgen. Doch selbst nachdem der Staat zunehmend die Richtung wies, in welche die Bildung an öffentlichen Schulen geleitet werden sollte, blieb zunächst der Sportunterricht als klar definierter Bildungsinhalt außen vor. Stattdessen wurde die staatliche Förderung öffentlicher Schulen im Zuge des Revision Act von 1862 an die Erbringung überprüfbarer Leistungen geknüpft, also an die erfolgreiche Vermittlung von Lesen, Schreiben und Rechnen.[23]
Spielte der Sportunterricht im heutigen Sinn an den staatlichen Schulen Englands bis zum ausgehenden neunzehnten Jahrhundert also keine bedeutende Rolle, so dürfte der Grund dafür im speziellen Bildungsziel der Physical Education zu suchen sein. Dieses lag nicht darin, Kindern der britischen Arbeiterklasse in den Genuss erbaulichen Sportunterrichts mit Spiel und Spaß kommen zu lassen, denn Sport wurde noch nicht zum Selbstzweck betrieben. So wie später auch Lenin die Aufgaben der körperlichen Kräftigung bevorzugt in „preparing young people for work; and preparing them for military defence of Soviet power“[24] sah, war zumindest bis zum ersten Weltkrieg die Natur des Sportunterrichts der Arbeiterklasse der Drill.[25] Er diente vor allem dazu, gehorsame und physisch starke Soldaten hervor zu bringen, wohl kaum aber der Ausformung eines Individualbewusstseins oder gar einer selbstständigen, kreativen Denkweise.
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originale Bildunterschrift:
School children participating in a physical exercise drill at a London school, date unknown (London Metropolitan Archives). Quelle: Cox et alt. S.126.
In der Geschichte der Klassentrennung in Großbritannien hatte es immer wieder Misstrauen seitens der oberen Klassen gegenüber der zusehends stärker auftretenden Arbeiterschicht gegeben. Mitte des neunzehnten Jahrhunderts resultierten diese sporadischen Versuche in aktiver Entschlossenheit der dominierenden Klassen, den Lebensstil der Masse der Bevölkerung zu verändern.[26] So waren es speziell evangelische Geistliche, Nonkonformisten, Organisatoren von Sunday Schools, aufgeklärte Fabrik- oder Landbesitzer, Anhänger des Philantropinismus oder Ideologen, die für eine Bewegung sorgten, welche auf Monitoring, Kontrolle, Umformung und Delegitimierung zielte.[27] Jedoch wurde auch von staatlicher Seite die Bildungsüberwachung zunehmend ernster genommen: Auf Basis der Untersuchung der staatlichen Schulen durch die Cross Commission im Jahr 1888 wurde schließlich 1895 der Day School Code verabschiedet, in welchem unter anderem die Wichtigkeit der körperlichen Kräftigung verdeutlicht wurde.[28] Doch auch hier zeigt sich, dass der Sportunterricht nicht etwa zum Selbstzweck betrieben werden sollte, denn es sind weder Fußball, Rugby oder gar Cricket, die Inhalte des Sportunterrichts sein sollten. Um staatliche Förderungen zu erhalten, sollten die Schulen stattdessen „Swedish or other drill or suitable physical exercises“[29] anwenden, um die körperliche Fitness ihrer Schüler sicher zu stellen. Umso erstaunlicher ist es, dass die Schulen zunächst dem allgemeinen Ziel, auch physisch intakte junge Männer herauszubilden, offenbar trotzdem nicht gerecht werden konnten. Um die Jahrhundertwende, im Zuge des Burenkriegs, stellte sich der körperliche Zustand der von der Schulbank weg rekrutierten Soldaten offenbar als derart katastrophal heraus, dass vom Jahr 1901 an Kommissionen in England und Schottland eingesetzt wurden, um Ermittlungen zum Zustand des Sportunterrichts durchzuführen.[30] Das grobe Ergebnis war die Standardisierung der militärischen Physical Education an staatlichen Schulen, und erst 1919, im Rahmen des im Vorjahr verabschiedeten Fisher Education Act, wurde der pädagogische Wert der körperlichen Ertüchtigung im Lehrplan gewürdigt – das Resultat: die Einführung von Mannschaftsspielen in den Sportunterricht.[31]
Wenn sich die Betrachtung der sportlichen Ausbildung an staatlichen Schulen erst für den Zeitraum ab dem ausgehenden neunzehnten Jahrhundert lohnt, so stellt sich das Bild der Public Schools gänzlich anders dar. Hargreaves betont, dass die Bedeutung der Public Schools für die Entwicklung von Formen des Sports und für die Übertragung derselben auf die Machtstrukturen kaum übertrieben werden könne.[32] Dazu muss im Hinblick auf Ursprung, Form und pädagogische Implikationen des Sports an diesen Bildungseinrichtungen die Untersuchung bereits im frühen neunzehnten Jahrhundert angesetzt werden. Außerdem ist es hilfreich, als erstes die generelle Ideologie zu untersuchen, die zunächst dazu führt, dass die Middle Class das Privatschulwesen für sich entdeckt, die später auch die Weiterentwicklung von Mannschaftssportarten begünstigt und die schließlich im Rugbysport ihren Ausdruck findet.
Die Geschichte des Privatschulwesens in England geht zurück bis ins Jahr 1382, als mit dem Winchester College eine Art Prototyp geschaffen wurde.[33] Fortan waren Schulen dieser Art vornehmlich Bildungseinrichtungen des Adels, dem in der ständischen Gesellschaft die beruflichen Rollen zukamen, für die höhere Bildung notwendig war. Bis in das neunzehnte Jahrhundert hinein blieb dann auch die Klientel der meisten Public Schools vor allem adelig. Gathorne-Hardy zufolge entstammten noch in den 1830er Jahren neun Zehntel der Schüler in Eton und Harrow dem Adel oder der grundbesitzenden Gentry, und sie standen damit einem Zehntel Söhnen Berufstätiger, also etwa von Ärzten oder Anwälten gegenüber.[34] Diese Zahl variiert allerdings in verschiedenen Quellen, so wird zum Teil für den Zeitraum 1830 bis 1860 für die gleichen Schulen auch von einem Anteil an Kindern adliger Abstammung von nur zwanzig Prozent gesprochen.[35] Dem tendenziell trotzdem hohen Anteil Adelsstämmiger an den Public Schools stand besonders die Schule von Rugby als „die Domäne des Nachwuchses des modernen Bürgertums, das in Industrie, Handel, Administration und Rechtssprechung ausgebildet wurde“[36] gegenüber. Das und der besondere Einfluss des Direktors der Public School von Rugby zwischen 1828 und 1842, Thomas Arnold, trugen entscheidend zum Charakter des Rugbyspiels und seinem bürgerlichen Image bei, wie später ersichtlich sein wird.
Zunächst soll hier ein Ausblick auf die Ziele gegeben werden, die das aufsteigende Bürgertum mit der Bildung an den Public Schools verfolgte. Die sozialen und politischen Führungspositionen der englischen Gesellschaft waren zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts dem Adel vorbehalten, sei es der höheren Peerage oder der niederen Gentry.[37] Politische Macht war, grob gesagt, an ökonomische Kraft gebunden. Es erscheint also als lohnendes Ziel der wirtschaftlich erstarkenden Mittelschicht, in diese politisch einflussreichen Kreise der Gesellschaft aufzusteigen, zumal sich auch im weiteren Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts nicht viel an den Machtverhältnissen ändern sollte: So waren zwischen den Jahren 1830 und 1900 71 Prozent der Kabinettsmitglieder Peers oder aber Vertreter der Gentry.[38] Während erstere durch das Prinzip des Erbadels eine eher abgeschlossene Gemeinschaft bildeten, traf das für die Gentry nicht zu: Wende betont, dass sich letzterer einer genauen Definition entzieht und dass sich prinzipiell jeder, mit den entsprechenden Verhaltensweisen eines Gentleman ausgestattet, dazu zählen konnte.[39] Der Aufstieg in diesen Status war allerdings nur für jene möglich, die finanziell so abgesichert waren, dass sie keine körperliche Arbeit verrichten mussten – eine der Hauptanforderungen an einen Gentleman. Für die Vertreter der im Zuge der Industriellen Revolution zu Reichtum gekommenen oberen Mittelklasse traf dies zu, und ihnen bot nun die Public School die Möglichkeit, ihre Söhne räumlich von denen der Arbeiterklasse abzutrennen und mit denen des Adels in Berührung zu bringen. Überhaupt kann dies als die gesellschaftliche Hauptfunktion des vorviktorianischen Privatschulwesens angesehen werden: Die Bildung der regierenden Klasse des späteren neunzehnten Jahrhunderts wurde durch die Vereinigung der alten aristokratischen Führungsschicht und des aufstrebenden Bürgertums vorangetrieben.[40]
Ein Problem für die Public Schools ergab sich im frühen neunzehnten Jahrhundert, als die Qualität der Schulen vermehrt in Frage gestellt wurde. Die Presse begann, neben der Art des Unterrichts auch die Zeit, die den zügellosen Spielen eingeräumt wurde und die generelle Disziplinlosigkeit zu kritisieren, was zu einem Rückgang der Schülerzahlen an den Public Schools beigetragen haben dürfte.[41] So lernten in Rugby im Jahr 1821 noch 300 Schüler, sechs Jahre später jedoch war diese Zahl auf 123 Schüler zurückgegangen.[42] Dass daraus ein Wettbewerb der Schulen untereinander um Schüler folgen musste, erscheint logisch, was in methodischen Veränderungen seinen Ausdruck fand. Der Wettbewerb um Schüler führte grob gesagt über Reformen, die die aristokratischen Überbleibsel hinsichtlich Machtstrukturen und Organisation an den Schulen durch Werte ersetzten, mit welchen sich die Mittelschicht assoziierte und die später als „typisch viktorianisch“ gelten sollten: vornehmer Charakter und hohe moralische Disziplin.[43]
An der Public School von Rugby fielen die nötigen Reformen zusammen mit der Ankunft eines neuen Direktors. Wenige Monate nach dem oben genannten Tiefpunkt der Schülerzahlen, im Jahr 1828, übernahm Thomas Arnold die Leitung der Schule und sollte mit seiner geradezu radikalen Religiosität die Privatschullandschaft nachhaltig prägen. Einige seiner Maßnahmen zur Entschärfung des Schulalltags waren das Verbot von Schusswaffen und Hunden sowie die Forderung, jegliche Kämpfe zwischen den Schülern in unmittelbarer Nähe des Doktorenhauses stattfinden zu lassen.[44] Mittelbar, durch die Übertragung von Arnolds außersportlichen Idealen auf den Sport, trug sein Wirken auch zu einer neuen Sportkultur an den Public Schools bei. Doch dahin gehend divergieren die Forschungsmeinungen auch beträchtlich: Während in zahlreichen Beiträgen die Wichtigkeit Arnolds unterstrichen wird, weist beispielsweise R. Holt darauf hin, dass Arnold von späteren Verfechtern des Public-Schools -Sports zu Unrecht idolisiert worden sei und dass er keine Zeit für Spiele verwendet sehen wollte; die von ihm angestrebten Reformen der dekadenten Privatschulen sollten R. Holt zufolge lediglich im Klassenzimmer und in der Kirche realisiert werden.[45] Hargreaves dagegen stimmt mit R. Holt zwar dahingehend überein, dass Arnold nur ein geringes Interesse am eigentlichen Sport nachgesagt wird, doch betont er die mehr indirekte Förderung desselben durch Arnold. Es ist anzunehmen, dass Arnold frühzeitig erkannte, inwieweit er Spielsportarten als pädagogische Mittel für seine Zwecke einsetzen konnte. Hargreaves zufolge äußerte sich seine Förderung zumindest darin, dass er für die in Rugby etablierten Sportarten genügend Platz im Lehrplan ließ.[46]
Hier soll zunächst jedoch der reformierende Einfluss dargestellt werden, den Arnold während seiner Amtszeit bis 1842 auf die Schule von Rugby und auf die Ideologie der Privatschulen ausübte. Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass sein Erscheinen zusammenfiel mit den Presseberichten über den schlechten Zustand der Privatschulen und dem Wiederaufleben des Protestantismus in England.[47] Um die Wende zum neunzehnten Jahrhundert hatte mit dem Evangelikanismus eine neue protestantische „Entdeckungsbewegung“[48] eingesetzt, die neue Standards für die öffentliche Moral festlegte und im Prinzip das verkörperte, was später besonders mit Bezug auf die Mittelklasse als Viktorianismus bezeichnet werden sollte.[49]
Das Konzept, das Arnold an der Schule durchsetzte, war dann auch geprägt von christlichen Werten. Diese sollten zur Bildung einer Klasse christlicher Gentlemen beitragen, also von Männern, die neben Disziplin und sozialem Verantwortungsbewusstsein auch das Selbstbewusstsein vorweisen konnten, nicht nur sich selbst, sondern auch die unteren Klassen zu führen.[50] Diese neue Führungsklasse aufgeklärter und gebildeter Männer sollte eine moralische Nische besetzen, denn Arnold sah für die der Mittelklasse entstammenden jungen Männer keineswegs den Weg des aufstrebenden industriellen Bürgertums vor. Im Gegenteil: Durch den Wert, der auf moralische Erziehung, Charaktertraining, aber auch die Herausbildung des Intellekts gelegt wurde, sollten Vorbilder geschaffen werden, „who would resist the ‚crimes of Toryism’ and the greed and vulgarity of industrialists on the one hand, and the socialistic claims of the oppressed on the other“.[51] In der Tat war es wohl vor allem die radikale Polarität der Bevölkerung, die Arnold abschreckte. Unter dem Eindruck der Arbeitermassen, die in den dreißiger Jahren Parlamentsreformen forderten, formulierte Arnold seine Bildungsziele dahingehend, dass nur die Religion das Land einen könnte und die kommende Führungsriege, an den Privatschulen ausgebildet, demzufolge notwendigerweise eine moralisch-religiöse Erziehung zu genießen hätten: „It is not necessary that this should be a school of 300 or 100, or fifty boys; but it is necessary that it should be a school of Christian gentlemen“.[52]
Besonders Gathorne-Hardy verweist auf den Vorbild-Charakter, den Arnold auf die anderen Public Schools ausübte. Ausgehend davon, dass Arnold nachgesagt worden sei, „by introducing morals and religion into his scheme of education, he altered the whole atmosphere of public school life“[53], verweist Gathorne-Hardy auf die Reihe von Arnolds Berufs- und Zeitgenossen, die nach ihren Amtszeiten als Direktoren von Public Schools religiöse Laufbahnen einschlugen. Einer von ihnen, Samuel Butler, Direktor in Shrewsbury von 1796 an und später Erzbischof, verließ seine Schule 1836 mit einer Rede “arnoldesker” Färbung, in der er seine Nachfolger ermunterte,
to labour faithfully, zealously and happier in their calling, training those who are confined to their care in the principles of religion and sound learning, and endeavouring to make them good Christians, good scholars and honourable and useful members of society.[54]
Der selbe Butler war es übrigens, der zunächst, im Sinne der Privatschulpolitik des beginnenden neunzehnten Jahrhunderts, Fußball als „more fit for farm boys and labourers than for young gentlemen“[55] bezeichnete, angesichts des unaufhaltsamen Aufstiegs der Popularität desselben jedoch später ein Fußballfeld auf dem Schulgelände zur Verfügung stellte.[56]
Nachdem sich die adligen Bildungseinrichtungen für das Bürgertum geöffnet hatten, standen die Schüler vor der Aufgabe der gegenseitigen Integration. Sport und Spiele gehörten zwar bereits seit langem zum Alltag der Freizeitgestaltung, doch erst ab den 1820er Jahren wurden Games auf Grund ihrer integrativen Funktion auch verstärkt sozial funktional. Die erzieherischen Absichten, die im Zuge der Reformen der Public Schools verfolgt wurden, fanden folglich unter anderem in der Weiterentwicklung von Spielsportarten ihren Ausdruck, sie haben aber bis fast zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts bei den noch regellosen Spielen der Jungen untereinander noch gefehlt. Offenbar ging es bei jenen nicht kodifizierten, unorganisierten Menschenaufläufen lediglich um das Demonstrieren von Stärke und um Spaß, denn diese Bigside-Games zwischen zum Teil hundert und mehr Schülern pro Mannschaft „were really battles; furious encounters without rules and without mercy, where bones were often broken and blood poured into the mud.“[57] Diese Spiele waren jedoch trotz der mit ihnen verbundenen Gefahr sehr beliebt, und es wurde viel Zeit für sie verwendet. So durften Schüler in Winchester etwa die Hälfte des Tages mit Sport zubringen, wobei allerdings bis zum späten achtzehnten Jahrhundert Ruderrennen verboten waren.[58] Einen möglichen Grund für das Funktionieren der Spiele trotz des Fehlens verbindlicher Regeln und eines Schiedsrichters fügt Elias hinzu: Ihm zufolge wurden die integrativen und solidarischen Strukturen dörflicher Gemeinschaften auf das Spiel übertragen, so dass die Selbstkontrolle der Menschen stark von der Gemeinschaft bestimmt wurde – eine „auf Fremdzwängen beruhende Affektkontrolle des Einzelnen“ also.[59]
Als wichtig ist dabei im Blick zu behalten, dass es den Schülern zwar erlaubt war, die körperlichen Aktivitäten durchzuführen, dass sie aber zunächst, bis weit in das neunzehnte Jahrhundert hinein, keinerlei Förderung seitens der Schulleitung erwarten durften. Den Schülern selbst blieben Organisation und Austragung der Wettbewerbe überlassen, gelegentlich standen ihnen jedoch professionelle Trainer zur Verfügung.[60] Infolge der großen Begeisterung, die die Schüler dem Sport entgegenbrachten, wuchs gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts schließlich der Wunsch der Schüler, auch schulexterne Vergleiche durchzuführen. Verschiedene Quellen belegen, dass in jener Zeit die verbesserte Infrastruktur einen erheblichen Beitrag zur Realisierung derselben leistete.[61] Die Straßen ebenso wie die Eisenbahnverbindungen waren also so effektiv nutzbar geworden, dass mit vertretbarem Aufwand sportliche Wettbewerbe zwischen verschiedenen Public Schools durchgeführt werden konnten. Auch Gathorne-Hardy führt die Austragung des ersten in Quellen belegten Spiels zwischen zwei englischen Privatschulen auf diese infrastrukturelle Entwicklung zurück – den Cricketvergleich zwischen Eton und Winchester im Jahr 1796.[62]
Der Hauptgrund, der zunächst für Cricket als Vergleichssportart sprach, war die Existenz eines standardisierenden und regulierenden Regelwerks einerseits und eines zentralen Organs andererseits.[63] Dabei handelte es sich um den Marylebone Cricket Club (MCC), der im Jahr 1788 Regeln aufgestellt hatte, die nach der Neuorganisation des Spiels auf aristokratischer Clubebene Allgemeingültigkeit erhielten.[64] Cricket ist allerdings eine typische Sommersportart. Viele seiner Spielelemente, wie etwa die notwendige gute Rasenbeschaffenheit und die lange körperliche Inaktivität einiger Mitspieler, dürften Gründe für die Public Schools gewesen sein, auch eine dem Winter angemessene Sportart zu finden, weshalb die Schüler auf jeweils regionale Versionen des Fußballspiels zurückgriffen. Jede Schule hatte dabei ihre mehr oder weniger eigene Version, die zum Teil sogar noch nach der Gründung der Verbandes Football Association beibehalten wurden:
In the Winchester game […] the whole width of either extremity constitutes „goal“. In most other games a narrower central space, defined by flags, at either end of the ground is goal […]. The Rugbeian system requires the ball to be kicked not only between the goals, but also over a bar […] to win the game. […] As to the numbers employed in a game, eleven or fifteen suffice at Eton and Winchester; tens or even hundreds may engage at Rugby in the great matches, but twenty a side ist the usual array.[65]
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An interesting moment in the development of Rugby – 1852. The ball is being carried, but the game is still, in essence, “a ghastly scrimmage”. Quelle: Gathorne-Hardy S.193.
Den Kontrast zu diesem relativ ungeordnet erscheinenden Spiel, hier als „schreckliches Gedrängel“ bezeichnet, bildete die Harrow-Variante des Fußballspiels, mit geregelter Spieleranzahl übersichtlich und für den Betrachter schon damals überschaubarer.
Angesichts dieser Vielfalt der Spielvarianten mussten bei Schulvergleichen Regeln festgelegt werden, um Uneinigkeit zu verhindern. Die Unterschiede waren aber signifikant genug, um eine tatsächliche Einigung zu verhindern. Denn was Fußball hieß, wurde beispielsweise in Rugby aus der Tradition heraus mehr mit der Hand als mit dem Fuß gespielt, so dass sich die sechs anderen wichtigsten Public Schools auf Grundregeln einigen konnten, Rugby dagegen seinen Stil beibehielt.[66] Der allgemeine Glaube, Rugby hätte sich aus Fußball entwickelt, indem William Webb Ellis den Ball regelwidrig in die Hand nahm und damit zum Ende des Spielfeldes lief, ist also schlichtweg falsch, denn es existierte keine solche allgemeingültige Fußballregel. Auf diesen Punkt wird im späteren Verlauf der Arbeit Bezug zu nehmen sein, wenn es um die Abgrenzung der Sportarten auf Verbandsebene geht. Ein kurzer Einblick in die Paradoxie des vom Rugbyverband lange Zeit aufrechterhaltenen Gründungsmythos soll hier allerdings anhand eines Zeitungsartikels gegeben werden: In der Canberrra Times vom 24. September 2003 stellte der Autor des Artikels „Rugby tradition based on a fable“ dar, dass das Spiel, das Webb Ellis in Rugby spielte, eher dem heutigen Australian Football glich: regel- und zügellos. Deshalb müsse eigentlich statt der Weltmeisterschaft der Rugby Union die australische Meisterschaft im Australian Football um den Webb-Ellis-Cup ausgespielt werden. Thomas Wentworth Spencer Wills dagegen, der als der Begründer des Australian Football gilt, besuchte ebenso wie Webb Ellis die Schule in Rugby, spielte aber im Gegensatz zu letzterem in der Rugbyauswahl der Schule.[67] Die Form des Australian Football lässt also Rückschlüsse auf das Aussehen des Rugbysports in der frühen Mitte des neunzehnten Jahrhunderts zu.
Die verschiedenen Varianten des Fußballspiels etablierten sich somit an den Public Schools als Wintersportarten. Auch wenn zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts die Schulen noch unreformiert und alles andere als ein Hort der moralischen Erziehung waren, lässt diese Etablierung doch darauf schließen, dass Fußball sein Image als Spiel „for the rough-and-ready“[68] nach und nach ablegte. Schließlich waren selbst die raubeinigsten Schüler der Public Schools angehende Gentlemen. Doch der Wert, der den verschiedenen Sportarten beigemessen wurde, war offenbar von Schule zu Schule verschieden. Während an der Mehrzahl der Public Schools Fußball nur als besserer Zeitvertreib angesehen und akzeptiert wurde, gestaltete sich in Rugby dies bis zur Mitte des Jahrhunderts anders:
[…] but at Rugby the case is different: football is there the game of the place. Cricket, though brought to great perfection, is only tolerated when the season will no longer permit of the favourite amusement. Marlborough, an offshot from Rugby, shares ist predilection of the game, but in a minor degree, and allows an equal rank to cricket.[69]
Die erzieherischen Reformen, die von den evangelischen Intellektuellen wie Thomas Arnold ab den 1830er Jahren an den Public Schools durchgeführt wurden, gingen somit chronologisch gesehen einher mit der Durchsetzung des Fußballspiels in seinen Varianten als dort hauptsächlich betriebener Sportart. Rugby aber war sowohl die Schule, in der die Reformen am radikalsten durchgeführt wurden, als auch die Schule, in der sich eine neue Sportart – gefördert durch die Reformer – am stärksten durchsetzen konnte. Zudem sei daran erinnert, dass der Anteil aus der Mittelklasse stammender Schüler in Rugby weit höher war als an den anderen Public Schools. Somit ist ein Zusammenhang hergestellt zwischen der Vorreiterrolle der Schule von Rugby hinsichtlich der moralischen Bildungsziele der neuen Mittelklasse einerseits und dem Ausdruck dieser Rolle in der Sportkultur anderseits. Die signifikanten Unterschiede, die in den sechziger Jahren zur Gründung getrennter Verbände für Rugby und Fußball führten, prägten sich also besonders während der Umgestaltung der Schulen aus, und offenbar besonders in Rugby.
Trotz der genannten Unterschiede zwischen den Public Schools blieb das Ziel der Reformierung das gleiche. Die evangelische Religiosität, die ein Merkmal der neuen Mittelklasse war, drückte sich in den Hauptzielen der Bildung aus: Cox et. alt. geben diese mit Frömmigkeit und Lernfähigkeit an und zitieren einen Zeitgenossen Arnolds, der die Public Schools als „the theatres of athletic manners and the training places of a gallant, generous spirit for the English gentleman“ bezeichnete.[70] Thomas Arnold wird in der Literatur recht einstimmig als Besessener dargestellt – besessen von der Idee, aus seiner Einrichtung eine neue Generation christlicher Gentlemen hervorzubringen, die nicht nur in den Künsten und Wissenschaften ausgebildet, sondern gut ausgerüstet sein sollten, dem Imperium zu dienen, indem sie auf den Sportplätzen die viktorianischen Werte Moral, Führungsqualität, sportliche Haltung und Patriotismus in sich aufnahmen. Hargreaves betont dahingehend, dass sich Arnolds Kampf deshalb ganz besonders gegen die regellosen Spiele richtete, die traditionell unter der Schirmherrschaft des Adels standen. Ihm zufolge förderte Arnold absichtlich ihre Umwandlung in rationelle bürgerliche Spiele und schuf damit das Klima, in dem sich auch später die Spiele weiterentwickeln konnten. Als größte Errungenschaft Arnolds überhaupt sieht Hargreaves die Umwandlung des Popular Folk Football in einen Sport für Gentlemen an – mit einem Kodex, der ihn scharf vom ungeschlachten Spiel der unteren Schichten abhob.[71] Der neu entwickelte und geförderte Athletikkult sollte den zukünftigen Offizieren ein ritterliches Gefühl von Disziplin und Pflicht vermitteln, das beispielhaft für die unteren Klassen sein sollte.[72]
Die Spiele in den Schulen erhielten demnach eine grundlegend neue Bedeutung – was den Direktoren noch bis mindestens zur Jahrhundertwende peinlich gewesen war, wurde nun ihr Stolz.[73] Dies drückt sich nicht zuletzt im Aussehen der Public Schools aus: Während zum Jahnschen Geist deutscher Gymnasien die Schulturnhalle gehört, begannen Rugby- oder Fußballplätze die Schulgelände englischer Privatschulen zu schmücken: die Public School als „an island of mellowed buildings in a sea of well-kept playing fields.“[74] Doch das Konzept, dass Sport und besonders Mannschaftsspiele charakterbildend sind, hatte sich offenbar schon vor der Reformwelle herumgesprochen. So wird von Duke Wellington berichtet, er habe gesagt, Waterloo sei auf den Spielfeldern Etons gewonnen worden.[75] Einerseits ist dies nachvollziehbar, denkt man an die oben aufgeführten reformerischen Ideale. Andererseits liegen zwischen der Schlacht von Waterloo (1815) und dem Dienstantritt Thomas Arnolds in Rugby (1828) dreizehn Jahre. Was Wellington deshalb gemeint haben könnte, war möglicherweise nicht der erzieherische Wert der Sportarten, sondern eher das Kräftemessen und damit verbundene Hervorbringen individueller Führungsqualitäten.
Ungeachtet dessen, ob nun Waterloo eher an ein regelloses Bigside -Spiel erinnerte oder an ein geordnetes Rugby- oder Fußballspiel, ist ein Vergleich besonders von Rugby mit einer militärischen Schlacht durchaus nicht von der Hand zu weisen.[76] So betonen Cox et alt., dass es in Abgrenzung vom Fußball besonders Rugby gewesen sei, von dem im neunzehnten Jahrhundert geglaubt wurde, es stärke „toughness of muscle and toughness of heart“ für die aufkommende Generation nationaler Führer.[77] Auch die Spielweise lässt eher Rugby als Fußball an eine militärische Auseinandersetzung im klassischen Sinn erinnern, denn im Gegensatz zum Fußball müssen im Rugby die Spieler beider Teams strikt auf ihrer Seite bleiben, um ins Geschehen eingreifen zu können. Im Deutschen lässt sich die Bedeutung des Wortes Abseits im Sinne der Rugbyregel nicht herleiten, sie wird aber klar, wenn man an das englische off your side denkt: Genau wie in einem militärischen Kampf damaliger Prägung stehen sich strikt zwei Seiten gegenüber.
Am Beispiel der Abseitsregel ist damit erkennbar, dass sich sowohl die in Rugby gespielte Variante des Fußballs als auch die der anderen Public Schools in nur wenigen Jahren offenbar schnell weiterentwickelten. Die steigende Differenzierung und Komplexität der Spiele kulminierte in den vierziger Jahren dann auch folgerichtig in den ersten Versuchen, die jeweiligen Regeln formal festzulegen und damit in der fast schon offiziellen Teilung des Spieles Fußball in die späteren Bezeichnungen Soccer und Rugby.[78] Auf der offiziellen Homepage des walisischen Rugby-League-Verbandes ist zwar das Jahr 1862 als das der endgültigen Regelgebung angegeben, andere Quellen sprechen jedoch wie Hargreaves von den vierziger Jahren.[79] Cox et alt. zum Beispiel setzen für die erste schriftliche Fixierung der vormals nur mündlich tradierten Rugbyregeln, The Law of Football as Played in Rugby School, das Jahr 1846 an.[80]
Auf diese formale Fixierung der Spielregeln folgte wenige Jahre später die Gründung verschiedener Verbände. Im folgenden Kapitel wird dargestellt werden, wie damit die Trennung endgültig auch offiziell besiegelt wurde und inwiefern Rugby und Fußball ihre klassenspezifische Bedeutung vertiefen. Abschließend jedoch ein literarischer Nachtrag dazu, inwiefern die Konzepte Public School, militärischer Dienst und Sport miteinander verwoben sind. Auch wenn das folgende Gedicht der Nachruf auf einen im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten ist, stellt es die Zusammenhänge der Erziehung an Privatschulen des mittleren neunzehnten Jahrhunderts treffend dar.
In Memory of Lieutenant H.J.O. Leather (Marlborough 1898-1902. Killed in action in France, 2 December 1915)
In the old days, a Voice would call,
A cheery voice, just after Hall;
To Cotton House, gloves, shoes and all,
I’d run, young Leather,
And there we’d knock a little ball
About together,
And now you’ve played a grimmer game;
Old England called – you heard and came
To shot and shell, to fire and flame,
To death or glory
To fight and fall, and link your name
With England’s story.
O cheery voice that once I knew!
O hand and eye so quick and true!
Its [sic!] hard to think on death and you,
Old Friend, together.
Goodbye the old days when the fives-balls flew,
Goodbye, young Leather.[81]
In den vorangegangenen Kapiteln sind die Entstehungsumstände und die dem Rugbysport zugrunde liegende Ideologie näher betrachtet worden. Es ist gezeigt worden, dass es Werte wie moralische Stärke waren, die für gutes Verhalten standen und die auch mit Hilfe von Mannschaftssportarten vermittelt wurden. Doch es ist auch klar geworden, dass die Public Schools keineswegs den Fußball und das Rugbyspiel erfanden. Was die Schulen hervorbrachten, war eine gewisse Uniformität hinsichtlich der Regeln, indem sie die unzähligen lokalen Varianten auf schließlich zwei Hauptformen reduzierten.[82] Diese Regelfindung war ein über viele Jahre hinweg ablaufender Prozess, und es kann kein einzelnes Ereignis als besonders signifikant herausgestellt werden. Genau dieses, ein einzelnes (angebliches) Ereignis, ist jedoch Basis des bereits angesprochenen Gründungsmythos, dem zufolge sich das Rugbyspiel aus dem Fußballspiel entwickelt haben soll. Den Ball in die Hand zu nehmen, das war auch in den Fußballspielen des frühen neunzehnten Jahrhunderts erlaubt, und dennoch erinnert in Rugby eine von der Old Rugbeian Society im Jahr 1895 gestiftete Tafel an „William Webb Ellis who with fine disregard for the rules of football as played in his time first took the ball in his arms and ran with it, thus originating the distinctive feature of the Rugby game.“[83] Dies soll 1823 geschehen sein. Jedoch erst vier Jahre nach Webb Ellis’ Tod, im Jahr 1875, wurde diese Anekdote von einem M. Bloxham niedergeschrieben, offenbar um zu beweisen, dass sich Rugby nicht aus dem volkstümlichen Spiel entwickelt habe.[84] Schon diese Zeitspanne ließ Zweifel an der Wahrheit der Legende aufkommen, dem Autor des Artikels Formation of Rugby zufolge, der auf der offiziellen Homepage des walisischen Rugby-League-Verbandes veröffentlicht ist, weisen zudem nicht einmal Schulaufzeichnungen aus der angeblichen Gründungszeit Anhaltspunkte für ein einzelnes Ereignis auf, das derart dramatische Veränderungen zur Folge gehabt haben könnte.[85] Cox et alt. fügen hinzu, dass es anstelle von Augenzeugen des Ereignisses lediglich vage Erinnerungen eines Achtzigjährigen gegeben habe und dass die Schule in Rugby mit der Verbreitung dieses Mythos ihre Position in der Hierarchie der Public Schools behaupten wollte.[86] Eine eindeutige Klärung kann hier nicht geliefert werden, sie ist auch nicht Zweck der Arbeit. Wichtig ist, dass Rugby parallel zu der heutigen Form des Fußballs entstanden ist und dass es im Rahmen der allgemeinen Regelfindung zur Herausbildung der zwei hauptsächlich gespielten Varianten kam, denen verschiedene soziale Rollen zugeschrieben wurden.
Diese beiden Arten des Spiels bedienten in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts nicht per se jeweilige Klassenklischees. Vielmehr trugen die erneute Verbreitung der nun allerdings geregelten Sportarten über die Schulgrenzen hinweg und die darauf folgende Auslegung von Amateurparagraphen zu einer gezielten sozialen Teilung bei. Anlass für die Verbreitung war der immer stärker werdende Wunsch vieler Schulabgänger, auch nach dem Schulbesuch weiterhin das beliebte Spiel zu betreiben. In der Literatur sind keine genauen Jahresdaten für den zahlenmäßig starken Anstieg außerschulischer Fußball- oder Rugbyspiele zu finden. Es ist aber anzunehmen, dass dieser Anstieg besonders in den dreißiger, mehr noch in den vierziger und fünfziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts stattfand, da dies die Zeit zwischen der Aufwertung der Mannschaftssportarten an den Public Schools und der Gründung des nationalen englischen Fußballverbandes Football Association (F.A.) im Jahr 1863 ist.
Fußball wurde in seiner geregelten Form demzufolge jetzt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, von der sein regelloser Vorgänger durch die Public Schools entlehnt worden war. Die aktive Teilnahme an einer Art Spielbetrieb war für die unteren Schichten jedoch zunächst offenbar nicht im großen Maßstab vorgesehen. Als um 1860 das Interesse an überregionalen Vergleichen groß genug geworden war, stieg die Anzahl außerschulischer Fußballvereine sprunghaft, wobei die besser organisierten von ihnen im Süden Englands von ehemaligen Schülern von Public Schools gegründet wurden.[87] Angesichts des industriellen Gefälles von Nord nach Süd und der damit verbundenen anderen Bevölkerungsstruktur ist es nachvollziehbar, dass die Arbeiterklasse der Midlands und des Nordens Englands die dortige Freizeitkultur stärker mitbestimmen wollte, als dies im Süden der Fall war. Die nördlicheren Vereine waren dann auch vielschichtiger hinsichtlich ihres Ursprungs – West Bromwich zum Beispiel rekrutierte seine Vereinsmitglieder aus den Albion-Werken.[88]
Für die positive Aufnahme der sportlichen Freizeitbeschäftigung unter der arbeitenden Bevölkerung sorgten in der zweiten Hälfte verschiedene Faktoren. Jones führt einerseits eine leichte Lohnerhöhung und den in unteren Schichten fallenden Bierkonsum auf eine verbesserte wirtschaftliche Lage der Arbeiter zurück, was deren Investition in die Freizeitindustrie begünstigt habe.[89] Andererseits habe ab den 1870er Jahren die relativ einheitlich geregelte 54-Stunden-Woche für entsprechend ausreichend Freizeit gesorgt, der nun freie Samstagnachmittag ließ den Besuch bei Fußballspielen zu und sorgte für einen sprunghaften zahlenmäßigen Anstieg der Vereine im Nordwesten und in den Midlands.[90] Der Samstagnachmittag war die bevorzugte Spielzeit an den Public Schools gewesen, wurde zunächst von den ehemaligen Schülern und folgerichtig auch von den zunächst zuschauenden, später selbst spielenden Arbeitern übernommen.[91] Als Beleg für die Abhängigkeit der Popularität des Spiels von den Arbeitszeiten lassen sich zwei Industriestädte vergleichend heranziehen.[92] Für die Masse der arbeitenden Bevölkerung Birminghams waren bereits seit den frühen 1870er Jahren Samstagnachmittage arbeitsfrei, und in den Jahren 1878/79 fanden in der Stadt 800 Fußballspiele statt. Liverpooler Arbeiter dagegen mussten bis in die späten achtziger Jahre an Samstagnachmittagen arbeiten – für 1878/79 sind nur zwei in Liverpool ausgetragene Spiele belegt.
Die eben beschriebenen Vorgänge und Entwicklungen trafen so jedoch nicht auf die von der Schule in Rugby gespielte und verbreitete Variante des Fußballspiels zu. Über die genauen Gründe dafür kann nur spekuliert werden. Schließlich dürften auch die Universitäten von Oxford und Cambridge ein triftiges Motiv gehabt haben, im Jahr 1872 nicht etwa Harrows oder Etons, sondern Rugbys Regelwerk ihrem dritten regelmäßigen Sportvergleich zugrunde zu legen.[93] Anzunehmen ist zwar mit großer Wahrscheinlichkeit, dass der zahlenmäßige Anteil derjenigen Schulabgänger, die die Rugbyvariante spielten, geringer war als der des anderen Codes. Doch dies allein dürfte nicht der Grund für die relative Exklusivität der Rugbyvariante sein. Vielmehr lässt sich die gegenläufige Entwicklung auf die Unmöglichkeit zurückführen, sich außerhalb der Schulen auf ein einziges verbindliches Regelwerk zu einigen. Gerade die Beliebtheit des Spiels hatte im Zuge des oben beschriebenen zahlenmäßigen Anstiegs der Vereine zu einem organisatorischen Problem geführt. Denn wo interne Spielregeln an einzelnen Schulen den dortigen Spielbetrieb problemlos gestaltet haben dürften und wo die relativ schnelle Einigung auf gemeinsame Regeln im Falle von Schulvergleichen auch als sicher gilt, standen die jungen Männer abseits der Public Schools vor dem Problem der Regelvielfalt, das es zu lösen galt. Die bürgerlichen Sportler bemühten sich deshalb um die Schaffung neuer Dachverbände, die als Governing Bodies über die Vereinheitlichung von Regeln einen organisierten, landesweiten Spielbetrieb organisieren konnten. Diese sollten offen sein für alle, die sich ehrenamtliche Arbeit zeitlich und finanziell leisten konnten, und die sich die Bewältigung der organisatorischen Arbeit zutrauten – für Amateure.[94] In Abgrenzung von den adligen Clubmodellen wurden diese Sportverbände, deren Politik von demokratisch gewählten Komitees betrieben wurde, als Association oder auch Union bezeichnet.[95]
Auch die oben beschriebene Übernahme des Fußballspiels nach Harrows Regelcode durch die Arbeiterklasse ist indirekt auf eine Verbandsgründung zurückzuführen – die der F.A. im Jahr 1863. Bei einem ersten Treffen verschiedener Schulvertreter in Cambridge wurde zunächst die Rugbyvariante als zu gefährlich für Erwachsene eingeschätzt, doch es bedurfte eines weiteren Treffens am 26. Oktober 1863, bei dem schließlich von den Vertretern von elf Londoner Vereinen und Schulen die F.A. gegründet wurde.[96] Cox et alt. zufolge wurde das Verbot des Handspiels zu jenem Zeitpunkt noch nicht festgeschrieben, Brailsford jedoch spricht von einem „ban on running with the ball“, der für die Vereine der Rugbyvariante inakzeptabel sein musste.[97] Es dauerte noch mehrere Jahre, bis sich diese Vereine ebenfalls in einem Verband zusammenschlossen, doch im Jahr 1871 wurde mit der Gründung der Rugby Football Union (R.F.U.) die Teilung des Fußballspiels in Soccer und Rugby besiegelt. Offenbar waren die Regeln und Spielweisen zunächst jedoch noch relativ ähnlich, denn bemerkenswert ist, dass einige Vereine zunächst noch in der Lage waren, in beiden Varianten des Spiels Wettkampfsport zu betreiben.[98]
Diese Teilung allein erklärt nicht, warum Soccer der Sport der Arbeiterklasse wurde, Rugby jedoch eine vorwiegend bürgerliche Anhängerschaft aufwies. Hintergrund dafür ist der Beschluss der F.A., nach wenigen Jahren eine Art Professionalismus zuzulassen, während die R.F.U. durch Beibehaltung des bürgerlichen Amateurideals weitestgehend eine soziale Abgrenzung nach unten vornahm. Als konstitutiv für das Amateurideal bezeichnet Eisenberg das Konzept Sportmanship, die Universalmoral der englischen Middle Class.[99] Sportmanship fand seinen Ausdruck im sportlichen Wettstreit, der, wie oben am Beispiel der Schlachtsimulation illustriert, als Abbild der Wirklichkeit fungierte, dabei aber materiell von dieser Wirklichkeit absah. Offensichtliches Leistungsstreben durch lang andauerndes Training wurde von der Mittelschicht als plebejisch angesehen, dem gegenüber standen die Fähigkeit zu verlieren und „meeting“ anstelle von „victory at any cost“.[100] Diese Bedeutung des Amateur Sportsman wurde einem Bedeutungswandel unterzogen, als es offenbar in den sechziger und siebziger Jahren im organisierten Spielbetrieb zu größerem Leistungsstreben kam. Das stärker werdende Verlangen nach spektakulärem Sport und dessen steigende Kommerzialisierung dürften Grund dafür gewesen sein, dass Sportler der Arbeiterklasse ihre Chance darin sahen, durch Ausübung des Sports Geld zu verdienen und damit Professionals zu werden. Die Anzahl der Vereine aus industriellen Regionen und damit die Anzahl der aktiven Fußballspieler aus den Unterschichten stiegen, wie erwähnt, in der späten Mitte des neunzehnten Jahrhunderts stetig. Zunächst reagierte die F.A. zwar mit dem Ausschluss der unliebsamen Professionals, im Jahr 1885 ließ der Verband nach Austrittsdrohungen der Clubs aus Lancashire jedoch eine Form des Professionalismus zu.[101] Nach Cricket war Fußball der zweite Sport geworden, in dem die Beliebtheit bei unteren Schichten die Vermischung von Amateurs und Professionals innerhalb der Mannschaften ermöglichte.[102]
Diese Entwicklungen hatten die oben beschriebenen Auswirkungen der immer schnelleren Verbreitung besonders unter den Arbeitern. Die R.F.U. dagegen öffnete sich nicht dem Professionalism und konnte somit die Einflussnahme durch untere Schichten wenn auch nicht verhindern, so doch wenigstens verzögern. In Schottland hatte diese signifikante soziale Ausgrenzung deutliche Folgen: Während sich das städtische Proletariat von Clydeside und den östlich gelegenen Industrie- und Bergbauregionen vom Rugby weg und dem Fußball zuwandte, dominierten die Public School und die Universität von Edinburgh sowie deren ehemalige Schüler die Rugbyszene.[103] Auch in England verschob sich der Spielbetrieb zusehends nach Norden: 25 Jahre nach Gründung der F.A. durch elf Londoner Schulen und Vereine wurde im Jahr 1888 die erste Meisterschaft nach dem Modell der Hin- und Rückspiele ausgetragen – Ausrichter waren je sechs Vereine aus den Midlands und aus Lancashire.[104]
Die Unterscheidung der Sportarten Fußball und Rugby auf sozialer Ebene kann auch an weiteren Beispielen illustriert werden. So wurde erst 1870 bei einem Fußballspiel die Einführung eines Schiedsrichters notwendig – die Einbeziehung unterer sozialer Schichten erforderte neue Instrumente der sozialen Kontrolle.[105] Es ist tatsächlich nachvollziehbar, dass bei Aussicht auf finanziellen Gewinn diejenigen Sportler, die Sport nicht wegen der Vermittlung moralischer Werte betrieben, eher gefährdet sind Fair Play und Sportmanship zu untergraben. Auch In Birleys Augen unterliegt Fußball gegenüber Rugby hinsichtlich der Charaktereigenschaften der Spieler: „Rugby is the severest test for fair play, for it meant conducting an apparently savage and reckless fight for the ball with the strictest self control.“[106] Fußball dagegen, „the game of the masses“[107], sei kaum für gegenseitiges Verständnis und friedliches Spiel geeignet gewesen. Als ein Beleg gibt Birley das Zuschauerverhalten beim ersten F.A.-Pokalfinale im Wembley an, das zwar erst 1923 stattfand, das aber seiner Meinung nach prototypisch für das Fanverhalten steht: 107.000 Zuschauer sorgten für zerbrochene Barrieren und eine Spielfeldinvasion, was im Rugby völlig unbekannt ist und was zum Teil als unausweichliche Folge von Alkoholismus und maßloser Leidenschaft der Arbeiter für ein eigentlich ehrloses professionelles Spiel gewertet wurde.[108] Im Rugby dagegen ist die Anhängerschaft wesentlich disziplinierter, was übrigens auch der Grund dafür ist, dass Zuschauer eines Rugbyspiels im Allgemeinen nicht gezwungen werden, voneinander getrennt zu sitzen, sondern sich im Stadion vermischen können. Angehörige des Königshauses seien laut Birley auch regelmäßige Zuschauer von Rugbyspielen, besonders in Twickenham, dem berühmtesten Rugbystadion Englands.[109] Als letzter Beleg für die zeitgenössische Rezeption von Rugby als im Vergleich zum Fußball sozial exklusiv soll ein erneuter Ausspruch Kirchners dienen, der bei Birley zu finden ist. Bemerkenswert ist, dass auch hier die Überlegenheit sowohl auf das Spiel selbst, als auch auf die Anhänger bezogen wird: „The rugby game draws quite a different class of people, more select and self.controlled. Rugger is more complicated and requires keener observation [than soccer].“[110]
Trotz der offenbar augenscheinlichen sozialen Abgrenzung gelang es den Verantwortlichen der R.F.U. nicht, ihren Sport vor genau den Problemen zu schützen, die die F.A. zur Akzeptanz des Professionalismus veranlasst hatte. Die signifikante Teilhabe der Arbeiterschaft am organisierten Spiel hatte zwar zunächst vor allem im Fußball dafür gesorgt, dass Spielern Gehälter gezahlt wurden und Sport zunehmend kommerzialisiert wurde, aber über den Sinn der Unterscheidung von Sportler in Amateure und Professionelle ist auch in anderen Sportverbänden viel gestritten worden. Die Existenz so genannter Scheinamateure – in Anspielung auf die Verwässerung des Ideals Amateurism wird zur Offenlegung der inoffiziellen Bezahlung im Allgemeinen der Terminus Shamateurism benutzt – trug im Endeffekt stark dazu bei, dass auch in anderen Sportarten verschieden stark für eine Aufhebung der Regelung plädiert wurde.[111] Beispiele für Verbände, die sich vehement gegen eine offene Professionalisierung ihrer Sportart wandten, sind vor allem die Amateur Athletic Association (A.A.A.) und die R.F.U., die ihre Statute unangetastet ließen, als ob der Sport „in aspic“[112] eingebettet gewesen wäre.
Doch die tatsächliche Integrität des Rugbyverbandes hinsichtlich des Vertretens moralischer Werte ist verschiedenen Quellen zufolge bereits in den Jahren nach der Gründung fraglich gewesen. Denn obwohl dem Rugbysport nachgesagt wurde, seine Wertevermittlung habe immer über finanziellen oder politischen Überlegungen Vorrang gehabt, konnte er nicht von Shamateurism freigehalten werden:
Rugby has always had its slush funds. It was slush money that was the very definition of shamateurism in the old days. It's just moved from the odd 80 quid to 816 grand. Inflation. [...] In the balance between finance and sport, money has won. The cartel comes before the scoreboard.[113]
Sport, so wie wir ihn heute kennen, hat sich nicht auf rationale Art und Weise entwickelt. Viel mehr ist sein Aussehen auf die historische Austragung vielfacher und komplexer Konflikte zwischen verschiedenen sozialen Gruppen zurückzuführen.[114] Brailsford zufolge ist es ein hervorstechendes Element der viktorianischen Sportkultur, dass sie im Vergleich zur Vergangenheit stärker klassenorientiert wurde.[115] Diese Beobachtungen können auch innerhalb des Rugbysports gemacht werden – die Einrichtung formaler Klassenschranken sollte sich kurz vor der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert deutlich auf das Aussehen und den Charakter des Rugbysports auswirken. Butler bezieht sich, wenn er von „shamateurism in the old days“ (siehe oben) schreibt, auf die Kontroverse, die den Rugbysport in eben jenen Jahren erfasste. Angesichts der verbesserten wirtschaftlichen Lage der professionellen Fußballspieler, die aus der veränderten Verbandspolitik Gewinn zogen, begannen auch Rugbyspieler, den von der Verbandsführung strikt propagierten Amateurism anzufechten. Zwischen den 1860er und den 1890er Jahren hatte sich Rugby in England und Wales „like wildfire“[116] verbreitet. Besonders die Angehörigen der Arbeiterklasse fühlten sich vom Charakter des Rugbysports als körperbetontes Mannschaftsspiel angesprochen[117], aber erneut sollte sich, wie auch bei der öffentlichen Übernahme der verschiedenen Varianten des Fußballs, die Beliebtheit des Spiels zum Problem entwickeln. Offiziell durfte, wie gesagt, kein Geld mit dem Sport verdient werden, doch schon vor der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert wurde diese Moral untergraben. Ohne dass die R.F.U. etwas unternahm, wurden beispielsweise im Jahr 1888 die Teilnehmer der Länderspielreise nach Australien bezahlt – der Kapitän Andrew Stoddart soll 200 Pfund erhalten haben.[118] Es ist allerdings hier nicht nachprüfbar, inwiefern sich die Mannschaft aus Spielern der Arbeiterklasse oder aus Gentlemen zusammensetzte, denn hinsichtlich der finanziellen Zuwendungen für Spieler setzte die R.F.U. eine strikte soziale Abtrennung durch: „[The] RFL [sic! Richtig ist RFU. d.A.] stated it was okay for a gentlemen [sic!] to claim a legitimate expense for playing, but a working class player was told ’if they can't afford to play, they should go without the game’.“[119] Eine Art Aufwandsentschädigung für die Spieler höherer Gesellschaftsschichten schien also aus Sicht der R.F.U. zumindest akzeptabel, während Spieler der Arbeiterklasse jegliche finanziellen Aufwendungen offenbar allein tragen mussten. Dem entsprechend diente verschiedenen Quellen zufolge die Forderung nach Amateurism nicht dem Werteerhalt, sondern, wie auch hier ersichtlich, der Benachteiligung der Arbeiterklasse.[120]
Ein weiteres Beispiel Fagans illustriert die Problematik noch deutlicher: 1887 bezahlte der Rugbyclub von Bradford jedem Spieler des Gastvereins aus Blackheath vier Pfund, um die Austragung eines Spiels nicht zu gefährden.[121] Diese Zahlungen wurden deshalb immer wieder vorgenommen, damit die Spieler der Arbeiterklasse, die bekanntlich am Samstagvormittag noch arbeiten mussten, ohne Verdienstausfall auch an Auswärtsspielen teilnehmen konnten. Aus Fagans Angaben ist nicht ersichtlich, um welches Blackheath es sich in seinem Beispiel handelt, aber selbst wenn es das bei Birmingham und damit das Bradford am nächsten gelegene ist, dürfte es kaum möglich gewesen sein, angesichts der Infrastruktur des späten neunzehnten Jahrhunderts in so kurzer Zeit wie einem Nachmittag die Distanz zu überbrücken und somit ein Rugbyspiel zu ermöglichen.
Im Vergleich zu den meisten Vereinen im Süden Englands waren besonders die Vereine Yorkshires relativ offen, was die soziale Stellung ihrer Mitglieder betraf, obwohl auch diese Vereine von Angehörigen der Mittel- oder Oberklassen finanziert wurden.[122] Viele Arbeiter waren aktive Mitglieder der Sportvereine, konnten sich dies aber oftmals finanziell nicht leisten, wie der Fall Blackheath zeigt. Zum Teil wurden zum Beispiel Bergmänner nur für die Zeit bezahlt, in der sie auch wirklich Kohle abbauten, und sogar die Zeit, die nötig war, um an das Ende des Schachts zu fahren, wurde als Arbeitnehmerzeit angesehen.[123] In diesem Fall war es natürlich für viele der Arbeiter so gut wie unmöglich, aktiv am Sport teilzunehmen und eventuell sogar den Samstagvormittag damit zu verbringen, zu einem Auswärtsspiel zu reisen. Die vermeintliche Lösung für dieses Problem waren so genannte broken-time payments, zu denen sich die Vereinsbesitzer bereit erklärten – Ausgleichszahlungen für verlorene Arbeitszeit durch Rugby bei gleichzeitiger Forderung nach Vollzeitbeschäftigung in einem herkömmlichen Beruf.
Die Gründe für das Nachgeben der Vereinsbesitzer waren neben der Notwendigkeit, die Aufmerksamkeit vom professionellen und attraktiven Fußball weg zu lenken, die zunehmende Kommerzialisierung und die Beliebtheit des Rugbyspiels. So waren beispielsweise Investitionen in die Stadien der Grund für die Einführung obligatorischer Eintrittsgelder. Die nun zahlenden Zuschauer waren sowohl an Unterhaltung als auch an Erfolg interessiert, was es für die Vereine notwendig machte, starke Mannschaften aus guten Einzelspielern zu haben. Der regelmäßige finanzielle Ausgleich für Trainings- statt Arbeitszeit war die Konsequenz, gefolgt von im Vergleich zum Arbeitslohn höheren Zahlungen und schließlich vom künstlich geschaffenen Anreiz, für den Verein zu spielen, der die beste Arbeitsstelle zur Verfügung stellte.[124] Der Kompromiss, den die meisten Vereine des Nordens eingingen, resultierte aus der einfachen Aussicht, ohne Spieler der Arbeiterklasse einen Spielbetrieb aufrechterhalten zu müssen, dessen Basis eben diese Arbeiterklasse war. Sie sahen sich also einer Realität ausgesetzt, in der die Optionen limitiert waren: Wären sie der R.F.U. und ihrem Amateurideal treu geblieben, hätte dies das Ende der meisten Vereine in Yorkshire und Lancashire bedeutet.[125] Zudem waren die Vereinsbesitzer oft auch die Besitzer der örtlichen Industrieanlagen, und der Ausschluss der Massen von ihrem beliebtesten Spiel hätte durchaus zu Aufruhr führen können.[126]
Die R.F.U. akzeptierte die Vorgehensweise der nördlichen Vereine jedoch nicht, so dass sich am 29. August 1895 in Huddersfield die Vertreter von zunächst 21, dann 22 der führenden Vereine trafen und die Northern Rugby Football Union (N.R.F.U.) gründeten.[127] Dieser Schritt war vor allem deswegen nötig geworden, weil die offenbar R.F.U. fürchtete, die Spielergewerkschaft und die professionellen Vereine könnten, wie im Fußball passiert, die die Macht des Dachverbandes untergraben und seine Kontrollfunktion schwächen. Doch der neue Verband beließ es nicht bei der bloßen Abtrennung von der R.F.U., sondern sorgte auch für Regeländerungen: Im Jahr 1898 wurde zunächst das lineout abgeschafft, 1906 wurde die Anzahl der Spieler auf dreizehn reduziert, und schließlich wurden ruck und maul durch play-the-ball ersetzt.[128] Diese Änderungen der Spielweise änderten den Charakter des Spiels insofern, als sie die Schnelligkeit des Spiels und damit dessen Attraktivität für Zuschauer erhöhten.
Die Gesamtheit der Veränderungen, von der Professionalisierung bis hin zu den veränderten Regeln, veranlassten die meisten Vereine Nordenglands, den Verband zu wechseln. Während in den Grafschaften Yorkshire und Lancashire im Jahr 1890 noch 240 Vereine in der R.F.U. registriert waren, sank diese Zahl im Zeitraum von nur zehn Jahren auf 25, und bereits weitere vier Jahre später spielten mehr Vereine nach den Regeln der N.R.F.U. als nach denen der R.F.U. [129] Das Regelwerk der N.R.F.U., die 1922 in die Rugby Football League (R.F.L.) umbenannt wurde, entwickelte sich demzufolge in wenigen Jahren zu dem, das die englische Arbeiterklasse mehr ansprach als das vom Süden propagierte Regelwerk der R.F.U. – es hatten sich tatsächlich zwei Sportarten entwickelt. Eng damit verbunden ist seit jener Zeit im Norden Englands eine starke Identifizierung mit Rugby League, die aufgrund der oben aufgeführten Ereignisse und Vorgehensweisen deutlich im sozialwirtschaftlichen Kontext und in dem der Klassendynamik Nord- und Südenglands gesehen werden muss.[130]
Das Ansehen des bezahlten Sportlers in der allgemeinen Öffentlichkeit sollte sich übrigens um die Jahrhundertwende im Vergleich zu den 1870er Jahren deutlich verbessern, was durch ein Zitat Billy Merediths aus dem Jahr 1906 untermauert wird: „We now see him [the professional player] able to take his position in the best of company, and would have no hesitation in asking a lady to take a seat with him in his saloon.“[131]
Folgt man dem Analysefokus der Sozialwissenschaftler Frankfurter Schule, richtet sich hinsichtlich einer sozialen Klasse der Blick weg von der Produktion von Kulturgütern und hin zu den vielfältigen Prozessen des Konsums. Damit rücken Kontexte wie Identität und die damit verbundene alltäglichen Verhaltensweisen verstärkt in das Blickfeld.[132] Es ist im bisherigen Verlauf des Kapitels gezeigt worden, inwiefern die Trennung des professionellen Sports Rugby League vom prinzipiellen Amateursport Rugby Union klassenspezifische Hintergründe hat. Ökonomische Gründe mögen der Vorwand dafür gewesen sein, bestimmte Verhaltensweisen aus dem Sport auszuschließen, doch das eigentliche Ziel der zumeist mittel- oder oberklassestämmigen Vereinsbesitzer und Verbandsbosse scheint doch recht offensichtlich der Ausschluss der Arbeiterklasse aus dem Rugbysport gewesen zu sein. League war schon deshalb dafür prädestiniert, nach der offiziellen Trennung von der R.F.U. als Identifikationsmerkmal der Arbeiterklasse Nordenglands und damit der Region der Industriellen Revolution zu fungieren. Aus diesem Grund ist es League bisher auch nicht gelungen, im britischen Kontext eine Rolle zu spielen, die mit der der R.F.U. vergleichbar wäre.[133] Die eher mäßige Resonanz der Rugby-League-Weltmeisterschaft 2000 in England bestätigt diese Ansicht: Für das Finale im Stadion Old Trafford in Manchester wurden die Tickets für eine der Tribünen des sonst meist ausverkauften Stadions komplett vom Verkauf ausgeschlossen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Endspiel zwischen Australien und Neuseeland um die Weltmeisterschaft des Weltverbandes Rugby League International Federation (R.L.I.F.), Manchester, Old Trafford Stadium, 25. November 2000. Deutlich zu sehen ist der leere Upper East Stand links hinten. Quelle: Fotografie Robert Zech, 2000.
Die Rolle von Rugby League als Träger und Repräsentant einer kollektiven Identität der gesamten Nation ist also eher marginal, lokale Gemeinschaften und die generelle regionale Identität des industriellen Nordenglands finden dagegen stärker ihren Ausdruck in dem Spiel.[134] Die Probleme, die der Verband seit langem mit schwindenden Zuschauerzahlen hat, werden deshalb im Allgemeinen auch auf die zunehmende Deindustrialisierung der traditionellen Industriestädte und –regionen zurückgeführt und damit auf die Aushöhlung der Gemeinschaften der Arbeiterklasse in Nordengland.[135]
Dennoch kann Rugby League nicht lediglich als Identifikationsmerkmal der weißen Arbeiterklasse Nordenglands gesehen werden. In Großbritannien wird dem Sport auch ein Aufblühen innerhalb der Industriestädte zugeschrieben, das auf die Integration und das Zusammenleben einheimischer und zugewanderter Kulturformen zurückzuführen ist.[136] Die sehr offene Verbandspolitik hinsichtlich Rassen und Hautfarben hat auch dazu beigetragen, dass sich Rugby League in den südafrikanischen Townships Alexandria und Soweto etablieren konnte, während Rugby Union teilweise noch immer als der Sport der Apartheid angesehen wird.[137]
Abschließend soll ein kurzer Einblick in die Situation der zwei verschiedenen Rugbyvarianten gegeben werden, wie sie sich während der Weltkriege gestaltete. In Australien, wo Rugby League seit etwa 1907 bekannt war, hatte sich, ähnlich wie in Nordengland, das professionelle Rugby in nur wenigen Jahren verbreitet und war im Jahr 1914 zahlenmäßig stärker vertreten als Rugby Union.[138] Auch dort war die soziale Teilung der Sportarten spürbar und machte sich unter anderem in der unterschiedlichen Reaktion auf den Kriegsausbruch seitens der beiden australischen Verbände bemerkbar, wie der Historiker Murray Phillips ausführt.[139] Rugby Union sagte mit Kriegseintritt Australiens alle Wettkampfspiele ab. Die Herkunft der meisten Rugby-Union -Spieler war bürgerlich, und in ihrem Denken war das alte Ideal der Public Schools verankert – „the value and efficacy of sport for war.“ Somit fühlte sich der Verband verpflichtet, alle Anstrengungen auf die Rekrutierung von Soldaten zu verwenden. Die Austragung von Spielen und der damit verbundene Unterhaltungswert ließ sich nach Verbandsansicht nicht mit dem Fakt verbinden, dass zur gleichen Zeit Menschen auf den Schlachtfeldern getötet würden. Die einzige Möglichkeit für Australier, dem Sport Rugby Union während des Ersten Weltkriegs nachzugehen, war innerhalb der Streitkräfte, wo wiederum Rugby League verboten war.[140]
Der australische Rugby-League- Verband nahm eine wesentlich pragmatischere Position ein. Spiele wurden im Normalfall nicht abgesagt, denn man war der Meinung, dass man den Krieg ohnehin mit aller Kraft unterstützen würde. Andererseits spielten noch andere Gründe eine Rolle. Während die meisten Rugby-Union -Spieler als Offiziere dienten und sich in das Abenteuer stürzten, als das der Krieg damals offenbar noch erschien, konnten sich viele der arbeitenden Rugby-League -Spieler den Krieg finanziell nicht leisten, oder aber die heimische Industrie war auf ihre Fähigkeiten angewiesen.[141] Zudem gab es im damaligen Australien eine große Anzahl irisch-katholisch-stämmiger Rugby-League- Spieler, die kein Interesse daran hatten, Großbritannien zu unterstützen, das noch immer die Kontrolle über Irland ausübte.[142] Nach dem Easter Rising im Jahr 1916 verstärkte sich dieses Gefühl weiter, und so gab es einerseits genügend Spieler, um den Spielbetrieb der Rugby League fortzusetzen, andererseits hatte die unterschiedliche Sicht auf die historischen Ereignisse ihren Einfluss auf die unterschiedliche Handhabung des Spiels seitens der Verbände.
Das zweite Beispiel betrifft Frankreich, genauer gesagt die Sportpolitik des Vichy-Regimes während des Zweiten Weltkriegs.[143] Im Dezember des Jahres 1941 unterzeichnete Philippe Petain das Verbot von Rugby League in Frankreich. Der Sport war dort erst 1934 bekannt geworden, hatte sich aber, wie auch in Australien, in kürzester Zeit zu einem ernsthaften Konkurrenten für Rugby Union entwickelt. Im Jahr 2002 kam eine Regierungskommission zu dem Ergebnis, dass Verantwortliche aus dem französischen Rugby-Union- Verband ihren Einfluss bei der Petain-Regierung geltend gemacht hätten, um den unliebsamen, relativ neuen Sport zu diskreditieren. Das Problem, das der bürgerlich-konservativ geführte Verband hatte, war ein deutlich sozial geprägtes: Rugby League war professionell, wurde als innovatives und modernes Spiel angesehen und, was der wahrscheinlich wichtigste Grund war, der Sport hatte eine enge Verbindung zur linken Volksfront, die 1936 an die Macht gekommen war. Auch wenn das Verbot von Rugby League in Frankreich nach dem Krieg wieder aufgehoben wurde, konnte sich der Sport nicht mehr erholen und genießt kaum öffentliches Interesse. Erst seit 1992 darf er sich wieder Rugby nennen, bis dahin war es das „Spiel für dreizehn“ – jeu á treize.
Die klassenspezifischen Aspekte der zwei Varianten des Rugbysports sind demnach nicht nur in Großbritannien spürbar gewesen, sondern waren in verschiedenen Regionen und unter den verschiedensten kulturellen und politischen Voraussetzungen allgegenwärtig. Rugby League wird als der Sport der Arbeiterklasse wahrgenommen, Rugby Union dagegen wahrte lange Zeit sein Image als bürgerlicher Sport, den Traditionen der Public Schools und dem Ideal des Amateurism verhaftet. Was als rein ökonomische Überlegung von Bergmännern und Vereinsbesitzern Nordenglands einerseits und als Reaktion der R.F.U. andererseits begonnen hatte, entwickelte sich schließlich zu einem Ausdruck sozialer Identität.
Der Streit zwischen den Verbänden wird auch noch im Jahr 2004 offen ausgetragen. Die Sicht der R.F.U. auf Rugby League ist seit jeher charakterisiert gewesen von „a peculiar mixture of obscurantism and snobbery“[144], weshalb es Rugby-League- Spielern bis vor wenigen Jahren nicht erlaubt war, den Verband zu wechseln – die Verantwortlichen der R.F.U. fürchteten, der Amateurstatus des Sports könnte durch die ehemaligen Professionals gefährdet werden. Erst der Entschluss des International Rugby Football Board (I.R.F.B.), von 1995 an das Amateurprinzip, auf dem das Spiel begründet worden war, als nicht mehr zeitgemäß zu deklarieren, brachte Professionalism folgerichtig auch in den Rugbysport nach Union- Regeln. Während vor dieser Zeit Rugby-Union -Spieler häufig aus finanziellen Gründen den Verband wechselten, ist seit der Professionalisierung der R.F.U. eine gegenläufige Tendenz zu beobachten: Der internationale Rang von Rugby Union verspricht weit größere öffentliche Aufmerksamkeit. So wird von R.F.L. -Verantwortlichen die mangelnde Berichterstattung in der seriösen Presse beklagt, die nach ihrer Meinung Resultat der traditionell gewachsenen sozialen Kontakte ist: „Rugby League still, as it has done for generations, faces the deeply ingrained prejudices of those people who control access to national newspaper columns.“[145] Dieser Grund verstärkt, neben dem der Professionalisierung, verständlicherweise den Drang von Rugby-League -Spielern nach einem Verbandswechsel, und 1994 wurde im britischen Unterhaus die Sports Discrimination Bill eingereicht, um die traditionelle Haltung der R.F.U. den Realitäten anzupassen. Spieler dürfen nun die Verbände frei wechseln, sehen sich aber immer wieder Vorbehalten und Vorurteilen ausgesetzt, die auf den klassenspezifischen Hintergründen der Verbände beruhen.
Was die Zukunft der Verbände betrifft, sieht sich die R.F.U. in der besseren Ausgangslage. Von Seiten der R.F.L. wurde bereits kurz nach der Professionalisierung der R.F.U. spekuliert, dass sich die Codes in absehbarer Zeit vereinigen könnten, und der Misserfolg der Weltmeisterschaft 2000 (siehe oben) lässt tatsächlich nichts Gutes für die Zukunft von Rugby League vermuten. Wie sehr allerdings Verantwortliche noch in Antagonismen verhaftet sind, zeigen die abschließenden Zitate.
"I hate rugby union, I don't want anything to do with it. And I wouldn't like to be the person who has to get rugby league supporters on side."[146] (namentlich nicht genannter Vorsitzender eines Vereins der britischen Super League)
"The basic economics that drives professional sport will force the issue. Rugby union in the United Kingdom, in Europe, is growing strongly. It's making strong financial progress and league is finding it difficult. That's the thing that will resolve it."[147] (Peter Wheeler, Vorsitzender des R.F.U. -Vereins Leicester Tigers)
Verzeichnis verwendeter Literatur
Monographien
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[...]
[1] Im späteren Verlauf des Texts wird Bezug darauf genommen werden, dass die Geschichte des Schülers Ellis, der beim Fußballspiel den Ball verbotenerweise in die Hand genommen und damit das Rugbyspiel begründet haben soll, wiederholt angefochten und zur Legende erklärt worden ist.
[2] Die USA gehörte zwar zu den Kolonien Englands, war aber zu der Zeit, als sich das Rugbyspiel entwickelte, bereits ein unabhängiger Staat geworden. Zu den teilnehmenden Nationen siehe Anhang.
[3] Vgl. Cox et alt. S.123 Neben Rugby gehörten Charterhouse, Eton, Harrow, Shrewsbury, Westminster und Winchester zu den sieben ältesten und angesehensten „Public Schools“. Andere Quellen sprechen von den „Sacred Nine“ und schließen damit die Schulen St. Pauls und Merchant Taylors’ ein. (Vgl. Ahrens S.527)
[4] Vgl. Wende S.147 An anderer Stelle betont Wende jedoch, dass in Großbritannien die ständische Gesellschaft eher als „fein ausdifferenzierte Statusgesellschaft“ zu bezeichnen sei, da die große Bedeutung von Eigentumsverhältnissen für den individuellen Status innerhalb der Gesellschaft eine größere Rolle gespielt habe als im Rest Europas. Damit sei eine wesentlich höhere soziale Mobilität möglich gewesen. Vgl. Wende S.13.
[5] Die Spaltung wurde unter anderem 1845 vom späteren Premierminster Benjamin Disraeli ausgedrückt, der Großbritannien geteilt sah in „two nations … who are formed by a different breeding, are fed by a different food, are ordered by different manners”. Vgl. Watts S.29
[6] Vgl. Brailsford S.98: „The class divisions of Victorian Britain found one of their many expressions in the line that was gradually more firmly drawn between the amateur players and the rest.”
[7] Vgl. Brailsford S.97
[8] Der Begriff „Klasse“ im Hinblick auf die arbeitende Bevölkerung ist hier im Prinzip nicht angebracht, da sich das Klassenbewusstsein der Arbeiter in Großbritannien erst später entwickelt hat. Im hier vorliegenden Fall allerdings fasst der Begriff „arbeitende Klasse“ die Masse derer zusammen, die von Hobsbawm als „labouring poor“ bezeichnet werden. (vgl. Wende S.147)
[9] Vgl. Gathorne S.51 Beide Häuser des englischen Parlaments setzten sich bis weit ins 19. Jahrhundert fast ausschließlich aus Adligen zusammen – aus der Aristocracy im Oberhaus und der Gentry im Unterhaus. Erst 1830 wurde mit tief greifenden Reformen begonnen, die 1832 im ersten Reform Act resultierten. Vgl. Schröder S.38ff.
[10] Vgl. Gathorne-Hardy S.51 Der Autor bezieht seine Ausführung auf Verhaltensweisen wie „ways of speaking, dressing, ways of holding their knives and forks, styles of writing letters and so on“, welche von den oberen Schichten zum Stiften der Identität entwickelt worden waren.
[11] Vgl. Thien S.247
[12] ebd.
[13] Als Beispiele wären die Independent Labour Party (1893) und das Labour Representation Committee zu nennen. Vgl. Wende S.223
[14] Vgl. Hargreaves S.38
[15] Vgl. Clarke/Critcher S.56
[16] Vgl. Ahrens S.523
[17] Vgl. Thien S.249
[18] ebd.
[19] Vgl. Hargreaves S.25ff. Die Sunday School Movement, in der der Methodismus die bedeutendste Komponente war, wird trotz allen bildungstechnischen Engagements vor allem mit den Versuchen assoziiert, die Freizeit der Angehörigen der Arbeiterklasse in Anspruch zu nehmen und diese zur Teilnahme an sportlichen Aktivitäten zu bewegen. Beispiele für einen eventuell auch systematischen Charakter einer sportlichen Ausbildung sowie für deren Aussehen gibt der Autor nicht.
[20] Vgl. Catterall S.642
[21] Vgl. Thien S.250
[22] Vgl Cox et. alt. S.121 Genaue Angaben bleiben die Autoren allerdings schuldig.
[23] Vgl. Thien S.250
[24] Vgl. Riordan S.25
[25] Vgl. Brailsford S.97
[26] Vgl. Hargreaves S.20
[27] Vgl. Hargreaves S.21
[28] Vgl. Cox et. alt. S.121
[29] ebd.
[30] ebd.
[31] ebd.
[32] Vgl. Hargreaves S.38
[33] Vgl. Ahrens S.527
[34] Vgl. Gathorne-Hardy S.50
[35] Vgl. Die Geschichte des Fußballs. Der Angabe Gathorne-Hardys ist sicher eher zu trauen. Die frappierende Differenz illustriert jedoch die für jenen Zeitraum generell oft schwankenden Zahlen.
[36] ebd.
[37] Vgl. Wende S.14
[38] Vgl. Wende S.15
[39] Vgl. Wende S.14
[40] Vgl. Hargreaves S.38
[41] Vgl. Gathorne-Hardy S.69f
[42] Vgl. Gathorne-Hardy S.70
[43] Vgl. Cox et. alt. S.124
[44] Vgl. Gathorne-Hardy S.72
[45] Vgl. Holt, R. S.75
[46] Vgl. Hargreaves S.39
[47] Vgl. Gathorne-Hardy S.70
[48] Vgl. Wende S.77
[49] ebd.
[50] Vgl. Hargreaves S.39
[51] ebd.
[52] Vgl. Gathorne-Hardy S.72
[53] Vgl. Gathorne-Hardy S.71
[54] Vgl. Gathorne-Hardy S.74
[55] Vgl. Holt, R. S.74
[56] ebd.
[57] Vgl. Gathorne-Hardy S.52
[58] Vgl. Gathorne-Hardy S.53
[59] Vgl. Elias S.102
[60] Vgl. Cox et alt. S.124
[61] Vgl. Gathorne-Hardy S.52
[62] ebd. Der Autor fügt jedoch hinzu, dass es wahrscheinlich schon eher sporadische Schulvergleiche gegeben habe. Dies dürfte besonders für nicht weit voneinander entfernte Schulen zutreffen, während die landesweiten Wettbewerbe im großen Stil tatsächlich auf die infrastrukturellen Verbesserungen angewiesen gewesen sein dürften. Cox et. alt. sprechen bezüglich der ersten Aufzeichnungen von Cricketspielen zwischen Eton und Winchester übrigens erst vom beginnenden neunzehnten Jahrhundert.
[63] Vgl. Cox et alt. S.124
[64] Vgl. Cox et alt. S.241
[65] Vgl. Football. Der Artikel wurde 1867 veröffentlicht, also vier Jahre nach Gründung der Football Association. Daran ist erkennbar, dass trotz Verbandsgründung und damit verbundener Regelfestlegung die Schulen größtenteils an ihren eigenen Regeln festhielten, während für die landesweiten Vereine ein verbindliches Regelwerk geschaffen wurde.
[66] Vgl. Fagan. An anderer Stelle wird darauf hingewiesen, dass nicht überliefert ist, seit wann in Rugby das „handling-running game“ gespielt wird, mit Sicherheit jedoch schon vor 1823, dem Jahr des angeblichen Zwischenfalls mit Webb Ellis (vgl. Rugby tradition based on a fable).
[67] Vgl. Rugby tradition based on a fable
[68] Vgl. Brailsford S.94
[69] Vgl. Football. Bis zum Ende des Jahrhunderts hatte sich auch an anderen Schulen die Ausübung des Fußballspiels weitgehend als mindestens gleichwertig durchgesetzt. Edmund Warre, Direktor in Eton zwischen 1884 und 1905 wird mit folgenden Worten zitiert: „Any lower boy in this house who does not play football once a day and twice on half holiday will be fined half a crown and kicked” (vgl. Holt, R. S.76).
[70] Vgl. Cox et alt. S.124
[71] Vgl. Hargreaves S.39 Dem Autoren zufolge schuf Arnold vor allem neue Autoritätsbeziehungen innerhalb der Schule, indem er durch verstärkte Kontrollen die aristokratische Dominanz eliminierte, ohne jedoch die traditionell gewachsenen Beziehungen zwischen jüngeren und älteren Schülern zu zerstören.
[72] Vgl. Cox et alt. S.260. Die Autoren legen großen Wert darauf, dass auch die Bewegung Muscular Christianity ihre Wurzeln in den englischen Privatschulen hat. Diese kirchliche Bewegung hatte es sich zum Ziel gesetzt, effektive Strategien zur Integration einer zunehmend radikalisierten und entfremdeten Arbeiterklasse zu entwickeln (S.322), war maßgeblich an der Entwicklung einer Sportethik beteiligt (vgl. S.115) und vertrat die Ansicht, dass Mannschaftssport auf Wettkampfbasis auf moralischer wie körperlicher Gesundheit aufbaue (vgl. S.124). Körperliche Stärke war in der Ideologie der Muscular Christians positiv und religiös konnotiert, denn sie war nach Ansicht der Bewegung nötig, um den Anforderungen frommer Arbeit und gehorsamen Verhaltens gerecht zu werden (vgl. S.322).
[73] Vgl. Brailsford S.97
[74] Vgl. Mangan S.99. Der Autor beschreibt anschaulich den Blick auf die 34(!) Spielfelder der Schule von Harrow.
[75] Vgl. Cox et. alt S.260
[76] Aus dem ungezügelt brutalen Spiel wurde ein „’Scheinkampf’, ein Wettkampf auf höherem Zivilisationsniveau“ (vgl. Geschichte des Fußballs).
[77] Vgl. Cox et. alt. S.124
[78] Vgl. Hargreaves S.39
[79] Vgl. Formation of Rugby
[80] Vgl. Cox et alt. S.16. Damit wurden die Regeln des Codes von Rugby drei Jahre vor dem ersten schriftlichen Verbot des Handspiels, und damit vor den ersten festen Fußballregeln festgelegt. Allerdings hatte sich auch Cambridge bereits 1846 für ein Verbot des Handspiels ausgesprochen (vgl. Geschichte des Fußballs).
[81] Vgl. Mangan S.263
[82] Vgl. Brailsford S.94. Es sei jedoch daran erinnert, dass für den jeweiligen Gebrauch an den Schulen selbst die verschiedenen Spielformen teilweise beibehalten wurden.
[83] Vgl. Cox et alt. S. 271 und S.339
[84] Vgl. Formation of Rugby. Cox et alt. sprechen von 1877 als Entstehungsjahr des Mythos.
[85] Vgl. Formation of Rugby
[86] Vgl. Cox et alt. S.271
[87] Vgl. Brailsford S.94
[88] Vgl. Brailsford S.96
[89] Vgl. Jones S.225
[90] Ebd. Ein dritter von Jones angeführter Grund ist das verbesserte Transportsystem – ein Grund, der schon für die innerschulischen Vergleiche der Public Schools eine Rolle gespielt hatte. Brailsford fügt am Beispiel Blackburns hinzu, dass Fußball ein Freizeitvakuum der arbeitenden Bevölkerung gefüllt habe. Diese sei es gewohnt gewesen, die freien Nachmittage in moralisch fragwürdigen „singing rooms“ zu verbringen und danach exzessiv zu trinken (vgl. Brailsford S.95).
[91] Vgl. Brailsford S.95. Brailsford gibt an, dass bereits in den vierziger Jahren begonnen wurde, Fabriken an Samstagnachmittagen zu schließen.
[92] Die folgenden Angaben beziehen sich auf Eisenberg S.45.
[93] Vgl. Brailsford S.96 Rugby wurde ein halbes Jahrhundert nach dem Ruderrennen und dem Cricketspiel als Vergleichwettkampf eingeführt.
[94] Vgl. Eisenberg S.61
[95] Vgl. Eisenberg S.62
[96] Vgl. Cox et alt. S.16
[97] Ebd. sowie Brailsford S.95 Möglich ist, dass der Ball mit der Hand berührt oder gefangen werden durfte, dass jedoch kein Raumgewinn durch das Tragen des Balles erzielt werden durfte.
[98] Vgl. Brailsford S.95 Brailsford fügt hinzu, ohne allerdings eine zeitliche Abgrenzung zu liefern, dass Zeitungen fortfuhren, Berichte über beide Spielvarianten unter der Überschrift „Football“ zu veröffentlichen.
[99] Vgl. Eisenberg S.69. Auch die folgende Erklärung des Begriffs bezieht sich, wenn nicht anders angegeben, auf die genannte Quelle.
[100] Vgl. Eisenberg S.63
[101] Vgl. Brailsford S.99, Cox et alt. S.17 und S.305
[102] Vgl. Arundel / Roche S.63. Auch nach der Professionalisierung wurde die F.A. von bürgerlichen Gentlemen geleitet (vgl. Eisenberg S.69).
[103] Vgl. Birley S.173
[104] Vgl. Cox et alt. S.17
[105] Vgl. Der Fair-Play-Gedanke bei Sportwettkämpfen des englischen Adels
[106] Vgl. Birley S.172 Birley zitiert hier einen nicht näher beschriebenen Mr. Kirchner.
[107] Ebd. An anderer Stelle ist zu lesen, dass „football […] the greatest interest in the life of the ordinary working boy“ gewesen sei (vgl. McKibbin S.147).
[108] Vgl. Birley S.177
[109] Vgl. Birley S.173
[110] Ebd.
[111] Vgl. Eisenberg S.67
[112] Vgl. Holt, R., Mason S.2 Auch die eher nüchterne und realistische Gegenseite des Fußballverbandes wird zitiert: "In an age of change where the benefits of technological progress, particularly affluence, mobility and mass communication, were radically transforming our lives, it was inevitable that our attitudes and habits in sport and physical recreation would also."
[113] Vgl. Butler
[114] Vgl. Riordan S.17
[115] Vgl. Brailsford S.91
[116] Vgl. Rugby’s Split – Forming of League
[117] Ebd.
[118] Vgl. Fagan The Great Divide of 1895 (England)
[119] Vgl. Rugby’s Split – Forming of League
[120] Vgl. z.B. Brailsford S.99
[121] Vgl. Fagan The Great Divide in 1895 (England)
[122] Ebd. Fagan nennt das Beispiel des Hull F.C., der von einem im Rugby ausgebildeten jungen Gentleman gegründet wurde, aber von Beginn an Klempner und Glaser aufnahm. Ein sehr seltenes Beispiel ist der Verein Leeds Athletic, der sogar von Angehörigen der Arbeiterklasse initiiert wurde.
[123] Vgl. Rugby’s Split – Forming of League
[124] Vgl. Brailsford S.99
[125] Vgl. Fagan The Great Divide in 1895 (England)
[126] Vgl. Rugby’s Split – Forming of League
[127] Vgl. Cox et alt. S.336
[128] Ebd. Die Regelmodifizierungen zu Gunsten der Spielgeschwindigkeit hielten an – 1966 kam es zur Einführung des limited tackle.
[129] Vgl. Rugby’s Split – Forming of League
[130] Vgl. Arundel / Roche S.64. Der Begriff Rugby League wird im weiteren Verlauf der Arbeit synonym für das Regelwerk der N.R.F.U. und das der R.F.L. verwendet.
[131] Vgl. Heads. Der walisische Fußballer Billy Meredith spielte bis zu seinem fünfzigsten Lebensjahr, zwischen 1894 und 1924, bei Manchester City und Manchester United, galt als „sporting hero“ (vgl. Cox et alt S.369) und kämpfte als Vorsitzender der 1907 neu formierten Spielergewerkschaft (mit eher mäßigem Erfolg) um Gehaltsreformen seitens der F.A. (vgl. Cox et alt S.305).
[132] Vgl. Lines S.vi
[133] Vgl. Arundel / Roche S.60. Die Autoren geben an, dass er außer in London in keiner südlichen Region Englands Rugby-League-Vereine gibt. Yorkshire, Lancashire und Cumbria seien die vorherrschen Regionen dieses Sports in England (vgl. Arundel / Roche S.63).
[134] Vgl. Roche S.59
[135] Ebd.
[136] Vgl. Melling
[137] Vgl. Wilson (23). Der Gewinn der Weltmeisterschaft des Rugby-Union -Weltverbandes 1995 durch Südafrika hat, vor allem durch die repräsentierte Offenheit Nelson Mandelas, allerdings zu einer Entspannung der Lage beigetragen. Zudem wurde, um das Spiel unter Nichtweißen populärer zu machen, in der südafrikanischen Liga Super 12 in den neunziger Jahren eine Quote eingeführt (vgl. Holt, K. S.70).
[138] Vgl. Williams
[139] Vgl. Lest We Forget - Sport and War Die nachfolgenden Angaben zu Australien beziehen sich, sofern nicht anders angegeben, auf diese Quelle.
[140] Vgl. Williams. Rugby-League- Spielern wurde es erlaubt, für diese Zeit Rugby Union zu spielen, was ohne den Krieg nicht möglich gewesen wäre.
[141] Vgl. Williams
[142] Ebd.
[143] Alle Angaben bezüglich Frankreich sind Schofield entnommen.
[144] Vgl. Brailsford S.99
[145] Vgl. Melling
[146] Vgl. Wilson (24)
Der Text ist eine umfassende Analyse der Ursprünge und der sozialen Aspekte des Rugbysports, insbesondere im Vergleich zum Fußball. Er untersucht die Ideologien, die hinter der Entwicklung des Rugbysports stehen, beginnend mit den englischen Public Schools und ihrer Rolle bei der Formung von Werten wie Amateurismus und Sportlichkeit. Der Text behandelt auch die Spaltung innerhalb des Rugbysports in Rugby Union und Rugby League, die durch klassenspezifische Unterschiede und die Frage des Professionalismus entstanden ist.
Die Public Schools, insbesondere die Rugby School, waren entscheidend für die Entwicklung des Rugbysports. Sie entwickelten organisierte Spiele als pädagogische Werkzeuge und förderten Werte wie Disziplin, Führung und moralische Stärke. Die Ideologie der Mittelklasse, die in diesen Schulen vorherrschte, trug maßgeblich zur Kodifizierung des Rugby-Regelwerks bei.
Bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts eher regellosen Fußballspiel der Public Schools entwickelten sich die zwei unterschiedlichen Regelwerke des Association Football (Soccer beziehungsweise Fußball) und Rugby Football (Rugby). Im Jahr 1863 trennte die Gründung der Football Association nur diejenigen Spieler, die den runden Ball mit dem Fuß treten, von denen ab, die den ovalen Ball vorrangig mit der Hand spielen. Vielmehr wurde eine strikte soziale, ökonomisch begründete Ausgrenzung vorgenommen, welche den Verfechtern der letzteren Spielvariante die Werte erhalten sollte, deren Ursprung in den Schulen der oberen Mittelklasse lag und die sie – wie auch die Offiziellen anderer Sportverbände – durch die uneingeschränkte Öffnung des Sports hin zur Arbeiterklasse gefährdet sahen: Amateurism und Sportmanship.
Der Gründungsmythos besagt, dass William Webb Ellis im Jahr 1823 in der Rugby School beim Fußballspiel den Ball in die Hand nahm und damit zum Ende des Spielfeldes lief, wodurch das Rugbyspiel entstand. Diese Geschichte ist umstritten, da es keine zeitgenössischen Beweise dafür gibt und einige Quellen darauf hindeuten, dass Rugby parallel zum Fußball entstanden ist.
Die Spaltung entstand aufgrund von klassenspezifischen Unstimmigkeiten und der Frage des Professionalismus. Die Rugby Football Union (RFU) beharrte auf dem Amateurideal, während Vereine im Norden Englands, wo viele Spieler aus der Arbeiterklasse stammten, eine Form des Professionalismus forderten, um ihre Spieler für den Verdienstausfall zu entschädigen. Dies führte zur Gründung der Northern Rugby Football Union (NRFU), später Rugby Football League (RFL), im Jahr 1895.
Rugby Union wurde als Sport der bürgerlichen Oberschicht wahrgenommen, während Rugby League als Identifikationsmerkmal der Arbeiterklasse in Nordengland diente. Die RFU wurde beschuldigt, die Arbeiterklasse zu diskriminieren, indem sie es ihnen verbot, für das Spielen bezahlt zu werden. Dies trug zur Entstehung einer starken Identität rund um Rugby League in den traditionellen Industriestädten bei.
In Australien sagte Rugby Union mit Kriegseintritt Australiens alle Wettkampfspiele ab. Die Herkunft der meisten Rugby-Union -Spieler war bürgerlich, und in ihrem Denken war das alte Ideal der Public Schools verankert – „the value and efficacy of sport for war.“ Die Austragung von Spielen und der damit verbundene Unterhaltungswert ließ sich nach Verbandsansicht nicht mit dem Fakt verbinden, dass zur gleichen Zeit Menschen auf den Schlachtfeldern getötet würden. Der australische Rugby-League- Verband nahm eine wesentlich pragmatischere Position ein, denn man war der Meinung, dass man den Krieg ohnehin mit aller Kraft unterstützen würde.
Der Streit zwischen den Verbänden wird auch noch im Jahr 2004 offen ausgetragen. Die Sicht der R.F.U. auf Rugby League ist seit jeher charakterisiert gewesen von „a peculiar mixture of obscurantism and snobbery“ weshalb es Rugby-League- Spielern bis vor wenigen Jahren nicht erlaubt war, den Verband zu wechseln. Seit der Professionalisierung der R.F.U. eine gegenläufige Tendenz zu beobachten: Der internationale Rang von Rugby Union verspricht weit größere öffentliche Aufmerksamkeit.
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Gast
Tolle Arbeit.
Vielen Dank für diese Arbeit. Echt interessant zu lesen. Nun weiß ich endlich wie Rugby richtig entstanden ist. Also nicht nach der Webb Ellis Legende.
SUPER,
Peter
am 12.11.2008