Bachelorarbeit, 2021
43 Seiten, Note: 2,0
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Überblick über die mittelalterlichen Siedlungsverhältnisse im Gebiet zwischen Elbe/Saale, Oder/Neiße, Erzgebirge und Ostsee
3 Der Sorbisch-Polabische Grenzraum
4 Materialteil
4.1 Naturnamen
4.1.1 Topographische Namen
4.1.2 Pflanzennamen
4.1.3 Tiernamen
4.2 Kulturnamen
4.3 Personennamen
4.4 Sonstige Namen
Karte 1: Untersuchte Toponyme im westlichen Bereich Berlins
Karte 2: Untersuchte Toponyme im östlichen Bereich Berlins
5 Schlussbetrachtungen
Literaturverzeichnis
Abkürzungen für Sprachen
av. avestisch ital. italienisch
aav. altavestisch kasch. kaschubisch
abret. altbretonisch ksl. kirchenslawisch
ačech. alttschechisch kymr. kymrisch
ae. altenglisch lat. lateinisch
afr. altfriesisch lett. lettisch
ahd. althochdeutsch lit. litauisch
air. altirisch mhd. mittelhochdeutsch
akorn. altkornisch mir. mittelirisch
aksl. altkirchenslawisch mkymr. mittelkymrisch
akymr. altkymrisch mnd. mittelniederdeutsch
alat. altlateinisch mpers. mittelpersisch
alb. albanisch nd. niederdeutsch
alit. altlitauisch nhd. neuhochdeutsch
amärk. altmärkisch npers. neupersisch
an. altnordisch nsorb. niedersorbisch
aplb. altpolabisch norw. norwegisch
apol. altpolnisch obd. oberdeutsch
apr. altpreußisch osorb. obersorbisch
aruss. altrussisch oss. ossetisch
arm. armenisch ostlit. ostlitauisch
as. altsächsisch ostnsorb. ostniedersorbisch
asorb. altsorbisch ostlsl. ostslawisch
bsl. balto-slawisch plb. polabisch
bulg. bulgarisch pol. polnisch
čak. čakavisch pp. polabo-pomoranisch
čech. tschechisch r.-ksl. russisch-kirchenslawisch
dor. dorisch russ. russisch
drawplb. drawänopolabisch skr. serbokroatisch
dt. deutsch s.-ksl. serbisch-kirchenslawisch
frz. französisch sl./slaw. slawisch
gall. gallisch slk. slowakisch
germ. germanisch slow. slowenisch
got. gotisch slwz. slowinzisch
gr. griechisch sorb. sorbisch
gwestsl. gemeinwestslawisch südsl. südslawisch
heth. hethitisch ukr. ukrainisch
idg. indogermanisch uridg. urindogermanisch
urgerm. urgermanisch vorsl. vorslawisch
ursl. urslawisch westsl. westslawisch
ved. vedisch wruss. weißrussisch
vlat. vulgärlateinisch
Sonstige Abkürzungen
3 3. Person n. Neutrum
Acc./acc. Akkusativ Nfl. Nebenfluss
adj. Adjektiv, adjektivisch nom. Nominativ
arch. archaisch nördl. nördlich
BW Bestimmungswort nöstl. nordöstlich
dass. dasselbe ON Ortsname
dim. diminutiv östl. östlich
dial. dialektal pejor. pejorativ
f. Femininum pl. Plural
FaN Familienname PN Personenname
Fkt. Funktion praes. Präsens
FlN Flurname sg. Singular
Fn. Fußnote sog. sogenannt
Gen. Genitiv söstl. südöstlich
GF Grundform swestl. südwestlich
GFlN Gewässerflurname tr. transitiv
GN Gewässername u. a. unter anderem
GW Grundwort u. ä. und ähnlich
KF Kurzform urspr. ursprünglich
kl. klein vgl. vergleiche
KN Kurzname VN Vollname
Lkr. Landkreis WN Wüstungsname
m. Maskulinum
Eine deutsche Herkunft der Namen von Berliner Stadtteilen wie zum Beispiel Blankenfelde, Schöneberg oder Lichtenberg ist unbestritten1. Doch wie verhält es sich bei Namen wie Lankwitz, Buckow, Köpenick ? Allein die Endungen der letztgenannten Namen deuten für den aufmerksamen Hörer und Leser auf eine gewisse „Fremdherkunft“ oder zumindest etwas „Nicht-deutsches/Anderes“ hin. Das mag zweierlei Gründe haben: Zum einen sind die drei genannten Stadtteile tatsächlich „fremder“ (in diesen Fällen slawischer) Herkunft, was an späterer Stelle erläutert werden wird. Zum anderen muss die Frage gestellt werden, warum diese Namen, obwohl sie einheimische Ortschaften bezeichnen, „fremd“ wirken können. Darauf weiß der Historiker Joachim Herrmann eine recht treffliche Antwort:
„ Es gehört zum Anliegen der Schulbildung und Allgemeinbildung, über die Römer und deren Rolle in der deutschen Geschichte oder Vorgeschichte zu sprechen. […] Im ungleichen Verhältnis dazu […] steht wohl […] unser Wissen um die slawischen Wurzeln des deutschen Volkes […]. Das Defizit im Geschichtsbewußtsein hat hier zu einem Bildungsdefizit geführt, das zu mildern oder zu beseitigen zu unserem Anliegen gehören sollte.“ (herrmann 1989: 28)
Zugegebenermaßen kann diese Aussage als leicht überhöht betrachtet werden. Aber im Kern ist sie vollkommen zutreffend. Und genau dieser angesprochene Mangel an Bewusstsein oder gar Mangel an Kenntnis über die eigenen womöglich slawischen Wurzeln war, gepaart mit dem Interesse für die Historisch-vergleichende Sprachwissenschaft, wohl letztlich die Grundmotivation für die Entstehung dieser Arbeit.
Die umfangreichsten Analysen Berliner Ortsnamen wurden im Rahmen des Brandenburgischen Namenbuches (Teil 3: Teltow, Teil 4: Havelland, Teil: 6 Barnim) bereits in den 1970er- und 80er-Jahren getätigt. Das Ziel dieser Arbeit soll somit sein, das bereits zum größten Teil vorhandene Material auf ein breiteres Fundament zu stellen, insbesondere auch durch Hinzuziehung der, soweit vorhanden, indogermanischen Grundlagen der jeweiligen Toponyme. Es muss jedoch darauf aufmerksam gemacht werden, dass im Rahmen dieser Arbeit lediglich die sich heute in offiziellem Gebrauch befindlichen Stadt- und Ortsteile behandelt werden können. Abgesehen von einigen wenigen, notwendigen Ausnahmen bleiben Wüstungs‑, Flur-, Gewässernamen und Sonstige demnach unberührt. Eine Einbeziehung dieser hätte einen erheblich höheren Zeitaufwand oder andernfalls einen wahrscheinlich verminderten Umfang der Ergebnisse bedeutet.
Bevor nun mit der Beschreibung des gesammelten Materials im Materialteil begonnen werden kann, müssen zwei grundlegende Fragen behandelt werden. Im sich anschließenden Abschnitt wird daher ein grober Überblick zu den mittelalterlichen Siedlungsverhältnissen germanisch-/deutschsprechender und slawischsprechender Siedler im Untersuchungsgebiet und darüber hinaus entworfen. Außerdem werden knappe Einblicke in die Dialektologie der westlichsten slawischen Sprachen (Polabisch und Sorbisch) gegeben.
Die im Inhaltsverzeichnis vorgenommene Unterteilung des Materials bedient sich zum Teil der Elemente der Einteilung SCHLIMPERTS (vgl. BNB 3: 289f.), der die slawischen Ortsnamen auf der Grundlage ihrer ursprünglichen Bedeutung und Funktion in die angegebenen Kategorien unterteilt hat.
Am Ende des Materialteils befinden sich außerdem zwei Karten, auf denen die behandelten Ortsnamen seitens des Verfassers hinzugefügt wurden.
Es ist davon auszugehen, dass das genannte Gebiet nach der Völkerwanderungszeit und bis zum Eintreffen slawischer Gruppen nicht völlig entvölkert war und germanische Restbevölkerung zurückblieb, wenngleich die Besiedlungsdichte wohl enorm abgenommen hatte (vgl. BRATHER 2008: 61; Herrmann 1989: 13f.). Stattdessen ist wohl mit einer gewissen Siedlungskontinuität zwischen germ. und slaw. Siedlern zu rechnen (vgl. BRATHER 2008: 59, 62; HERRMANN 1989: 15). Dies kann unter anderem auch durch die Übernahme älterer Flur- oder Gewässernamen durch eben jene Slawen nachgewiesen werden: Beispielhaft für unser Untersuchungsgebiet sind dabei Flussnamen wie Spree oder Havel (vgl. EICHLER/WITKOWSKI/KRÜGER 1970: 22), und wohl auch der Müggelsee (siehe unten Nr. 30).
Die oben genannten Grenzen sind zur groben Übersicht gedacht. Slawische Ortsnamen sind in südlicher Richtung bis in das untere Maingebiet und teilweise bis an die Donau, in westlicher Richtung in einem schmalen Streifen über die Saale hinaus und in einem recht großen Gebiet westlich der Elbe von Magdeburg bis kurz vor Hamburg nachzuweisen (siehe Herrmann 1989: 11, Abb. 1). Die Einwanderung slawischsprechender Siedlungsgruppen in diese Gebiete erfolgte wohl großteilig im 7. Jahrhundert (vgl. BRATHER 2008: 60f.).
Gefördert durch deutsche und slawische Fürsten und Bischöfe, fand im 12./13. Jahrhundert die sogenannte Ostsiedlung statt, im Rahmen welcher eine „vor allem bäuerliche Zuwanderung aus dem Westen“ unter „vorteilhafte[n] Bedingungen“ erfolgte (vgl. BRATHER 2008: 85). In den folgenden Jahrhunderten wurden weite Teile der slawischsprechenden Bevölkerung sprachlich assimiliert. Eine Ausnahme bildete zunächst das im heutigen Hannoverschen Wendland gesprochene Drawänopolabisch2, welches in der Mitte des 18. Jahrhunderts ausstarb (vgl. POLAŃSKI 1993: 795). Die letzten Reste der slawischen Sprachen westlich von Oder/Neiße bilden heutzutage bekanntlich die Varietäten des Sorbischen in der Nieder- und Oberlausitz.
In der Deutsch-Slawischen Ortsnamenkunde wird gemeinhin zwischen (Alt)Polabischen und (Alt)Sorbischen3 Ortsnamen unterschieden.
Zur Bestimmung des Grenzraumes des Sorbischen und Polabischen werden nur zwei eindeutige, lautliche Kriterien herangezogen, weil deren nichtsdestotrotz vorhandene starke Ähnlichkeit weitere kaum zulässt und andere Kriterien nicht auf das Gebiet des Grenzraumes anwendbar sind, da es an Vergleichsformen mangelt (vgl. BATHE/FISCHER/SCHLIMPERT 1970: 109). Zum einen betrifft es die Entwicklung der ursl. Nasalvokale * ę und * ǫ sowie die Lautgruppe ursl. * tort (t steht hierbei für jeden beliebigen Konsonanten)4. Die Nasalvokale blieben im Polabischen erhalten, während sie im Sorbischen entnasaliert wurden. Die Lautgruppe * tort wurde im Polabischen zu * tart und im Sorbischen zu * trot umgestellt.
Bathe/FISCHER/SCHLIMPERT vergleichen daraufhin rund 150 Toponyme im angenommenen Grenzraum und kommen zu dem Schluss, dass dieser in etwa auf der Linie Magdeburg-Frankfurt (Oder) verläuft, mit mehr oder weniger großen Ausschlägen nach Norden und Süden (vgl. 1970: 114-120 sowie die abgebildete Karte)5. Die Grenze zwischen altsorbischem und altpolabischem Sprachgebiet verläuft demnach südlich von Berlin. Es ist somit davon auszugehen, dass die slawischen Ortsnamen im Berliner Raum altpolabischen Ursprungs sind.
Der folgende Abschnitt setzt sich aus einzelnen Beiträgen zu den jeweiligen Ortsnamen zusammen. Dabei unterliegen diese Beiträge einer groben Gliederung. In Klammern wird die zu den jeweiligen Unterpunkten am häufigsten genutzte Literatur angegeben: 1. früheste und relevante Überlieferungsformen (ENDERS HOB); 2. eventueller Zusammenhang mit Flur- und/oder Gewässernamen (SCHLIMPERT/FISCHER BNB, eigene Interpretation); 3. Rekonstruktion einer grundsprachlichen Urform des Toponyms (Grundform) (SCHLIMPERT/FISCHER BNB); 4. Vergleichsmaterial im Slawischen (DERCKSEN EDS, SCHUSTER-ŠEWC HEWS, VASMER REW, OLESCH TLD); 5. Vergleichsmaterial im Indogermanischen (LIV2, DERCKSEN EDS, FRAENKEL LEW, BEEKES EDG, DE VAAN EDL, NIL, POKORNY IEW); 6. Bedeutung des Namens (SCHLIMPERT/FISCHER BNB, eigene Interpretation); 7. Bestimmung der Grundform als Primäre, Sekundäre oder Mischbildung6 (SCHLIMPERT/FISCHER BNB, HOS, eigenen Interpretation).
1. Altglienicke
Altglienicke ist ein Ortsteil im Südwesten des Bezirks Treptow-Köpenick und wurde 1375 als Glinik und Glyneke erstmals erwähnt.7
Für die ältesten Belege wird eine GF aplb. * Glin-k zu ursl. * glìna ‘Lehm, Ton‘ angenommen. Vergleichbare Formen im Sl. sind u. a. russ., slow. glína dass., pol., nsorb. glina dass., čech., osorb. hlina dass. sowie drawplb. glano dass., vgl. auch drawplb. adj.nom.sg.n. glanenă ‘irden, irdisch, tönern‘. Derksen rekonstruiert für die sl. Formen eine Wurzel uridg. * gleh1i-n‑, Beekes hingegen * glei-neh2-. Nominal wird gr. γλίνη ‘Lehm‘ sowie ferner auch lit. gléima ‘Schleim‘, ae. cl ǣg ‘Lehm, Ton‘, lat. glūten ‘Klebstoff‘ dazugestellt. Alle Formen können zu einer Wurzel * gleH- ‘bestreichen, kleben bleiben‘ gestellt werden, vgl. ostlit. gliẽti ‘bestreichen‘ kymr. glyn- ‘anhängen‘, ahd. klenan ‘bestreichen‘, an. klína ‘beschmieren. Das n‑ Infix erklärt sich wohl aus einer ursprünglich deverbalen Bildung von einem Nasalpräsensstamm.
Bei der Rekonstruktion der Bildungsweise des ON bereitet jedoch das n im Auslaut insofern Probleme, als dass nicht mehr nachvollzogen werden kann, ob das zur Ableitung verwendete Suffix n- haltig war oder nicht. Der ON wurde demnach entweder mit einem k -Suffix (ursl. * ‑ьk‑, * -ъk-, * -iъk-) oder der Suffixverbindung -nik (ursl. * -ьnikъ) gebildet8. Bei einem k- Suffix kann nicht bestimmt werden, ob dieses einen Diminutiv bildete und somit ein einfacher Name vorläge oder ob dieses Suffix dazu diente, einen Namen aus einem Appellativum zu bilden (vgl. SCHLIMPERT BNB 3: 287). Auszugehen ist demzufolge von einer Bedeutung ‘Ort bei einer Lehmgrube‘ oder ‘Ort, an dem es Lehm gibt‘.
Literatur: Enders HOB 4: 83; Schlimpert BNB 3: 82f., 284, 287; SCHUSTER-ŠEWC HEWS 1: 293; Olesch TLD 1: 322f.; Derksen EDS: 163ff.; LIV2: 190; Beekes EDG: 276f.; HOS 3: 136
2. Behnitz
Behnitz ist ein heutiger Straßenname sowie eine ehemalige Ortslage im Bezirk Spandau, nördl. der Altstadt Spandaus, direkt an der Havel gelegen. 1240 wurde Behnitz erstmals als Bens urkundlich erwähnt, 1329 als Bentz, 1349 als uppe dem Bentz. Ab der Mitte des 14. Jahrhunderts ist eine durchgängige Verwendung eines Artikels zu verzeichnen, was einen Hinweis darauf gibt, dass es sich bei dem Namen um einen alten FlN oder GN handeln könnte.
Es wird eine GF aplb. * Ban'ica angenommen, welche mit r.-ksl. banja ‘Bad, Badstube‘, slow. bânja ‘langrundes Gefäß von Böttcherarbeit, Wanne‘, ačech. báně ‘Gefäß, Krug‘, čech. báně, báň ‘bauchiges Gefäß, Krug, Kuppel, Kürbis; Vertiefung (im Wald); Bergwerk (östl.)‘, apol. bania ‘bauchiges Gefäß; Kürbis‘, pol. bania ‘jeder bauchige Körper; Kuppel, Kürbis; Dickwanst; Bergwerk; Bad, Badestube‘, osorb. banja ‘Krug, Kanne; (dial.) Kürbis‘, nsorb. banja ‘bauchiges Gefäß/Schale, Krug, Kanne‘, ferner ‘große Milchkanne; Kürbis‘, kasch. bańa, bańå ‘Kürbis, (pejor.) großer Kopf, Glatze; Kuh mit abgestoßenem Horn‘ zu vergleichen ist.
Bei den slaw. Formen handelt es sich um eine Entlehnung aus vlat. * bānea (vgl. frz. bain, ital. bagno), nom.-acc.pl. von lat. bal(i)neum ‘Badezimmer, Bad‘, was wiederum aus gr. βαλανεῖον ‘Badestube, warmes Bad‘ entlehnt ist. Zur Bedeutungserweiterung im Slaw. merkt Schuster-Šewc an, dass „das Bad […] urspr. eine rundliche, in die Erde eingelassene […] Vertiefung [war]“ (HEWS 1: 18).
Fischer vermutet, dass das Benennungsmotiv des Namens (‘bauchiges Gefäß‘) metaphorischer Natur ist, ähnlich der Bedeutung des ON Spandau (‘Scheffel, Eimer‘) und des GFlN Krienicke (‘Schüssel, Gefäß; Mulde‘), die sich beide in unmittelbarer Nähe befinden (siehe Nr. 5 bzw. Nr. 10).
Abgeleitet wurde der Name wohl mit einem Suffix * -ica oder * -ьcь. Das -e- in ‘Behnitz‘ lässt sich durch Umlaut, verursacht durch -i-/-- in der Folgesilbe, herleiten.
Literatur: Fischer BNB 4: 74f., 210, 306; Vasmer REW 1: 52; Sadnik/Aitzetmüller 1975: 82-86; Schuster-Šewc HEWS 1: 18f.; Stowasser 2006: 61; Beekes EDG: 195
3. Berlin
Der historische Kern Berlins befindet sich am gegenüberliegenden Ufer nördl. der Spreeinsel. Erstmals urkundlich erwähnt wurde Berlin 1244 als Berlin. Auch im Falle des ON Berlin wird eine Herkunft aus einem urspr. FlN oder GN vermutet. Begründet wird dies einerseits mit der oftmaligen Verwendung eines Artikels (bspw. 1349, tu dem Berlin; 1363, zum Berlin; 1402, von dem Berline). Darüber hinaus gibt es auf deutschem Gebiet etwa zwei bis drei Dutzend Vergleichsnamen, die über dieselbe Bildungsweise verfügen. Ein großer Teil dieser Vergleichsnamen sind FlN oder GN.
Angesetzt wird eine GF aplb. * Birlin- < * Bьrlin- zu ursl. * bьrl- ‘Sumpf, Morast, feuchte Stelle‘. Zu vergleichen ist dies mit nsorb. barłog ‘verworrenes Stroh, Streu; Strohlager als elendes Lager für Menschen und Schweine; Kehricht‘, pol., kasch. barłóg, -ogu ‘Lager von Wirrstroh, Kehricht, Unrat‘, čech. brloh ‘Wildlager, schlechte Hütte‘, russ. berlóga ‘Höhle, Schlucht, Bärenhöhle‘, bulg. bъrlóg ‘Kehricht; trübes Spülwasser; Unsauberkeit‘, skr. bŕlog ‘Schweinelager; Kehrichthaufen‘, brljaga ‘Lache‘, bȑljȗg ‘Pfütze‘. All diese Formen wurden mit einem Suffix * -ogъ, bzw. * -aga und * -ǫgъ bei den beiden letzten skr. Formen, gebildet. Nach Udolph wurden mit dem Suffix * -ogъ Appellativa von ursl. * bьrl- gebildet. Ukr. bórlo ‚Sumpf‘ sowie osorb. borło ‘Bucht; elendes Strohlager; (pejor.) Bett‘ hingegen sind möglicherweise die einzigen nichtabgeleiteten Formen innerhalb dieser Sippe (vgl. Schuster-Šewc).
Außerhalb des Slawischen kann wohl lit. bulas ‘Kot‘, burlungis ‘sumpfige Stelle, Morast; dicker, feister Mensch‘, burliūgà ‘dünner Morast‘ der Sippe zugeordnet werden.
Mit einem Suffix * -in, welches im hier behandelten ON vorliegt, wurden aus * bьrl- FlN, GN und ON gebildet, primär vermutlich FlN und GN. Obwohl der semantische Rahmen für ursl. * bьrl- nicht mehr genau festzustellen ist, gehen Schlimpert und Udolph von einer Bedeutung ‘Sumpf, Morast, feuchte Stelle‘ aus, insbesondere durch den Vergleich mit anderen Toponymen, die sich auf dieselbe Form zurückführen lassen.
Wie oben bereits erwähnt, ist der ON mit einem Suffix * -in- abgeleitet. Ob dem ein Suffix ursl. * -ina (bildete Substantiva) oder ein Suffix ursl. * -inь /* -ina /* -ino (bildete Adjektiva) zugrunde liegt, ist nicht mehr festzustellen.
Oben angedeutete Vergleichsnamen sind u. a. der ON Berlinchen (1274 als minoris Berlin) und Groß Berlin (1229/1277 als Berlin), beide bei Wittstock/Dosse am Berlinchener See und am Berlincher Graben gelegen; der FlN Berlinikin in Schünow/Zossen, welcher wohl mal die Bezeichnung einer feuchten Wiese war; der GN Berlpfuhl (1767 als der Berl-Puhl, 1820 als Börlpfühle und der FlN der Börl), nördl. von Ahrensfelde im Lkr. Barnim.
Literatur: Schlimpert BNB 5: 101-6, 368; Schlimpert/Fischer BNB 10: 29; Schuster-Šewc HEWS 1: 55f.; Fraenkel LEW 1: 66; Udolph 1979: 79-92; Greule 2014: 56
4. Köpenick
Der Ortsteil Köpenick befindet sich im Bezirk Treptow-Köpenick am Zusammenfluss von Spree und Dahme. Erwähnt wurde Köpenick erstmals 1209 als Copnic.
Es kann für den ON eine GF aplb. * Kop'nik, zu ursl. * kopa ‘(Heu-)Haufen, Schock (Maßeinheit in der Landwirtschaft); Hügel‘, angesetzt werden, vgl. u. a. aruss. kopá ‘Geldeinheit; (arch.) Schock (Haufen von 60 Garben), slow. kópa ‘Heuhaufen‘, ačech. kópa ‘Schock, Stapel, (Heu-)Haufen; Menge; (selten) Hügel‘, pol. kopa ‘Heu-, Strohschober (auch andere ähnliche Erhöhungen im Gelände), Schock‘ osorb., nsorb. kopa ‘Schock‘, drawplb. ťüpă ‘Schock‘, ťüpaćă (< * kopica, dim. Bildung) ‘Heuschober, Heuhaufen, Getreidehaufen‘.
Außerdem lässt sich im Westsl. und Slow. eine Form * kop finden, vgl. osorb. kop ‘Kuppe, Erhöhung; Haufen (gehäuftes Maß); Ofendecke, čech. kop ‘Berg‘, apol. in o-kop, prze-kop ‘Graben‘, wą-kop ‘Schlucht’, slow. kòp ‘Bergkuppe, Gipfel; Schopf‘.
Außerslawisch lassen sich mit * kopa und * kop lit. kãpas ‘Grab(-hügel)‘ sowie lett. kaps dass. vergleichen.
Sowohl * kopa als auch * kop werden als Verbalabstrakta zu ursl. * kopàti ‘graben, hacken‘ gestellt9, vgl. u. a. aksl. kopati ‘graben, hacken‘. Verwandt mit ursl. * kopàti sind gr. κόπτω ‘schlage, haue; ermüde (tr.), lit. kàpti ‘hauen, hacken‘, kapóti ‘(zer)hacken, schlagen‘, alb. kep ‘behaut; hackt‘. Alle Formen gehen auf eine Verbalwurzel uridg. * (s)kep ‘hacken, hauen‘ zurück.
Der ON wird als ‘Ansiedlung auf einem Erdhügel‘ interpretiert, insbesondere in Anlehnung an die in der mittelslawischen Periode entstandene Burganlage. Gebildet wurde der Name mit dem seltenen Suffix -nik wie wohl der ON Altglienicke (Nr. 1).
Literatur: Enders HOB 4: 135; Schlimpert BNB 3: 111f., 287; Derksen EDS: 232f.; Schuster-Šewc HEWS 2: 612f.; Olesch TLD 1: 311; TLD 3: 1207, 1272; Kluge/Seebold23: 739; LIV2: 555; HOS 3: 136
5. Krienicke
Wegen des Zusammenhangs mit den ON Spandau (Nr. 10) und Behnitz (Nr. 2) wird an dieser Stelle auch näher auf den Gewässerflurnamen Krienicke eingegangen.
(Die) Krienicke bezeichnet eine Bucht innerhalb der Havel, östl. der Zitadelle und nöstl. der Altstadt Spandaus gelegen. Der GFlN Krienicke wurde erstmals 1865 als Krienike erwähnt.
Angesetzt wird eine GF aplb. * Krinka, diminutive Form zu ursl. * krina ‘Mulde; Schüssel, Gefäß‘, vgl. u. a. r.-ksl. krina ‘Gefäß, Getreidemaß‘, russ. kriníca ‘Tontopf, Krug‘, slow. krínja ‘Mehlgefäß‘, osorb. (arch.) křinka ‘Kästlein, Schreinlein, Butterbüchsen‘, nsorb. kśinak ‘Napf‘, kśinka ‘kleiner Napf‘. Derksen unterscheidet die jeweils zusammengehörigen Wurzeln ursl. * krina /* krinica ‘Gefäß, Krug‘ von ursl. * krinica /* krьnica ‘Quelle, Brunnen‘ (vgl. EDS: 248)10 und gibt eine unklare Herkunft für ursl. * krina /* krinica an.
Wie beim ON Behnitz wird auch in diesem Fall davon ausgegangen, dass die Bedeutung der GF, hier ‘Schüssel, Gefäß; Mulde‘, metaphorischer Natur ist und eine Ausbuchtung (Bucht) in der Havel beschreibt.
Die GF aplb. * Krinka stellt wahrscheinlich eine einfache Bildung dar, was angesichts des Benennungsmotiv auch nachvollziehbar ist (Verwendung eines Appellativums zur bloßen Bezeichnung einer landschaftlichen Erscheinung). Allerdings kann urspr. auch eine suffigierte Ableitung vorgelegen haben. Angesichts der äußerst späten Überlieferung ist dies jedoch schwer zu beurteilen. Womöglich liegt bei der Endung -nicke ein analogischer Angleich zu Formen wie bei dem in Berlin/Brandenburg recht häufig vorkommenden ON Glienicke (u. a. Glienicke/Nordbahn, söstl. von Oranienburg, 1412 als Glyneck oder Groß Glienicke, nöstl. von Potsdam, 1267 als Glinicke) vor.
Literatur: Fischer BNB 4: 74f., 121, 210; Schlimpert BNB 10: 152; Schlimpert BNB 5: 145; Vasmer REW 1: 664; Schuster-Šewc HEWS 2: 700f.; Derksen EDS: 248
6. Lankwitz
Lankwitz ist ein Ortsteil des Bezirks Steglitz-Zehlendorf und liegt im Süden Berlins. Erstmals erwähnt wurde Lankwitz 1239 als Languitz, 1265 dann als Lanchwitz und 1308 als Lancwiz.
Für den ON Lankwitz kann eine GF * Ląkovica/Ląkavica, zu ursl. * l ǫkà ‘tiefgelegene (feuchte) Wiese, Sumpf, (Fluss-)Krümmung, Bucht‘ rekonstruiert werden. Vgl. u. a. aksl. lǫka ‘List, Betrug‘, ksl. lǫka ‘Bucht, Sumpf, Marschland‘ aruss. lǫka ‘List, Trick; Bucht, Krümmung, Wiese an einer Flusskrümme‘, skr. lúka ‘Hafen; Aue, Wiese in der Flussniederung‘, pol. łąka ‘Wiese‘, čech. louka dass., osorb., nsorb. łuka dass., kasch. (arch.) łąka ‘Ausbuchtung im See, bogenartige Krümmung; Biegung, Windung‘, drawplb. ląc ‘Krümme‘.
Außerslawisch sind lit. lankà ‘der Überschwemmung ausgesetzte Wiese, Aue, Marsch; Tal‘, lett. lanka (Kuronismus) ‘niedrige langgestreckte Ebene, Flusskrümmung, niedrige Wiese‘ verwandt.
Ablautend zu ursl. * l ǫkà ist ursl. * lękti ‘biegen, krümmen‘, vgl. aksl. lęšti ‘biegen, krümmen‘, čech. léci (arch.) ‘biegen, krümmen‘, líct (dial.) ‘Falle/Schlinge (für Vögel) legen‘, orsorb. lac ‘Schlingen, Fallen aufstellen‘, nsorb. lěc dass., verwandt lit. lenkti ‘biegen, krümmen‘, lett. lìekt ‘biegen, krümmen‘, dazu wohl auch russ. ljákij (arch.) ‘krumm, gebogen‘. Ursl. * lękti stammt von einer thematischen Präsensbildung * lénk-e, welches von einer Wurzel uridg. ?* lenk-11 ‘biegen‘ abgeleitet ist. Der Status als uridg. Wurzel ist fragwürdig, da sie verbal nur bsl. ist und darüber hinaus nur in germ. Nominalbildungen vorkommt, vgl. an. lengia ‘Riemen‘, ae. lōh dass. Laut Vasmer (REW 2: 82) gehört auch alb. l'εngór ‘biegsam‘ zu dieser Sippe.
Gebildet wurde die GF * Ląkovica/Ląkavica wohl urspr. mit der Suffixverbindung * -ovica12.
Literatur: Enders HOB 4: 150; Schlimpert BNB 3: 119f., 288; Derksen EDS: 276f.,288f.; Schuster-Šewc HEWS 2: 786f., 796f.; Fraenkel LEW 1: 339; LIV2: 413; Vasmer REW 2: 68, 82; Olesch TLD 1: 493; Pokorny IEW: 676f.; HOS 3: 135f.
7. Rauchfangswerder
Rauchfangswerder bezeichnet eine Ortslage im Ortsteil Schmöckwitz (Bezirk Treptow-Köpenick) im Südosten Berlins und liegt direkt an der Dahme. Rauchfangswerder wurde wie folgt überliefert: 1747 als Rocks-Werder, Rockswerder, 1749 als Rocks-Werder, 1766 als Rochs Werder,1780 Rocks, Rochs Werder, 1801 als Ruuchswerder, 1805 als Rauchfangswerder.
Die ältesten Belege werden gemeinhin zu nd. rō k ‘Rauch‘ gestellt. Außerdem ist, wie die Erwähnungen zeigen, der Bestandteil -fang sekundär und erst in den ON integriert geworden, nachdem bereits hochdeutscher Lautersatz von Rōk zu Rauch stattgefunden hatte.
Es wird darüber hinaus vermutet, dass ein aplb. FlN Rog, zu ursl. * rogъ ‘Horn, Ecke, Spitze‘, vorgelegen haben könnte, der später zu nd. rōk volksetymologisch hätte umgedichtet werden können. Zu ursl. * rogъ ‘Horn, Ecke, Spitze ‘, vgl. u. a. aksl., aruss. rogъ ‘Horn, Blas-, Trinkhorn‘, wruss., osorb. roh ‘Horn‘, slow., pol. róg dass., drawplb. rüg ‘(Blas-)Horn‘, weiterhin verwandt mit lit. rãgas ‘Horn, Blas-, Trinkhorn; ferner auch Kap, vorspringende Landzunge‘, lett. rags ‘Horn, Blas- und Trinkhorn‘, apr. ragis ‘Horn‘. Auch verwandt sind gr. ἄρχω ‘fange an, herrsche‘, mhd. regen ‘aufrichten, erregen‘, die zu uridg. * regh- oder * h2regh- ‘sich aufrichten‘ gestellt werden.
Angesichts der geographischen Lage Rauchfangswerders auf dem Schmöckwitzwerder, was seinerseits eine langestreckte Halbinsel darstellt, ist eine Bedeutung ‘Horn‘ in metaphorischer Weise nicht abwegig (vgl. auch die russ. und lit. Bedeutung). Außerdem befindet sich der nördl. Teil des Ortes ebenfalls auf einer kleinen Halbinsel.13
Literatur: Enders HOB 4: 226; Schlimpert BNB 3: 238f.; Derksen EDS: 438; Vasmer REW 2: 526; Schuster-Šewc HEWS 3: 1231; Olesch TLD 2: 883; Fraenkel LEW 2: 684; Kluge/Seebold23: 674; LIV2: 498; Beekes EDG: 145f.
8. Rudow
Rudow ist ein Ortsteil des Bezirks Neukölln im Süden Berlins und wurde 1373 erstmals als Rudow erwähnt.
Für Rudow kann eine aplb. GF * Rudov-, von ursl. * ruda ‘Eisenstein, rote Erde, Erz‘, angesetzt werden. Für ursl. * ruda vgl. u. a. aksl. ruda ‘Mine, Bergwerk; Metall‘, ukr. rudá ‘eisenhaltiger Sumpf, Erz, Blut‘, slow. rúda ‘Erz, Erzgrube‘, osorb. ruda ‘Erz; Eisenstein, rote Erde‘, nsorb. ruda ‘Raseneisenstein, Raseneisenerz; nasse, rote Erde‘, kasch. rëda ‘nasser Torf, Sumpf; eitriges Blut‘, dazu auch drawplb. raʒĕ ‘fuchsrot‘. Die Formen werden zu einer Wurzel uridg. * (h1)rodh-ó/áh2- gestellt, die mitsamt zahlreicher, ablautender Wurzelvarianten zur Wurzel uridg. * (h1)redh- ‘rot machen‘ zusammengefasst wird. Zur selben Wurzelvariante werden u. a. mpers., npers. rōy ‘Kupfer, Messing‘, akymr., akorn., abret. rud ‘rot‘, got. rauþs dass., afr. rād dass. gestellt.
Der ON ist demnach wie folgt zu deuten: ‘Ort, an dem es eisenhaltige/rote Erde gibt‘. Der ON wurde mit einem -ov- Suffix14 (ursl. * -ovъ, * -ova, * -ovo) in adjektivischer Funktion gebildet.
Literatur: Enders HOB 4: 233; Schlimpert BNB 3: 156, 285; Vasmer REW 2: 544; Olesch TLD 2: 872; NIL: 580-584; LIV2: 508f.
9. Schmöckwitz
Schmöckwitz ist ein Ortsteil des Bezirks Treptow-Köpenick im Südosten Berlins und wurde 1375 als Smewitz, Smekewitz, 1450 als Smekewitz, 1480/81 als Smegwitz erwähnt.
Für den ON Schmöckwitz wird eine GF aplb. Smekov-c- angesetzt. Aplb. * smek- gehört wahrscheinlich zur ursl. Sippe * smykati/smъknǫti/smukati, zu der u. a. aksl. smykati sę ‘kriechen, schleichen‘, aruss. smykati sja ‘kriechen‘, skr. smȗk ‘Art Schlange‘, slow. smíkati se ‘rutschen, schlüpfen, schleichen‘, smúkati ‘huschen, schlüpfen‘, čech. smyk ‘Ruck‘, smýkati ‘schleppen, schleichen‘, smeknouti (se) ‘ausgleiten‘, smekati se ‘(herab)gleiten‘, pol. smykać się ‘sich schleppen‘, osorb. smykać, smyknyć ‘darüber hingleiten lassen‘, smyknyć so ‘ausgleiten, hinfallen‘, nsorb. smykaś, smyknuś ‘hin- und herschieben, schleifen, schleppen‘ gestellt werden.
[...]
1 Der ON Blankenfelde (1284 als Blankenfelte) zu mnd. blank und mnd. velt (vgl. SCHLIMPERT BNB 5: 111); der ON Schöneberg (1264 als Sconenberch) zu mnd. berch ‘Berg‘ und mnd. schȫn(e), vgl. auch ahd. scōni, as. skōni ‘schön‘ (vgl. SCHLIMPERT BNB 3: 162; KLUGE/SEEBOLD23: 740); der ON Lichtenberg (1288 als Lichtenberge) zu mnd. licht ‘leuchtend, hell‘ und mnd. berch (vgl. SCHLIMPERT BNB 5: 180f.)
2 Der Bestandteil Drawäno- leitet sich vom dortigen Landschaftsnahmen Drawehn ab, der wiederum mit dem 1004 erstmals als Drewani (< * dervjani ‘Waldbewohner‘) erwähnten slawischen Stamm zusammenhängt (vgl. POLAŃSKI 1993: 795). Weiter nördlich auf der anderen Seite der Elbe hingegen befand sich im selben Zeitraum der Stamm der Polabi/Polaben (vgl. HERRMANN 1989: 11, Abb. 1). Der Name Polabi leitet sich von der Lage an der Elbe ab, po Laba ‘an der Elbe‘ (vgl. RZETELSKA-FELESZKO 2003: 165), identisch mit dem Landschaftsnamen čech. Polabí (vgl. TRAUTMANN EO 2: 112).
3 Die Bezeichnung Altsorbisch steht verallgemeinernd für alle Dialekte des ehemals sorbischen Sprachgebiets (vgl. BILY 2016: 98). Gleiches gilt für das Altpolabische. Dabei werden die Grundformen (Rekonstruktion des urspr. Lautstandes) der Ortsnamen je nachdem als Altsorbisch oder Altpolabisch angegeben. Die Korpora beider „Sprachen“ bzw. Sprachzustände setzten sich demnach ausschließlich aus den der Ortsnamen entnommenen Appellativa zusammen.
4 Vgl. BATHE/FISCHER/SCHLIMPERT 1970: 109; EICHLER/WITKOWSKI 1970: 37. Als Beispiele können die ON Damerow (urspr. aplb.) und Dubrau (urspr. asorb.) zu ursl. * dǫbъ ‘Eiche‘ einerseits sowie die ON Gartz (urspr. aplb.) und Gröditz (urspr. asorb.) zu ursl. * gordъ ‘Burg, Stadt‘ andererseits genannt werden (vgl. EICHLER/WITKOWSKI 1970: 37).
5 Diese Untersuchungen basieren auf Arbeiten Trautmanns zur selben Thematik (vgl. TRAUTMANN EO 1: 13ff.)
6 Die Primäre ON-Bildung ist nach Rospond die Bildung des Namens ohne Hinzuziehung eines toponymischen Affixes, wobei die häufigste Form der Primären Bildung Appellativ = ON ist (vgl. Rospond 1989: 125). Die Sekundäre ON-Bildung, die die Bildung von Namen mithilfe toponymischer Affixe beschriebt, ist im Slawischen insgesamt vorherrschend (vgl. ROSPOND 1989: 125ff.). Im weiteren Verlauf werden auch die Begriffe „einfacher Name“ (= Primäre Bildung) und „abgeleiteter Name“ (= Sekundäre Bildung) . Unter Mischbildung wird die Bildung sogenannter Mischnamen verstanden, die in unserem Untersuchungsgebiet jedoch nur vom Typ Slawischer PN als Bestimmungswort + Deutsches Grundwort sind. Der zweite Typ der sogenannten Mischnamen ist der Typ Arnoltici (vgl. Naumann 1964: 79) aus dem ON Arntitz (1296 Arnolticz), Ortsteil von Lommatzsch im Lkr. Meißen (vgl. EICHLER SO 1: 20). Dieser ON wurde mit einem deutschen PN Arnolt und einem slawischen, toponymischen Suffix -ici gebildet (vgl. NAUMANN 1964: 79). Darüber hinaus gibt es einige weitere Bildungstypen, die in unserem Untersuchungsgebiet jedoch nicht vorkommen (vgl. hierzu ROSPOND 1989: 118-134 für das Slawische im Allgemeinen und BILY 1996: 44-58 für das Sorbische).
7 Diese Namenskategorie beinhaltet Namen, deren urspr. Bedeutung die Geländegestalt oder Bodenbeschaffenheit beschreibt.
8 Ursl. * -ьk-, * -ъk-, * -iъk- bildeten Diminutiva und die Suffixverbindung ursl * -ьnikъ bildete Kollektiva (vgl. SCHLIMPERT BNB 3: 287; HOS 3: 136)
9 Vgl. Derksen EDS: 232 und Schuster-Šewc HEWS: 312f. Nach LIV2: 555, Fn. 5 vielleicht auch denominativ.
10 Ebenso wie Schuster-Šewc (HEWS 2: 700f.). Vasmer (REW 1: 664) hingegen vermutet Verwandtschaft.
11 Wurzel, deren Status als urindogermanisch infrage gestellt werden kann, werden mit einem Fragezeichen (?) vor der betreffenden Wurzel gekennzeichnet (vgl. LIV2: 43). Die Wurzeln werden mit Fragezeichen aus LIV2 übernommen.
12 Die Suffixverbindung * -ovica ist eine Bildung aus den Suffixen * -ov (in diesem Fall wohl in adjektivischer Fkt., falls der einzelne Suffixbestandteil innerhalb der Suffixverbindung noch eine Fkt. erfüllt) und * -ica (bildete Stellenbezeichnung, oft bei GN). * -ovica ist als Suffix eigenständig (vgl. HOS 3: 135f.)
13 Rauchfangswerder besteht aus zwei Siedlungen. Die eine befindet sich an der Südspitze der Halbinsel Schmöckwitzwerder, die andere unweit nördl. davon auf einer kleinen Halbinsel, die in die Dahme/Zeuthener See hineinragt und ihrerseits ebenfalls zur Halbinsel Schmöckwitzwerder gehört.
14 Das häufig verwendete ‑ov‑ Suffix hat seinen Ursprung im Gen.Sg. der sl. u‑ Stämme, woraus sich auch dessen possessivische Funktion erklären lässt (vgl. Saß 1983: 6f.). Die zweite urspr. Funktion des Suffixes ist die Bildung von Adjektiva, die einen Stoff oder eine Materie bezeichnen, aus der etwas besteht (vgl. MIKLOSICH 1926: 229 und SAß 1983: 7).
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