Bachelorarbeit, 2019
59 Seiten, Note: 1,3
1 Einleitung
2 Resozialisierung als Ziel des Strafvollzugs
2.1 Der Diskurs über Resozialisierung
2.2 Rückfälligkeit - Die Wirksamkeit des Strafvollzugs
3 Maßnahmen während und nach der Haft
3.1 Behandlungsmaßnahmen während der Inhaftierung
3.1.1 Arbeitsmaßnahmen
3.1.2 Bildungsmaßnahmen
3.1.3 Offener Vollzug und Vollzugslockerungen
3.2 Das Übergangsmanagement
3.3 Behandlungsmaßnahmen nach Entlassung
3.3.1 Die Bewährungshilfe
3.3.2 Die Freie Straffälligenhilfe
4 Die Hürden der Resozialisierung
4.1 Die Hürden der Justiz
4.2 Die Auswirkungen des Strafvollzugs auf den Inhaftierten
5 „Desistance“- Wege des Abstandnehmens von Delinquenz
5.1 Theorien und Modelle
5.2 Resozialisierung und Desistance
6 Schlussbetrachtung
7 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Im Jahr 2017 waren in den 186 Justizvollzugsanstalten in Deutschland 51.643 Gefangene untergebracht, davon sitzen 48.609 männliche Inhaftierte eine Freiheitsstrafe ab (vgl. Statistisches Bundesamt 2018: o.S.). Die Unterbringung der Straftäter dient der Sicherheit der Gesellschaft (§2 Strafvollzuggesetz StVollzG).
„But they all come back“ (Travis 2005).
Die Entlassung in die Freiheit weist zum einen die Chance eines Neuanfangs auf, bringt aber auch die Gefahr des erneuten Scheiterns mit sich. In einem funktionierenden Sozialstaat muss sowohl die Sicherheit der Gesellschaft als auch die aktive Hilfe und Möglichkeit den entlassenen Straftäter1wieder in die Gesellschaft aufzunehmen, gegeben sein. Die Entlassenen haben ein Recht auf eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft ohne Ausgrenzung - „Alle Menschen sind vor dem Gesetzt gleich“ (Artikel 3, Abs. 1 Grundgesetz GG) - doch werden ehemalige Straftäter wirklich nicht stigmatisiert? Welche Auswirkungen hat ein Haftaufenthalt und die damit einhergehende Delinquenz auf die weitere Lebenssituation? Ist das Gefängnis der richtige Ort für Erziehung, Förderung und Behandlung straffällig gewordener Menschen?
Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die Frage: Inwieweit gelingen Resozialisierungsprozesse männlicher Inhaftierte im Strafvollzug für Erwachsene? Es wird erörtert, welche Maßnahmen es aktuell gibt, um eine Legalbewährung gelingen zu lassen. Welche Lösungsansätze gibt es, um Rückfälle zu vermeiden und zu verringern und den Straftätern während und auch nach der Haft die Ressourcen zu geben, um ihnen eine Legalbewährung zu erleichtern?
Ist zu erwarten, dass Personen nach einem Haftaufenthalt resozialisiert sind und ein straffreies Leben führen? In dieser Arbeit wird geklärt, was der Strafvollzug erreichen will, und was tatsächlich erreicht wird.
Es wird sich auf erwachsene Männer bezogen. Männer machen einen Anteil von 94% aller Insassen aus (vgl. Maelicke/Wein 2016: 25). Erwachsene deshalb, weil die Folgen sozialer Desintegration einschneidender sind als im Jugendalter (vgl. Böhnisch 2017: 135). Bei Erwachsenen sei eher der Bedarf einer Resozialisierung gegeben, da Haftstrafen von einer Dauer sind, die die Inhaftierten sehr prägen, sie über einen langen Zeitraum nicht mehr Teil der Gesellschaft sind, es vielleicht vorher noch nie waren.
Zum Aufbau der Arbeit: Das zweite Kapitel widmet sich der Resozialisierung als Ziel des Strafvollzugs. Der Begriff wird für den Rahmen dieser Arbeit definiert. Resozialisierung wird als Prozess beleuchtet und die Wirksamkeit des Strafvollzugs wird mit Fokus auf die Rückfälligkeit der Entlassenen genauer untersucht. Was sind Anspruch und Ziel der Resozialisierung? Um den Strafvollzug wirkungsorientiert gestalten zu können und die Resozialisierung überprüfbar zu machen, wird im Kapitel 2.2 die Wirksamkeit des Strafvollzugs geklärt. Diese wird in verschiedene Ziel-Kategorien eingeordnet und der Rückfallbegriff wird mithilfe einer Rückfallstatistik genauer betrachtet.
Darauf aufbauend werden im dritten Kapitel Maßnahmen während und nach der Haft beschrieben. Zu den Behandlungsmaßnahmen während der Inhaftierung gehören Arbeitsmaßnahmen, Bildungsmaßnahmen sowie der offene Vollzug und Vollzugslockerungen. Hierbei liegt der Schwerpunkt besonders auf den Arbeits- und Bildungsmaßnahmen während der Haft. Dessen Vor- und Nachteile werden mit Bezug auf Resozialisierungsprozesse näher erklärt.
Um die Entlassungsvorbereitung und die erste Zeit nach der Haft genauer einschätzen zu können, wird im Anschluss das Übergangsmanagement betrachtet. Es wird eine Studie aufgeführt, welche Indikatoren der Entlassenen aufzeigt, die zu einer Reduktion von Rückfällen führen können. Hiernach wird auf Maßnahmen nach der Entlassung eingegangen. In Form der Freien Straffälligenhilfe und der Bewährungshilfe steht dem Klienten auch nach Verlassen der Justizvollzugsanstalt noch eine Vielzahl an Unterstützungsund Fördermöglichkeiten zur Verfügung.
Im ersten Teil der Arbeit wird demnach der Ist-Zustand beschrieben: Welche Vorschriften, Maßnahmen und Gesetze gibt es? Der zweite Teil beschäftigt sich mit den daraus resultierenden Problemen. Die im zweiten Kapitel beleuchteten Kontroversen der Resozialisierung werden, zusammen mit den Maßnahmen aus dem dritten Kapitel, im vierten Kapitel aufgegriffen und die Hürden der Resozialisierung werden aufgelistet. Diese lassen sich unterteilen in die Hürden der Justiz und die Auswirkungen des Strafvollzugs auf den Inhaftierten. Rahmenbedingungen und Einschränkungen sowie die Bedeutung der Gesellschaft auf die Wiedereingliederung von entlassenen Straftätern werden näher beleuchtet. Der Fokus liegt auf den verschiedenen Lebensbereichen des Klienten. Im Anschluss wird dessen Stigmatisierung genauer betrachtet.
Um eine alternative Herangehensweise zu Resozialisierungsprozessen heranzuziehen, wird im vierten Kapitel der „desistance“- Ansatz näher erklärt und Modelle von verschiedenen Autor*innen aufgeführt und miteinander verglichen. In diesem Kapitel erfolgt auch ein Vergleich zwischen „desistance“ und Resozialisierung.
Im Schlusskapitel wird, neben einer Zusammenfassung der zuvor herausgearbeiteten Erkenntnisse, auch ein Exkurs zu Handlungsalternativen und Verbesserungsmöglichkeiten aufgeführt.
Obwohl auch die Gründe für Delinquenz und die Ursachen für kriminelles Verhalten von Bedeutung wären, um zu klären, wie Abstand von kriminellem Verhalten genommen werden kann, wird in dieser Arbeit nicht auf diese eingegangen, da diese den Rahmen dieser Arbeit überschreiten.
„Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel). Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten“ (§2 StVollzG).
Somit ist der Resozialisierungsgedanke das wichtigste Vollzugsziel, der Schutz der Allgemeinheit folgt als sekundäre Vollzugsaufgabe (vgl. Hollmann/Haas 2010: 36). Resozialisierung und der Schutz der Allgemeinheit stehen auf den ersten Blick in keinem Zielkonflikt zueinander. Während des Haftaufenthalts besteht für die Gesellschaft keine Gefahr durch den Inhaftierten. Auf der einen Seite wird durch den geschlossenen Vollzug die Gesellschaft während dessen Haftstrafe vor dem Straftätigen geschützt. Der Inhaftierte erlernt auf der anderen Seite durch Behandlungsmaßnahmen im Strafvollzug die Fähigkeit, sein Leben nach der Entlassung in sozialer Verantwortung zu führen und keine weiteren Straftaten zu begehen. Die Sicherung der Allgemeinheit muss aber auchnachder Entlassung des Gefangenen gewährleistet werden können. Das Vollzugsziel kann jedoch nur durch einen Vertrauensvorschuss und durch Lernen aus Fehlern gelingen. Hafturlaube und Freigang sind ein wichtiges Mittel zur Erreichung des Vollzugsziels, können jedoch auch die Sicherheit der Gesellschaft gefährden (vgl. Böhm 1979: 142f.).
Der Resozialisierungsgedanke wurde mit der Einführung des Strafvollzugsgesetzes im Jahre 1977 immer mehr in den Fokus gesetzt (vgl. Hollmann/Haas 2010: 27). Durch die Föderalismusreform in Jahre 2006 erhielten die Länder eine zusätzliche Hoheitsgewalt. Das StVollzG findet als Bundesrecht weiterhin Anwendung, wenn es nicht durch Länderrecht ersetzt wurde (vgl. Hollmann/Haas 2010: 36). Der Resozialisierungsgedanke ist in den Vollzugsgesetzen der Länder Baden-Württemberg (§2JVollzGB BaWü), Bayern (Artikel 2 BayStVollzG), Brandenburg (§2 BbgJStVollzG) Hamburg (§2 HmbSt- VollzG), Hessen (§2 HStVollzG), Niedersachsen (§5 NJVollzG), Mecklenburg-Vorpommern (§2 StVollzG M-V), Sachsen (§2 SächsStVollzG), Schleswig-Holstein (§2 LSt- VollzG SH) sowie Thüringen (§2ThürJVollzGB) gleichermaßen vertreten. Zugunsten der Übersichtlichkeit wird im Folgenden dieser Arbeit mit dem Strafvollzugsgesetz gearbeitet.
„Als Resozialisierung wird der Prozess zwischen der Gesellschaft und Straffälligen bezeichnet, der deren Wiedereingliederung und insbesondere zukünftige Straffreiheit befördert. Resozialisierung ist Teil des lebenslangen Sozialisationsprozesses, immer eingerahmt von der allgemeinen Lebenslage der Straffälligen und kann und darf nicht gegen deren Willen oder ohne ihr Mitwirken erzwungen werden“ (Cornel et al. 2015: 9).
In dieser Arbeit wird mit der Definition von Cornel et al. gearbeitet. Resozialisierung sei also nicht ein klar definierter Fachbegriff, sondern umfasse ein ganzes Programm an Maßnahmen (vgl. Cornel 2003: 14). Resozialisierung sei außerdem als lebenslanger Prozess der Sozialisation zu verstehen, dieser beziehe sich nicht nur auf den Strafvollzug, sondern auch auf Angebote außerhalb (vgl. Maelicke/Wein 2016: 35; Cornel 2011: 11). Leitmotiv der Resozialisierung ist demnach die soziale Eingliederung des Täters sowie die Rückfallverhinderung (vgl. Cornel/Maelicke 2003: 59).
Der Resozialisierungsbegriff sei abgeleitet vom Oberbegriff der Sozialisation, diese beschreibt den Prozess der „lebenslangen Entwicklung des Individuums in der Wechselwirkung zur umgebenden Gesellschaft. Resozialisierung wird als Teil des lebenslangen Sozialisationsprozesses verstanden, wobei die Vorsilbe ,Re‘ ausdrücken soll, dass ein Teil der Sozialisation außerhalb der gesellschaftlichen vorgegebenen Normen und Wertevorstellungen stattgefunden hat, so dass eine ,Wieder-‘ Eingliederung notwendig ist“ (Cornel 2011: 12). Eine Straftat stelle einen gesellschaftlichen Normbruch dar, dies sei ein Zeichen unzureichender Integration und bringe die Notwendigkeit einer Resozialisierungsmaßnahme mit sich (vgl. Scheffler 2011: 720). Es wird also davon ausgegangen, dass alle Inhaftierten, da sie Straftaten begangen haben, nicht ausreichend sozialisiert sind, oder diese Sozialisation nicht den Werten und Normen der Gesellschaft entsprachen. Diese Resozialisierung soll nun außerhalb der Gesellschaft in einer geschlossenen Einrichtung nachgeholt werden.
Neben der Vorstellung der sozialen Integration der Straftäter, beschreibt Resozialisierung zugleich „den Prozess der Ausgliederung bestimmter Bevölkerungsgruppen die als resozialisierungsbedürftig definiert werden“ (vgl. Cornel/Maelicke 2003: 59). Somit ist Resozialisierung Teil der sozialen Kontrolle und Selektion sowie der staatlichen Ordnungspolitik (vgl. ebd.).
Das Bundesverfassungsgericht hat das Ziel der Resozialisierung aus dem Sozialstaatsprinzip abgeleitet (vgl. Cornel 2011: 12):
„Nach allgemeiner Auffassung wird die Resozialisierung oder Sozialisation als das herausragende Ziel namentlich des Vollzuges von Freiheitsstrafen angesehen [...]. Dem Gefangenen sollen Fähigkeiten und Willen zu verantwortlicher Lebensführung vermittelt werden, er soll es lernen, sich unter den Bedingungen einer freien Gesellschaft ohne Rechtsbrüche zu behaupten, ihre Chancen wahrzunehmen und ihre Risiken zu bestehen [.]. Als Träger der aus der Menschenwürde folgenden und ihren Schutz gewährleistenden Grundrechte muss der verurteilte Täter die Chance erhalten, sich nach Verbüßung seiner Strafe wieder in die Gesellschaft einzuordnen“ (BVerfGE 35, 202, 235f.).
Durch das Bundesverfassungsgesetz wurde der Resozialisierung Verfassungsrang nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 GG zugemessen. Das Sozialstaatsprinzip verlangt staatliche Vor- und Fürsorge für Gruppen der Gesellschaft, die aufgrund ihrer persönlichen Schwäche, Schuld, Unfähigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung gehindert sind, hierzu gehören auch Gefangene und Entlassene (vgl. BVerfGE 35, 202, 236). Die Zielsetzung der Resozialisierung folgt demnach dem Gebot der Achtung der Menschenwürde (vgl. Hollmann/Haas 2010: 35). Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts erwächst auch das Interesse des Straftäters an der Resozialisierung durch seine Grundrechte (vgl. Cornel 2003: 43). Es ist Aufgabe des Staates, jedem Menschen bei der Bewältigung seiner Defizite zu helfen, beziehungsweise sie in ihren Fähigkeiten zu stärken und Strukturen zu gestalten, die dies ermöglichen (vgl. Becka 2016: 176).
Da Resozialisierung als spezialpräventive Legitimation des Strafens verwendet wird, müssen wirksame Maßnahmen zur Resozialisierung angeboten werden (vgl. Cornel 2016: 718). Zu den Inhalten von Resozialisierungsprogrammen und -konzepten gehören beispielsweise die Beratung über persönliche Probleme, Defizite, Chancen, Möglichkeiten und die Motivation zur Verbesserung der eigenen Lebenslage (vgl. Cornel 2003: 45).
„Statt von Resozialisierung“ sollte laut Eduard Matt „besser von (beruflicher und sozialer) Reintegration gesprochen werden“ (2007: 19). Er begründet dies damit, dass der Reintegrationsbegriff weniger auf defizitäre Persönlichkeitsmerkmale, sondern mehr auf defizitäre soziale Einbindung, Lebenslagen und Verhaltensweisen bezogen sei. Ziel sei die Wiedereingliederung in die Gesellschaft, eine „Resozialisierung ist vielleicht nicht bei allen Straffälligen notwendig, aber die Aufgabe der Reintegration stellt sich allen“ (ebd.). Der Integrationsbegriff mache deutlich, dass ein Großteil der Probleme erst durch die Ausgrenzung und Desintegration des Straftäters entsteht, der Fokus müsse also auch auf dem Verhältnis zwischen Straftäter und Gesellschaft liegen (vgl. Cornel 2003: 34). Laut Theine und Elgeti-Starke sind neben beruflichen Qualifikationen ein positives Selbstwertgefühl, Konfliktlösungskompetenz, Frustrationstoleranz und Verantwortungsgefühl Schlüsselqualifikationen für eine längerfristige Integration am Arbeitsmarkt (vgl. Theine/Elgeti-Starke 2018: 111). Auch Becker beschreibt den Normalitätsstandard für gesellschaftliche Teilhabe am Status der Erwerbsarbeit. Somit sind für ihn Bildung und Arbeit die zentralen Faktoren für eine erfolgreiche Resozialisierung (vgl. Becker, U. 2018: 32).
Über die berufliche Eingliederung hinaus, benötigen die Entlassenen materielle Hilfen zur Absicherung der Lebenshaltungskosten, jedoch auch Unterstützungsangebote bei der Wohnungssuche. Außerdem seien persönliche Hilfen und die Unterstützung und Begleitung in Krisensituationen sowie die Herstellung sozialer Kontakte im Freizeitbereich von großer Bedeutung. Der Klient soll bei dem Erwerb von Selbstsicherheit, Solidarität, Konflikt- und Bindungsfähigkeit sowie Frustrationstoleranz unterstützt werden. Nicht nur die Rolle des Straftäters ist bei Resozialisierungsprozessen zu berücksichtigen, auch eine Entstigmatisierung von Straftätern durch gesellschaftliche Bemühungen und Toleranz gegenüber abweichendem Verhalten sei laut Cornel erforderlich (vgl. ebd.). Als Ziel der Wiedereingliederung von Straffälligen sind diese Maßnahmen und Programme und auch die Entlassungsvorbereitung in der Justizvollzugsanstalt von großer Bedeutung. Die aktive Partizipation des Klienten hat bei der Resozialisierung einen zentralen Stellenwert und trägt maßgeblich zum Erfolg bei (vgl. Matt 2014: 28).
Wann aber ist ein Resozialisierungsprozess abgeschlossen?
Eine mögliche Antwort wäre, dass ein Resozialisierungsprozess abgeschlossen wäre, wenn die Person nicht mehr maßgeblich durch ihre Straftat definiert wird (vgl. Bruns/Rei- chenbach 2018: 9). Eine Behandlung - und damit auf lange Sicht auch eine erfolgreiche Resozialisierung - sei dann am wirksamsten, wenn sie explizit an die individuell bekannten Risikofaktoren und kriminogene Defizite gerichtet ist und nicht unspezifische Ziele verfolge (vgl. Enderes/Breuer 2018: 104). Voraussetzung für eine erfolgreiche Resozialisierung ist die Erkenntnis über die Persönlichkeit der Straffälligen sowie deren Einbettung in die soziale Umgebung (vgl. Jehle 2016: 71). Um Resozialisierung überprüfbar zu machen muss sich der Aspekt genauer angeschaut werden in welche die Resozialisierung durchgeführt wird: Im Strafvollzug. Im folgenden Kapitel wird die Wirksamkeit des Strafvollzugs genauer betrachtet und auf Rückfälligkeit eingegangen.
Um das Ziel der Resozialisierung zu erreichen ist es notwendig richtig Handeln zu können und angemessene Entscheidungen treffen zu können (vgl. Becka 2016: 317). Wie aber gelingt es den unterschiedlichen Akteuren und Akteurinnen den Inhaftierten dazu zu befähigen? Welche Maßnahmen sind sinnvoll und wirkungsvoll? Bei diesen Fragen muss zuerst der Wirksamkeitsbegriff des Strafvollzuges diskutiert werden.
Es sei schwierig, Resozialisierungsmaßnahmen als erfolgreich oder gescheitert zu bewerten. Sowohl der Ausstieg aus einer kriminellen Karriere als auch das Nachlassen krimineller Aktivitäten können als Erfolg angesehen werden. Hierbei ist auch zu unterscheiden, ob es sich um eine polizeilich aufgenommene Straftat oder selbstberichtete Delinquenz handelt (vgl. Matt 2014: 20).
Suhling unterscheidet bei der Wirksamkeit des Strafvollzugs zwischen Wirkungszielen, Leistungs- und Maßnahmenzielen. Die Zeit nach der Entlassung wird von Wirkungszielen bestimmt. Hierbei kann die Wirksamkeit des Strafvollzugs über die Rückfälligkeit, aber auch über Parameter der sozialen Integration gemessen werden. Hierzu zählen etwa der Arbeitsplatz, soziale Beziehungen und die finanzielle Situation. Der Strafvollzug sei also wirksam, wenn die entlassene Person keine neuen Straftaten begeht oder je nach Definition weniger schwere Straftaten begeht, seltener Straftaten begeht oder längere straffreie Phasen existieren (vgl. Suhling 2016: 146f.). Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Rückfälligkeit lediglich das Hellfeld betrachtet, und auch bei nicht ehemaligen Inhaftierten die nicht erneut straffällig auffallen, nicht zwingend davon ausgegangenen werden kann, dass diese keine neuen Straftaten begangen haben. Leistungsziele beziehen sich auf eine Veränderung von wichtigen, rückfallrelevanten Bereichen von Strafbeginn bis zum Strafende. Es geht insgesamt um die Reduktion von Risikofaktoren und die Linderung von Problemlagen, welche mit einer möglichen Rückfälligkeit zusammenstehen könnten (vgl. Suhling 2018: 32).
Letztlich die Maßnahmenziele: Diese sind dem Inhaftierten sehr angepasst. „Der Strafvollzug ist in dieser Hinsicht wirksam, wenn seine Maßnahme ihre Ziele bei den Gefangenen erreicht hat“ (vgl. Suhling 2016: 146f.). Die Zielerreichung der Maßnahmenziele kann optimal aus einer Selbstbeurteilung des Inhaftierten sowie einer Fremdbeurteilung von Bediensteten erfolgen (vgl. Suhling 2018: 34). Dies ist auch auf die Messung der Wirksamkeit der sozialen Integration zu berücksichtigen: Haben Tätigkeit und Beziehung zur Arbeit keine Bedeutung für den Entlassenen, so wird ein sicherer Arbeitsplatz kein Indikator für Straffreiheit sein (vgl. Matt 2007: 29). Wenn eine Person, die wegen Eigentumsdelikten eine Haftstrafe verbüßen musste, in die Arbeitslosigkeit entlassen wird, ist die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls jedoch relativ hoch. Hierfür sind allerdings nicht nur ein gescheiterter Vollzug, sondern auch die äußeren Rahmenbedingungen, welche in Kapitel 4.1 weiter erklärt werden, verantwortlich (vgl. Becka 2016: 169).
Da die Rückfallrate der Entlassen maßgeblich zum Erfolg des Strafvollzugs und zu Resozialisierungsmaßnahmen beitragen, wird im Folgenden der Rückfallbegriff geklärt sowie Zusammenhänge aus einer Rückfallstatistik und Behandlungsmaßnahmen gezogen.
Als Rückfall ist jede erneute Eintragung in das Bundeszentralregister zu verstehen (vgl. Hüttenrauch 2015: 146). Seit 1986 ist die Rückfallvorschrift des §48 Strafgesetzbuch (StGB) aufgehoben (vgl. Geier 1988: 376). Jedoch führt §46 Abs. 2 StGB das Vorleben des Täters als einen Grundsatz der Strafzumessung auf. Dieser Begriff umfasse auch die Vorstrafen des Täters (vgl. ebd.: 377).
Ein Rückfall, wird aufgrund des Vollzugsziels künftig ein Leben in sozialer Verantwortung und ohne Straftaten zu führen (vgl. §2 StVollzG), als Versagen des Strafvollzugs beziehungsweise der im Vollzug durchgeführten Maßnahmen angesehen (vgl. Hillebrand 2009: 66). Die Rückfallprävention ist eine der wichtigsten Aufgaben des Strafrechts (vgl. Jehle et al 2016: 23). Es ist jedoch von Bedeutung, dass nicht ausschließlich der Erfolg des Strafvollzugs Indikator für einen Rückfall ist. Veränderungen der Gesamtsituation des Entlassenen können auch Auswirkungen auf die Legalbewährung haben (vgl. ebd.).
Die Rückfallstatistik von Jehle, Albrecht, Hohmann-Fricke und Tetal erfasst Eintragungen im Zentral- beziehungsweise Erziehungsregister für alle Personen, die in den Basisjahren 2004, 2007 oder 2010 entweder mit einer zur Bewährung ausgesetzten Jugend- oder Freiheitsstrafe, einer Geldstrafe, einer anderen jugendstrafrechtlichen Reaktion oder einer Maßregel strafrechtlich belegt oder nach einer freiheitsentziehenden Strafe oder Maßregel aus der Haft entlassen worden sind. Die Statistik umfasst Personen, die nach 3, 6 oder 9 Jahren rückfällig geworden sind (vgl. Jehle et al 2016: 25f.). Insgesamt betrachtet haben Frauen eine Rückfallrate von 26% und Männer von 37% (vgl. ebd.: 51). Ein Viertel der Personen, die eine Freiheitsstrafe verbüßen mussten, kehren nach Entlassung erneut zurück in den Strafvollzug (vgl. ebd.: 16). Die höchste Rückfallrate hat die Jugendstrafe ohne Bewährung mit 64%, die Jugendstrafe mit Bewährung liegt bei einer Rückfallrate von 62%. Im Erwachsenenstrafvollzug liegt die Rückfallrate mit Bewährung bei 39% und ohne bei 45%. Die niedrigste Rückfallrate liegt bei der Geldstrafe mit 30% (vgl. ebd.: 37). Dies verdeutlicht, dass eine Bewährungsauflage die Rückfälligkeit eines Straftäters beeinflussen kann. In einem Zeitraum von drei Jahren nach Entlassung der Strafftäter bleiben 65% ebendieser ohne Folgeentscheidungen, in diesem Zeitraum wird folglich ein Drittel rückfällig. Den größten Anteil der Folgeentscheidungen macht die Geldstrafe mit 16% aus. 6% werden zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung und 3% zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Insgesamt werden 8,72% in der Folgeentscheidung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Darunter 2,3% bis zu 6 Monate mit Bewährung, 2,75% über 6 Monate bis einschließlich 12 Monaten mit Bewährung und nur 0,10% zu einer Freiheitsstrafe von über 5 Jahren. Es wird deutlich, dass die leichteren Formen der Sanktionen häufiger sind als die schweren. Das bedeutet, dass bei Folgeentscheidungen die ambulanten Sanktionen häufiger sind als die Bewährungsstrafen und die vollstreckten Freiheits- und Jugendstrafen sowie die kurzen Freiheitsentziehungen häufiger sind als die langen (vgl. ebd.: 41f.).
Die Personen, die in ihrer Bezugsentscheidung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt wurden, werden zu einem Großteil mit über 20% erneut zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Zu sonstigen ambulanten Maßnahmen werden größtenteils die Personen verurteilt, die zuvor zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt wurden, sie werden also nicht mit freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Folgeentscheidung sanktioniert (vgl. ebd.: 43). Demnach hat eine Bewährungsauflage positive Auswirkungen auf die Legalbewährung der Klienten.
Bei allen Sanktionsarten der Bezugsentscheidung sinkt die Rückfallrate kontinuierlich mit dem Alter. Die Rückfallrate der vollstreckten Freiheitsstrafen ist in allen Altersgruppen deutlich höher als bei den Strafaussetzungen und bei den Geldstrafen. Sie reicht von 47% bei den unter 30-Jährigen und bis 32% bei den über 60-Jährigen (vgl. ebd.: 49). Die Rückfallrate der Freiheitsstrafen ohne Bewährung liegt bei den Männern bei 46% und mit Bewährung bei 40% (vgl. ebd.: 51). Auch generell betrachtet sind die Rückfallraten bei zu Bewährungsstrafen verurteilten Personen niedriger als bei Personen, welche zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurden (vgl. ebd.: 15). Außerdem haben Täter, die bereits verurteilt wurden, generell eine höhere Rückfallrate als Täter, die noch keine Eintragungen aufweisen (vgl. Jehle 2016: 85).
Die Rückfallrate ist bei einer vollstreckten Freiheitsstrafe von einer Dauer von unter sechs Monaten mit 54% am höchsten und bei einer lebenslangen Haftstrafe mit 14% am niedrigsten. Generell ist zu beobachten, dass mit der Länge der Freiheitsstrafe die Rückfallrate sinkt (vgl. Jehle et al 2016: 66). Die Rückfallrate bei nicht freiheitsentziehenden Maßnahmen ist noch niedriger: „Je schwerer die Bezugsentscheidung, desto geringer ist auch die Legalbewährung“ (ebd.: 43). Dies belegt die These von Durlauf und Nagin, die davon ausgehen, dass ein Gefängnisaufenthalt eher eine kriminogene als eine abschreckende Wirkung auf den Inhaftierten habe (vgl. 2011: 14f.). Die abnehmende Rückfallrate mit zunehmender Haftlänge ist damit zu erklären, dass bei längerem Haftaufenthalt längerfristige Maßnahmen im Vollzug durchgeführt werden, welche die Wirksamkeit steigern (vgl. Jehle 2016: 89). In einer Vollzugsdauer von unter sechs Monaten sind Resozialisierungsmaßnahmen nicht möglich, ein negativer Prisionierungs- Effekt, also die Angleichung der Verhaltensweisen und Einstellungen an die Regeln und Normen der Justizvollzugsanstalt (JVA) (vgl. Hüttenrauch 2005: 129, Hillebrand 2009: 71), sei nach einer so kurzen Zeit jedoch nicht zu erwarten (vgl. Treig/Pruin 2018: 325, 333). Ein weiterer Erklärungsansatz wäre, dass längere Haftstrafen bei einer bestimmten Deliktgruppe ausgesprochen werden, bei denen die Rückfallrate aufgrund der Situati- onsbezogenheit der Straftat (Mord, Totschlag) sowieso geringer sei (vgl. Jehle 2016: 83).
Im Jahre 2014 verbüßten 43,7% aller Inhaftierten eine Freiheitsstrafe von unter einem Jahr (vgl. Maelicke/Wein 2016: 27). Die Rückfallrate bei Personen, die eine Haftstrafe von unter 6 Monaten oder von 6 bis 12 Monaten absetzen, sind am höchsten (vgl. Jehle et al 2016: 66). Dennoch sehen Maelicke und Wein positive Aspekte an einer kurzen Haftstrafe: Sie könne Haftschäden vermindern und somit die Resozialisierungschancen erhöhen (vgl. ebd.). Ein klarer Zusammenhang zwischen Haftlänge und Rückfallwahrscheinlichkeit beziehungsweise einer erfolgreichen Resozialisierung ist daher umstritten und ist vermutlich einzelfallabhängig.
Es ist zu bedenken, dass im Dunkelfeld verbleibende Straftaten oder Straftaten, welche nach dem aufgeführtem Risikozeitraum begangen wurden, unberücksichtigt bleiben, ebenso wie Straftaten, die dem Beschuldigten nicht hinreichend nachgewiesen werden konnten (vgl. ebd.: 30). Außerdem ist laut Hofinger erst bei einer Reihe von Straftaten von einem Rückfall zu sprechen. Der kriminologische Rückfallbegriff betrachtet nicht die einzelne Straftat, sondern eine Reihe von Straftaten und fokussiert sich auf die Person, die diese Straftaten begeht (vgl. Hofinger 2015: 16). Matt kritisiert, dass in Deutschen Rückfalluntersuchungen nach der Wirkung der Sanktionen geforscht wird, und nicht wie eigentlich nötig nach den Gründen für Rückfälle: „Was fehlt, ist die Analyse der situativen bzw. sozialen Dynamik der Situation: Welche Elemente führen zum Rückfall, wie sieht die soziale und biographische Einbettung aus?“ (2007: 27).
Andrews und Bota haben 2010 in „The Psychology of Criminal Conduct“ drei Rückfallprinzipien erarbeitet. Hierzu zählt das Risikoprinzip: „Je höher das Rückfallrisiko einer Straftat liegt, desto intensiver muss die Behandlung des Täters sein“ (Andrews/Bota 2010 o.S. zit. n. Klug/Schaitl 2012: 29). Das Bedürfnisprinzip richtet sich nach den dynamischen und demnach veränderbaren Risikofaktoren. Die Veränderung kriminogener Faktoren wirke sich rückfallreduzierend aus (vgl. ebd.). Zuletzt wird das Prinzip der Ansprechbarkeit beschrieben: Dieses sagt aus, dass kognitiv-behaviorale Ansätze sowie soziale Lernprogramme die größte Wirkung zeigen, wenn Veränderungsprozesse bei Personen hervorgebracht werden sollen (vgl. Klug/Schaitl 2012:30).
Um einen Rückfall zu verhindern, müsse ein Weg gefunden werden, kriminogene Faktoren zu beseitigen oder Strategien und Handlungsalternativen zu entwickeln, wie der Betroffene in einschlägigen Situationen zukünftig handeln könne. Eine niedrige Rückfallrate führt nicht nur zu Sicherheit der Gesellschaft, auch die finanzielle Situation, welche positive Auswirkungen bei Rückfallverringerung hat, wird kurz aufgeführt: Die Länder tragen die Kosten für den Strafvollzug, welche jährlich bei etwa 1,5 Milliarden Euro liegen (vgl. Bublies 2003: 495). 50% dieser Kosten bildet der Personalhaushalt. Pro Gefangenen kostet ein Hafttag etwa 90€. Die Arbeit der Gefangenen deckt etwa 5-10% dieser Kosten (vgl. ebd.).
Zusammenfassungen aus verschiedenen Meta-Analysen aus den Jahren 1987 bis 2013 zeigen, dass der Behandlungsansatz grundsätzlich wirksam ist. Es wird deutlich, dass die Rückfallraten bei den Behandlungsgruppen niedriger seien als in den unbehandelten Vergleichsgruppen (vgl. Lösel 2016: 19f.). Laut Lösel seien im Vollzug durchgeführte Maßnahmen also sinnvoll und zeigen einen gewünschten Erfolg gegenüber unbehandelten Probanden. Im Vergleich zu Effekten der Psychotherapie und der Verhaltenstherapie hat die Straftäterbehandlung eine weitaus niedrigere Effektstärke (vgl. ebd.: 21). Da allerdings nicht nur die durchgeführten Maßnahmen zum Erfolg der Legalbewährung beitragen, sondern auch die soziale Situation sowie das Umfeld des Entlassenen - und darüber hinaus Maßnahmen nicht auf die Bedürfnisse des Klienten abgestimmt sind - kann eine generelle Aussage, dass Maßnahmen während des Vollzugs wirksam sind, nur eingeschränkt getroffen werden.
„Der Strafvollzug in Deutschland soll der Resozialisierung dienen und ist deshalb als Behandlungsvollzug angelegt“ (Enderes/Breuer 2018: 89). Aus diesem Grund werden im Folgenden Behandlungsmaßnahmen während und nach der Inhaftierung aufgeführt sowie das Übergangsmanagement erläutert. Behandlungsmaßnahmen haben die Abminderung der Risikofaktoren zukünftiger Kriminalität und der Vermittlung sozial angemessener Verhaltensmuster als Ziel (vgl. Endres/Breuer 2018: 90).
„Der Behandlungsbegriff im Strafvollzug muss sehr weit gefasst werden, da alle Bemühungen einfließen, die das Ziel haben, dem Gefangenen auf die Zeit nach der Entlassung aus der Haft vorzubereiten und die Fähigkeiten und Fertigkeiten zu stärken, nach der Entlassung ein Leben ohne Straftaten zu führen“ (vgl. Schmidt 2007: 40).
Somit umfassen Maßnahmen im Vollzug das gesamte Spektrum an Interaktion und Kommunikation zwischen Vollzugsbediensteten und Insassen, welche auf das Erreichen des Vollzugsziels bezogen sind (vgl. ebd.: 40f.).
Obwohl die konkreten Behandlungsmaßnahmen von den Bedarfen der Inhaftierten sowie den organisatorischen Rahmenbedingungen abhängig sind, werden im Folgenden die für den Rahmen der Resozialisierung am wichtigsten erscheinenden Maßnahmen aufgeführt und erläutert.
Während der Inhaftierung soll der Inhaftierte Strukturen und Behandlungen unterzogen werden, „die ihn (wieder) zu einem funktionstüchtigen Mitglied der Gesellschaft machen: einem Mitbürger, der nach seiner Entlassung aus der Haft vor allem keine Straftaten mehr begeht“ (Roggenthin 2018: 21).
Die Gestaltung des Strafvollzugs regelt §3 des StVollzG. Dieser enthält den Angleichungsgrundsatz (Abs. 1), den Gegensteuerungsgrundsatz (Abs. 2) sowie den Integrationsgrundsatz (Abs. 3), welcher eine Angleichung an die allgemeinen menschenwürdigen Lebensverhältnisse erreichen soll (Hollmann/Haas 2010: 42). Dem Angleichungsgrundsatz nach werden somit repressive Maßnahmen des Vollzugs eingeschränkt. Der Gegensteuerungsgrundsatz beinhaltet die strukturelle Organisation des Vollzugs und soll die nachteiligen Nebenwirkungen des Vollzugs möglichst verhindern (vgl. ebd.: 42f.). Der Integrationsgrundsatz verpflichtet die Vollzugsbehörden dazu, den Vollzug an der sozialen Wiedereingliederung auszurichten (vgl. Callies/Müller-Dietz 2005: 77f., zit. n.: Hollmann/Haas 2010: 43).
Der Vollzugsplan (§7 StVollzG) wird als Basis der zur Resozialisierung beitragenden Maßnahmen verstanden (vgl. Hollmann/Haas 2010: 43). Das Vollzugsziel richtet sich nach dem Strafzweck (vgl. Becka 2016: 181). Die Behandlungsuntersuchung, welche nach Aufnahme des Gefangenen in der Vollzugsanstalt stattfindet, bildet die Grundlage für die Erstellung des Vollzugsplans (vgl. Hollmann/Haas.: 43f.).
Es ist Aufgabe der Strafe, den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft aufrechtzuerhalten (vgl. Becka 2016: 180). Das Strafen hat zum einen eine erzieherische Absicht, als auch die Sühnung der Tat zwecks Normeinhaltung und der Wahrung des gesellschaftlichen Gleichgewichts (Böhnisch 2017: 233). Dennoch ist schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken (StVollzG §3 Abs.3). Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient der negativen Generalprävention, also der Abschreckung anderer Personen vor Begehung von Straftaten sowie der positiven Generalprävention, der Bestärkung der Rechtsgesinnung der Bevölkerung (vgl. Böhm 1979: 31). Die Sicherung des Straftäters in Haft ist als negative Spezialprävention zu betrachten, dem gegenüber steht die positive Spezialprävention in Form der Resozialisierung (vgl. ebd.).
Enderes und Breuer unterscheiden zwischen verschiedenen Formen der Straftäterbehandlung: Programme mit detaillierten Durchführungsanleitungen zählen zu denStruk- turierungs- undManualisierungs-Maßnahmenim Vollzug. Darunter fallen beispielsweise regelmäßig stattfindende Sitzungen mit einem Therapeuten aber auch eher unstrukturierte und eher offene Konzepte wie Selbsthilfegruppen. Bei derIndividualisierungwird auf die Besonderheiten des Einzelfalls eingegangen. Spezifische Delikte und auch biografische Problematiken der Inhaftierten fließen in die Maßnahme ein, hierunter fallen beispielsweise Beratungsangebote. Zuletzt wird unterschieden zwischenMaßnahmen im Einzel- oder Gruppensetting.Im Gruppensetting soll soziales Lernen gefördert, sowie das Erlernen von sozialen Kompetenzen gestärkt werden. Dem gegenüber kann in Einzelmaßnahmen besser an der Deliktverarbeitung gearbeitet und individueller und zielgerichteter auf die Problematiken des Einzelnen eingegangen werden. Weitere wichtige Aspekte der Straftäterbehandlung seien dieIntensität,derUmfang derMaßnahmesowie dieAnzahl undSpezifität der Ziele(vgl. Enderes/Breuer 2018: 90ff.). Bereits die Teilnahme sowie der Abschluss einer Maßnahme sind als Erfolg anzusehen. Die Erfassung der Wirkung dieser Maßnahmen auf die Risikofaktoren der Inhaftierten bleiben jedoch schwierig:
„Zugewinne an sozialer Kompetenz, Problemlösefähigkeiten, Frustrationstoleranz, Selbstbeherrschung und Ablehnung des Drogenmissbrauchs lassen sich nicht leicht objektivieren, da sowohl Selbstauskünfte [...] als auch Ratings für die Trainer anfällig für Urteilsverzerrung [...] sind“ (ebd.: 95).
[...]
1Die Verwendung gendergerechter Sprache ist von hoher Bedeutung. Auf Grund der Eingrenzung des Themas auf männliche Erwachsene wird im Verlauf dieser Arbeit das generische Maskulinum verwendet, wenn es sich um den Inhaftierten, Straftäter, Entlassenen oder Klienten handelt.
Der GRIN Verlag hat sich seit 1998 auf die Veröffentlichung akademischer eBooks und Bücher spezialisiert. Der GRIN Verlag steht damit als erstes Unternehmen für User Generated Quality Content. Die Verlagsseiten GRIN.com, Hausarbeiten.de und Diplomarbeiten24 bieten für Hochschullehrer, Absolventen und Studenten die ideale Plattform, wissenschaftliche Texte wie Hausarbeiten, Referate, Bachelorarbeiten, Masterarbeiten, Diplomarbeiten, Dissertationen und wissenschaftliche Aufsätze einem breiten Publikum zu präsentieren.
Kostenfreie Veröffentlichung: Hausarbeit, Bachelorarbeit, Diplomarbeit, Dissertation, Masterarbeit, Interpretation oder Referat jetzt veröffentlichen!
Kommentare