Bachelorarbeit, 2021
49 Seiten, Note: 1,3
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Problemstellung
2 Grundlagen: Stakeholder und CSR
2.1 Stakeholder-Theorie
2.2 Corporate Social Responsibility
2.3 CSR-Management mit Stakeholder- und Strategie-Bezug
3 Die deutsche Bankenlandschaft
3.1 Die drei Säulen im deutschen Bankensystem
3.1.1 Geschäftsbanken
3.1.2 Sparkassen
3.1.3 Genossenschaftsbanken
3.2 Unterschiede in den Anspruchsgruppen des deutschen Bankensystems..
3.3 Aktuelle Herausforderungen in der deutschen Bankenlandschaft im Stakeholder-Kontext
4 Vergleich der Berichterstattung zur Nachhaltigkeit
4.1 Nachhaltigkeit und Berichtstandards deutscher Banken
4.2 Grundlagen zum Vergleich der Nachhaltigkeitsberichte
4.3 Vergleich der Nachhaltigkeitsberichte
4.3.1 Betrieblicher Umweltschutz
4.3.2 Nachhaltigkeit im Kerngeschäft
4.3.3 Verantwortung gegenüber den Arbeitnehmern
4.3.4 Corporate Governance
4.3.5 Soziale Verantwortung
5 Diskussion
Literaturverzeichnis
Anhang
Anzahl der Wörter: 8.495
Abbildung 1: Beispiel einer Wesentlichkeitsmatrix, GRI 101:Grundlagen, Global Sustainability Standards Board (GSSB), 2016
Abbildung 2: Vergleich der Bedeutung des betrieblichen Umweltschutzes, eigene Darstellung
Abbildung 3: Vergleich der Bedeutung von nachhaltigen Eigeninvestments und Produkten, eigene Darstellung
Abbildung 4: Vergleich der Bedeutung der Verantwortung gegenüber den Angestellten, eigene Darstellung
Abbildung 5: Vergleich der Bedeutung von Corporate Governance, eigene Darstellung
Abbildung 6: Vergleich der Bedeutung der Sozialen Verantwortung, eigene Darstellung
Tabelle 1: Auflistung der betrachteten Kreditinstitute, eigene Darstellung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Leistungen eines Unternehmens werden bereits seit geraumer Zeit nicht mehr ausschließlich durch wirtschaftliche Faktoren und Zahlen bestimmt. In Zeiten von Klimawandel, humanitärer Not in Entwicklungsländern und der Corona-Pandemie wird die Verantwortung von Unternehmen gegenüber der Gesellschaft zunehmend bedeutender. Meistens realisiert die breite Bevölkerung dies jedoch erst, wenn die Übernahme der Verantwortung unzureichend ist und durch Skandale oder Negativschlagzeilen das Ansehen eines Unternehmens geschädigt wird. Von diesem Phänomen stark betroffen ist u. a. die Finanzindustrie und hier besonders der Bankensektor. Wirtschaftskrisen, Finanzskandale und niedrige Zinsen haben sowohl in der Vergangenheit als auch heute wiederkehrend das Vertrauen der Bevölkerung in Banken beeinträchtigt. Auch das undurchsichtige Investmentbanking und die finanziellen Probleme einzelner Institute werfen ein schlechtes Licht auf die gesamte Branche. Doch Banker werden nicht nur negativ wahrgenommen. Gerade in Genossenschaftsbanken und Sparkassen lassen sich zahlreiche Beispiele finden, in denen der Bankberater einen engen Vertrauten des Kunden und das Institut einen großen Förderer für die Region darstellt. Doch worin liegt diese unterschiedliche Wahrnehmung der Banken begründet? Inwiefern unterscheiden sich die Kreditinstitute in der Wahrnehmung ihrer sozialen Verantwortung? Und welchen Einfluss hat die besondere Ausgestaltung des deutschen Bankensystems?
Grundlegend für die Übernahme von Verantwortung gegenüber der Gesellschaft sind die Konzepte der Stakeholder-Theorie und der Corporate Social Responsibility (CSR). Während sich die Stakeholder-Theorie damit befasst, welche Anspruchsgruppen ein Unternehmen hat und wie die Verantwortung gegenüber diesen Gruppen gestaltet werden kann, bietet die CSR einen themenbasierten Ansatz. Das Ziel liegt darin, gesellschaftliche Themen in das Management und die Strategie des Unternehmens zu integrieren. Voraussetzung für die Implementierung ist eine rechtliche und organisatorische Grundlage, auf der die Unternehmen ihr Geschäft betreiben. Die privatrechtlichen Geschäftsbanken, die öffentlich-rechtlichen Sparkassen sowie die genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken bilden in Deutschland das sog. „Drei-Säulen-Modell“. Grundlegend verfolgen alle Kreditinstitute ein einheitliches Geschäftsmodell, wobei sie sich in ihren rechtlichen und organisatorischen Grundlagen unterscheiden. Auf Basis dieser Grundlagen entstehen in der Gesellschaft finanzielle und nichtfinanzielle Erwartungen an die Kreditinstitute, welche diese zu erfüllen haben.
Ziel dieser Arbeit ist es, anhand aktueller Themen und Herausforderungen Unterschiede zwischen den Institutsgruppen des deutschen Bankensystems im CSR-Ma- nagement erkenntlich zumachen und diese zu begründen. Zunächst werden in Kapitel 2 die Stakeholder-Theorie und die CSR erklärt und in Bezug zueinander gesetzt. Anschließend folgt in Kapitel 3 die Beschreibung des deutschen Bankensystem mit seiner charakteristischen Drei-Säulen-Struktur. Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung der einzelnen Säulen, deren Stakeholder sowie aktuellen Themen und Herausforderungen. Bezugnehmend auf die voranstehenden Abschnitte schließt Kapitel 4 mit einem Vergleich des CSR-Managements deutscher Banken. Dieser basiert auf Nachhaltigkeitsberichten, die von den ausgewählten Kreditinstituten nach den Standards der Global Reporting Initiative in Bezug auf gesellschaftlich relevante, nichtfinanzielle Themen erstellt wurden.
Unternehmen sind die treibende Kraft einer erfolgreichen Wirtschaft. Als Orte, an denen Profitstreben und Nutzenmaximierung allgegenwärtig sind, stellt sich jedoch die Frage, wie der maximale Nutzen genau definiert wird. So kann etwa neben dem wirtschaftlichen auch der gesellschaftliche oder soziale Nutzen maximiert werden. Die Auswahl des zu maximierenden Nutzens hängt vorrangig davon ab, welche Personen Interesse an dem Unternehmen haben. Durch die reine Unternehmenstätigkeit entsteht gegenüber den Interessenten eine Verantwortung, welche nach Lenk und Maring den Handelnden, die Handlung sowie den Adressaten neben weiteren Aspekten miteinbezieht (2001, S. 569-575). Die Ausgestaltung dieser Verantwortung von Unternehmen ist seit dem Beginn der Industrialisierung und dem steigenden Wachstum der Unter- nehmenstätigkeit immer bedeutender geworden. In diesem Kontext stellen der Shareholder-Ansatz nach Friedman und der Stakeholder-Ansatz nach Freeman die bekanntesten Konzepte dar.
Den Kernpunkt beider Theorien bildet die Frage, wem gegenüber Unternehmen verpflichtet sind. Nach Friedman haben Unternehmen nur den Anteilseignern (sog. Shareholdern) gegenüber Verpflichtungen (1970, pp. 122-126). Basis dieser Theorie bilden drei Grundannahmen: Zunächst können nur Menschen Verantwortung übernehmen, Unternehmen seien hiervon ausgeschlossen. Des Weiteren besteht die Existenzgrundlage von Unternehmen darin, für ihre Eigner Profit zu erwirtschaften (sog. Prinzipal- Agenten-Model). Zuletzt sind der Staat und die Gesellschaft alleinverantwortlich für moralische und ethische Fragen. Daraus schlussfolgert Friedman, dass Unternehmen lediglich die Verantwortung haben, „ihre Gewinne zu maximieren“ (1970, pp. 122126). Anhand dieser These lässt sich der Wert eines Unternehmens einfach definieren: Da nur die monetären Interessen der Shareholder für die Unternehmensführung relevant sind, bestimmt sich der Unternehmenswert durch den Gesamtwert der Unternehmensanteile (sog. Shareholder-Value).
Die Gegenposition kritisiert, dass Unternehmen auch einen Wert für Personen haben, die keine Anteile am Unternehmen besitzen, aber dennoch von diesem beeinflusst werden. So profitieren Kunden von den Produkten des Unternehmens, Angestellte vom Arbeitsplatz und der Staat von den Steuereinnahmen. Daraus ergibt sich der sogenannte Stakeholder-Value, welcher sich nicht durch rein-monetäre Werte bestimmen lässt. Der Wert ergibt sich durch die Bewertung derer, die „Ansprüche an den Handlungen des Unternehmens haben“ (Freeman & Reed, 1983, pp. 88-106), den Stakehol- dern. Für Unternehmen gibt es dabei diverse Anspruchsgruppen, die sich nicht nur in ihren Interessen, sondern auch in deren Bedeutung für das Unternehmen unterscheiden. Für ein erfolgreiches Stakeholder-Management stellen sich daher zwei Kernfragen: Wie bedeutend sind einzelne Stakeholdergruppen und wie kann mit ihnen umgegangen werden?
Für die Bestimmung der Relevanz und Bedeutung einzelner Anspruchsgruppen entwickelten Freeman et. al. (2010, pp. 19-27) eine Theorie, in dem Stakeholder in primäre und sekundäre Anspruchsgruppen unterschieden werden. Primäre Stakeholder (z.B. Kunden, Lieferanten, Angestellte, Anteilseigner oder die lokale Gesellschaft) haben ein stark wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis und sind für das Unternehmen unverzichtbar. Sekundäre Stakeholder (z.B. Konkurrenten, Regierungen, Interessensverbände oder die Medien) können zwar Einfluss auf das Unternehmen haben und werden auch von diesem beeinflusst, sind aber per se unabhängig.
Einen anderen Ansatz verfolgen Harrison und John (1998), die Stakeholder in verschiedene Ebenen unterteilen. In der Organisationsebene befinden sich mit den internen Stakeholdern die Gruppen, auf die das Unternehmen einen großen Einfluss hat. Im Unternehmensumfeld kann das Unternehmen auf externe Stakeholder noch bedingt einwirken, während eine Beeinflussung im weiten Umfeld kaum möglich ist. Hier sind technologische, politische, volkswirtschaftliche und kulturelle Einflüsse zu verorten, welche die Strategie eines Unternehmens bestimmen können.
Zuletzt ist die Kommunikation von entscheidender Bedeutung für das StakeholderManagement, wobei zwei Herangehensweisen genutzt werden können (Coudenhove- Kalergi & Faber-Wiener, 2016, S. 71-92). Der instrumentelle Ansatz sieht den Stakeholder als Objekt, welches vom Unternehmen für strategische Zwecke genutzt wird. Eine Beeinflussung der Stakeholder auf das Unternehmen wird nicht zugelassen. Die Alternative ist eine normative Herangehensweise, indem Kommunikation und Beeinflussung in beide Richtungen zugelassen und genutzt werden. Basis ist hier eine ethische Überlegung, in der der Anspruch der Stakeholder respektiert wird.
Ebenfalls in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts entwickelte sich das Konzept der CSR als Theorie für die soziale Verantwortung von Unternehmen. Der Grundgedanke, dass Menschen oder Institutionen mit großer Macht oder Wirtschaftskraft Verantwortung übernehmen, ist jedoch schon deutlich früher zu verorten. Bereits in der Antike lassen sich in Griechenland oder Rom Beispiele finden, in denen reiche Bürger die Kultur förderten (Asongu, 2007, pp. 1-18). Auch im Mittelalter übernahmen reiche Handelsfamilien soziale Verantwortung. Bspw. gründete der Bankier Jakob Fugger um 1500 mit der „Fuggerei“ in Augsburg eine Sozialsiedlung, die bis heute besteht (Kluger, 2006, S. 64-85). Die moderne Forschung zur CSR beginnt in den 1950ern, in der Folge wurde der Begriff immer wieder neu definiert und erweitert. Trotz des langen Zeitraums, in dem über die Verantwortung von Unternehmen gesprochen wird, hat sich bis heute keine einheitliche Definition etabliert.
Eine der ersten modernen Definitionen beschreibt die soziale Verantwortung von Unternehmern als Orientierung an den „Erwartungen, Zielen und Werten einer Gesell- schaft“tr (Bowen, 1953, S. 6). In den darauffolgenden Jahrzenten wurde der CSR-Be- griff zunehmend populärer und durch neue Definitionen erweitert (Carrol, 1999, pp. 268-295). U.a. teilte Carroll 1979 den CSR-Begriff in vier Ebenen (pp. 497-505) ein, welche später von ihm als Pyramide mit wirtschaftlichen, legalen, ethischen und philanthropischen Stufen dargestellt worden ist (1991, pp. 39-48). Zudem etablierten sich neben der Stakeholder-Theorie weitere verwandte Konzeptionen, die oft mit CSR in Verbindung gebracht werden, jedoch einen anderen Ansatz verfolgen oder einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt setzen. Beispiele hierfür sind „Corporate Citi- zenship“, „Corporate Governance“ oder die Nachhaltigkeit (Bassen, Jastram, & Meyer, 2005).
Zur Jahrtausendwende versuchten auch internationale Organisationen eine einheitliche Definition zur CSR zu bestimmen. Die UN entwickelten zehn Prinzipien zur CSR in den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung (1999). Zwei Jahre später folgte die EU-Kommission mit ihrer Bestimmung, dass zur Umsetzung einer CSR soziale und nachhaltige Handlungen freiwillig durch Unternehmen durchgeführt werden müssen (2001) und diese kein Produkt des Kerngeschäfts sind (2002). 2011 präzisierte die EU-Kommission ihre Definition und beschrieb, dass CSR-Maßnahmen als solche zu bezeichnen sind, wenn so „soziale, ökologische, ethische, Menschenrechts- und Verbraucherbelange in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in die Betriebsführung und in ihre Kernstrategie integriert werden“ (Europäische Kommission, 2011). Dadurch wurde ein Bezug zwischen den klassischen Themen sozialer Verantwortung, den Stakeholdern sowie der Strategie des Unternehmens hergestellt. Grundlage eines erfolgreichen CSR-Managements bildet die Beeinflussung zwischen CSR, Stakeholder-Management und Unternehmensstrategie.
Die Problematik in der Umsetzung eines CSR-Managements wird vor allem deutlich, wenn die gegenseitige Beeinflussung zwischen CSR, Stakeholder-Management und Strategie nicht gegeben ist. Durch den engen thematischen Zusammenhang zwischen CSR und Stakeholder-Theorie ist auch eine praktische Verflechtung beider Konzepte überaus sinnvoll und theoretisch begründet. Kakabadse spricht bspw. von einer positiven, wechselseitigen Beziehung beider Konzepte, indem bei einer Verbesserung im Management eines Konzeptes auch das Management des anderen automatisch profitiert (2005, pp. 277-302).
Die notwendige Verbindung von CSR- und Stakeholder-Management zur Unternehmensstrategie wird in vielen bereits genannten Modellen und Überlegungen deutlich. Für die Stakeholder-Theorie ist hier der bereits beschriebene instrumentelle Ansatz zu nennen (vgl. S. 4). Im CSR-Bereich wird der Strategiebezug an Carrolls Pyramide deutlich (1991, pp. 39-48), bei der die Wirtschaftlichkeit die Grundstufe bildet. Ersichtlich wird, dass ohne eine wirtschaftliche Grundlage und ohne eine Ausrichtung nach den Ansprüchen der Stakeholder CSR-Maßnahmen nicht ihre volle Wirkung entfalten können. „Green Washing“ und „Window Dressing“ beschreiben dabei CSR- Maßnahmen, welche lediglich den Eindruck eines verantwortungsbewussten Unternehmens gewinnen (Porter & Kramer, 2006, pp. 78-92). Zielbild eines erfolgreichen CSR-Managements sollte es damit sein, die drei Komponenten CSR, Stakeholder und Unternehmensstrategie in Einklang zu bringen.
Für solche Fälle, in denen Synergien zwischen den Themen geschaffen werden, hat sich in der Literatur der Begriff „Business Case for CSR“ etabliert, in denen ein „Unternehmen aus genuin ökonomischen Gründen ein Interesse an Corporate Social Responsibility (CSR) haben könnte“ (Schreck, 2012, S. 67-85). Dieser Business Case beschreibt unternehmerische Handlungen, welche sowohl „ökonomisch sinnvoll“ als auch „gesellschaftlich erwünscht“ sind (Schreck, 2012, S. 67-85). Als potenzielle Business Cases nennt Kurucz die Reduzierung von Kosten und Risiken, mögliche Wettbewerbsvorteil, den Gewinn von Reputation und Legitimation sowie die Möglichkeit, mehreren Stakeholder-Ansprüchen gleichzeitig gerecht zu werden (2008, pp. 83-112). Durch eine strategisch sinnvolle CSR können Unternehmen in der Folge mehr und mehr soziale Verantwortung übernehmen. Diese Entwicklung eines CSR-Manage- ments zeigt neben Carroll auch Schneider im „Reifegradmodell der CSR“ auf (2012, S. 17-38). Infolge einer erfolgreich in die Strategie implementierten CSR lassen sich ethisch-motivierte oder auch philanthropische Maßnahmen umsetzen. Solche Handlungen können für das CSR-Management eines Unternehmens sehr wirksam und effizient sein. Gerade in umkämpften Märkten kann ein gutes CSR- und Stakeholder-Management den Unterschied ausmachen, indem Business Cases konsequent verfolgt werden. Ein gutes Beispiel stellt der deutsche Bankenmarkt dar.
Banken sind für die Wirtschafts- und Geschäftswelt essenziell. Allein in Deutschland gab es zum Jahresende 2020 1.697 Kreditinstitute mit insgesamt 24.100 Niederlassungen (Deutsche Bundesbank, 2021, S. 104-107). Dabei verfolgen alle Banken im grundsätzlich das gleiche Geschäftsmodell, in dem sie vorrangig als „Finanzintermediär“ fungieren (Stiele, 2008, S. 5-8). Gegen eine Zahlung von Zinsen nimmt ein Kreditinstitut Einlagen von Kunden auf und nutzt das Geld, um eigene Geschäfte zu machen, indem es Kapital, ebenfalls gegen Zinsen, „an andere Wirtschaftssubjekte“ (Stiele, 2008, S. 5-8) weiterreicht. In diesem Prozess findet eine Transformation von Fristen, Losgrößen und Risiken statt, die bereits Wagner erkannte (1857). Erst durch die Übernahme dieser Funktionen machen Banken Anlage- und Kreditgeschäfte für Kunden möglich, da so für die gewünschten Laufzeiten (Fristentransformation) und für unterschiedliche Summen (Losgrößentransformation) Geschäfte mit verschiedenen Verzinsungen gemäß dem zugrunde liegenden Risiko (Risikotransformation) angeboten werden können. Diese Kernaufgaben sind seit Wagners Beschreibung für Banken stets konstant geblieben, weshalb sich zahlreiche sog. Universalbanken entwickelt haben (Hackethal, Schmidt, & Tyrell, 2006). Besonderes Merkmal der Universalbanken ist ihr Engagement in diversen finanziellen Themengebieten.
Im Laufe der Zeit hat sich das Geschäftsmodell kaum verändert. Jedoch haben sich unterschiedliche Herangehensweisen entwickelt, wie Kreditinstitute aufgebaut und finanziert werden können. In Deutschland hat sich ein spezielles Bankensystem gebildet, welches oft als Drei-Säulen-Struktur bezeichnet wird. Die gängige Einteilung in diesem System beschreibt dabei private Geschäftsbanken als erste, die öffentlichrechtlichen Sparkassen als zweite und die genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken als dritte Säule. Innerhalb der drei Säulen können zudem weitere Unterscheidungen getroffen werden (Deutsche Bundesbank, 2021, S. 104-107). Außerhalb der Drei-Säulen-Struktur existieren zudem Spezialbanken wie Förderbanken, unabhängige Bausparkassen und Realkreditbanken (Gilquin, 2014, S. 420-427). Während sich die Drei-Säulen-Struktur in den meisten Ländern aufgelöst hat, ist sie in Deutschland und in Österreich nach wie vor existent (Schmidt, 2018, S. 1-6).
Im Folgenden wird auf die einzelnen Säulen des deutschen Bankensystems eingegangen. Neben den Hauptmerkmalen und der rechtlichen Grundlage steht die Darstellung der historischen Entwicklung und der Struktur der einzelnen Säulen im Vordergrund.
Die Geschäftsbanken bilden im deutschen Bankensystem die erste Säule. Zu ihr gehören neben den Großbanken auch Regional-, Kredit- und Privatbanken (Stiele, 2008, S. 27-54). Auch Niederlassungen ausländischer Geschäftsbanken können hinzugezählt werden (Deutsche Bundesbank, 2021, S. 104-107). Besonderes Kriterium der Geschäftsbanken ist ihre privatwirtschaftliche Rechtsform, wobei die meisten Institute als Aktiengesellschaft auftreten (Schmidt, 2018, S. 1-6). Grundsätzlich können sie aber auch als Einzelkaufmann, Personen- oder Kapitalgesellschaften agieren (Eim, 2004, S. 17-22). Inhaber bzw. Gesellschafter sind in diesen Fällen Unternehmen (z.B. Volkswagen Bank GmbH) oder Privatpersonen.
Die Geschichte privatrechtlicher Kreditinstitute reicht bis ins Mittelalter zurück, in dem Unternehmer wie die bereits erwähnten Fugger Geldgeschäften nachgingen. Zu Beginn der Neuzeit etablierten sich private Bankhäuser wie das 1674 gegründete Frankfurter Bankhaus Metzler (von Metzler, 2015, S. 221-237). Im Laufe des 19. Jahrhunderts waren im Zuge der Industrialisierung die Privatbanken häufig der großen Kreditnachfrage von Unternehmen und der Oberschicht nicht mehr gewachsen, was zur Gründung von Geschäftsbanken wie der Commerzbank AG und der Deutschen Bank AG im Jahr 1870 oder der Dresdner Bank AG im Jahr 1872 führte (Hackethal A. , 2003, pp. 3-8). Heute bestehen in der ersten Säule 366 Institute mit insgesamt 6.478 Zweigstellen in Deutschland (Deutsche Bundesbank, 2021, S. 104-107).
Besonders zu nennen sind die Großbanken, die aufgrund ihres Geschäftsvolumens und ihrer Marktmacht von großer Bedeutung für die Finanzwirtschaft sind. Da diese Banken in allen Geschäftsbereichen einschließlich dem Investmentbanking aktiv sind, werden sie als Universalbanken bezeichnet (Hackethal A. , 2003, pp. 3-8). In Deutschland werden mit der Deutschen Bank, der Commerzbank und der UniCredit Bank drei Institute als Großbank bewertet (Deutsche Bundesbank, 2021).
Kleinere Banken der ersten Säule spezialisieren sich oft auf einzelne Faktoren, wie etwa Regionalität, Produktgruppen oder Kundensegmente. Zudem haben sich auch ausländische Geschäftsbanken in Deutschland eine Marktposition erarbeitet (z.B. die ING-DiBa AG oder die Banco Santander S.A.).
Die zweite Säule des deutschen Bankensystems bildet die Sparkassenfinanzgruppe, zu der neben 377 Sparkassen, fünf Landesbanken und der DekaBank als Wertpapierhaus auch zahlreiche andere Finanzdienstleister wie die Deutsche Leasing gehören (Deutsche Bundesbank, 2021, S. 104-107). Hauptmerkmale der Sparkassen sind die dezentrale Organisationsform der einzelnen Institute in Verbänden sowie ihre Rechtsform, in der öffentliche Träger als Eigentümer fungieren (Schmidt, 2018, S. 1-6).
Schon die erste Sparkasse wurde 1801 in Göttingen nach diesen Prinzipien gegründet, um, im Gegensatz zu den Geschäftsbanken, Finanzdienstleistungen für die breite Bevölkerung anzubieten. Zahlreiche Landkreise und Städte folgten dem Beispiel, wodurch sich das Regionalprinzip entwickelte, nach dem die Sparkassen lediglich im Gebiet ihres jeweiligen Trägers agieren. Neben den öffentlich-rechtlichen Sparkassen bestehen sog. freie Sparkassen, welche oftmals als Aktiengesellschaft organisiert und bspw. im Besitz einer Landesbank sind. Im Zuge der gestiegenen Anforderungen des Finanzmarktes haben die Sparkassen ihre Geschäftsfelder in der Vergangenheit zunehmend erweitert, sodass auch Sparkassen als Universalbanken bezeichnet werden können (Stiele, 2008, S. 30-32).
Die regionalen Sparkassen sind jeweils an eine der Landesbanken angeschlossen. Auch die Landesbanken sind als öffentlich-rechtliche Institute oder als Aktiengesellschaft organisiert, wobei Bundesländer, andere Landesbanken oder Verbände der Sparkassenorganisation die Eigentümer darstellen. Landesbanken übernehmen für die regionalen Sparkassen Zentralbankfunktionen und agieren für die beteiligten Bundesländern als Hausbank. Im Zuge der Krise von 2007/2008 wurden einige Landesbanken staatlich unterstützt oder vollständig von anderen Landesbanken übernommen. (Bontrup, 2018, S. 27-45). Neben den Landesbanken besteht mit der DekaBank eine Wertpapierhandelsbank, welches für alle Sparkassen das Investmentfondsgeschäft übernimmt (Hackethal A. , 2003, pp. 9-14).
Aufgrund der öffentlichen Trägerschaft besteht für die Sparkassen ein spezieller Auftrag zur Förderung ihrer Region, der in den Sparkassengesetzen der Bundesländer formuliert ist. So beschreibt das Hessische Sparkassengesetz den Auftrag mit der „Förderung des Sparens und der übrigen Formen der Vermögensbildung, die Befriedigung des örtlichen Kreditbedarfs unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitnehmer, des Mittelstandes, der gewerblichen Wirtschaft und der öffentlichen Hand“ (§2 Abs. 2 SpkG,HE). Trotz des öffentlichen Auftrags besteht auch bei Sparkassen eine Gewinnabsicht, wobei die Träger in der Regel an den Gewinnen beteiligt werden (Eim, 2004, S. 22-26).
Die dritte Säule besteht aus den Genossenschaftsbanken. Besonderes Unterscheidungsmerkmal ist „ihre Rechtsform, die Elemente einer Kapitalgesellschaft mit denen eines Vereins verbindet“ (Schmidt, 2018, S. 1-6). Die gängige Rechtsform ist die eingetragene Genossenschaft, welche nach dem Genossenschaftsgesetz darauf abzielt, „den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder (...) zu fördern“ (§1, Abs. 1 GenG).
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