Bachelorarbeit, 2021
59 Seiten, Note: 1,7
1. Einleitung und Problemstellung
2. Kardiovaskuläre Erkrankungen
2.1. Atherosklerose
2.2. Arterielle Hypertonie
2.3. Myokardinfarkt
2.4. Schlaganfall
2.5 Ursachen kardiovaskulärer Erkrankungen
2.5.1. nicht beeinflussbare Risikofaktoren
2.5.2. beeinflussbare Risikofaktoren
4. Pflanzenbasierte Ernährung
4.1 Definition
4.2 Formen und Motive vegetarischer Ernährung/ Vegetarische Ernährung
4.3 Potenziell kritische Nährstoffe bei vegetarischer/ veganer Ernährung
5. Methodik
5.1 Suchstrategie
5.2 Einschlusskriterien
6. Pflanzenbasierte Ernährung und kardiovaskuläre Erkrankungen
6.1 Einfluss pflanzenbasierter Ernährung auf ernährungsbedingte Risikofaktoren
6.2 Kardiovaskuläre Erkrankungen bei vegetarisch/ veganer Ernährung
7. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist.
Kardiovaskuläre Erkrankungen sind die häufigste Todesursache der Welt, währenddessen die Fälle weiter ansteigen. Ernährungsbedingte Einflüsse zeigen einen großen Stellenwert bezüglich der Entstehung und den Verlauf kardiovaskulärer Erkrankungen. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, zu beantworten, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen pflanzenbasierten Ernährungsformen und dem Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen vorliegt. Unter pflanzenbasierten Ernährungsformen werden vor allem die vegetarische und vegane Ernährungsform verstanden, die dementsprechend im Fokus dieser Arbeit stehen. Es stellt sich somit die Frage, ob ein teilweiser oder gesamter Ausschluss tierischer Produkte mit dadurch potenziell entstehenden Nährstoffdefiziten sich auf das Risiko der Erkrankung auswirkt und ob pflanzenbasierte Kost im Zuge vermehrter gesellschaftlicher Relevanz zur Prävention empfohlen werden kann. Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde eine literaturbasierte Recherche durchgeführt, die aufzeigen konnte, dass pflanzenbasierte Ernährungsformen wie die vegetarische und vegane Ernährung ein erheblich geringeres kardiovaskuläres Risiko gegenüber einer Mischkost aufweisen. Trotz unzureichender Datenlage deutet eine vegane Ernährung auf eine zusätzliche Risikoreduktion bei kardiovaskulären Erkrankungen hin, wenn alle potenziell kritischen Nährstoffe in der Ernährung beachtet werden. Allerdings besteht dringender Forschungsbedarf für eine qualitative Evidenz.
Abbildung 1: Verlauf der Atherogenese (Steffel & Lüscher, 2014, S. 59)
Abbildung 2: Risiko für Herzinfarkt beim Zusammentreffen mehrerer Risikofaktoren (Steffel & Lüscher, 2014, S. 31)
Abbildung 3: Darstellung der kritischen Nährstoffe bei veganer Ernährung nach Schweregrad (Rittenau, 2018, S. 26)
Abbildung 4: Prozentualer Gewichtsverlust (+-SD) in der New Diets Study nach 2 und 6 Monaten bei verschiedenen Ernährungsgruppen (Leitzmann & Keller, 2020, S. 122)
Abbildung 5: Wirkungen verschiedener Ernährungsinterventionen auf den Blutdruck (Leitzmann & Keller, 2020, S. 149)
Tabelle 1: Klassifizierung der Blutdruckwerte und Definition der Hypertonie (Leitzmann & Keller, 2020, S. 143; Steffel & Lüscher, 2014, S. 143)
Tabelle 2: Norm-, Grenz- und bedenkliche Werte des Cholesterolspiegel (Kuhlmann et al., 2014, S. 22)
Tabelle 3: Lipid-Werte im Blutserum in mg/dl bei verschiedenen Ernährungsweisen (Biase et al., 2007, S. 34)
Tabelle 4: Prävalenz der Hypertonie bei Teilnehmern der EPIC-Oxford-Studie (Leitzmann & Keller, 2020, S. 144)
Weltweit versterben jährlich 17,9 Millionen Menschen an den Folgen einer kardiovaskulären Erkrankung. Damit sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache der Welt, wobei in vier von fünf Fällen ein Herzinfarkt oder Schlaganfall ursächlich ist (WHO, 2021). In Deutschland sind ca. 40 % aller Tode auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen (RKI, 2015, S. 26). Doch das Ende ist noch nicht in Sicht: Bis zum Jahre 2050 wird mit einem dramatischen Anstieg von Herzinfarkten und Schlaganfällen um 75 % bzw. 62 % im Vergleich zum Jahr 2007 gerechnet (Statista, 2021b). Ursächlich ist eine Vielzahl von Risikofaktoren, die sich untereinander beeinflussen und verstärken können. Die Ernährung stellt einen dieser Faktoren dar, der einen deutlichen Einfluss auf die Häufigkeit und Mortalität der Erkrankungen zeigt. Dementsprechend kommt die WHO zu dem Schluss, dass bis zu 80% der kardiovaskulären Erkrankungen durch Änderung der Ernährung und des Lebensstils verhindert werden könnten (Puska, 2003, S. 1). Pflanzenbasierte Ernährungsweisen und vor allem die Unterkategorien vegetarische und vegane Ernährung, geraten aktuell bezüglich des Themas gesunder und präventiver Ernährung, vermehrt in die Diskussion der westlichen Gesellschaft und Wissenschaft. Im Jahr 2020 verdoppelte sich allein in Deutschland die Anzahl der Vegetarier auf 10 % und der Veganer auf 2 % im Vergleich zum Vorjahr (Forsa, 2021, S. 24). Gleichzeitig stieg der Verkauf von Fleischersatzprodukten national um 39 % (Destatis, 2021), währenddessen der Fleischverzehr um 3,6 %, auf den niedrigsten Stand seit den ersten Berechnungen aus dem Jahr 1989, sank (BLE, 2021; Statista, 2021a). Doch sind die diskutierten gesundheitlichen Vorteile pflanzenbasierter Ernährungsweisen in Bezug auf kardiovaskuläre Erkrankungen berechtigt und liegt ein kausaler Zusammenhang zwischen einer pflanzenbasierten Ernährung und dem Auftreten dieser Erkrankungen vor? Wie wirkt sich ein teilweiser oder ganzer Ausschluss tierischer Produkte mit dadurch potenziell entstehenden Nährstoffdefiziten auf das Risiko einer Erkrankung aus und können diese Lebensweisen im Zuge vermehrter gesamtgesellschaftlicher Relevanz zur Prävention empfohlen werden? Diesen Fragestellungen wird im Rahmen der vorliegenden Bachelorarbeit mit einer Literaturrecherche auf den Grund gegangen, wobei innerhalb der pflanzenbasierten Ernährung vor allem die vegetarische und vegane Lebensweise analysiert wird. Im ersten Kapitel werden die bedeutendsten kardiovaskulären Erkrankungen dargestellt und die kardiovaskulären Risikofaktoren einschließlich der ernährungsbedingten Einflüsse näher beleuchtet. Im zweiten Kapitel wird die pflanzenbasierte Ernährung und ihre Formen erklärt und dann die potenziell kritischen Nährstoffe der in dieser Arbeit relevanten Formen des Vegetarismus und Veganismus illustriert. Das darauffolgende Kapitel behandelt das Auftreten kardiovaskulärer Risikofaktoren und kardiovaskulärer Ereignisse sowie den Gesamtzusammenhang von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei vegetarisch und veganer Ernährung. Ein Fazit und ein Ausblick beschließen das Ende der Arbeit.
Kardiovaskuläre Erkrankungen (kvE) ist ein Oberbegriff für Erkrankungen, die das Herz-Kreislauf-System betreffen und vom Gefäßsystem oder dem Herzen ausgehen. Im engeren Sinne sind darunter Folgeerkrankungen atherosklerotischer Veränderungen der arteriellen Blutgefäße zu verstehen. Das heißt, die gemeinsame pathologische Ursache ist die Atherosklerose (Leitzmann & Keller, 2020, S. 175). Diese Erkrankung wird in den folgenden Seiten zunächst genauer betrachtet, bevor die bedeutendsten kardiovaskulären Erkrankungen Hypertonie, Schlaganfall und Herzinfarkt näher beleuchtet werden.
Definition
Bei der Atherosklerose handelt es sich um eine krankhafte Veränderung der Gefäßwand. Durch systemisch degenerative Prozesse findet ein Umbau an der innersten Arterienwand (Intima) und der inneren Schicht der mittleren Arterienwand (Media) statt. Als Auslöser für diesen chronisch entzündlichen Prozess gilt eine Dysfunktion der Endothelzellen, die die Innenwände der Blutgefäße auskleiden. Fettablagerungen, Entzündungen, absterbende Zellen, Bindegewebswucherungen und Verkalkungen haben eine Verhärtung und Verdickung der Gefäßwand mit resultierendem Elastizitätsverlust zur Folge. Im Zuge dieses Prozesses wird von atherosklerotischen Plaques gesprochen, die für die häufigsten klinischen Manifestationen, wie den akuten Myokardinfarkt, der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (paVK) und den Schlaganfall verantwortlich sind (Kreuzer & Tiefenbacher, 2003, S. 4; Lenz & Baulmann, 2008, S. 209).
Pathogenese
Inflammatorische Prozesse kennzeichnen alle Phasen der Atherosklerose. Sie sind verantwortlich für eine Plaqueentstehung, begünstigen die Plaqueprogression und führen schließlich zur Plaqueinstabilität und -ruptur. Man geht davon aus, dass es zuerst zu einer sogenannten Endothelialen Dysfunktion kommt. Wie genau diese zu Stande kommt, ist derzeit allerdings nicht endgültig geklärt. Die am weitesten verbreitete und akzeptierteste Theorie ist die Verletztungsreaktionshypothese (Leitzmann & Keller, 2020, S. 176; Libby et al., 2002, S. 1135) . Dieser multifaktorielle Prozess zur Entstehung von Atherosklerose wird Atherogenese genannt und kann in sechs Phasen eingeteilt werden.
Stadium 1 – Endotheliale Dysfunktion
Die Endothelzellen erleiden eine Schädigung, durch Faktoren wie erhöhte Cholesterin- und Glucosewerte, Hypertonie oder Tabakkonsum und weiteren Faktoren, die später ausführlicher thematisiert werden. Im gesunden Zustand ist die innere Gefäßwand undurchlässig für Bestandteile des Blutplasmas. Durch eine Läsion wird sie jedoch durchlässig für insbesondere Low Density Lipoproteine (LDL). Innerhalb der Arterienwand oxidiert daraufhin das LDL in die stark entzündungsfördernde Form oxLDL, wobei zusätzlich die Möglichkeit besteht, dass LDL durch ein Übergewicht an freien Radikalen bereits im Blutkreislauf oxidiert (Englert, 2016, S. 126). Nach diesem Prozess kann oxLDL nichtmehr von den LDL-Rezeptoren der Leber erkannt werden und verbleibt daraufhin vermehrt im Plasma, wo es sich ebenfalls an der Gefäßwand ablagern kann (Steffel & Lüscher, 2014, S. 58). Verbleibt oxLDL in der Arterienwand, bilden daraufhin die Endothelzellen vermehrt Adhäsionsmoleküle, die für einen verlangsamten Blutfluss an der Stelle der Schädigung sorgen. Außerdem regen sie eine Anhaftung von Immunzellen in Form von Monozyten und T-Lymphozyten an, welche wiederum in die Gefäßwand eindringen. In der Gefäßwand erreichen die Monozyten ein reiferes Stadium und entwickeln sich zu Makrophagen (Englert, 2016, S. 126).
Stadium 2 – Fatty Streaks
Die Makrophagen nehmen das oxLDL auf und lagern es in Form von Lipidtropfen ein. Nach einer vermehrten Aufnahme von Fettzellen, wandeln sie sich in Schaumzellen um, die bei einer größeren Anreicherung unter dem Mikroskop als gelber Fleck oder Streifen erkennbar sind (fatty streaks) (Englert, 2016, S. 126). Bis zu diesem Stadium ist der atherosklerotische Prozess noch reversibel, mit dem weiteren fortschreiten kommt es zu einem irreversiblen Atherom (Elmadfa, 2020, S. 657).
Stadium 3 – Präatherom
Aus den Fettstreifen entwickelt sich eine Vorstufe des Atheroms, bei dem zum ersten Mal Lipidtropfen außerhalb der Zelle beobachtet werden können (Englert, 2016, S. 126). Die ersten drei Stadien verlaufen meist über Jahrzehnte symptomfrei, obwohl eine Entstehung von Fettstreifen bereits im Kindesalter beginnen kann. In einer US-amerikanischen Studie wurden bei 30 % der 8- bis 11-jährigen und 70 % der 12- bis 15-jährigen bereits erste Läsionen der Koronararterien entdeckt (Leitzmann & Keller, 2020, S. 177).
Stadium 4/5 – Atherom und Fibroatherom
Ab diesem Stadium treten klinische Symptome häufiger auf (vgl. Abbildung 1). Die Immunzellen innerhalb der Arterienwand schütten Wachstumsstoffe aus, die glatte Muskelzellen dazu veranlassen, aus der mittleren Gefäßschicht in den subendothelialen Raum zu wandern. Infolgedessen entsteht ein Atherom, das abgestorbene Schaumzellen und oxLDL enthält (Englert, 2016, S. 126). Durch die weitere Verengung steigt der Gefäßwiderstand immens an, wodurch die Blutversorgung der Gewebe zunehmend vermindert wird (Steffel & Lüscher, 2014, S. 60) Im fünften Stadium verbinden sich die glatten Muskelzellen mit Bindegewebsgrundsubstanzen. Dies führt zu einem Umbau einer bindegewebsartigen Geschwulstkappe (Fibroatherom), welche das Atherom stabilisiert (Englert, 2016, S. 126).
Stadium 6 – fortgeschrittene und komplizierte Läsionen
Der abgestorbene Lipidkern unter der Kappe vergrößert sich weiterhin durch stetige Zuwanderung weiterer Makrophagen und daraus entstehenden Schaumzellen. Der Druck auf die Kappe erhöht sich infolgedessen, bis diese vermehrt instabil wird und letztendlich einreißen kann. Bei dieser sogenannten Ruptur tritt der abgestorbene Inhalt der Plaque in die Arterie aus, wodurch das Gefäß von Gerinnungsreaktionen, wie Hämatomen oder Thrombosen, weiter verengt wird (Okklusion) (Englert, 2016, S. 127). Wenn sich diese Blutgerinnsel lösen, sind kardiovaskuläre Ereignisse, wie Herz- oder Hirninfarkte oder partielle arterielle Verschlusskrankheit (paVK), die Folge. Verstopft das Blutgerinnsel (Thrombus) an der Stelle seines Ursprungs ein Blutgefäß spricht man von einer Thrombose. Wird der Thrombus weiter verschleppt, heißt er Embolus und kann dann in anderen Gefäßen des Körpers eine Verstopfung auslösen, die dann Embolie genannt wird (Küpfer, 2021).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Verlauf der Atherogenese (Steffel & Lüscher, 2014, S. 59)
Definition
Knapp 50 % der Deutschen leidet an einer Hypertonie (Elmadfa, 2020, S. 660). Klassifiziert ist die arterielle Hypertonie durch einen systolischen Blutdruck über 140 mmHg und einen diastolischen Blutdruck größer als 90 mmHg. Allerdings ist die Hypertonie in verschiedene Schweregrade einzuteilen (vgl. Tabelle 1).
Tabelle 1: Klassifizierung der Blutdruckwerte und Definition der Hypertonie (Leitzmann & Keller, 2020, S. 143)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zudem wird die Hypertonie in zwei Formen unterschieden. Die primäre oder auch essentiell genannte Hypertonie tritt bei 90 % der Erkrankten auf, wobei die sekundäre Form selten erscheint.
Pathogenese
Grundsätzlich liegt bei jeder Hypertonie entweder ein erhöhtes Herzzeitvolumen, ein Anstieg des totalen Gefäßwiderstandes oder eine Kombination beider Faktoren vor (Steffel & Lüscher, 2014, S. 38). Diverse Theorien versuchen die Pathogenese der primären Hypertonie zu erklären. Dennoch sind die genauen Abläufe über Entstehung und Ursachen der primären Hypertonie heute noch weitgehend unbekannt. Jedoch liegen immer mehr Annahmen für ein komplexes Zusammenspiel multifaktorieller Einflüsse für die Entstehung in der Literatur vor (Leitzmann & Keller, 2020, S. 142–143; Rosenthal & Kolloch, 2004, S. 7). M. Middeke schreibt in seinem von der Deutschen Hochdruckliga empfohlenen Buch zur arteriellen Hypertonie: „Die Formel ,essentielle Hypertonie = Ursache unbekannt´ kann heute durch die Formel ,primäre Hypertonie mit vielen bekannten Faktoren´ ersetzt werden“ (Middeke, 2005, S. 5). Genetische Dispositionen und der jahrelange Einfluss von Umweltfaktoren führen zu einem Blutdruckanstieg. Des Weiteren treten früh in der Pathogenese strukturelle Veränderungen der Gefäße und des Herzens auf. Atherosklerotische Veränderungen bedingen durch fortschreitende Verengung der Blutgefäße physiologisch einen höheren Blutdruck, wodurch sich Bluthochdruck und Atherosklerose in einem positiven Feedbackmechanismus gegenseitig verstärken. Mit dem heutigen Kenntnisstand sind vermehrte Forschungen nötig, um die Frage zu klären, ob bei der primären Hypertonie eine endotheliale Dysfunktion anfänglich besteht oder strukturelle Veränderungen zuerst auftreten. Dennoch ist man sich sicher, dass arterieller Bluthochdruck ein Risikofaktor für frühzeitige Atherosklerose darstellt (Elmadfa, 2020, S. 660; Rosenthal & Kolloch, 2004, S. 10). Die sekundären Formen der Hypertonie treten nur als Folge von Erkrankungen auf. In den häufigsten Fällen sind Nierenerkrankungen, Störungen des hormonellen Systems oder Diabetes Mellitus auslösend. Generell besteht die Möglichkeit, an der primären und sekundären Form simultan zu erkranken. Diese Konstellation tritt jedoch sehr selten auf (Rosenthal & Kolloch, 2004, S. 104).
Definition
Der Myokardinfarkt oder auch Herzinfarkt genannt, beschreibt ein Absterben von Herzmuskelzellen aufgrund einer lokalen Durchblutungsstörung (Ischämie). In den meisten Fällen entsteht der Infarkt im Zusammenhang mit der Koronaren- Herzkrankheit (KHK), welche mit atherosklerotischen Verengungen innerhalb der Koronar-Arterien einhergeht. Diese Vorgänge führen entweder zu einer hochgradigen Verengung oder zu dem kompletten Verschluss einer versorgenden Arterie des Herzens. Infolgedessen kann das Herz nicht mehr seine Leistung erbringen. Bemerkbar macht es sich in den häufigsten Fällen durch einen anhaltenden stechenden Schmerz im Brustbereich, der sich bis in die Arme, den Rücken und den Kiefer ausbreiten kann (Herold, 2021, S. 250). Die Symptome allein müssen nicht direkt in einem Herzinfarkt enden. Die Erscheinungsformen der Symptome werden als Angina Pectoris bezeichnet, welche in bestimmten zeitlichen Abständen auftreten können und bis zum Herzinfarkt gehen können (Elmadfa, 2020, S. 655). Entgegen der weitverbreiteten Meinung, dass ein Herzinfarkt nach einer schweren körperlichen Belastung auftritt, geschieht dies bei nur 13 % der Patienten (Piper, 2013, S. 165). Auffallend ist jedoch, dass 40 % aller Infarkte in den Morgenstunden zwischen sechs und zwölf Uhr auftreten (Herold, 2021, S. 250).
Pathogenese
In den meisten Fällen ist eine Ruptur einer atherosklerotischen Plaque innerhalb einer Koronararterie ursächlich. Subendotheliales Bindegewebe tritt aus und es entsteht ein Thrombus an der betroffenen Stelle, welcher letztendlich zum vollständigen Verschluss des Koronargefäßes führt. Die Myokardzellen können den unterversorgten Zustand zwei bis vier Stunden ohne irreversible Schäden aushalten, bevor die Zellen beginnen abzusterben. Kann in diesem Zeitraum der Verschluss behoben werden, ist ein Absterben der empfindlichen Zellen aufhaltbar. Sind jedoch mehr als 40 % der Myokardzellen betroffen, ist der Ausgang mit großer Wahrscheinlichkeit tödlich (Baenkler et al., 2015, S. 143).
Definition
Bei dem Schlaganfall kommt es durch eine schlagartige Unterversorgung an Blut oder durch eine Einblutung in das Hirngewebe zu einem Sauerstoffmangel und Nährstoffmangel (Glukose) im Gehirn. Nach kurzer Zeit führt das zu einem Absterben von Gehirnzellen, wobei der Ort des Insults das Auftreten der Symptome bestimmt. Häufig kommt es zu halbseitigen oder generellen motorischen Störungen, Sprachstörungen, Gesichtsfeldausfällen, aber auch zu vegetativen Beeinträchtigungen des Kreislaufs, des Atems und des Bewusstseins (Herold, 2021, S. 811–812).
Pathogenese
Bei den sogenannten zerebrovaskulären Erkrankungen kann in den ischämischen Insult (Hirninfarkt) und in den hämorrhagischen Insult (Hirnblutung) unterschieden werden (Berger, 2001, S. 123; Herold, 2021, S. 811). 80 % der Betroffenen erleiden einen ischämischen Insult, bei dem es in den meisten Fällen ursächlich durch eine Embolie zu einer Verengung oder Verschlusses eines Blutgefäßes und damit einer Minderdurchblutung eines Hirnareals kommt. 20 % erleiden den sogenannten hämorrhagischen Insult. In diesen Fällen kommt es zu Einblutungen in das Hirngewebe, welche überwiegend durch Rupturen innerhalb der Hirngefäße zustande kommen. Der wesentliche Auslöser für diese Schädigungen stellt die arterielle Hypertonie dar. Weiterhin können Schlaganfälle in verschiedene Unterkategorien unterschieden werden, je nachdem, in welchem Bereich des Gehirns der Insult auftritt (Herold, 2021, S. 811–812).
Bis auf die Ausnahme von gesonderten Erkrankungen, gilt die Atherosklerose als Ursache für kvE. Aufgrund dessen ähneln sich die Risikofaktoren für kvE. Des Weiteren begünstigen sich viele der Risikofaktoren untereinander und führen bei einem kombinierten Auftreten zu einem exponentiellen Anstieg des Gesamtrisikos (vgl. Abbildung 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Risiko für Herzinfarkt beim Zusammentreffen mehrerer Risikofaktoren (Steffel & Lüscher, 2014, S. 31)
Aufgrund der Tatsache, dass zu Beginn kardiovaskuläre Veränderungen asymptomatisch verlaufen, versuchen Methoden, wie der ESC-Score (European Society of Cardiology – Systematic Coronary Risk Evaluation) oder der Framingham-Score anhand verschiedener Risikofaktoren ein kardiovaskuläres Gesamtrisiko abzuschätzen, um möglichst früh intervenieren zu können (Leitzmann & Keller, 2020, S. 178). Unterschieden wird dabei in die beeinflussbaren und nicht beeinflussbaren Risikofaktoren.
Zu den unbeeinflussbaren Risikofaktoren gehören das Alter, das männliche Geschlecht sowie eine genetische Disposition bzw. eine positive Familienanamnese. Mit dem Alter steigt statistisch gesehen das Risiko, an Atherosklerose zu erkranken an, wobei Männer häufiger erkranken als Frauen. Das Risiko bei Frauen ist bis zur Menopause recht gering, danach steigt es jedoch deutlich an. Man geht von einer protektiven Wirkung der weiblichen Geschlechtshormone gegenüber Koronarerkrankungen aus, welche allerdings noch nicht wissenschaftlich belegt ist. Eine fett- und cholesterinreichere Ernährung bei Männern kann bei dem vorliegenden Missverhältnis als ursächlich gelten (Steffel & Lüscher, 2014, S. 31). Im Allgemeinen zeigen Frauen ein größeres Bewusstsein für gesunde und ausgewogene Ernährung als Männer, die ihre Kost im Durchschnitt genussorientierter und schneller essen (Setzwein, 2006, S. 46). Einen Gendefekt, der verantwortlich für die Entstehung einer Atherosklerose ist, existiert nicht. Die gesichtete Literatur geht von einem Einfluss genetischer Faktoren auf die Cholesterin-Level im Blut aus. Nur bei der angeborenen Fettstoffwechselstörung Hypercholesterinämie wird eine familiäre Häufung von Atherosklerose beobachtet, die dennoch bei einem kleinen Teil der Bevölkerung auftritt (Elmadfa, 2020, S. 657–658).
Hypertonie
Ein hoher Blutdruck korreliert mit dem Auftreten von Schlaganfall, Herzinfarkt und peripherer arterieller Verschlusskrankheit (paVK) unabhängig von anderen Risikofaktoren. Bei Männern und Frauen ist eine Hypertonie mit knapp 50 % die häufigste Einzelursache für die Sterblichkeit an koronarer Herzkrankheit (KHK) und Schlaganfall. Des Weiteren sind laut Schätzungen 35 % aller kardiovaskulären Ereignisse auf einen erhöhten Blutdruck zurückzuführen (Leitzmann & Keller, 2020, S. 187). Hypertonie kann das Wachstum der Gefäßmuskelzellen negativ beeinflussen und ist ein Risikofaktor für frühzeitige Atherosklerose. An Stellen mit besonders hohem Druck oder bei wirkenden Scherkräften kann die Gefäßwand geschwächt und dadurch durchlässiger werden (Elmadfa, 2020, S. 660; Hartmann, 2001, S. 133).
Diabetes mellitus Typ 2
Diabetes mellitus Typ 2 geht mit einer verstärkten Atherogenese, einer reduzierten Aktivität von Fibrin (körpereigenes Enzym zur Aufspaltung von Thromben) und einem verstärkten Wachstum der glatten Muskelzellen einher. Zudem erhöhen die gesteigerten Blutzucker- und Insulinwerte im Blut die Wahrscheinlichkeit einer kardiovaskulären Erkrankung. Meist tritt bei Diabetikern eine Häufung von Risikofaktoren, wie Hypertonie, Übergewicht und Lipidstoffwechselstörungen auf, dennoch ist der Diabetes mellitus als unabhängiger Risikofaktor zu sehen, welcher das Risiko für einen Herzinfarkt am stärksten erhöht (Elmadfa, 2020, S. 658; Hartmann, 2001, S. 135).
Rauchen
Rauchen begünstigt die Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen in verschiedenen Aspekten. Die schädlichen Auswirkungen sind vor allem durch die Verursachung von entzündlichen Reaktionen gekennzeichnet, welche einen erheblichen Einfluss auf die Entstehung der Atherosklerose haben. Aufgrund induzierter Gefäßspasmen kann das Rauchen ebenso ischämische Reaktionen auslösen. Des Weiteren schädigt Rauchen das Endothel, fördert die Blutgerinnung, reduziert den Sauerstofftransport und hat negative Auswirkungen auf den Cholesterolspiegel. (Kreuzer & Tiefenbacher, 2003, S. 16; Steffel & Lüscher, 2014, S. 31)
Hyper-/ Dyslipidämien
Hyper-/ Dyslipidämien sind Lipidstoffwechselstörungen, welche mit erhöhten Cholesterin- und/ oder Triglyceridkonzentrationen im Blut einhergehen. Der erhöhte Cholesterinspiegel im Blut gilt unter den Lipiden als Hauptrisikofaktor für kvE (Steffel & Lüscher, 2014, S. 31). Allerdings gelten auch andere Lipoproteine, wie die Lipoproteine-a und -b als atherosklerosefördernd und als Risikofaktor für kvE (Bradbury et al., 2014, S. 178; Najjar et al., 2018, S. 1062; Steffel & Lüscher, 2014, S. 32). Die Cholesterin-Lipoproteine werden unterschieden zwischen dem LDL-Lipoprotein, welches das Cholesterin in das Gewebe transportiert und dem HDL-Lipoprotein, welches wiederum das Cholesterin aufnimmt und für die Ausscheidung aus dem Körper sorgt (Steffel & Lüscher, 2014, S. 31–32). Entscheidend für den Zusammenhang von Dyslipidämien und Atherosklerose ist vor allem ein erhöhter Wert des LDL-Cholesterins, mit dem die Wahrscheinlichkeit für eine Oxidierung von oxLDL steigt und zeitgleich meistens niedrige HDL-Spiegel einhergehen. Eine hohe HDL-Konzentration wirkt schützend und gilt als antiinflammatorisch, antithrombotisch und antioxidativ. Je höher der HDL-Wert ausfällt, desto niedriger ist die Konzentration des Gesamtcholesterins. Die Menge an Gesamtcholesterin im Blut steht wiederum in einer direkten Korrelation zum Auftreten von Atherosklerose (Elmadfa, 2020, S. 658–659; Leitzmann & Keller, 2020, S. 186). Studien konnten in diesem Rahmen zeigen, dass ab einer Gesamtcholesterinkonzentration von >200 mg/dl das Risiko für koronarsklerotische Vorfälle linear ansteigt (Leitzmann & Keller, 2020, S. 185).
[...]
Der GRIN Verlag hat sich seit 1998 auf die Veröffentlichung akademischer eBooks und Bücher spezialisiert. Der GRIN Verlag steht damit als erstes Unternehmen für User Generated Quality Content. Die Verlagsseiten GRIN.com, Hausarbeiten.de und Diplomarbeiten24 bieten für Hochschullehrer, Absolventen und Studenten die ideale Plattform, wissenschaftliche Texte wie Hausarbeiten, Referate, Bachelorarbeiten, Masterarbeiten, Diplomarbeiten, Dissertationen und wissenschaftliche Aufsätze einem breiten Publikum zu präsentieren.
Kostenfreie Veröffentlichung: Hausarbeit, Bachelorarbeit, Diplomarbeit, Dissertation, Masterarbeit, Interpretation oder Referat jetzt veröffentlichen!
Kommentare