Essay, 1999
5 Seiten
DOLCHE UND BLITZE im Kosovo
Zur Option des selektiven Zugriffs gegenüber Menschenrechtsverletzungen
In: >Die Zeichen der Zeit/ Lutherische Monatshefte<, Heft 6/99
Bis 1983 bestand in der gesamten bundesdeutschen Bevölkerung ein allgemeiner Konsens darüber, das >Frieden zwar nicht alles, aber ohne Frieden alles nichts< sei. Symbolisiert wurde dies durch den Rückgriff auf ein (von allen verstandenes und respektiertes) Bild: das der Taube mit dem Ölzweig auf einem Berg zerbrochener Waffen.
Heute nun - mitten in einem neuen >Waffengang< - liegt die Taube mit dem Ölzweig und mit ihr die Menschenwürde unter einem Berg von Waffen begraben. Und dieser Berg, so zeigt bereits ein flüchtiger Blick auf Picassos Gemälde, besteht eben nicht nur aus den Dolchen (Milosevic'), sondern auch aus den Blitzen (der NATO-Bomben).
Damit wäre auch heute eigentlich schon alles gesagt, läge dazwischen nicht ein Medienereignis, daß die elementare Symbol- sprache der Friedensbewegung völlig entwertete: Seit dem >Golf- Krieg< gegen Sadam Hussein (1991) ist es für uns alle (nicht zuletzt dank militärischer Zensur und elekronischer Bildbearbei- tung) völlig offensichtlich, daß es nicht die Taube mit dem Ölzweig, sondern einzig die militärische Stärke ist, die Men- schenrechte und den Frieden sichern.
Folgerichtig galten plötzlich Transparente mit Aufschriften wie >Ich habe Angst< oder >Kein Krieg< als Zeichen eines >erschreckenden Argumentationsdefizits< der sog. >Friedens- freunde<. Von >schuleschwänzenden Kids< (Cora Stephan), war die Rede, die den >unpolitischen Kern der Friedensbewegung< (Claus Leggewie) bildeten, alles Atribute die gemeinhin Kindern zuge- schrieben werden.
Nunmehr aber müsse Deutschland im Interesse von Frieden und Sicherheit in Europa international >endlich erwachsen werden<, sich einbinden und die ihm zukommende Verantwortung übernehmen, meinten selbst ehemalige >Alt-68er<. Daß dies nichts anderes war, als die Identifikation mit den Siegern des Kalten Krieges, die die narzistische Phase der Identifikation mit den Opfern des Naziregimes als >Jugendsünde< hinstellen sollte, ist zwar ein psychologischer Trost, aber es traf wohl genau die allgemeinen Wünsche und Hoffnungen.
Und heute ist jeder, der an das so eindrucksvolle Bild der Taube mit dem Ölzweig erinnert unweigerlich als >friedensbeweg- ter Gutmensch< abgestempelt, unfähig zu poltischer Vernunft und Realitätssinn.
Der Artikel von Walter Grode, veröffentlicht in >Die Zeichen der Zeit/ Lutherische Monatshefte<, Heft 6/99, thematisiert die Option des selektiven Zugriffs gegenüber Menschenrechtsverletzungen am Beispiel des Kosovo-Konflikts. Er argumentiert, dass sowohl die Aktionen von Milosevic (Dolche) als auch die NATO-Bomben (Blitze) zur Zerstörung von Frieden und Menschenwürde beitragen.
Bis 1983 herrschte in der bundesdeutschen Bevölkerung der Konsens, dass Frieden von höchster Bedeutung ist, symbolisiert durch das Bild der Taube mit dem Ölzweig auf einem Berg zerbrochener Waffen.
Nach dem Golfkrieg 1991, insbesondere durch militärische Zensur und elektronische Bildbearbeitung, verschob sich die Wahrnehmung dahingehend, dass militärische Stärke und nicht pazifistische Symbole wie die Taube mit dem Ölzweig als Garanten für Menschenrechte und Frieden galten.
Demonstrationen mit pazifistischen Botschaften wurden oft als Zeichen eines "Argumentationsdefizits" der "Friedensfreunde" abgetan. Friedensaktivisten wurden als unpolitisch und naiv dargestellt.
Es wurde von Deutschland erwartet, dass es im Interesse von Frieden und Sicherheit in Europa "erwachsen wird", sich international einbindet und Verantwortung übernimmt. Dies bedeutete eine Abkehr von der Identifikation mit Opfern des Naziregimes hin zur Identifikation mit den Siegern des Kalten Krieges.
Wer an das Bild der Taube mit dem Ölzweig erinnert, wird oft als "friedensbewegter Gutmensch" abgestempelt, dem politische Vernunft und Realitätssinn fehlen.
Das Hauptargument ist, dass sowohl die Gewalt von Milosevic als auch die militärischen Interventionen der NATO letztendlich zum selben Ergebnis führen: der Zerstörung von Frieden und Menschenwürde. Der Artikel zielt darauf ab, diesen Eindruck durch eine rationale Analyse zu untermauern.
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