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Bachelorarbeit, 2021
34 Seiten, Note: 1,3
Einleitung
Gottesgericht
Todessünde und Offenbarungsgesetz
Raskoljnikovs Todessünde
Theorie
Auflösung des Lebensbildes
Gottesverheißung
Beichte
Evangeliums Johannes
Bekenntnis
Schuld
Buße
Sakrament der Absolution
Auferstehung
Fazit
Literaturverzeichnis
In der vorliegenden Arbeit wird das Thema der Schuld aus der Perspektive der christlichen Lehre analysiert. Es wurden einzelne innere Umwandlungsprozesse des Hauptprotagonisten Rodion Raskoljnikov aus F. M. Dostoevskijs Roman „Schuld und Sühne“ untersucht und mit der traditionellen christlichen Praxis verglichen.
Die gesamte Untersuchung wurde in Anlehnung an die eschatologische Theorie - Lehre von den letzten Dingen der Theologen Eduard Thurneysen und Karl Barth - durchgeführt. Die Autoren beschreiben die einzelnen Phasen geistiger Entwicklung eines Menschen auf dem Weg zur Lebenserkenntnis.
Die Analyse setzt folgende Schwerpunkte:
- Die Schuld, die den Hauptprotagonisten in eine Krise stürzt
- Das Sakrament der Beichte (Bekehrung: Bekenntnis, Buße, Absolution)
- Die Auferstehung
Es werden folgende Fragen beantwortet:
- Wie löst sich der Hauptprotagonist Raskoljnikov mithilfe christlicher Lehre von der Last seiner Schuld?
- Welche Schritte in Raskoljnikovs Umwandlungsprozess überschneiden sich mit jenen aus der christlichen Lehre?
- Inwieweit spiegelt sich die christliche Lehre im Roman „Schuld und Sühne“ wider?
Die Eschatologie,1 Das Leben vor den letzten Dingen, die Eduard Thurneysen in seinem Buch Dostojewski dargestellt hat, unterscheidet zwischen dem menschlichen Leben unter Gottes Gericht und Gottes Verheißung. Die Verwendung der Begriffe Gericht und Verheißung stammt von der Auferstehung Christi: „Aus dem Tod ins Leben“. Einer der wichtigsten Anhaltspunkte ist hier die Wiederherstellung der GottMensch-Verbindung, die das Endziel des Erlösungsprozesses darstellt. Der Theologe Karl Barth unterscheidet in der Gott-Mensch-Beziehung zwischen der Gottesgerechtigkeit und der Menschengerechtigkeit. Die Gottesgerechtigkeit beschreibt er als das Gericht der sündenverfallenen Menschengerechtigkeit. Durch das Gottesgericht greift der Erlöser das falsche menschliche Lebensbild an, indem er den Menschen in eine Krisis versetzt. Es ist ein Nein Gottes - Gottes Zorn. Erst in der Krisis werden alle Sünden erkannt und ans Licht gebracht, d.h., die Krisis ermöglicht die menschliche metaphysische Transformation. Das Gottesgericht vereint das Sein des Menschen im Diesseits, führt zur Bekehrung und weist auf seine Kehrseite - die Gottesgnade - hin. Es geht nicht von der Vernichtung, sondern von der Aufrichtung des menschlichen Lebens aus. Die Gottesgerechtigkeit führt zu einer Korrektur des menschlichen Lebensbildes, weil dem richtigen NEIN Gottes sein gnädiges JA zugrunde liegt.2 Im Angesicht der Herrschaft Gottes gibt es keinen Unterschied zwischen dem Leben unter Gericht und Gnade, weil die Krisis letztlich nur zur Liebe führt.3 Nur im Gericht Gottes kann die Reinheit der Gerechtigkeit offenbart werden. Die Gottesgerechtigkeit bezeichnet die Gottes-Sein-Eigenschaft und deren Erlösungswillen. Gott ist immer gerecht und will den Menschen in seiner Vergebung die Gerechtigkeit schenken. Die Menschengerechtigkeit stellt die Grundeigenschaften des Menschseins und dessen Sündenverfallenheit dar.4 Diese sündhafte Menschengerechtigkeit wird von außen her angegriffen - Gottes Angriff, der den Menschen unter Gottes Gericht führt.
„Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.“5
Aus dem Gericht Gottes führen nur zwei Auswege: der leibliche Tod oder die Bekehrung, die aus der Reue, Buße, Verzeihung besteht und die zur Totenauferstehung - zu der „unmöglichen Möglichkeit“ - führt . Gottes Gericht richtet die Menschengerechtigkeit.
Der evangelische Theologe Karl Barth definiert die Sünde als „die Königsmacht der Welt, unter der jeder Mensch leiden muss. Als Macht bedeutet Sünde eine bestimmte Beziehung des Menschen zu Gott, ein Raub an Gott.“6 Unter diesem „Raub“ ist die Abwendung des Menschen von Gott und die Zerstörung der Verbindung mit ihm gemeint. Der Mensch wird selbst Herr seines eigenen Lebens. Er wird zu einem Mensch-Gott, was unbedingt zum Verfallen des Daseins führt. Darin liegt die Wurzel aller menschlichen Sünden, denen die Hochmut - die Superbia - vorausgeht . Der Mensch will für sich sein, er hat das Recht auf sich selbst, auf seinen Hass und seine Begierde, auf sein Leben und seinen Tod. Der Geist und das Fleisch werden von diesem Hochmut entzündet.7 Es entsteht ein von Sünde und Tod verflochtener gottloser Kosmos, in dem der Mensch nicht mehr in der Lage ist, sich aus seiner eigenen Kraft zu erheben. Diese Abkehrentscheidung gleicht einem freiwilligen Absturz in ein tiefes Loch, aus dem sich der Mensch nicht mehr selbst befreien kann.8 Mit der Sünde steht in einer direkten Verbindung das Offenbarungsgesetz, das eine Art Ausweg ins Licht darstellt. Es ist ein Ort der Gott-Mensch-Diastase, wo der Mensch ein höheres Bewusstsein erreicht. Im Johannes Evangelium spricht Jesus folgendes:
„Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“9
Nur in dem Licht kann die Sünde wahrhaftig entblößt und erkannt werden,10 wobei die Finsternis die sündhafte Menschengerechtigkeit im Leiden darstellt. Gott verweigert dem Sünder seine Gnade nicht, solange sich in ihm genügend Wille für die Veränderung bewegt. Aktiv unterstützt er aber die positive Regung zur Veränderung eines Menschen nicht. Darin besteht der freie Wille der Menschheit.
Es stellt sich die Frage, inwieweit sich der Mensch von Gott entfernen muss, um seine Verschuldung als Todessünde bezeichnen zu können. Der Theologe Herman Schell ist der Meinung, dass das Wesen der Todessünde eine grundsätzliche Abwendung von Gott ist, die sich zum Gotteshass steigern kann. Im Hinblick auf die Bekehrung und Buße gibt es zwei Arten von Todessünden, die materielle und die formale. Die materiell begründete Todessünde ist eine psychologische Folgerung aus der im Leben erfolgten Abkehr von Gott, eine Konsequenz des innerlich unbeugsamen Ungehorsams gegen Gott. Die formale Todessünde bedeutet die totale Abwendung von Gott und führt zur ewigen Verhärtung und Bestrafung.11
Der Roman Schuld und Sühne ist ein psychologischer Bericht, geschrieben in Form auktorialer (omnipräsenter) Erzähler. Die Hauptfigur Rodion Romanovic Roskoljnikov ist ein attraktiver 26-jähriger Student der Rechtwissenschaften. Seit einem Monat befindet er sich in einem der Hypochondrie ähnlichen Zustand und versinkt in tiefem Nachdenken. Die ständige Grübelei macht ihn noch schwächer und verwirrter. In dieser geistesabwesenden Fassung nimmt er seine Umgebung kaum noch wahr. Da er niemanden an sich heranlässt, hat er nur einen Freund bzw. Bekannten: Dimitrij Prokofevic Razumichin. Dieser stellt den Gegenpol zu Raskoljnikov dar. Beide Charaktere manifestieren den Kontrast zwischen einer verstand- und einer herzbezogenen Persönlichkeit. Razumichin beschreibt Raskoljnikov folgendermaßen:
„noaTopa roga a PoguoHa 3Haro: yrproM, MpaaeH, HagMeHeH u ropg; b nocaegHee BpeMa (a MoxeT, ropa3go npexge) MHuTeaeH u unoxoHgpuk. BeaukogymeH u goSp. hyBcTB cboux He aroSuT BEicka3EiBaTE u ckopeö xecTokocTE cgeaaeT, aeM caoBaMu BEickaxeT cepgne. HHorga, BnpoaeM, BoBce He unoxoHgpuk, a npocTo xoaogeH u SecayBcTBeH go SecaeaoBeaua, npaBo, ToaHo b HeM gBa npoTuBonoaoxHEie xapakTepa nooaepegHo cMeHaroTca. yxacHo uHorga Hepa3roBopauB! Bce eMy Hekorga, Bce eMy MemaroT, a caM aexuT, Huaero He geaaeT. He HacMemauB, u He noToMy, aToS ocrpo™ He xBaTaao, a ToaHo BpeMeHu y Hero Ha Takue nycTaku He xBaTaeT. He gocaymuBaeT, aTo roBopaT. Hukorga He uHTepecyeTca TeM, aeM Bce b gaHHyro MuHyTy uHTepecyroTca. yxacHo beicoko ceSa nennr u, kaxeTca, He Se3 HekoToporo npaBa Ha to.“12
„..Oh Hukoro He aroSuT; MoxeT, u Hukorga He noaroSuT...“13
Es stellt sich die Frage, warum der als hochherzig und brav beschriebene Raskoljnikov die alte Pfandleiherin Alena Ivanovna und ihre Schwester umbrachte. Was war der konkrete Auslöser dieser Tat? Er hatte sich einen Tag, nachdem er den Brief seiner Mutter Puljcheria Alexandrovna Raskoljnikova erhalten hatte, für den Mord entschieden. Obwohl er sich schon seit einem Monat mit den Gedanken an den Mord beschäftigt hatte, hatte er bis zu diesem Punkt nicht gehandelt. Die Gedanken daran ekelten ihn sogar. In dem Brief informierte ihn die Mutter, dass seine Schwester Avdotjia Romanovna Raskoljnikova einen Heiratsantrag von Peter Petrovic Luzin angenommen hat. Raskoljnikov weiß, dass sie dies nur wegen Geld getan haben kann, um damit ihm, ihrem Bruder, finanziell zu helfen. Er kann ihre Selbstopferung nicht ertragen, und so geht er am nächsten Tag, als er weiß, dass die Pfandleiherin allein zu Hause ist, in ihre Wohnung und erschlägt sie mit einem Beil. Kurz nach dem Mord an Alena Ivanovna erscheint in der Wohnung unerwartet ihre Schwester Lizaveta. Auch sie bringt er um.
Nach der Definition von Herman Schell beging Raskoljnikov durch die Ermordung Alena Ivanovnas und ihrer Schwester Lizaveta eine materielle Todessünde. Dafür sprechen mehrere Tatsachen:
- das Beil, mit dem er gemordet hat, besorgte er sich erst unmittelbar vor der Tat. Er hatte sich darauf nicht vorbereitet und daher kann seine Handlung als ein plötzlicher Impuls interpretiert werden,
- Raskoljnikov wollte seine Schwester vor dem selbstbezogenen, geizigen und egoistischen Mann Luzin schützen. Ab dem Moment, nachdem er den Brief seiner Mutter gelesen hatte, spielten sich in seinem Bewusstsein unzählige Fantasien ab. Er sah in seinen Vorstellungen, wie seine Schwester und seine Mutter die Last finanzieller Schwierigkeiten und Luzins psychische Unterdrückung ertragen müssen, wie sie unter Hunger und Kälte leiden,
- Raskoljnikovs Abwendung von Gott führte ihn zur Abwendung von den Mittmenschen. In der christlichen Lehre gleicht die Beichte vor einem Priester der Beichte vor einem Mitmenschen. Raskoljnikov teilte seine sündhaften Gedanken mit niemandem, und daher konnte er von der Sünde nicht befreit werden,
- er kümmerte sich nicht um den Inhalt des geraubten Beutels. Sein Erschrecken hinderte ihn darin,
- Raskoljnikov wurde christlich erzogen.
Auf die Tatsache, dass Raskoljnikov früher an Gott geglaubt hat, weisen folgende Wörter aus dem Brief seiner Mutter hin:
„MoaumEca au th Sory, Poga, no-npexHeMy u BepumE au b SaarocTE TBopna u uckynuTeaa Hamero? Botoce a, b cepg^ cBoeM, He noceTuao au u TeSa HoBefimee MogHoe Se3Bepue? Ecau Tak, to a 3a TeSa MoarocE. BcnoMHu, mhhmh, Kak e^e b geTcTBe cBoeM, npu xu3Hu TBoero omna. th aeneTaa MoauTBH cbou y MeHa Ha koaeHax u kak mh Bce Torga Stiau caacTauBEi!“14
Außerdem finden sich im Roman mehreren Passagen, die darauf hindeuten, dass Raskoljnikov sich einen Rest Gläubigkeit bewahrt hat:
„rocnogu, nockopefi Sh yx!» Oh Stiao Spocuaca Ha koaeHu MoauTEca, ho gaxe caM paccMeaaca, — He Hag MoauTBon, a Hag coSon.“15
„noaeaka, MeHa 3oByT PoguoH; noMoauTecE korga-HuSygE u oSo MHe, „u paSa PoguoHa“ - SoaEme Huaero.“16
Wie viele andere Figuren stellen auch die ermordeten Schwestern eine Dualität dar. Alena Ivanovna wird in dem Roman absichtlich pejorativ und abschreckend dargestellt. Der Mord an ihr ruft in dem Leser kein tiefes Mitleid, sondern eher einen Schreck aufgrund der Grausamkeit und Brutalität hervor. An dieser Stelle hält der Autor dem Leser den Spiegel vor das Gesicht und zeigt, wie einfach es ist, die Göttliche Ordnung zu zerstören, um sich dann der Schuld mit Hilfe des Verstandes und der Logik zu entziehen. Die List liegt in dem zweiten, nichtbeabsichtigten Mord von Lizaveta, der als Gottes Angriff definiert werden kann.17 Lizaveta war eine arme, gutmütige und hilfsbereite Christin, die unter der Herrschaft ihrer Schwester leben musste. Ihre Tötung erzeugt bei jedem Leser intensives Mitgefühl. Nach seiner Berechnung sollte Alena Ivanovnas Tod die arme Lizaveta befreien. Lizaveta sollte nicht ermordet werden. Raskoljnikov hat sie aber trotzdem mit dem Beil erschlagen, um sich selbst zu retten.
Raskoljnikov verfolgte eine Theorie, die er selbst erarbeitet hatte. Seine Theorie unterteilt die Menschen in gewöhnliche und geniale. Die genialen Menschen sind die herausragenden „Napoleons“, die bereit sind, zum Wohl der Gesellschaft ihre Ziele zu verfolgen, ohne über Mittel und Opfer nachzudenken.
„I npocTo-3anpocTo HaMekHya, aTo «HeoStikHoBeHHEiH» aeaoBek uMeeT npaBo... to ecTE He o<|)HHHa.iEHoe npaBo, a caM uMeeT npaBo pa3pemuTE cBoefi coBecTu nepemarayTE... aepe3 uHEie npenaTcTBua, u eguHcTBeHHo b tom ToaEko cayaae, ecau ucnoaHeHue ero ugeu (uHorga cnacuTeaEHofi, MoxeT Seite, gaa Bcero aeaoBeaecTBa) Toro noTpeSyeT.“18
arogu, no 3akOHy npupogti, paageaaioTca BooS^e Ha gBa pa3paga: Ha HU3mufi (oStiKHOBeHHEix), to ecTE, Tak cka3aTE, Ha MaTepuaa, cav'/KamnH eguHCTBeHHo gaa 3apoxgeHua ceSe nogoSHEix, u coScTBeHHo Ha arogefi, to ecTE UMero^ux gap uau TaaaHT cka3aTE B cpege cBoen HoBoe caoBo.“19
Durch die theoretische Unterteilung der Menschen in zwei Gruppen und die Zuordnung seiner eigenen Person zur Gruppe der „Genialen“ trennt er sich von der Gesellschaft. Raskoljnikov glaubt, dass ein Verbrechen zum Guten überhaupt kein Verbrechen ist. In dem Bestreben, seine Pläne zu verwirklichen, versuchte er, „über das Blut zu treten“. Dahinter stand die Überzeugung, dass ein edles Ziel die Mittel heiligt. Nicht gerechnet hatte er mit den drakonischen Maßnahmen von Gottes Angriff, der sich in Form des unerwarteten Erscheinens von Lizaveta vollzog. Sein Schrecken gleicht der unbewussten Reue, die sich in seiner Erkrankung manifestiert.
Nach der Lebenstheorie des evangelischen Theologen Eduard Thurneysen, die er gemeinsam mit seinem Fachkollegen Karl Barth entwickelt hat, besteht das Bild jedes menschlichen Lebens im Diesseits aus verschiedenen Bildlinien. Das Bild beinhaltet den Menschen in seiner Vollkommenheit (Geist, Körper, Psyche) und die Bildlinien deuten auf die Ausrichtung des menschlichen Lebens hin. Die Ausrichtung der sog. Bildlinien entscheidet, ob der Mensch sein Leben unter Gottes Gericht oder unter Gottes Verheißung lebt. Außerhalb dieses Bildes, im Jenseits, liegt ein einziger Blickpunkt aller Bilder / der Fluchtpunkt, auf den alle Linien des Bildes ausgerichtet sind, sofern der Mensch unter Gottes Verheißung lebt. Der Blickpunkt symbolisiert die Untrennbarkeit des irdischen menschlichen Lebens vom Jenseits. Der Tendenz nach verspürt der Mensch allgemein eine tiefe unerklärliche Sehnsucht nach der jenseitigen Erkenntnis. „Das Leben ist ohne die Verbindung mit dessen jenseitigem Schöpfer und Erlöser von dem Tod und Zerfall bedroht. Die Eigengesetzlichkeit verschiedener Lebensbereiche moderner Gesellschaften sei ein Symptom der Todeskrankheit des Lebens “20. Diese Art von Todeskrankheit, deren Ursachen im Verstoß gegen die Gottesordnung (also in der sündhaften Menschengerechtigkeit und der daraus folgenden Reue) liegen, gleicht Raskoljnikovs Verfassung nach dem Doppelmord. Alle seine Krankheitssymptome sind als ein Begleitsymptom des Auflösungsprozesses seines Lebensbildes zu verstehen. Diese Lebensverneinung muss in dem Gottesgericht durch das klare NEIN Gottes korrigiert werden.
Hier ist wichtig zu erwähnen, dass Raskoljnikov mit psychosomatischen Konsequenzen gerechnet hatte. Nicht gerechnet hatte er mit Ausmaß und Stärke seines Leidensdruckes. Nach der Meinung seines Arztes Sosimov, der ihn pflegte, liegen die Ursachen seiner Erkrankung in vielen ineinandergreifenden materiellen und seelischen Ursachen, in seiner üblen materiellen Lage, starken Aufregungen, Befürchtungen, Sorgen und gewissen fixen Ideen.21
Die psychosomatischen Konsequenzen von Raskoljnikovs uneingestandener und somit unausgesprochener Schuld kommen zum Ausdruck als:
- körperliche Symptome (Nervenfieber, Halluzinationen)
- innere Zerrissenheit (Herz versus Verstand)
- Bedürfnis, seine Tat zu gestehen,
- Angst
„B nepBoe MrHoBeHue oh gyMaa, aTo c yMa coägeT. CrpamHHH xoaog oSxBaTua ero; ho xoaog Sbia u ot auxopagku, koTopaa yxe gaBHo Haaaaacb c hum bo cHe. Tenepb xe Bgpyr ygapua Takoä o3HoS, aTo ayTb 3y6bi He BbinpbirHyau u Bcë b HeM Tak u 3axoguao.“22
„nogauHHo pa3yM MeHa ocTaBaaeT! B u3HeMoxeHuu cea oh Ha guBaH, u ToTaac xe HecTepnuMbiä o3HoS cHoBa 3aTpac ero. MamuHaabHo iiorainna oh aexaBmee nogae, Ha cTyae, SbiBmee ero crvgenaecKoe 3uMHee naatro, Tenaoe, ho yxe noaTu b aoxMoTbax, Hakpbiaca um, u coh, u Speg onaTb pa3oM oxBaTuau ero. Oh 3aSbiaca.He Soaee Kak MuHyT aepe3 naTb Bckoaua oh cHoBa u ToTaac xe, b uccTynaeHuu, onaTb kuHyaca k cBoeMy naaTbro.“23
„Boägy, cTaHy Ha koaeHa u Bcë pacckaxy... — nogyMaa oh, Bxoga b aeTBepTbiä ^Tax.“24,^to orroro aTo a oaeHb SoaeH, — yrproMo pemua oh HakoHe^ — a caM u3Myaua u ucTep3aa ceSa, u caM He 3Haro, aTo geaaro... H Baepa, u TpeTbero gHa, u Bcë ^To BpeMa Tep3aa ceSa... BbngopoBaro u... He Sygy Tep3aTb ceSa... A Hy kak coBceM u He Bbi3gopoBaro? rocnogu! Kak ^To MHe Bcë Hagoeao !..“25
„OH ayBcTBoBaa Bo BceM ceSe cTpamHbn Secnopagok. OH caM Soaaca He coBaageTb c coSoä. Oh cTapaaca iipuneiinrbca k aeMy-HuSygb u o aeM Sb HuSygb gyMaTb, o coBepmeHHo nocTopoHHeM, ho ^To coBceM He ygaBaaocb.“26
„Oh, ogHako x, He to aToS yx Sbia coBceM b SecnaMaTcTBe bo Bcë BpeMa Soae3Hu: ^To Sbiao auxopagoaHoe cocToaHue, c SpegoM u noayco3HaHueM. MHoroe oh noToM npunoMHua.“27
Kurz nach dem Mord reflektiert Raskoljnikov die Auflösung seines bisherigen Lebensbildes. In der folgenden Passage schildert er seine innere Empfindung.
Yx ogHO to noka3aaocE eMy guko u aygHo, aTo oh Ha tom xe caMoM Meere ocTaHoBuaca, kak npexge, kak SygTo u gencTBuTeaEHo BooSpa3ua, aTo MoxeT o tom 7i<e caMoM MEicauTE TenepE, kak u npexge, u TakuMu xe npexHuMu TeMaMu u KapTuHaMu uHTepecoBaTEca, KakuMu uHTepecoBaaca... e^e Tak HegaBHo. ^axe ayTE He cMemHo eMy cTaao u B to xe BpeMa cgaBuao rpygE go Soau. B kakon-To raySuHe, BHu3y, rge-To ayTE BugHo nog HoraMu, noka3aaocE eMy TenepE Bcë ^TO npexHee npomaoe, u npexHue MEicau, u npexHue 3agaau, u npexHue TeMEi, u npexHue BneaaTaeHua, u Bca ^Ta naHopaMa, u oh caM, u Bcë, Bcë... Ka3aaocE, oh yaeTaa kyga-To BBepx u Bcë ucae3aao b raa3ax ero... CgeaaB ogHo HeBoaEHoe gBuxeHue pykon, oh Bgpyr o^yTua b kyaake cBoeM 3axaTEin gByrpuBeHHEin. Oh pa3xaa pyky, npucTaaEHo noraagea Ha MoHeTky, pa3MaxHyaca u Spocua ee B Bogy; 3aTeM noBepHyaca u nomea goMon. EMy noka3aaocE, aTo oh kak SygTo hoxhu^mu oTpe3aa ceSa caM ot Bcex u Bcero b ^Ty MuHyTy.“28
Mit dem Mord hat Raskoljnikov die bestehende Ordnung, die Gerechtigkeit Gottes verletzt und sich damit bei Gott verschuldet. Seine Tat erweist sich als prometheischer Übermut29 und daher steht er unter dem Gericht Gottes. Er hat sich wie Prometheus den Göttern / dem Gott widersetzt und wurde für sein falsches Lebensbild durch Gottes Angriff bestraft.30. Die Ermordung Lizavetas kann er mit keiner seiner Theorien vor sich selbst rational rechtfertigen. Sein Verstand wurde im Vorfeld zum Scheitern verurteilt. Raskoljnikov konnte nicht mehr lange mit den Qualen, die ihm sein wachsendes und unbewusstes Schuldbewusstsein verursachte, kämpfen. Seine Gedanken drehten sich immer wieder nur um die ermordete Pfandleiherin. Den Fakt, dass er auch die unschuldige und gutmütige Lizaveta mit einem Beil erschlagen hatte, versuchte er die ganze Zeit zu verdrängen. Erst zu Beginn der zweiten Hälfte des Werkes zeigt der Autor auf, dass der Protagonist anfängt, diese Verdrängung wahrzunehmen.
[...]
1 Lehre bzw. Gesamtheit religiöser Vorstellungen von den Letzten Dingen, d. h. vom Endschicksal des einzelnen Menschen und der Welt.Präsentische Eschatologie geht demgegenüber davon aus, dass nicht die Spekulation über Tod und Endzeit die Mitte der Eschatologie bilden, sondern den Blick auf die Geschichte und das menschliche Leben unter der Glaubensprämisse, dass diese nicht bedeutungslos, sondern zur Vollendung bestimmt sind. (www.bibelwissenschaft.de)
2 (Liang, 2016, S. 42)
3 (Liang, 2016, S. 58)
4 (Liang, 2016, S. 41)
5 (Die Bibel, 2016, S. 130, Neues Testament)
6 (Liang, 2016, S. 138 - 139)
7 (Zimmerling, 2009, S. 96)
8 (Stufler, 1907, S. 176)
9 (Die Bibel, 2016, S. 140, Neues Testament)
10 (Liang, 2016, S. 139)
11 (Stufler, 1907, S. 177)
12 (Dostoevskij F. , 2015, S. 180)
13 (Dostoevskij F. , 2015, S. 181)
14 (Dostoevskij F. , 2015, S. 36)
15 (Dostoevskij F. , 2015, cTp. 80)
16 (Dostoevskij F. , 2015, S. 160)
17 (Liang, 2016, S. 243)
18 (Dostoevskij F. , 2015, S. 218)
19 (Dostoevskij F. , 2015, S. 219)
20 (Liang, 2016, S. 121)
21 (Dostojewski, 2012, S. 297)
22 (Dostoevskij F. , 2015, S. 77)
23 (Dostoevskij F. , 2015, cTp. 78)
24 (Dostoevskij F. , 2015, cTp. 81)
25 (Dostoevskij F. , 2015, S. 95)
26 (Dostoevskij F. , 2015, cTp. 82)
27 (Dostoevskij F. , 2015, cTp. 100)
28 (Dostoevskij F. , 2015, S. 98)
29 in platonischen Mythos Protagoras geht es um den Menschen als Mangelwesen, der Mensch soll bei der Verteilung der natürlichen Güter schlecht weggekommen sein und der Prometheus stahl den Göttern die handwerklichen Künste. Der Mythos erzählt, wie die Technik von den Göttern zu den Menschen gekommen ist. Und zwar zum Ausgleich für deren natürlichen Mangel. Der Vatergott Zeus bestraft hart Prometheus Handlung, später erteilt er ihm die Gnade und lässt ihn frei. (Recki, 2020) Darin liegt die Erklärung für Raskoljnikovs prometheischen Übermut.
30 (Liang, 2016, S. 243) 8