Bachelorarbeit, 2021
63 Seiten, Note: 1,7
1 Einleitung
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Verständnis von Gesundheit
2.1.1 Psychische Gesundheit
2.1.2 Physische Gesundheit
2.2 Modell der Salutogenese
2.3 Verständnis von Sport
2.3.1 Gesundheitssport
2.3.2 Ebenen des Gesundheitssport
2.3.3 Ziele des Gesundheitssport
2.3.4 Breitensport
2.3.5 Leistungssport
2.4 Voltigieren
2.4.1 Heilpädagogischen Voltigieren
2.4.2 Heilpädagogisches Reiten
2.5 Die sechs Kernziele realisiert im Gesundheitssport Voltigieren
2.5.1 Kernziel 1 Stärkung von physischen Gesundheitsressourcen
2.5.2 Kernziel 2 Stärkung von psychosozialen Gesundheitsressourcen
2.5.3 Kernziel 3 Verminderung von Risikofaktoren
2.5.4 Kernziel 4 Bewältigung von Beschwerden und Missbefinden
2.5.5 Kernziel 5 Aufbau und Bindung an gesundheitssportliche Aktivität
2.5.6 Kernziel 6 Verbesserung der Bewegungsverhältnisse
2.6 Empirischer Forschungsstand
2.7 Fragestellung der Untersuchung
2.8 Hypothesen
3 Methoden
3.1 Untersuchungsinstrumente
3.2 Durchführung der Untersuchung
3.3 Stichprobenbeschreibung
3.4 Datenanalyse
4 Ergebnisse
5 Diskussion
6 Abstract
Literaturverzeichnis
Abb. 1 Das Modell der Salutogenese von Antonovsky (Antonovsky, 1979, S, 184 f.; zitiert nach Faltermaier, 2017, S. 7)
Abb. 2 Vorwärtsschere vom Grundsitz zum Rückwärtssitz (Schweizer Verband für Pferdesport, Reglement, 2021, S. 45)
Abb. 3 Rückwärtsschere aus dem Rückwärtssitz zum Vorwärtssitz (Schweizer Verband für Pferdesport, Reglement, 2021, S. 47)
Abb. Abbildung
AGes Allgemeine Gesundheitswahrnehmung
DKThR Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten e.V.
DOSB Deutscher Olympischer Sportbund
DTB Deutsche Turner-Bund e. V.
DVS Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft e.V.
EmRo Emotionale Rollenfunktion
et al. und andere
FN Deutsche Reiterliche Vereinigung
GKV Spitzenverband Bund der Krankenkassen
KöFu Körperliche Funktionsfähigkeit
KöRo Körperliche Rollenfunktion
PSYC Psychisches Wohlbefinden
S. Seite
Schm Schmerz
SF-12 Short Form 12
SoFu Soziale Funktionsfähigkeit
u.v.m. und viele(s) mehr
z. B. zum Beispiel
Die Gesundheit beschreibt der Medizinstudent und Philosoph Arthur Schopenhauer als die Quelle von Genuss, als „Schlüssel zum Lebensglück“ und „das höchste Gut des Menschen“ (Smith, 2010). Für den Soziologen Luhmann wiederum kommt ihr ein „unumstrittener Höchstwert“ zu; „ja wohl der einzige Höchstwert, der außerhalb aller ideologischen Kontroversen steht“ (Luhmann, 1983, S. 42).
Die Gesundheit ist angesichts des in unserer Gesellschaft herrschenden Bewegungsmangels, die Folgen einer ungesunden Ernährung und sportlicher Inaktivität ein viel diskutiertes Thema. Viele Menschen haben Interesse daran, ihr Wohlbefinden und ihre Lebensqualität zu steigern und durch geeignete Aktivität ihre psychische und physische Gesundheit zu verbessern. Aufgrund dessen ist bereits in vielen Studien die subjektive Gesundheit der Bevölkerung oft im Vergleich von Sportlichkeit und Nicht-Sportlichkeit untersucht worden (Arent et al., 2000; Schlicht, 1995, Arent et al., 2000; Netz et al., 2005). Die Ergebnisse verzeichnen positive Effekte von regelmäßiger körperlicher Aktivität in Form von Sport und Bewegung auf das Wohlbefinden und die Lebensqualität. Dies verdeutlicht, dass „Gesundheit keine Selbstverständlichkeit ist“ und jeder Einzelne etwas für sie tun kann (Bundesinnenministerium für Gesundheit, 2016, S. 14). Ein aktiver Lebensstil mit ausreichend Bewegung und sportlicher Aktivität ist die beste Grundlage dafür und „gilt als einer der wichtigen Schutzfaktoren vor vielen Krankheiten“ (Bundesinnenministerium für Gesundheit, 2016, S. 14). Eine Vielzahl sportlicher Angebote in den unterschiedlichsten Sportbereichen ermöglicht Interessierten, eine Sportart nach Bedarf und Präferenz für sich zu entdecken.
Das Reiten ist dabei eine besonders attraktive und abwechslungsreiche Sportart. Sie bietet neben den körperlichen Vorteilen auch eine mentale Anforderung und schafft Raum zur Persönlichkeitsentwicklung einhergehend mit einer Stärkung der psychosozialen Ressourcen. Psychische Gesundheit sowie die körperliche und soziale Gesundheit sind eine wesentliche Voraussetzung dafür, die Bedingungen für Lebensqualität zu schaffen. Diese Komponenten sind in ihrer Priorisierung als gleichwertig zu sehen und stehen in Wechselwirkung zueinander (Herb et al., 2016). Bereits gegen Ende der 1950er Jahre ist das Pferd als Medium bei motorisch eingeschränkten Menschen zur Therapie eingesetzt worden, wobei es positive Wirkungen bei verschiedenen Erkrankungen erzielte. So rückte das Pferd peu à peu in den Anwendungsbereich des Gesundheitssports, wo es sich in verschiedenen Bereichen etabliert hat (Heipertz-Hengst, 2019b; Vernooij & Schneider, 2008). Gerade im Hinblick auf regelmäßige Teilnahme an gesundheitssportlicher Aktivität wirkt das Pferd auf den Menschen als motivierend und weist eine große Bandbreite gesundheitsförderlicher Wirkungen auf psychischer und physischer Ebene auf. Die Effekte von Sport mit Tierbeteiligung sind in ihrer unterstützenden Funktion als ein weiterer Gesundheitsförderer und Stabilisator zu sehen.
Basierend auf dem modernen Verständnis von Gesundheitsförderung (New Public Health) wird in dieser Arbeit das Voltigieren im Gesundheitssport vorgestellt und unter Zuhilfenahme des Salutogenese-Konzepts veranschaulicht. Des Weiteren wird der Ist-Zustand der psychischen und physischen Gesundheit von voltigierenden im Vergleich zu nicht sportlich aktiven Personen dargelegt, um Unterschiede beim jeweiligen subjektiven Gesundheitsempfinden offenzulegen. Die Forschungsfrage lautet daher: „Unterscheiden sich voltigierende und nicht sportlich aktive Personen in ihrer subjektiven Gesundheit?“ Zur Beantwortung der Forschungsfrage wird der SF-12, ein standardisierter Fragebogen zur Erfassung der subjektiven psychischen und physischen Gesundheit eingesetzt.1
Das erste Kapitel beginnt mit der Einleitung und erklärt das Forschungsvorhaben samt Thematik. Im zweiten Kapitel folgt der theoretische Rahmen. Dieser beinhaltet das Verständnis von Gesundheit und Sport, stellt das Gesundheitsmodell sowie die Sportart Voltigieren mit Praxisbezug anhand der sechs Kernziele im Gesundheitssport vor. Der folgende empirische Forschungsstand leitet zur Forschungsfrage über. Das dritte Kapitel befasst sich mit dem methodischen Vorgehen. Dabei werden der Einsatz des SF-12 als Untersuchungsinstrument zur Hypothesenprüfung und die Durchführung der Untersuchung veranschaulicht. Die Ergebnisse der Untersuchung der aufgestellten Hypothesen werden in Kapitel vier offengelegt und im fünften Kapitel näher betrachtet, diskutiert und resümiert. Dabei wird auf vorhandene Limitationen sowie mögliche Folgestudien eingegangen. Das letzte und sechste Kapitel schließt mit dem Abstract ab.
Im Folgenden wird die Gesundheit (Kap. 2.1) aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und bildet die Grundlage für das Modell der Salutogenese (Kap. 2.2). Im Anschluss wird ein Verständnis von Sport mit seinen verschiedenen Bereichen (Kap. 2.3 bis 2.4) und der Gesundheitssport mit den sechs Kernzielen im Voltigieren erläutert (Kap. 2.5). Der empirische Forschungsstand (Kap. 2.6) gibt einen aktuellen Einblick in das subjektive Befinden von voltigierenden und nicht sportlich aktiven Personen und leitet in die Forschungsfrage (Kap. 2.7) über. Das letztes Kapitel (2.8) schließt mit den Hypothesen ab.
Gesundheit ist im Alltagsgebrauch ein selbstverständliches Wort und nimmt im Hinblick auf fachliche Inhalte sowie allumfassende moralische oder philosophische Perspektiven viele Bedeutungen ein. Abgeleitet aus dem englischen ‚health‘ und dem altenglischen Wort ‚heal‘ bedeutet es so viel wie ‚vollständig‘, was verdeutlicht, „dass
1 „Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im Text das generische Maskulinum verwendet. Gemeint sind jedoch alle Geschlechter“.
Gesundheit die Integrität, die Unversehrtheit oder das Wohlbefinden der ganzen Person betrifft“ (Ostermann, 2010, S. 84). Darunter versteht sich die gesundheitsbezogene Lebensqualität (Health-Related Quality of Life, HRQoL) als ein multidimensionales Produkt mit psychischen, physischen und sozialen Dimensionen.
Es beschreibt, wie sich der Gesundheitszustand auf das körperliche, soziale und kognitive Befinden auswirkt (Robert Koch-Institut, 2020).
In den vielen Schichten und den Gruppierungen einer Gesellschaft existieren unterschiedliche Auffassungen darüber, was unter Gesundheit zu verstehen ist. Manche Menschen interpretieren Gesundheit im Alltag negativ, das heißt: als Abwesenheit von Krankheit und Leiden. Das positive Verständnis von Gesundheit wiederum ist mit Wohlbefinden gleichzusetzen (Ostermann, 2010). Die erste offizielle positive Darstellung der Gesundheit findet sich in der Satzung der World Health Organisation (WHO), die sie als „Zustand des völligen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit“ (1946, S. 1) definiert.
Die Definition der WHO rückt soziale und psychische Aspekte von Wohlbefinden in den Vordergrund und entkräftet die negative Sichtweise. Krankheit ist nach Stellpflug und Kramer (2020)
„Störungen der Lebensvorgänge in Organen oder im gesamten Organismus mit der Folge von subjektiv empfundenen und /oder objektiv feststellbaren körperlichen, geistigen oder seelischen Veränderungen. Krankheit wird von der Befindlichkeitsstörung ohne objektivierbare medizinische Ursache abgegrenzt“.
Bei kritischer Betrachtungsweise der Gesundheitsdefinition der WHO (1946) ergeben sich negative Aspekte, die Ostermann (2010) als Defizite formuliert. Mit wenigen Ergänzungen jedoch sind die defizitären Inhalte zu beheben, so dass sie in keiner Weise den „Paradigmenwechsel weg von einer Experten-orientierten hin zu einer Individuen-orientierten Auffassung von Gesundheit“ (Ostermann, 2010, S. 85) behindern.
Die folgenden Definitionen basieren demnach auf dem Gesundheitsverständnis der WHO (1946), auch wenn sie diese weiterentwickeln. Diverse Sichtweisen arbeiten den dynamisch positiven Charakter von Gesundheit hervor und ermöglichen ein allumfassendes Verständnis. So ist Gesundheit „als Ideal vom Zustand vollkommenen physischen, psychischen und sozialen Wohlbefindens mit dem Problem [zu verstehen], dass es dann in der Realität keine oder zumindest kaum ‚gesunde‘ Personen gibt und geben kann“ (Röthig & Prohl, 2003, S. 222).
Bei genauer Betrachtung bedeutet Gesundheit also ein harmonisches Gleichgewicht der Physis und Psyche des Menschen. Allein das ‚frei‘ sein von Krankheit entspricht somit nicht der wissenschaftlichen Definition. Vielmehr beschreibt der so beschriebene Idealzustand einen relativen und optimalen Zustand, der subjektiv nicht immer erreichbar ist. Eine wissenschaftlich-theoretische Erfassung kann demnach nicht deklariert werden und ist in gewisser Weise als utopisch anzusehen. Der Mensch kreiert durch seine subjektive Selbsteinschätzung, sein Wohlbefinden und entscheidet, inwieweit er sich krank oder gesund fühlt. Oftmals ist wenig Spielraum zur Bestimmung der optimalen Voraussetzungen vorhanden, um die Rahmenbedingungen zu schaffen, die zur Verwirklichung des vollen Gesundheitspotentials nötig sind (Renneberg & Lippke, 2006a; Ostermann, 2010).
Eine Integration unterschiedlicher Betrachtungsweisen findet sich in der Definition von Hurrelmann (2000) wieder. Diese ermöglicht eine Identifikation der zentralen Komponenten des salutogenen Gesundheitsmodells (Kap. 2.2) und vermittelt das zielführende Verständnis von Gesundheit. Hurrelmann (2000) bietet in seiner Definition eine subjektive Betrachtungsweise, die objektiven Daten Außen vorlässt.
„Gesundheit ist das Stadium des Gleichgewichts von Risikofaktoren und Schutzfaktoren, das eintritt, wenn einem Menschen eine Bewältigung sowohl der inneren (körperlichen und psychischen) als auch der äußeren (sozialen und materiellen) Anforderungen gelingt. Gesundheit ist ein Stadium, das einem Menschen Wohlbefinden und Lebensfreude vermittelt“ (Hurrelmann, 2000, S. 94).
Die Begriffsbestimmung legt die Charakteristika des Zustands von Gesundheit fest. Die positive Definition rückt die subjektiven Gesundheitskomponenten in den Mittelpunkt und stellt die individuellen Kategorien Lebensfreude und Wohlbefinden heraus (Sudeck & Thiel, 2020). Somit gestaltet sich Gesundheit durch das Gleichgewicht der im wechselseitigen Zusammenhang stehenden sozialen, psychischen und physische Anteile. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung liegt vor, „wenn in einem oder mehreren dieser Bereiche Anforderungen bestehen, die von der Person nicht erfüllt oder bewältigt werden können“ (Ostermann, 2010, S. 91).
Die sich entwickelnden Beeinträchtigungen müssen jedoch in keinem Bereich auffällig werden und können im subjektiven und objektiven Empfinden durchaus diskrepant sein.
Des Weiteren versteht sich Gesundheit nicht mehr als das Idealnorm. So kennzeichnet die Abstimmung von Bedürfnissen und Anforderungen, die sich aus den jeweiligen Abhängigkeits- und Bestimmungsfeldern ergeben, den funktionalen Charakter dieser Definition (Ostermann, 2010). Während Hurrelmann (2000) Gesundheit als ein Stadium beschreibt, was einen starren Zustand vermuten lässt, erklären Amann und Wipplinger (1998), dass es sich bei dieser Gesundheitsdefinition um keinen Ist-Soll-Zustand, sondern um einen dynamischen Prozess handele. Das bedeutet: Gesundheit muss stetig neu erreicht, aufrechterhalten und wiederhergestellt werden. Diese Definition stellt also eine direkte Anknüpfung an das salutogenetische Konzept dar (vgl. Kap. 2.2) (Renneberg & Lippke, 2006a).
Den vorliegenden Definitionen und perspektivischen Betrachtungsweisen ist zu entnehmen, dass Gesundheit allein der Selbstverantwortung unterliegt. Der Mensch ist als (Mit-) „Gestalter seines Lebens“ zu sehen […]; „sein Kapital sind seine Ressourcen und seine Selbstheilungskräfte, die es zu mobilisieren gilt“ (Jerich, 2016, S.292). Gesundheit ist demnach nicht nur statisch konzipiert, sondern sie findet auf mehreren, unter in sich dynamischen Ebenen statt (Radley & Billig 1996; Faltermaier et al., 1998). Die subjektive Gesundheit, als die selbst eingeschätzte Gesundheit, „bildet die persönlichen und sozialen Dimensionen des eigenen Befindens ab“ (Robert Koch-Institut, 2012, S. 64). Zum einen handelt es sich dabei um alltägliche Beschwerden oder Krankheiten, zum anderen beinhaltet dies Aspekte des Wohlbefindens, die der physischen und psychischen Gesundheit gleichkommen (Erhart & Ravens-Sieber, 2010).
Die beiden Begriffe ‚psychische‘ und ‚physische‘ Gesundheit finden in dieser Arbeit häufig Verwendung. Daher erfolgt nun eine sprachliche und inhaltliche Abgrenzung durch Indikatoren sowie verschiedene perspektivische Betrachtungsweisen.
Eine wesentliche Dimension von Gesundheit ist die psychische Gesundheit, jene wird von vielen Faktoren bestimmt. Zu diesen zählen zum einen Veranlagung, biographische Erfahrungen, Verhaltensweisen und zum anderen Merkmale der Gruppen und Gemeinschaften, in denen sich ein Mensch bewegt, mit Hinblick auf deren soziokulturellen und sozioökonomischen Hintergrund sowie die konkreten persönlichen Lebensbedingungen (Herb et al., 2016). Eine sprachliche Abgrenzung von psychischer und physischer Gesundheit kann über die Definition nach Woll (1996) vorgenommen werden (Prof. Dr. S. Tittlbach, persönliche Kommunikation, 28. April 2021).
„Gesundheit ist das Ergebnis eines dynamischen Gleichgewichts (Balance) zwischen dem Individuum mit seinen Ressourcen und den Anforderungen seiner sozio-ökologischen Umwelt. Gesundheit wird als prozesshaftes Geschehen aufgefasst, das sich im aktuellen Bezug herausbildet. Gesundheit und Krankheit sind als Extrempole eines mehrdimensionalen Kontinuums (psychisch, physisch und sozial) zu sehen, auf dem sich eine Person jeweils lokalisieren lässt“ (Woll, 1996, zitiert nach Werle et al., 2006, S. 27).
Verbindet man das Attribut psychisch ‚seelisch‘ mit Gesundheit, ist es auf die Analyseebene zu beziehen und eine Ursachenforschung auszuschließen. Demnach ist jemand als psychisch gesund zu erachten, „wenn sich auf der Ebene des Verhaltens und Erlebens bestimmte näher zu beschreibende positive Funktionsmerkmale nachweisen lassen“ (Becker, 2006, S. 29).
Nach der WHO wird die psychische Gesundheit bestimmt als „ein Zustand des Wohlbefindens, in dem eine Person ihre Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten und einen Beitrag zu der Gemeinschaft leisten kann“ (WHO Europa, 2019, S. 1).
Dementsprechend ist psychische Gesundheit die Voraussetzung, das gesamte eigene Potential auf emotionaler und intellektueller Ebene zu leben, den Platz in der Gesellschaft ein- sowie eine Rolle im Arbeitsleben übernehmen zu können (Schlipfenbacher & Jacobi, 2014). Daraus geht hervor, dass „Humankapital oder Wohlbefinden“ als die Quelle für psychische Gesundheit des einzelnen zu betrachten ist (WHO Europa, 2019, S. 1). So „besteht der Bezug auf das Wohlbefinden in der Gesundheitsdefinition, ohne jedoch näher bestimmt zu werden“ (Babitsch, 2019, S. 6). Hornberg (2016) stellt fest, dass die Begriffe ‚Wohlbefinden‘ und ‚Gesundheit‘ nahezu synonym und undifferenziert genannt werden. Eine Eingrenzung von Wohlbefinden erfolgt im Rahmen der WHO Strategie „Gesundheit 2020“. Es sei auf die „Ebene des Individuums“ zu beziehen und unterscheide sich durch eine subjektive und objektive Dimension (WHO Europa, 2013a, S. 2). Das vollkommene Wohlbefinden sei „ein relativer Zustand der auch subjektiv nicht immer erreichbar ist“ (Renneberg & Lippke, 2006a, S. 8). Nach Lippke und Renneberg ist Wohlbefinden demnach auch möglich, wenn Menschen beispielsweise Beeinträchtigungen aufgrund einer Erkrankung wahrnehmen dennoch gesund werden oder als gesund gelten“ (Lippke & Renneberg, 2006a, S. 8). Es liegen zahlreiche Präzisierungsversuche von Wohlbefinden vor, die an die Definition von Gesundheit der WHO anknüpfen. Eine einheitliche wissenschaftliche Definition von Gesundheit und Wohlbefinden existiert bislang nicht (Ziegelmann, 2002). Dies erklärt sich durch das „vielschichtige Verständnis von Gesundheit und Wohlbefinden mit den unterschiedlichen Rahmungen und Denktraditionen in den diversen Wissenschaftsdisziplinen“ (Hornberg, 2016, S. 63).
Physischer Gesundheit bzw. physisches Befinden „ist durch körperbezogene Empfindungen charakterisiert […] Der Organismus folgt dabei der Richtung (positiv oder negativ) sowie der Intensität der homöostatischen Abweichungen, die durch das Fühlen der körperlichen Zustände vermittelt werden“ (Sudeck & Thiel, 2020, S. 556).
Das Körpergefühl kann sich phänomenologisch positiv wie negativ, bewusst wie unbewusst darstellen. Bei positiver Erscheinung vermittelt der Körper ein Gefühl der vollen Gesundheit. Es liegt als ein bewusster oder unbewusster Wahrnehmungsvorgang vor, während der Körper auf unbewusster Ebene ohne Störung und in einer Einheit von Körper und Geist funktioniert/zu funktionieren scheint? (Sudeck & Thiel, 2020).
Becker (2006) geht in analoger Weise auf eine Funktionsebene ein und beschreibt diese anhand von Indikatoren. So sieht er physische Gesundheit als gegeben, „wenn auf der Ebene der körperlichen Prozesse oder Strukturen bestimmte, als normal und wünschenswert betrachtete Phänomene nachweisbar sind“ (Becker, 2006, S. 29). Dies bedeutet beispielsweise eine Funktionstüchtigkeit der Organsysteme sowie des gesamten menschlichen Organismus. Bei dieser differenzierten Betrachtungsweise bleibt die ganzheitliche Dimension von Gesundheit allerdings außen vor.
Die in diesem Kapitel 2.1 vorgestellten Begriffe und Betrachtungsweisen von Gesundheit bilden die grundlegenden sowie zentrale Determinanten für das Konstrukt ‚Gesundheit‘. Wie bereits angedeutet, stimmt die Literatur darin darüber ein, dass „Gesundheit mehrdimensional ist“ (Hornberg, 2016, S. 63). Gesundheit ist „nicht nur körperliches Wohlbefinden (z. B. relative Freiheit von Beschwerden, Beeinträchtigungen und Krankheit) und psychisches Wohlbefinden“, sondern auch „Leistungsfähigkeit, Selbstverwirklichung und Sinnfindung“ zählen dazu (Renneberg & Lippke, 2006, S. 8). Nach Röhrle (2018) ist dieses komplexe Gesundheitsverständnis zum Inbegriff der salutogenetischen Perspektive geworden, die im Folgenden erläutert wird.
Der Begriff Salutogenese leitet sich aus dem lateinischen ‚salus‘ (Gesundheit) und dem altgriechischen ‚genesis‘ (Entstehung) ab und steht für die vorherrschende theoretische Perspektive in den Gesundheitswissenschaften. Das Modell der Salutogenese stellt nach Faltermaier (2020) „eine zentrale theoretische Grundlage für die Praxis der Gesundheitsförderung dar, sie formuliert, welche Bedingungen für die Gesundheit gefördert werden müssen“. Demnach liefert die Salutogenese eine Beschreibung von kognitiven Merkmalen gesunder Menschen und damit „wertvolle Anregungen wie man z. B. lernen kann, Verantwortung für das eigene Wohlbefinden zu übernehmen und angemessen mit Krankheiten umzugehen“ (Ostermann, 2010, S. 99).
Das Modell der Salutogenese wurde von dem Medizinsoziologen und Gesundheitswissenschaftler Aaron Antonovsky auf die Fragen „Wann bleibt jemand gesund?“ und „Wie wird man, wo immer man sich im Strom des Lebens befindet ein guter Schwimmer?“ (Ostermann, 2010, S. 84; Lorenz, 2004) hin entwickelt. Für eine fundierte Antwort und Erklärung führte Antonovsky (1979) epidemiologische Studien an Frauen mit einer traumatisierenden Lebensgeschichte durch. Sie durchlebten extreme Belastungen in Konzentrationslagern und überlebten den Holocaust. 29% der Frauen erwiesen sich trotz dieser traumatischen Erlebnisse als psychisch gesund. Eine Erklärung dafür, wie die Frauen dieses seelische Wohlbefinden zu erreichen vermochten, lag ihm zu diesem Zeitpunkt nicht vor und so konzentrierte sich Antonovsky darauf, die stärkenden Ressourcen und Faktoren für die Bewältigungsmechanismen und die psychischen Merkmale der Bewältigungsmechanismen herauszufinden (Ostermann, 2010). Im Mittelpunkt des Modells steht die Frage, wie es Menschen trotz psychosozialen Stresserlebens, darstellbar als eine Form der Konfrontation von äußeren Forderungen und dem inneren Befinden, gelingt, in bestimmten Situationen gesund zu bleiben, sowie die kausalen Faktoren zu wissen, die die Gesundheit schützen (Schneider, 2010). Diese Fähigkeit benennt Wirtz (2013) als Resilienz.
„Resilienz besteht, wenn Individuen in großen psychischen oder körperlichen Stresssituationen ihre psychische Gesundheit aufrechterhalten oder diese nach einer kurzen Phase von Belastungssymptomen rasch wiederherstellen können“ (Leibntz-Institut für Resilienzforschung, 2021).
Das Modell der Salutogenese (Abb. 1) nach Antonovsky (1979) steht für die Idee der Heterostase. „Der Mensch befindet sich in einer fehlenden Stabilität. Leid, Ungleichgewicht und der Tod sind die inhärenten Bestandteile der menschlichen Existenz“ (Ostermann, 2010, S. 99). Dem gegenüber gestellt wird die pathogene Sichtweise mit Gesundheitsmodellen der Homöostase, die von einer inneren und äußeren Stabilität ausgeht. Das im Modell der Homöostase erwähnte Meiden und Entfernen von Krankheitsfaktoren erweckt den Eindruck, Gesundheit könnte somit garantiert sein. Antonovskys kritisiert dies als realitätsfern (Ostermann, 2010) und bringt als Alternative zur Pathogenese das Gesundheitsmodell der Salutogenese (Abb. 1) ein. Dieses zählt heute zu den einflussreichsten Ansätzen in den Gesundheitswissenschaften und „beschreibt ein komplexes Gefüge von Bedingungen, die Gesundheit (und nicht Krankheit) ermöglichen“ (Faltermaier, 2020).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 2 Das Modell der Salutogenese von Antonovsky (Antonovsky, 1979, S. 184 f., zitiert nach Faltermaier, 2017, S. 7)
Die folgende theoretische Erfassung der Salutogenese ermöglicht eine salutogenetische Orientierung und ist durch vier Komponenten bestimmt.
Darin wird Gesundheit in ein, Gesundheits-Krankheits-Kontinuum‘ eingeordnet und ist nicht als Gegenteil von Krankheit (Faltermaier, 2020) zu verstehen. Das Gesundheits-Krankheits-Kontinuum sieht Gesundheit als eine variable Platzierung der jeweiligen Person auf einem Punkt zwischen Gesundheit und Krankheit (Antonovsky, 1987). Die Einnahme eines Punktes auf dem Kontinuum ist zwischen den Polen variabel und zeigt so den Gesundheitszustand an. Das Kontinuum wird durch die Extrempole ‚absolute Gesundheit‘ und ‚Krankheit‘ begrenzt. Eine Person kann in der Theorie dabei jeden Punkt einnehmen, wobei das Erreichen von absoluter Gesundheit oder Krankheit als Ende eines Begrenzungspoles sicher realitätsfern ist (Faltermaier, 2020). Vielmehr bewegen sich Menschen zwischen beiden Polen und werden, je nach Position, als mehr oder weniger gesund eingestuft. Das Modell erklärt somit nicht die Begriffe ‚Gesundheit‘ oder ‚Krankheit‘, sondern ermöglicht eine salutogenetische Orientierung (Faltermaier, 2020). Krankheit ist ein lebensnotwendiger Bestandteil des Lebens, in dem sich Gesundheit und Krankheit mischen. So kann auch ein schwer oder chronisch kranker Mensch seine Gesundheit in die „positive Richtung bewegen“ (Faltermaier, 2020). Dabei sei vielmehr die innere Einstellung richtungsweisend und weniger äußere Umstände.
Der, wie vielfach belegt, bedeutendste Einflussfaktor für Gesundheit und Krankheit ist Stress. Dementsprechend gibt es einen formulierten Pfad, der von „psychosozialen, physikalischen oder biochemischen Stressfaktoren zum Gesundheitskontinuum führt“ (Faltermaier, 2020). So wirken negative Einflüsse wie beispielsweise belastende Lebensereignisse oder Arbeitsbelastungen wie auch schädliche Umwelteinflüsse als potentielle Stressoren auf den Menschen ein. Die physischen und psychischen Stressfaktoren sind allgegenwärtig und nicht völlig zu verhindern. Ihre Folge ist bei massiven Außeneinwirkungen ein psychischer und physischer Spannungsaufbau, der die Positionierung des Individuums beeinträchtigt. Menschen geraten unvermeidbar in einen ersten Stresszustand. Ähnlich wie in der Stresstheorie des bekannten amerikanischen Psychologen Lazarus (1984) geht Antonovsky (1979) davon aus, dass für die Auswirkung der Stressoren die subjektive Einschätzung dieser sowie die Art der Bewältigungsversuche („coping“) maßgeblich sind (Faltermaier, 2020). Demnach bedeutet die Bewältigung der Stressfaktoren in der salutogenetischen Konzeption Gesundheit. Kann der Spannungszustand nicht positiv bewältigt werden, bewegt sich der Mensch unweigerlich konträr, das heißt in Richtung Krankheit, und wird je nach Grad der Verwundbarkeit des Organismus krank (Faltermaier, 2020). So bedeutet gesund [zu] sein, über eine durch Schutzfaktoren aufgebaute stabile Resilienz zu verfügen. Der Grad der Reslilienz hängt von „individuellen bzw. den sozialen Faktoren und im Besonderen von ihrer Selbstwirksamkeit ab, also dem Bewusstsein etwas selbst bewerkstelligen zu können“ (José, 2016, S. 66).
Das „wesentliche Potential zur Bewältigung von Stressfaktoren und Kernstück der Salutogenese“ liegt nach Antonovsky in den allgemeinen Widerstandsressourcen (1997, S. 43, zitiert nach Faltermaier, 2020). Er umschreibt die allgemeinen Widerstandsressourcen als „jedes Merkmal einer Person, Gruppe oder Umwelt, das eine wirksame Spannungsbewältigung erleichtern kann“ (1979, S. 99, zitiert nach Faltermaier, 2020). Genetische und konstitutionelle sowie psychosoziale Attribute bauen sich von Beginn und im Laufe des Lebens auf und können in Belastungssituationen wirksam werden. Die allgemeinen Widerstandsressourcen entstehen durch individuelle Lebenserfahrungen und sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt. Sie beinhalten das Potential zur Gesundheitsförderung, das bei physiologischen Spannungsbewältigungen benötigt und aktiviert wird (Eichler, 2008; Faltermaier, 2005). Je ausgeprägter die allgemeinen Widerstandsressourcen sind, umso besser kann der Mensch die alltäglichen Belastungen bewältigen und sich im Kontinuum zu Gesundheit bewegen. Die allgemeinen Widerstandsressourcen bestehen aus genetischen und psychosozialen Ressourcen. „Merkmale der Person“ in Form von Wissen, Intelligenz, Fähigkeiten (Bewältigungskompetenzen) und „Eigenschaften“ wie dem Selbstwertgefühl, aber auch als „körperlich-konstitutionelle Charakteristiken“ sind als psychosoziale Widerstandsressourcen veränderbar (Faltermaier, 2020). Des Weiteren gehören auch Merkmale des „sozialen und gesellschaftlichen Umfeldes“, wie starke soziale Bindungen und Unterstützungsmöglichkeiten, Glaubenseinstellungen oder materielle Ressourcen (Faltermaier, 2020). Verfügt der Mensch nun über ausreichend viele Widerstandsressourcen, ermöglicht dies, Erfahrungen zu sammeln die ihm zu Stabilität verhelfen. Aus dieser Konsistenz heraus ist eine soziale Teilhabe, personale Kontrolle und ein Gleichgewicht zwischen Über- und Unterforderung erreichbar (Faltermaier, 2020).
Das Kohärenzgefühl („sense of coherence“, SOC) stellt als letzte Komponente eine globale Orientierung im Leben dar und bildet sich im Laufe der Sozialisation auf der Grundlage vieler Widerstandsressourcen heraus. Positive Erfahrungen verhelfen zu einer stabilen Lebensorientierung (Faltermaier, 2020). Antonovsky benennt das Kohärenzgefühl als den elementaren Baustein und entscheidenden Prädiktor für Gesundheit. Es ist das Grundgefühl von Sicherheit der Person, „innerlich zusammengehalten zu werden, nicht zu zerbrechen und zeitgleich an äußeren Anbindungen Unterstützung und Halt zu finden“ (Ostermann, 2010, S. 126). Das Kohärenzgefühl setzt sich aus drei mentalen Komponenten zusammen, die Rösing (2003) als Metaressource der Stress- und Copingforschung benennt und „meint eine mentale Kohärenz, eine Grundstimmung oder Grundsicherheit“ (Ostermann, 2010, S. 126).
Das Gefühl der Verstehbarkeit („comprehensibility“) ist die kognitive Komponente, die einen Stimulus als geordnete, strukturierte, konsistente Information verarbeitet, um etwas zu verstehen. Das eigene Leben ist nicht chaotisch, sondern es liegt das Gefühl vor, das Leben sei verstehbar, kognitiv klar und geordnet. Ein solcher Mensch versteht sein Leben, er hat komplexe Vorgänge durchschaut.
Des Weiteren gibt es das Gefühl der Handhabbarkeit („manageability“) als die instrumentelle Komponente der Überzeugung bzw. Zuversicht, die Probleme lassen sich bei diesem Grundgefühl mittels ausreichender eigener Ressourcen lösen, so dass die Anforderungen bewältigt werden können. Diese Zuversicht resultiert beispielsweise aus bereits gesammelter Erfahrung. Ein solcher Mensch kann sein Leben meistern.
Zuletzt genannt wird die emotional-motivierende Komponente, das Gefühl der Sinnhaftigkeit, Bedeutsamkeit und Motiviertheit („meaningfulness“). Dies steht für die Überzeugung einer Person, ihr Leben als sinnvoll sowie wertvoll zu erachten und sich mit solch positiven Lebensbereichen verbunden zu fühlen. Die hinzukommenden Anforderungen sind Herausforderungen, denen Investition sowie Engagement gebührt und die als solche angenommen werden. Entsprechende Personen wollen ihr Leben meistern (Antonovsky & Franka, 1997; Schneider, 2010; Faltermaier, 2020). Es ist „keine spezielle Coping-Strategie, sondern eine generelle Lebenseinstellung (Antonovsky,1993, S. 4).
Für eine stabile gesunde Persönlichkeit bedarf es nicht nur einer, sondern aller vorgestellten Komponenten, die ein komplexes multidimensionales Konstrukt mit funktionierenden Wechselwirkungen und Rückkopplungen darstellen.
Da Sport und Gesundheit in den Denktraditionen seit jeher zusammengehören, erfolgt eine erste Definition von Sport. Im Sportwissenschaftlichen Lexikon findet sich zum Begriff „Sport“ im Beitrag von 2003 folgende Erklärung.
„Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich Sport zu einem umgangssprachlichen, weltweit gebrauchten Begriff entwickelt. Eine präzise oder gar eindeutige begriffliche Abgrenzung lässt sich deshalb nicht vornehmen“ (Röthig & Prohl, 2003, S. 493).
Aus diesem Beitrag ist zu entnehmen, dass keine einheitliche wissenschaftliche Definition vorliegt. Die folgende Erläuterung aus psychologischer Betrachtungsweise ermöglicht ein erstes Verständnis des Sportbegriffs abgrenzend von anderen menschlichen Tätigkeiten wie z. B. Arbeit, Spiel, Gesundheitspflege (Haverkamp & Willimczik, 2005).
„Es ist problematisch, von dem Sport zu sprechen, weil Sport (…) ein so komplexes und inhomogenes Phänomen ist […], da sich kaum durchgehende Bedingungen und Anforderungsstrukturen angeben lassen“ (Singer, 2004, S. 298).
Singer (2004) sowie Röthig und Prohl (2003) verdeutlichen, wie unpräzise und vage der Sportbegriff bisher definiert wird.
Auch Haverkamp und Willimczik (2005) sehen die Schwierigkeiten einer eindeutigen und abgrenzenden Definition aufgrund der großen Bandbreite verschiedener sportbezogener Tätigkeiten, die zum einen in aktiver Verbundenheit als Sportler oder Teilnehmer des Leistungs-, Breiten-, Rehabilitations- oder Schulsport bestehen und zum anderen passiv in der Rolle des Trainers, Funktionär sowie Zuschauer zu finden sind.
In der Deklaration des Wissenschaftlichen Beirat des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) finden sich sieben Dimensionen, über die sich der Begriff Sport beschreiben und sich ein Selbstverständnis entwickelt lässt. Sport ist demnach, „eine motorische Aktivität, die sowohl hinsichtlich Kondition als auch Koordination für den betreffenden Sport konstitutiv ist, erlernt bzw. trainiert werden muss und primär auf die menschliche Motorik ausgerichtet sein muss, einen Bedeutungsinhalt, der ihn von der Alltags- bzw. Arbeitsmotorik unterscheidet (in diesem Sinne ist Sport unproduktiv und frei von existenziellen Zwängen) […] Leistung und Wettbewerb als konstitutive Momente, die sich im Leistungs-,Breiten- und Freizeitsport zeigen […] Sportorganisationen von der Orts- bis zur internationalen Ebene, die ein überregional vereinbartes Wettkampfsystem und eine überregional vereinbarte Regelordnung gewährleisten […] mehr oder weniger verbindliche Sportregeln,[…] Grundwerte und Leitideen wie Fair Play, Partnerschaft, Unversehrtheit des Partners, Chancengleichheit und Teamgeist,[…] eine typische Erlebnis- und Erfahrungswelt, die den ganzen Menschen berührt“ (Wissenschaftlicher Beirat des DSB,1980, S. 439).
Dieses weitestgehende Alleinstellungsrecht der Definition von Sport obliegt seit 1980 dem DOSB (Willimzcik, 2019).
Als zentral für Sport zählen die körperliche Aktivität, sowie das sportliche Training. Hänsel et al. (2016) erklären körperliche Aktivität als Teilmenge, die aus sportlicher Aktivität und sportlichem Training besteht. Körperliche Aktivität ist jede körperliche Bewegung, die durch die Skelettmuskulatur realisiert wird und über den Ruhe-(Grundumsatz) hinausgeht. Eine Kategorisierung kann über Art, Umfang, Intensität und Ziel erfolgen. Demnach stellen zum Beispiel der Spaziergang oder die Gartenarbeit körperliche Alltags- und Freizeitaktivitäten dar (Oertel-Knöchel & Hänsel, 2016; Herbsleb, 2020). Sportliche Aktivität hingegen zeichnet sich ähnlich wie körperliches Training durch höhere Intensität aus, ist jedoch strukturiert und dient der Ausführung, um das traditionelle Verständnis von Sport in den Bewegungsinszenierungen zu übernehmen. Dies betrifft u. a. die Standardisierung der Sporträume oder das Reglement. Ein zur Aufrechterhaltung der psychischen Gesundheit, Fitness oder der sportlichen Zielerreichung dienendes Training wird auf Basis von freiwilligen und systematischen Wiederholungen ausgeführt und demnach als sportliches Training definiert (Oertel-Knöchel & Hänsel, 2016).
Eines sind allen Modellen und Definitionen zu entnehmen. Sport hat „einen Kern, der in der ganzen Welt anschlussfähig ist. Immer geht es um Bewegungsverhalten, das nach kulturell vorgegebenen Deutungsmustern von Menschen in sozialen Kontexten durchgeführt und als sportbezogen erlebt wird“ (Krüger et al., 2013, S. 339).
So sind denn die Übergänge zwischen Sportbegriff und Alltagsbeschreibungen wie Leistungs-, Breiten-, Freizeit-, und Gesundheitssport fließend und die Konzepte keineswegs immer klar voneinander abzugrenzen. Daher kann man eine Kategorisierung auf der Grundlage der Interessen und Ziele, des Trainingsaufwands, Leistungsniveaus sowie der Organisationsform vornehmen, was aus diesem Verständnis am Ehesten eine Abgrenzung der Sportbereiche erlaubt (Hottenrott & Hoos, 2013).
Zunächst erfolgt ein kurzer Rückblick auf die Anfänge und die Entwicklung des Gesundheitssports.
Seit dem Altertum ist bekannt, dass Bewegung als prophylaktische sowie therapeutisch-rehabilitative Maßnahme die Leistungsfähigkeit und Gesundheit sowohl fördert als auch erhält. Seit vielen Jahrhunderten liegen Empfehlungen für verschiedenste Sportarten wie Schwimmen, Reiten und Gymnastik von europäischen Schulen vor (Bringmann, 2018). In den letzten Jahrzehnten konnten die Feststellungen und Traditionen aus dem Altertum anhand wissenschaftlich- theoretischer und auch praktischer Untersuchungen belegt werden. Forschungen (Rost et al., 1991; Hollmann & Hettinger, 2000; Tiemann, 2010; u.v.m.) kamen zu dem Ergebnis, dass „alters- und leistungsadäquater Gesundheitssport einen positiven Einfluss auf Prävention und Behandlung von gesundheitlichen Störungen hat“ (Bringmann, 2018, S. 5).
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