Diplomarbeit, 2008
103 Seiten, Note: 1,3
1. Einleitung und Vorgehensweise
1.1 Einleitung
1.2 Vorgehensweise
2. Einführung in das Grundprinzip des deutschen Anreizregulierungssystems
2.1 Von der kostenbasierten Preisregulierung zur Anreizregulierung
2.2 Das Grundprinzip der Erlösobergrenzenregulierung und die damit verbundenen Probleme der Qualitätssicherung und der Investitionshemmnisse
2.3 Die Anreizregulierung im Rahmen des disaggregierten Regulierungsansatzes
2.3.1 Der disaggregierte Regulierungsansatz in der Energiewirtschaft
2.3.2 Zielsetzungen der Anreizregulierung und Kriterien für die sachgerechte Zweckerfüllung
2.4 Das Konzept der Bundesnetzagentur im Überblick
2.5 Der Zusammenhang zwischen dem Ausgangsniveau, dem X-Faktor und der Regulierungsperiode
3. Das Ausgangsniveau
3.1 Ansprüche an die zu ermittelnde Datenbasis
3.2 Gefahren bei der Bestimmung des Ausgangsniveaus
3.3 Das Vorgehen der BNetzA
3.4 Kritik am Vorgehen der BNetzA
3.5 Fazit Ausgangsniveau
4. Normierung der Kostendaten
4.1 Eliminierung der nicht beeinflussbaren Kosten
4.2 Zeitliche Rückwirkungen
4.3 Normierung der Kostendaten durch eine Vergleichbarkeitsrechnung
4.3.1 Standardisierung der Kapitalkosten: Abschreibungsdauer
4.3.2 Standardisierung der Kapitalkosten durch Annuitäten
4.3.3 Kritik an der Vergleichbarkeitsrechnung
4.4 Technisch-wirtschaftliches Anlagenregister (twA) ab der 2. Regulierungsperiode
4.4.1 Funktionsweise des twA
4.4.2 Der Nutzen des twA
4.4.3 Kosten des twA
4.5 Fazit
5. Der Effizienzvergleich
5.1 Wissenschaftliche Grundlagen
5.1.1 Das Grundproblem
5.1.2 Ansprüche an den Effizienzvergleich
5.1.3 Benchmarking-Unterscheidungen unter ökonomischer Betrachtung
5.2 Das Benchmarking der Bundesnetzagentur
5.2.1 Konzeptüberblick
5.2.2 Vergleichsparameter
5.2.3 Data Envelope Analyse (DEA)
5.2.3.1 Das Grundprinzip
5.2.3.2 Effizienzmessung mittels inputorientierter DEA
5.2.3.3 DEA und die Berücksichtigung der Betriebsgröße
5.2.4 Stochastic Frontier Analysis (SFA)
5.2.5 Die Kombination aus DEA uns SFA
5.2.6 Die Umsetzung der Effizienzwerte in Effizienzvorgaben durch die BNetzA
5.3 Strategisches Verhalten und Benchmarking
5.4 Beurteilung des Benchmarking
6. Der generelle X-Faktor
6.1 Die theoretische Rechtfertigung des generellen X-Faktors (Xgen)
6.2 Die Bestimmung des generellen X-Faktors durch die BNetzA
6.3 Fazit
7. Festlegung des EK-Zinses
7.1 Festlegungsdauer des EK-Zinses
7.2 Risikoadjustierung des EK-Zinses
7.3 Neubewertung des Ausgangsniveaus durch Neubestimmung des EK-Zinses
8. Problembehandlungen der deutschen Anreizregulierung
8.1 Qualität
8.1.1 Definition von Qualität in der Energiewirtschaft
8.1.2 Die Bestimmung der optimalen Qualität und Regulierungsmechanismen
8.1.3 Die Qualitätsregulierung nach der ARegV
8.1.4 Fazit Qualität
8.2 Das Investitionsverhalten der Netzbetreiber
8.2.1 Verzerrungen des Investitionsverhaltens durch eine Revenue-Cap-Regulierung
8.2.2 Maßnahmen im deutschen Anreizregulierungsssystem für effizientes Investitionsverhalten
8.2.3 Angemessene Problemlösung
9. Bewertung des Gesamtkonzeptes
9.1 Simplizität
9.2 Geeignete Anreizstrukturen
9.3 Fairness
9.4 Planungssicherheit
9.5 Fazit
10. Regulierungsökonomischer Ausblick
11. Literatur
Abb. 1: Funktionsweise der RPI-X-Regulierung
Abb. 2: Wertschöpfungskette und Wettbewerbsverhältnisse in der Energiewirtschaft
Abb. 3: Die Zielsetzungen bei zunehmendem Detaillierungsgrad der Regulierung
Abb. 4: Bestimmung der Regulierungsvorgaben für die erste Regulierungsperiode
Abb. 5: Die Regulierungsformel
Abb. 6: Ausgangsniveau, X-Faktor und Dauer der Regulierungsperiode
Abb. 7: Fehlbeträge bei initialer Kostensenkung
Abb. 8: Versatz zwischen Datenerhebung und Beginn der Anreizregulierung
Abb. 9: Kostenarten der Anreizregulierung
Abb. 10: Aufbau eines technisch-wirtschaftlichen Anlagenregisters
Abb. 11: Auswirkung einer geringeren Vergleichsbasis auf den Xind
Abb. 12: Übersicht über Benchmarking-Techniken
Abb. 13: Die Rolle des Benchmarking in der Revenue-Cap-Regulierung
Abb. 14: Messung von Ineffizienzen mittels DEA
Abb. 15: Ermittlung technischer und allokativer Input-Ineffizienz mittels DEA
Abb. 16: DEA und Skalenerträge
Abb. 17: Produktionsschätzung durch SFA
Abb. 18: Substitutionen zwischen SFA und DEA
Abb. 19: Ermittlung von Catch Up und Frontier Shift mittels Malmquist-Index
Abb. 20: Interpendenz der Einflussfaktoren auf die Kapitalkosten
Abb. 21: Die vier Qualitätsdimensionen in der Energiewirtschaft
Abb. 22: Ermittlung des gesamtwirtschaftlichen Optimums für Versorgungsqualität
Abb. 23: Die Wirkung des Q-Elementes
Abb. 24: Mögliche Ausgestaltungen eines Bonus-Malus-Systems
Abb. 25: Wirkungsweise des Ratchet Effekts
Tab. 1: Netzbetreiberanzahl in europäischen Ländern mit einer Anreizregulierung
Tab. 2: Vereinfachte Übersicht über die Kalkulation der Netzentgelte nach der NEV
Tab. 3: Kostenunterscheidungen in der ARegV
Tab. 4: Übersicht über standardisierte Nutzungsdauern in der Energiewirtschaft
Tab. 5: Eigenkapitalzinssätze nach der Strom-/GasNEV:
Tab. 6: Ergebnisse der Testrechnungen für das Benchmarking-Verfahren
Tab. 7: Asset-Beta-Faktoren (βa) abhängig von der Regulierungsform
Tab. 8: β-Veränderungen durch Regulierungswechsel in der dt. Energiewirtschaft
Tab. 9: EK-Zinsermittlung mittels CAPM und pure-play-Ansatz
Tab. 10: EK-Zinssätze für E.ON und RWE
Tab. 11: Abschwächungen der Regulierungsvorgaben im Gesetzgebungsprozess
Die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte beruht auf der EU-Elektrizitäts-Binnenmarktrichtlinie (96/92/EG) und wurde in Deutschland durch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) umgesetzt. Von 1998 bis 2005 wurde ein verhandelter Netzzugang praktiziert, indem alle Netzzugangsbedingungen durch Verbändevereinbarungen geregelt wurden. Diese Vereinbarungen führten aber nicht zu einer Belebung des Wettbewerbs auf den Energiemärkten, sondern zu einer Zunahme der Konzentration. 2005 waren von den acht großen Energiekonzernen nur noch vier am Markt. In ihrem Besitz befinden sich neben dem Übertragungsnetz auch ca. 90 % der Kraftwerke. Nachdem die Strompreise immer weiter anstiegen, gab das Wirtschaftsministerium dem Druck der Verbraucherschutzverbänden nach und setzte eine Regulierungsbehörde ein. Diese wurde in die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post integriert und in Bundesnetzagentur (BNetzA) umbenannt.
Zu den Aufgaben der BNetzA gehört die Entflechtung und Regulierung der Energieversorgungsnetze und die Kontrolle der Netznutzungsentgelte. Die derzeitige Kontrolle über die Entgelte erfolgt durch eine kostenbasierte Preisregulierung in Form von Prüfungen und Genehmigungen bzw. Kürzungen. Die erste Genehmigungsrunde für die Netzentgeltgenehmigung der Energiewirtschaft durch die BNetzA ist abgeschlossen. Die Forderungen der Netzbetreiber wurden um ca. 2,5 Milliarden Euro gekürzt. Auf dem Strommarkt wurden Kürzungen von Durchschnittlich 13 % durchgesetzt; auf dem Gasmarkt von rund 12 % (Vgl. Bünder 2007, S. 1). Die Netzkosten machen ca. 22 % des Gaspreises und ca. 39 % des Strompreises aus.
Auch in der gerade begonnenen zweiten Entgeltgenehmigungsrunde wurden bereits Kürzungen der beantragten Netzentgelte im Verteilnetzbereich durchgesetzt. Für die Vattenfall Europe Distribution GmbH Berlin betrug diese 16 %, für Hamburg 18 % (Vgl. BNetzA 2008). Dies bewirkt eine Senkung des Endverbraucherpreises um einen Prozentpunkt. Der zweiten Genehmigungsrunde kommt besondere Bedeutung zu, da sie die Ausgangsbasis für die Anreizregulierung bildet, die zum 01.01.2009 eingeführt wird. Der Wechsel des Regulierungssystems erfolgt um bei den Netzbetreibern dynamische Impulse zu setzen, die in der derzeitigen kostenbasierten Regulierung unterbleiben. Der Netzzugang und die Bestimmung angemessener Netznutzungsentgelte sind von entscheidender Bedeutung für den Wettbewerb auf den anderen Stufen der Wertschöpfungskette. Ziel dieser Arbeit ist eine ökonomische Analyse des neuen Regulierungsregimes.
Im Rahmen dieser Arbeit wird eine ökonomische Analyse der geplanten Anreizregulierung der Energiewirtschaft vorgenommen. Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in das Grundprinzip des deutschen Anreizregulierungssystems. Hierbei werden die Fragen erläutert, warum wird das Regulierungssystem gewechselt, was wird reguliert, welche Ziele sind mit der Regulierung verbunden und welcher Mechanismus liegt einem Anreizregulierungssystem zu Grunde. Anschließend wird ein erster Überblick über das Gesamtsystem gegeben und erläutert wie einzelne Elemente interdependent aufeinander wirken.
Die Analyse erfolgt auf zwei Ebenen. Die erste Ebene untersucht die einzelnen Bausteine der Anreizregulierung. Zunächst wird der wissenschaftliche Hintergrund des jeweiligen Elementes erläutert und dessen Funktionsweise erklärt. An dieser Stelle wird auch gezeigt, welchen theoretischen Ansprüchen die praktische Bestimmung der einzelnen Bausteine gerecht werden muss. Anschließend wird das Vorgehen der BNetzA dargestellt und diskutiert. Hierbei wird die Kritik der Netzbetreiber, der Verbraucherschutzorganisationen und der Wissenschaft aufgegriffen und dahingehend überprüft, ob die Regulierungspraxis der BNetzA den zuvor erläuterten theoretischen Ansprüchen gerecht wird und welche ökonomischen Auswirkungen die gewählte Vorgehensweise der BNetzA impliziert.
Das Gesamtsystem wird in vier Einzelelemente unterteilt. Die erste Komponente ist das Ausgangsniveau und die damit verbundene Datenbasis (Kapitel 3). In diesem Abschnitt wird gezeigt, wie der Startwert der Anreizregulierung bestimmt wird und auf welcher Datenbasis er beruht. In Kapitel vier wird die Normierung der Kostendaten behandelt, die die Grundlage für das Benchmarking (Kapitel 5) bildet. In dieser Vergleichbarkeitsrechnung wird versucht buchhalterische Unterschiede zwischen einzelnen Netzbetreibern zu glätten. Auf dieser Grundlage wird ein Unternehmensvergleich vorgenommen, anhand dessen den Unternehmen individuelle Produktivitätsvorgaben gemacht werden. Zusätzlich gibt es auch eine sektorale Produktivitätsvorgabe, die alle Unternehmen erfüllen müssen. Diese wird in Kapitel sechs untersucht.
In Kapitel sieben wird gezeigt, wie die neue Festlegung des Eigenkapitalzinssatzes durch die BNetzA ausfallen könnte. Die Bestimmung erfolgt durch das von der BNetzA präferierte Capital Asset Pricing Modell (CAPM) und wird auf der Basis von Asset-Beta-Faktoren ausländischer Regulierungsbehörden bestimmt. Kapitel acht behandelt die typischen Probleme jeder Anreizregulierung, die Qualitätsregulierung und die Sicherstellung von effizienten Investitionen seitens der Netzbetreiber.
Die zweite Untersuchungsebene betrachtet das Gesamtsystem. Nachdem die einzelnen Bausteine untersucht wurden, soll deren Zusammenwirken als Regulierungsmechanismus in Kapitel neun analysiert werden. Hierzu wird das System nach den Kriterien von Tye und Pfaffenberg beurteilt. Diese Kriterien sind Simplizität, geeignete Anreizstrukturen, Fairness und Planungssicherheit.
Derzeit werden die Netznutzungsentgelte in der Energiewirtschaft nach der Strom- bzw. GasNEV gebildet. Dort werden sowohl bilanzielle als auch kalkulatorische Werte miteinbezogen. Die genehmigten Tarife orientieren sich an den Bereitstellungskosten je Leistungseinheit. Steigende Kosten sind somit automatisch mit steigenden Preisen verbunden, während sinkende Kosten, z.B. erzielt durch Produktivitätsfortschritte, mit Preissenkungen verbunden sind.
Unter jeder kostenbasierten Preisregulierung bestehen Anreize zu ineffizienter Produktion für das regulierte Unternehmen. Bei der derzeitigen Rate-of-Return-Regulierung, bei der der Gewinn durch einen auf das eingesetzte Kapital bestimmten Zinssatz festgelegt wird, besteht dieser Anreiz in Form des Averch-Johnson Effektes (Vgl. Averch/Johnson 1962, S. 1052ff.). Dieser beschreibt den Vorgang der suboptimalen Substitution des Produktionsfaktors Arbeit zugunsten von Kapital. Dadurch wird möglichst viel Kapital eingesetzt und der Gewinn wird erhöht („goldplating“). Bei der Cost-Plus-Regulierung erfolgt der Aufschlag nicht nur auf das eingesetzte Kapital, sondern auf die gesamten Kosten. Hierdurch wird zwar die Faktorverzerrung aufgehoben, das Unternehmen hat aber den Anreiz zu möglichst hohen Kosten zu produzieren.
Bei beiden Methoden besteht kein Anreiz Produktivitätsfortschritte zu erzielen (dynamische Effizienz) und zu minimalen Kosten zu produzieren (Vgl. Fritsch et al. 2005, S.228f). Das entscheidende Problem stellt die Informationsasymmetrie zwischen dem Unternehmen und der Regulierungsinstanz dar. Während das Unternehmen seine Kosten und seine Kostenbereinigungspotenziale kennt, besitzt der Regulierer dieses Wissen nicht. Dadurch entsteht die schwierige Aufgabe nicht betriebsnotwendige Kostenbestandteile zu identifizieren und aus der Kalkulation zu eliminieren (Vgl. Knieps 2005a, S. 81f.). Um diesen Nachteilen zu entgehen, wurde die Regulierung der Energiewirtschaft in vielen Ländern auf ein Anreizregulierungssystem umgestellt.
Eine naheliegende Lösung wäre, ein bewährtes Verfahren aus dem Ausland auf Deutschland zu übertragen. Aufgrund der strukturellen und rechtlichen Rahmenbedingungen ist eine Übertragung auf den deutschen Energiesektor jedoch nicht möglich (Vgl. Monopolkommission 2007, S. 220). Insbesondere die beispiellos hohe Anzahl von Verteilnetzbetreibern in der Bundesrepublik stellt im internationalen Vergleich eine Ausnahme dar. Die konkrete Ausgestaltung der Anreizregulierung muss deshalb ein Makromanagement der Netzbetreiber als Grundlage haben. Dies bedeutet für die Regulierungsbehörde, dass sie stets einen generellen statt einen individualisierten Handlungsansatz wählen sollte.
Tab. 1: Netzbetreiberanzahl in europäischen Ländern mit einer Anreizregulierung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eigene Darstellung nach Angaben der Commission of the European Communities (2005), S. 66 und S. 71
Der von der BNetzA gewählte Anreizregulierungsansatz ist die Erlösobergrenzenregulierung. Bei dieser Form der Anreizregulierung werden die Erlöse von den tatsächlichen Kosten entkoppelt. Das Grundelement dieser Preiskontrolle besteht in der Vorgabe, dass ein Unternehmen für eine festgelegte Periode jede Preisänderung vornehmen kann, solange der Durchschnittspreis eines bestimmten Warenkorbs nicht stärker steigt als RPI[1] – X (Vgl. Beesley/Littlechild 1989, S. 455). RPI steht für die Veränderungsrate des Retail Price Index und gewährt einen Inflationsausgleich. X ist eine regulatorische Vorgabe, die die erwartete Produktivitätsentwicklung widerspiegelt. Die RPI – X Vorgabe stellt somit den zulässigen Erlöspfad für das regulierte Unternehmen dar. Gelingt es dem Unternehmen die Kosten stärker zu senken als der Regulierer es vorschreibt, kann es die dadurch zusätzlich erzielten Gewinne in der Regulierungsperiode behalten (Vgl. Lewis/Sappington 1989, S. 405). Dies wird in Abb. 1 durch die grüne Fläche angezeigt, die die Differenz zwischen dem Erlöspfad und der Kostenentwicklung darstellt.
Zu Beginn der nächsten Regulierungsperiode wird der Erlöspfad dann wieder dem tatsächlichen Kostenniveau angepasst, so dass die Effizienzverbesserungen der Netzbetreiber an die Verbraucher in Form von Preissenkungen weitergegeben werden. Die Anreize für die Kostensenkungen der Unternehmen sind umso größer, je länger die Regulierungsperiode dauert und wenn bei der Festlegung des neuen Erlöspfades Effizienzgewinne im Unternehmen verbleiben und nicht vollständig an die Verbraucher weitergegeben werden (Vgl. Schäfer/Schönefuß 2006, S.175).
Obwohl die Anreizregulierung einige Schwachpunkte der kostenorientierten Ansätze beseitigt, birgt auch diese Methode Nachteile. Die Entscheidung, Kostensenkungen über den vorgegebenen Erlöspfad hinaus zu realisieren, ist endogen. Entscheidungsträger werden berücksichtigen, dass realisierte Produktivitätsfortschritte die vom Regulierer gesetzte Erlösobergrenze und somit die Unternehmensgewinne in Folgeperioden beeinträchtigen (Vgl. Burns et al. 2005, S. 100). Die beiden Hauptschwachpunkte, die jede Anreizregulierung berücksichtigen muss, sind die Qualitätssicherung und Investitionshemmnisse.
Abb. 1: Funktionsweise der RPI-X-Regulierung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eigene Darstellung
Unter Cap-Regulierungen besteht für den Netzbetreiber der Anreiz, Kosten zu senken indem die Qualität verschlechtert wird. Dies kann durch ein Absenken der Servicequalität, durch unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen oder unterlassene Qualität sichernde Investitionen erfolgen. Um diesem Effekt vorzubeugen muss jede Erlösobergrenzenregulierung um ein Qualitätselement (Q-Faktor) erweitert werden, Die Regulierungsbehörde kann zur Qualitätssicherung Mindeststandards festlegen oder Sanktionsregelungen einführen (Vgl. Franz et al. 2005b, S. 53).
Das zweite Problemfeld stellen Investitionshemmnisse dar. Die Reduzierung von Investitionen senkt kurzfristig die Kosten und führt somit zu einer Gewinnsteigerung. Die dadurch entstehende Verschlechterung der Versorgungsqualität wird aber erst später spürbar, so dass der Regulierer Instrumente schaffen muss, die die kurzfristigen Investitionshemmnisse zu beseitigen (Vgl. Wild 2006, S.13).
In der Regulierung der Netzwirtschaften fand in der Mitte der Neunziger Jahre ein Paradigmenwechsel statt. Bis dahin unterlagen die meisten Netzökonomien einer End-to-End-Regulierung, bei der die gesamte Wertschöpfungskette von der Erzeugung bis zur Verteilung reguliert wurde. Der Wechsel zum disaggregierten Regulierungsansatz beschränkt die Eingriffe auf Netzbereiche mit stabiler Marktmacht (Vgl. Knieps 2007a, S. 2). Stabile Marktmacht liegt nur im Fall des natürlichen Monopols (gekennzeichnet durch Subaddivität) in Verbindung mit irreversiblen Kosten vor. Dieser Bereich wird monopolistischer Bottleneck genannt und nur dieser unterliegt der Regulierung.
Abb. 2: Wertschöpfungskette und Wettbewerbsverhältnisse in der Energiewirtschaft
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eigene Darstellung
Damit der Wettbewerb auf der vor- und nachgelagerten Ebene der Wertschöpfungskette funktionieren kann, muss den Marktakteuren der diskriminierungsfreie Zugang zum Bottleneck-Bereich gewährt werden. Dies legt die Anwendung der Essential-Facilities-Doktrin nahe, wonach der Zutritt zu einer wesentlichen Einrichtung zu erfolgen hat, wenn drei Kriterien erfüllt sind (Vgl. Blankart/Knieps 1992, S. 490 f.):
- Der Marktzutritt zu komplementären Märkten ist ohne Zugang zu dieser Einrichtung nicht möglich.
- Die Einrichtung ist mit angemessenem Aufwand nicht duplizierbar.
- Es gibt keine Substitute für diese Einrichtung.
In der Energiewirtschaft stellen die Übertragungs- und Verteilnetze den monopolistischen Bottleneck-Bereich dar. Damit der Wettbewerb auf den anderen Marktstufen funktionieren kann, muss der diskriminierungsfreie Zugang gewährleistet sein.
In der Regel umfasst die Regulierung der Zugangsbedingungen den Preis, die technische Qualität und den Realisierungszeitraum (Vgl. Knieps 2007a, S. 6). Ein wesentliches Element stellt dabei die Entgeltregulierung dar. Der Zutritt kann auch dadurch verweigert werden, indem für die Netznutzung überteuerte Tarife verlangt werden.
Prinzipiell geht es bei der Regulierung von Monopolen um die gerechtere Aufteilung des sozialen Überschusses als dies im unregulierten Monopol der Fall wäre. Bei der Regulierung von Netzbetreibern sollen Monopolrenditen vermieden werden und die Netznutzung zu einem angemessenen Preis und in einem allokativ effizienten Umfang zur Verfügung gestellt werden (Vgl. Haucap/Rötzel 2007, S. 56). Im Gegensatz zur kostenbasierten Regulierung setzt die Anreizregulierung dynamische Impulse und beeinflusst dadurch sowohl die Verteilung der aktuellen Konsumenten- und Produzentenrente al auch die der Folgeperioden.
Abb. 3: Die Zielsetzungen bei zunehmendem Detaillierungsgrad der Regulierung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eigene Darstellung
Die Entgeltregulierung ist ein zentraler Baustein zur Gewährleistung des diskriminierungsfreien Zugangs zu den Strom- und Gasnetzen im Rahmen des disaggregierten Regulierungsansatzes. Hierzu müssen die Netzentgelte um netzspezifische Marktmacht bereinigt werden, so dass Netzkunden gegenüber vertikal integrierten Netzbetreibern nicht schlechter gestellt werden.
Die Anreizregulierung stellt eine Möglichkeit der Entgeltregulierung dar. Mit ihr wird zusätzlich die Absicht verfolgt, den Netzbetreiber zu Effizienzsteigerungen zu veranlassen. Durch Steigerung der produktiven Effizienz in Form von Kostensenkungen ist es ihm möglich Zusatzgewinne zu erwirtschaften. Im Zeitablauf werden die Kostensenkungen an die Netznutzer durch geringere Netznutzungsentgelte weitergegeben (Vgl. Günther 2006, S. 15). Von der Verbesserung der produktiven Effizienz profitieren somit zunächst die Netzbetreiber und dann die Netznutzer und Konsumenten.
Anreizregulierungssyteme sollten in ihrer Ausgestaltung die vier folgenden Anforderungen erfüllen um sachgerechte Ergebnisse zu erzielen (Vgl. Pfeiffenberger/Tye 1995, S. 770f):
Simplizität: Der angewendete Mechanismus muss einfach, transparent und mit möglichst wenig Kostenaufwand verbunden sein. Zudem werden simple Instrumente von der Öffentlichkeit besser akzeptiert als komplexe Mechanismen.
Geeignete Anreizstrukturen: Die gesetzten Anreize müssen mit den Renditezielen der Unternehmen verknüpft sein und müssen sich auf Faktoren beziehen, die im Einflussbereich der Netzbetreiber liegen. Die Anreizstrukturen sollten zudem zu einer allokativ effizienten Preisstruktur führen.
Fairness: Das Verhältnis von Belohnungen und Strafen für das Unternehmen sollte ausgewogen sein und das Anreizsystem sollte eine „win-win-Situation“ schaffen, so dass sowohl die Kunden als auch das regulierte Unternehmen von der Regulierung profitieren.
Planungssicherheit: Der Anreizmechanismus und die Dauer der Regulierungsperioden müssen vom Regulierer klar definiert werden und dürfen auch bei unerwarteten Ergebnissen nicht revidiert werden.
Diese Kriterien werden regelmäßig als Maßstab zur Beurteilung von Anreizregulierungssystemen genannt (z.B. Franz et al. 2005b, S. 7). Gelegentlich werden diesen Kriterien andere Namen gegeben, obwohl sich derselbe Sachverhalt dahinter verbirgt. So fasst Lowry (2006, S. 2ff.) die Kriterien Simplizität und geeignete Anreizstrukturen unter dem Namen ökonomische Effizienz zusammen. Der kanadische Gasversorger Union Gas Unlimited (2007, S. 5ff.) hingegen gibt eine Vielzahl an Kriterien an, die alle wiederum unter den vier oben genannten Kriterien zusammengefasst werden können. Anhand dieser Kriterien wird in Kapitel 9 das Gesamtkonzept beurteilt.
Das Regulierungssystem der BNetzA sieht eine Erlösobergrenzenregulierung vor, da ein geringerer Informationsbedarf besteht als bei einer Price-Cap-Regulierung (Vgl. BNetzA 2006a, S. 61f.). Somit wird nur die Gesamtsumme der Erlöse als Obergrenze vorgegeben, wodurch den Unternehmen der größtmögliche Spielraum für die unternehmerische Freiheit gelassen wird. Die Festlegung der Obergrenze beruht auf einer Prognose der Netzbetreiber bezüglich der Absatzmenge während des Jahres. Über ein Regulierungskonto auf dem die Differenz zwischen dem Ist- und Planwert erfasst wird, sollen Mengenschwankungen berücksichtigt werden.
Abb. 4: Bestimmung der Regulierungsvorgaben für die erste Regulierungsperiode
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eigene Darstellung
Die Ermittlung des Ausgangsniveaus erfolgt, wie bei der bisherigen kostenorientierten Regulierung auch, entsprechend der NEV. Die Kostendaten der Netzbetreiber werden einer regulatorischen Kostenprüfung unterzogen anhand derer das Ausgangsniveau bestimmt wird. Die angegebenen Kostendaten werden standardisiert und in beeinflussbare, vorübergehend nicht beeinflussbare und dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten unterschieden. Die beeinflussbaren Kosten werden verglichen und somit Effizienzunterschiede festgestellt. Auf dieser Grundlage werden den Netzbetreibern individuelle Produktivitätsvorgaben (Xind) gemacht, die sie über vorgegebene Erlöspfade realisieren müssen (Vgl. BNetzA 2006a, S.76).
Neben den individuellen Vorgaben werden auch der ganzen Branche bezüglich der Produktivitätsentwicklung Vorgaben (Xgen) gesetzt. Während der Xind dem Unternehmen Vorgaben zum Abbau von Ineffizienzen gegenüber anderen Netzbetreibern macht, berücksichtigt der Xgen die Produktivitätsveränderung des ganzen Sektors (Vgl. BNetzA 2006a, S. 166).
Darüber hinaus wird das Regulierungssystem erweitert um Qualitätselemente, die die Versorgungssicherheit und die angemessene Investitionstätigkeit des Netzbetreibers sicherstellen sollen. Diese bestehen aus direkten Vorgaben an die Netzbetreiber, Pönalen und einem Bonus/Malus-Konto für Stromnetzbetreiber (Vgl. BNetzA 2006a, S. 134). Für einen Überblick über die Vorgehensweise in der ersten Regulierungsperiode siehe Abb. 4.
Formal wird die Erlösobergrenze für Periode t (EOt) nach folgender Formel und Definitionen gebildet:
KAdnb,t = dauerhaft nicht beeinflussbarer Kostenanteil im Jahr t der Regulierungsperiode
KAvnb,0 = vorübergehend nicht beeinflussbarer Kostenanteil im Jahr Basisjahr
Xind, t = Unternehmensindividuelle Effizienzvorgabe für das Jahr t
KAb,0 = beeinflussbarer Kostenanteil im Basisjahr
VPIt bzw. VPI0 = Verbraucherpreisindex im Jahr t bzw. im Basisjahr
Xgent = genereller sektoraler Produktivitätsfortschritt im Jahr t
EFt = Erweiterungsfaktor für das Jahr t
Qt = Mehr-/Mindererlöse für Versorgungsqualität im Jahr t.
Abb. 5: Die Regulierungsformel
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eigene Darstellung
Nach den ersten beiden Regulierungsperioden sollen alle Netzbetreiber auf einem effizienten Niveau sein, von dem aus sie in den Yardstick-Competion übergehen. Bei dieser Regulierungsform werden den Unternehmen Vorgaben gesetzt, die aus einem Unternehmensvergleich resultieren, wodurch die Regulierung auf Informationen basiert, die für das einzelne Unternehmen nicht beeinflussbar sind. Unternehmen mit einer durchschnittlichen Produktivitätsentwicklung sollen eine durchschnittliche, angemessene Rendite erzielen, wobei es Unternehmen mit einer überdurchschnittlichen Produktivitätsentwicklung möglich sein muss eine höhere Rendite zu erzielen (Vgl. Rodgarkia-Dara 2007, S. 39f.)
In den nachfolgenden Kapiteln werden die einzelnen Elemente der Anreizregulierung nach dem Konzept der BNetzA separat betrachtet. Deshalb soll an dieser Stelle auf die Interdependenzen zwischen dem Ausgangsniveau, dem X-Faktor und der Länge der Regulierungsperiode eingegangen werden.
Das Ausgangsniveau wird häufig auf der Basis der Tarife vor Einführung der Anreizregulierung bestimmt, so dass die bisherigen Ist-Kosten des Unternehmens die Grundlage bilden. Eine andere Möglichkeit zur Bestimmung des Basiswertes ist die Ermittlung durch ein Benchmarking-Verfahren. Hierbei werden die Kosten von strukturell vergleichbaren Netzbetreibern gegenübergestellt um Ineffizienzen festzustellen (Vgl. Pfeifenberger/Tye 1995, S. 772f.).
Der X-Faktor (Xind und Xgen sind hier zur Vereinfachung zusammengefasst) setzt am Ausgangsniveau an und gibt den zulässigen Erlöspfad für die Unternehmen vor. Diese Vorgaben müssen innerhalb einer Regulierungsperiode umgesetzt werden.
Hat die Regulierungsbehörde die maximale Effizienz als Zielniveau am Ende der Regulierungsperiode, kann dies über verschiedene Wege erreicht werden. Sie kann das Ausgangsniveau in Höhe der Ist-Kosten festsetzen und dies mit einem hohen X-Faktor verbinden, woraus ein steiler Erlöspfad in Form von x1 resultiert. Die Konsumenten profitieren durch den X-Faktor an den Rationalisierungsgewinnen der Unternehmen (Vgl. Grewe 1999, S. 26).
Eine andere Möglichkeit ist, im Rahmen eines Benchmarking-Verfahrens die durchschnittliche Effizienz zu ermitteln und dort das Ausgangsniveau festzusetzen. Um die maximale Effizienz zum Ende der Regulierungsperiode zu erreichen, wird nun aber ein geringerer X-Faktor und ein flacherer Erlöspfad (x2) benötigt. Das absenken des Ausgangsniveaus unter die Ist-Kosten kann für ineffizient operierende Unternehmen starke Einschnitte bedeuten. Für die Verbraucher bedeutet es aber eine schnellere Erhöhung der Konsumentenrente. Je länger die Regulierungsperiode ist, desto mehr Zeit haben die Netzbetreiber die Produktivitätsvorgaben umzusetzen und desto flacher wird der Verlauf der Erlöspfade (x1*, x2*).
Abb. 6: Ausgangsniveau, X-Faktor und Dauer der Regulierungsperiode
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In Anlehnung an Schäffner 2007, S. 7
Zu Beginn der Anreizregulierung muss die BNetzA eine einheitlich Datenbasis schaffen, um Effizienzunterschiede zwischen den einzelnen Unternehmen ermitteln zu können. Essentiell für das gerechte Wirken einer Anreizregulierung ist, dass hierbei von einem individuellen aber gleichartig ermittelten Ausgangsniveau ausgegangen wird (Vgl. Westermann et al. 2007, S. 54).
Nach dem EnWG §21a Abs. 4 hat der Regulierer die Aufgabe, das Ausgangsniveau zu Beginn einer Regulierungsperiode zu ermitteln. Darüber hinaus ist die Berücksichtigung von Effizienz und Wettbewerbsanalogie im § 21 Abs. 2 EnWG verankert. Demnach soll die Kostenkalkulation der Entgelte, der Betriebsführung eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen. Kosten, die sich unter Wettbewerb nicht eingestellt hätten, dürfen nicht berücksichtigt werden. § 21a Abs. 5 Satz 4 EnWG sieht vor, dass die Vorgaben der Regulierungsbehörde unter zumutbaren Maßnahmen erreichbar und übertreffbar gestaltet sein müssen. Somit muss es dem Netzbetreiber unter Ausschöpfung seines Potentials möglich sein, eine höhere Rendite zu erwirtschaften als die im EnWG vorgesehene angemessene, risikoangepasste Verzinsung des eingesetzten Kapitals (Vgl. Baur et al. 2006, S. 87).
Die BNetzA leitet aus dem § 21 Abs. 2 EnWG ein sofortiges Absenken auf ein effizientes Kostenniveau ab (Vgl. BNetzA 2006a, S. 159). Demnach würde sich das Ausgangsniveau nicht an den Ist-Kosten der Netzbetreiber orientieren, sondern die Sollkosten eines effizienten Betreibers würden herangezogen werden. Dieses Vorgehen wird häufig als P0-Cut bezeichnet.
Die grundsätzliche Gefahr bei der Bestimmung der Datenbasis besteht darin, diese falsch festzulegen. Der Basiswert einer Anreizregulierung wird häufig auf Grundlage der bisherigen Preise gebildet (Vgl. Grewe 1999, S.21). Wurden diese missbräuchlich unter Ausnutzung der Monopolstellung des Netzbetreibers gebildet, können die Preissenkungsvorgaben der Regulierungsbehörde auch ohne Kostensenkungen erreicht werden und die bisherigen Ineffizienzen bleiben bestehen. Zumindest in der ersten Regulierungsperiode bliebe die Anreizregulierung ohne Druck auf die Netzbetreiber.
Die Regulierungsbehörde muss in der Lage sein die tatsächlichen Ist-Kosten zu ermitteln. Generell liegt eine asymmetrische Informationsverteilung bezüglich der Kostenbedingungen zwischen dem Unternehmen und der Regulierungsinstanz vor (Vgl. Franz et al. 2005b, S. 6f.). Um einer besonders harten Regulierung zu entgehen und um einen möglichst großen Teil ihrer Monopolrenditen zu behalten, haben die Netzbetreiber Anreize, wie auch unter der kostenbasierten Regulierung, ihre wahren Kosten zu verschleiern und als möglichst hoch darzustellen.
Im Kontrast dazu besteht die Gefahr, die Netzbetreiber durch regulatorische Vorgaben zu überfordern. Wird das Ausgangsniveau so festgelegt, dass bestehende Ineffizienzen zu Beginn der Regulierungsperiode eine Gewinn reduzierende Wirkung haben, bedeutet dies einen Zuwachs an Konsumentenrente, da die Nachfrager von sinkenden Preisen profitieren (Vgl. Franz et al. 2005a, S. 91). Für suboptimal operierende Betreiber kann dies beträchtliche Anpassungslasten zur Folge haben, die sie an ihre wirtschaftlichen Grenzen bringen können, so dass die Gefahr des Marktaustrittes (Vgl. Elsenbast 2006, S. 137) oder des Bankrotts besteht. Für Regulierungsverfahren gilt, dass der Bankrott eines regulierten Unternehmens, insbesondere im Infrastrukturbereich, zu vermeiden ist (Vgl. Schäfer/Schönefuß 2006, S. 174).
Der am 04.04.07 veröffentlichte Entwurf einer Verordnung über die Anreizregulierung der Energieversorgungsnetze (ARegV) des Bundeswirtschaftsministeriums unterstützt den Vorschlag der BNetzA die unternehmensindividuellen Kostendaten gemäß der Netzentgeltverordnung (NEV) zu ermitteln (Vgl. BNetzA 2006a, S. 157). Somit wird das Startniveau im Rahmen einer Kostenprüfung entsprechend des Teil 2 Abschnitt 1 der StromNEV bzw. der GasNEV bestimmt. In der StromNEV wird die Ermittlung der Netzentgelte durch die §§ 5 bis 11 festgelegt; in der GasNEV gelten analog dieselben Vorschriften. Grundsätzlich gilt nach § 4 Satz 1 StromNEV/GasNEV, dass bilanzielle und kalkulatorische Kosten des Netzbetriebs nur insoweit anzusetzen sind, als sie den Kosten eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen. Vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen haben nach § 10 Satz 3 EnWG ihre interne Rechnungslegung wie rechtlich selbständige Unternehmen zu führen.
Tab. 2: Vereinfachte Übersicht über die Kalkulation der Netzentgelte nach der NEV
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eigene Darstellung
Die Grundlage der Kalkulation bildet somit die Gewinn- und Verlustrechnung des Netzbetreibers. Die kalkulatorischen Kosten nach den §§ 6 – 8 stimmen nicht mit den realen Geld- und Güterströmen überein und somit auch nicht mit den bilanzierten Werten, sondern werden angesetzt um periodisierte und/oder antizipierte Kosten in die Kalkulation mit aufzunehmen (Ballwieser/Lechler 2007, S. 18).
Nach § 13 der StromNEV/GasNEV werden zur Entgeltermittlung Haupt- und Nebenkostenstellen entsprechend der Anlage 2 der Verordnungen gebildet. Im Stromnetz werden die Kosten der Netz- und Umspannebenen anteilig auf nachgelagerte Ebenen verteilt, während bei der Gasversorgung bei der Bildung von Teilnetzen die Kostenzuordnung sachgerecht zu erfolgen hat. Ziel dieser Methode ist es die Kosten verursachungsgerecht den einzelnen Kostenträgern zuzuordnen und somit die Kosten pro Leistungseinheit (Stückkosten) zu ermitteln (Vgl. Schäffner 2007, S. 3). Das Ausgangsniveau der Anreizregulierung wird vor Beginn der jeweiligen Regulierungsperiode auf der Grundlage der Kostenbasis nach Tab. 2 des vorletzten Kalenderjahres ermittelt.
Für die am 01.01.2009 beginnende erste Regulierungsperiode ist nach § 6 Abs. 2 ARegV das Ergebnis der Kostenprüfung im Rahmen der letzten Genehmigung der Netzentgelte vor Beginn der Anreizregulierung heranzuziehen. Netzbetreiber, denen niedrige Netznutzungsentgelte genehmigt wurden, werden bei veränderter Kosten- und Erlössituation versuchen im Jahr 2008 auf Basis der Daten von 2007 eine für sie vorteilhaftere Genehmigung zu erhalten (Vgl. Elspas 2007, S. 10).
Anschließend werden die vorliegenden Daten einer regulatorischen Prüfung unterzogen. Hiermit werden zwei Ziele verfolgt. Zum einen wird überprüft, ob die angegebenen Daten formal und inhaltlich der NEV entsprechen, zum anderen sollen Extremwerte erfasst werden, um eine Korrektur von erhöhten Kosten zu Beginn der Anreizregulierung zu ermöglichen (Vgl. BNetzA 2006a, S. 159).
Die BNetzA leitet in ihrem Berichtsentwurf aus dem § 21 Abs. 2 EnWG eine sofortige Absenkung auf ein effizientes Kostenniveau ab (Vgl. BNetzA 2006b, S. 196f). Dieses Vorgehen wird auch P0-Cut genannt. Nach massiver Kritik ist die BNetzA zwar davon abgekommen, behält sich aber weiterhin die Möglichkeit vor, im Rahmen der regulatorischen Kostenprüfung, überhöhte Kosten zu kürzen. Eine Definition, ab wann eine Kürzung überhöhter Kosten vorgenommen wird, bleibt die Behörde aber schuldig. Insbesondere vor dem eigentlichen Ursprungsgedanken, der initialen Kürzung, kann eine strikte Vorgehensweise vermutet werden.
Derselbe Paragraph schreibt aber auch die „Berücksichtigung von Anreizen für eine effiziente Leistungserbringung“ vor. Ein P0-Cut der Kosten auf das niedrigste mögliche Niveau oder eine starke Kürzung stehen somit im Widerspruch zu der Vorgabe des EnWG (Vgl. Schunk 2006, S. 24). § 21a Abs. 5 EnWG schreibt zudem vor, dass sich die Effizienzvorgaben in erster Linie an der bestehenden Effizienz orientieren sollen. Die Interpretation der BNetzA würde an viele Netzbetreiber kurzfristig sehr hohe Anpassungsanforderungen stellen und eventuell eine Überforderung der Unternehmen bedeuten, womit, wie unter 3.2 beschrieben, die Gefahr des Marktaustritts verbunden wäre.
Durch den Start bei einem effizienten Niveau oder einer initialen Kostenkürzung müssten die von der Regulierungsbehörde geforderten Effizienzgewinne für die erste Periode sehr niedrig ausfallen. Die Unternehmen befinden sich dann ja schon auf der effizienten Grenze und müssten gegenüber anderen Unternehmen keinen Aufholprozess mehr vollziehen (Vgl. Franz et al. 2005a, S. 91). Der individuelle X-Faktor müsste demnach in der ersten Regulierungsperiode Null sein und nur der generelle X-Faktor dürfte den Betreibern Produktivitätsvorgaben setzen (siehe Kapitel 2.3). Dies steht aber im Widerspruch zu dem Grundgedanken der Anreizregulierung, nämlich durch Produktivitätsfortschritte höhere Renditen zu erzielen als dies unter Kostenorientierung möglich wäre. Effizienz orientierte Abschläge bei der Ermittlung des Ausgangsniveaus sind daher nicht notwendig (Vgl. Wild 2006, S. 11), sondern sollten über den individuellen X-Faktor gesetzt werden.
Die Erfassung überhöhter Kostenpositionen in der regulatorischen Kostenprüfung ist zwar unüblich, entspricht aber dem Gedanken der BNetzA die Betreiber von einem effizienten Niveau aus starten zu lassen. Gleichzeitig zeugt dieses Vorgehen aber von einem Misstrauen gegenüber der eigenen Kalkulation auf der Grundlage der NEV (Vgl. Schunk 2006, S. 25) da diese ja bereits einen effizienten Netzbetreiber als Maßstab nimmt. Vor dem Start der Anreizregulierung zum 01.01.2009 haben die Netzbetreiber zwei Entgeltgenehmigungsrunden nach der NEV bereits durchlaufen, in denen die BNetzA missbräuchlich überhöhte Preise kürzen konnte und diese auch um bestehende Ineffizienzen bereinigen konnte.
Der Bestandteil der regulatorischen Kostenprüfung ist konzeptionell in einer Anreizregulierung unüblich, da die eigentliche Effizienzprüfung im Benchmarking stattfinden soll (Vgl. VDEW et al. 2007, S. 9). Vielmehr steht eine Aberkennung von Kosten bei der Ermittlung des Ausgangsniveaus im Widerspruch zur Idee der Anreizregulierung, da diese ja gerade Vorgaben und Anreize zur Effizienzsteigerung setzen soll.
Die Verwendung der NEV zur Ermittlung der Kostenbasis ist zwar praktisch, da sie etabliert ist, aber insbesondere bei den kalkulatorischen Abschreibungen, der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung, der kalkulatorischen Gewerbesteuer und den aufwandsgleichen Kosten herrscht bei einigen Punkten noch Rechtsunsicherheit (Vgl. PWC 2007a, S. 7ff.). Eine Konkretisierung wird sich durch die Rechtssprechung laufender Verfahren ergeben.
Das vorletzte Kalenderjahr wird zur Ermittlung der Ausgangsbasis herangezogen, woraus ein großer zeitlicher Versatz resultiert. Um einen zeitnaheren Bezug herzustellen, könnte eine Kostenaktualisierung vorgenommen werden, wie dies z. B. in Österreich getan wird. Ebenso könnte der Verbraucherpreisindex des Vorjahres verwendet werden, anstatt der des vorletzten Jahres (Vgl. Böwing et al. 2007a, S. 14).
Positiv anzumerken ist, dass ab der zweiten Regulierungsperiode keine Plandaten nach § 3 Abs. 1 Satz 5 StromNEV bzw. Satz 4 GasNEV mehr mit in die Berechnungen einbezogen werden. Die Einbeziehung von Plandaten, die als gesicherte Erkenntnisse für das Planjahr vorliegen, können aktuell in die Kalkulation miteinbezogen werden. Dies ist in den bisherigen Entgeltgenehmigungsverfahren häufig umstritten gewesen, da zum einen Netzbetreiber nur für sie vorteilhafte Erkenntnisse berücksichtigt haben und es zum anderen fragwürdig war, ob bei den einzelnen Kostenpositionen wirklich gesicherte Erkenntnisse vorliegen ( Vgl. Elspas 2007, S. 10). Darüber hinaus führt der Verzicht auf Plandaten zu einer besser vergleichbaren Datenbasis für die Durchführung des Effizienzvergleiches.
Die bestehenden NEV zur Berechnung des Startwertes heranzuziehen, erscheint vor dem baldigen Starttermin der Anreizregulierung sinnvoll. Bis zum 01.01.09 besteht genügend Zeit die bestehenden Rechtsunsicherheiten gerichtlich zu klären. Die Einführung einer neuen Kalkulationsgrundlage wäre mit neuen Rechtsunsicherheiten verbunden, so dass mit den bestehenden NEV die einzuführende Anreizregulierung auf einem soliden Standbein steht. Die BNetzA kann auf Erfahrungen in der Bewertungspraxis zurückgreifen und für die Unternehmen besteht höhere Planungssicherheit (Vgl. Schäffner 2007, S. 60).
Wie unter 2.4 gezeigt, bestehen Interdependenzen zwischen dem Ausgangsniveau und den Effizienzvorgaben. Die BNetzA verzichtet auf eine initiale Absenkung der Ausgangsbasis auf ein durchschnittlich effizientes Niveau wie sie es in ihrem Berichtsentwurf vorgesehen hat. Sie behält sich aber die Möglichkeit vor, überhöhte Kostenpositionen im Rahmen der regulatorischen Kostenprüfung zu senken. Dies ist zwar ein anderes, individuelleres Instrument als die pauschale Kostenkürzung der Ausgangsbasis auf den Branchendurchschnitt, aber die Zielsetzung bleibt doch die gleiche.
Die BNetzA verfügt somit über ein Mittel missbräuchlich überhöhte Preise zu senken (Vgl. 3.2) und das Ausgangsniveau zu bereinigen. Bei der Bestimmung des Ausgangsniveaus wird dies häufig als Minimalanforderung betrachtet (Vgl. Franz et al. 2005b, S. 11) und der Einsatz dieses Instrumentes wäre nicht nur gerechtfertigt, sondern auch notwendig um die Netzbetreiber zu Produktivitätsfortschritten zu bewegen. Durch Marktmacht überhöhte Preise sind jedoch nur schwer nachweisbar. Zum einen ist die Ermittlung der Grenzkosten in der Energiewirtschaft sehr schwierig und zum anderen werden auch auf Märkten mit funktionsfähigem Wettbewerb Preise erzielt, die über den Grenzkosten liegen (Vgl. Weber/Vogel 2007, S. 22ff.).
Wird die Preissenkung im Rahmen der regulatorischen Kostenkürzung jedoch zum Abbau von Ineffizienzen verwendet, kann dies harte Einschnitte für Unternehmen bedeuten. Die Änderung von etablierten Betriebsführungskonzepten (Wartung, Instandhaltung, Erneuerung) stellt einen längerfristigen Prozess dar. Als Konsequenz ergeben sich daraus dann Fehlbeträge (Vgl. Abb. 7) im Netzbetrieb (Vgl. Geode 2006, S. 3f.). Im Personalbereich gelten durch Tarifverträge, Kündigungsfristen und Sozialleistungen Rahmenbedingungen die zumindest kurzfristig nicht beeinflussbar sind (Vgl. VRE et al. 2006a, S. 27). Eine sofortige Anpassung erscheint gerade vor dem Hintergrund der langen Investitionslaufzeiten in der Energiewirtschaft fragwürdig.
[...]
[1] Die RPI-X Schreibweise der Obergrenzenregulierung ist die in der Literatur übliche Schreibweise. Der Grundgedanke ist die Berücksichtigung der Preissteigerungen der Inputfaktoren, denen der Netzbetreiber ausgesetzt ist. Abgesehen von Verbraucherpreisindizes, werden deshalb häufig auch branchenspezifische Indizes herangezogen. In Österreich wurde zum Beispiel ein Netzbetreiberindex gebildet, der sich zu 40 % aus einem Tariflohnindex, zu 30 % aus einem Baupreisindex und zu 30 % aus dem Verbraucherpreisindex zusammensetzt (Vgl. Diekmann et al. (2006), S. 63).
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