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Masterarbeit, 2017
94 Seiten, Note: 1
1 EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG
1.1 Überblick über die Arbeit
2 ZIELSETZUNG
3 GEGENWÄRTIGER KENNTNISSTAND
3.1 Gesundheit & Lebensqualität
3.1.1 Gesundheit
3.1.2 Lebensqualität
3.1.2.1 Einfluss von körperlicher Aktivität auf die Lebensqualität
3.1.2.2 Methoden zur Erfassung der Lebensqualität
3.2 Prävention und Gesundheitsförderung
3.2.1 Prävention
3.2.2 Gesundheitsförderung
3.2.3 Betriebliches Gesundheitsmanagement
3.2.3.1 Der betriebliche Arbeitsschutz
3.2.4 Betriebliche Gesundheitsförderung
3.2.5 Auswahl geeigneter Maßnahmen
3.3 Vibrationstraining
3.3.1 Grundlage
3.3.2 Unterschiede von Vibrationstrainingsgeräten
3.3.3 Funktionsweise des WBV Trainings
3.3.4 Trainingsparameter
3.3.4.1 Frequenz
3.3.4.2 Amplitude
3.3.4.3 Dauer
3.3.4.4 Körperhaltung
3.3.5 Anwendungsgebiete
3.3.6 Kontraindikationen
3.3.7 Nebenwirkungen und Sicherheit
3.3.7.1 Exkurs: Vibrationen in der Arbeitsmedizin
3.4 Fragestellung
4 METHODIK
4.1 Studiendesign
4.2 Stichprobe
4.3 Messinstrument: der SF-36 Fragebogen
4.4 Intervention: Vibrationstraining
4.4.1 Galileo Trainingsgerät
4.4.2 Organisation der Intervention
4.4.3 Ablauf der Intervention
4.5 Statistische Analyse
5 ERGEBNISSE
5.1 Stichprobe
5.2 Fehlerkontrolle
5.3 Ergebnisse der Interventionsgruppe
5.3.1 Subskalen Interventionsgruppe
5.3.2 Summenskalen Interventionsgruppe
5.4 Ergebnisse der Kontrollgruppe
5.4.1 Subskalen Kontrollgruppe
5.4.2 Summenskalen Kontrollgruppe
5.5 Vergleich von Interventions- und Kontrollgruppe
5.5.1 Subskalen
5.5.2 Summenskalen
5.6 Vergleich mit einer vorgegebenen Standardpopulation
5.6.1 Subskalen
5.6.2 Summenskalen
6 DISKUSSION
6.1 Kritische Anmerkung
6.2 Ausblick
7 ZUSAMMENFASSUNG
8 LITERATURVERZEICHNIS
9 ABBILDUNGS-, TABELLEN-, ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
9.1 Abbildungsverzeichnis
9.2 Tabellenverzeichnis
9.3 Abkürzungsverzeichnis
ANHANG
Anhang 1: SF-36 Fragebogen zum Gesundheitszustand
Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems gehören weiterhin zu den häufigsten und kostenträchtigsten Erkrankungen in Deutschland, gelten als bedeutendste Ursache der Arbeitsunfähigkeit und verursachen direkte Kosten zwischen 0,5 und 2 Prozent des Bruttoinlandproduktes (Bevan et al., 2009). Gerade Rückenschmerzen betreffen oft schon jüngere Menschen und können zu langfristigen Arbeitsausfällen, gesunkener Produktivität aufgrund von Präsentismus sowie vorzeitiger Berentung und Erwerbunfähigkeitsrenten führen (Johns, 2010). So sind Rückenschmerzen mit erheblichen indirekten und direkten Kosten verbunden und fast 25 Prozent aller Angestellten in der EU klagen immer wieder über diese Probleme. Bei Büroangestellten beträgt die Bestandprävalanz sogar 33 Prozent (Spyropoulos, 2007). Mit durchschnittlich 0,81 Fehltagen sind Rückenschmerzen die wichtigste Einzeldiagnose (TK, 2017, S. 2). Auf die Diagnose Muskel-Skelett-Erkrankungen entfielen 2016 knapp ein Fünftel der gesamten Fehlzeiten (TK, 2017, S. 2). Daher sind die Muskel-Skelett-Erkrankungen im weitesten Sinne noch immer ein wichtiges Thema in der Arbeitsmedizin (Bell & Burnett, 2009).
Doch nicht nur physische sondern auch psychische Erkrankungen haben in den letzten Jahren stark zugenommen (Böhm, 2016). Zwar entfällt laut Gesundheitsreport der TK (2017) der größte Anteil der Fehlzeiten mit 2,91 Tagen pro Versicherten auf MuskelSkelett-Erkrankungen, doch zeigt sich zunehmend ein Trend hinsichtlich der Zunahme psychischer Erkrankungen. Psychische Belastungen treten auf der Grundlage eines ungünstigen Verhältnisses von Anforderungen und Ressourcen in der neuen Arbeitswelt gegenüber hohen physischen Belastungen in den Vordergrund (Eichhorst, Tobsch & Wehner, 2016). Seit 2004 haben die Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen um knapp 72 Prozent zugenommen, zudem dauerten die Ausfallzeiten bei psychischen Erkrankungen 2015 mehr als doppelt so lange (Meyer & Meschede, 2016). Außerdem gehören psychische Belastungen zu den meist genannten Belastungsfaktoren und bilden die häufigsten genannten gesundheitlichen Probleme. Die häufigsten Beschwerden werden von jedem zweiten Befragten in Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz gebracht (Zok, 2011). Psychische und körperliche Gesundheit sind gleichermaßen wichtig für das Wohlbefinden und Grundvoraussetzung für hohe Lebensqualität und Leistungsbereitschaft (Woolf, Erwin & March, 2012). Und da Gesundheit im Allgemeinen eine elementare Voraussetzung hoher Lebensqualität ist muss diese in Unternehmen zu einem zentralen Zielwert werden.
Somit kommt der Arbeitskultur gerade in den generell wachsenden wissensintensiven Bereichen des Arbeitsmarktes eine besondere Bedeutung für die Produktivität und Motivation der Beschäftigen aber auch für die Arbeitszufriedenheit und die psychische Gesundheit der Arbeitnehmer zu (Eichhorst et al., 2016).
Der Arbeitsplatz gilt schon lange als besonders geeigneter Ort für die Einführung gesundheitsorientierter Maßnahmen, vor allem von Firmen-Fitness und diversen Trainingsprogrammen (Shepard, 1996). Besonders erfolgversprechend zur Reduzierung von Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems sind multifaktoriell angelegte Programme, die auf die Gestaltung der Arbeitsumgebung und eine Kombination ergonomischer Optimierungen, arbeitsorganisatorischen Veränderungen und die Nutzung von technischen Hilfsmitteln abheben sowie das individuelle Verhalten beeinflussen (Guzman, Esmail, Karjalainen, Malmivaara & Irvin, 2001). Aber auch zielorientierte Trainingsprogramme sind ein wichtiger Teil dieser multifaktoriellen Programme. Körperliche Aktivität und Training scheint ein wichtiger Bestandteil gesundheitsförderlicher Programme zu sein und wird gerne empfohlen (Bell & Burnett, 2009). Bisher gibt es allerdings keinen einheitlichen Konsens über die Art und Organisation des sportlichen Programmes, welches die besten Auswirkungen auf die spezifischen Bedürfnisse der Mitarbeiter hat. Klinische Evidenz gibt es für körperliche Aktivität per se, aber auch für spezifische Therapieansätze und individualisierte Trainingsprogramme (Bell & Burnett, 2009). „Mit Sport kann man ... fehlerhafte Haltungsschemata durchbrechen und ganz nebenbei akute körperliche Stressreaktionen abbauen“ (Allmann, 2012). Im Allgemeinen soll ein gesunder Lebensstil mit ausreichend körperlicher Aktivität, gesundheitliche Risiken minimieren, körperliche Leistungsfähigkeit fördern und die gesundheitsbezogene Lebensqualität steigern (Allmann, 2013; Hubert, Bloch, Oehlert & Fries, 2002; Salvaggio, 2007).
Ein Schlüsselfaktor für den langfristigen Erfolg einer gesundheitsförderlichen Intervention stellt die Motivation und das damit verbundene Konstante nachgehen der Aktivität dar (Bell & Burnett, 2009). Oft wird die Intervention nach Beginn nicht lange beibehalten. Dies beeinflusst natürlich den Effekt einer langfristig angesetzten Intervention negativ (Linton, Hellsing & Bergström, 1996).
Genau diese leistungsfähigen und motivierten Mitarbeiter stellen die Grundlage für ein erfolgreiches Unternehmen dar. Angebote zur betrieblichen Gesundheitsförderung müssen dabei nicht zwingend mit hohen Ausgaben verbunden sein. Ohnehin machen sich Investitionen mehr als bezahlt wenn Fehltage und Arbeitsunfälle zurückgehen und die Produktivität steigt. Der iga.Report 13 kommt in einer Auswertung von 400 internationalen Studien zu dem Schluss, dass betriebliche Gesundheitsförderung die Kosten krankheitsbedingter Fehlzeiten um 34 % reduzieren kann (Sockoll, Kramer & Bödeker, 2008). Zudem schaffen gesündere Mitarbeiter ein positiveres Arbeitsklima, die Mitarbeiterzufriedenheit steigt. Nicht zuletzt ein wichtiges Argument im härter werdenden Wettbewerb um die knapper werdende Ressource Arbeitskraft.
Gesundheitsförderliche Maßnahmen werden für vorwiegend sitzend arbeitende Mitarbeiter im Unternehmen auch aufgrund der Entwicklung der Altersstruktur immer notwendiger.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage durch welche Maßnahmen sich die oben genannten Faktoren inklusive der Förderung der Motivation und Adhärenz der Mitarbeiter steigern lassen. Für eine hohe Adhärenz scheinen kurze Trainingssitzungen im Stile der „Short and Sharp Interventions“ im Sinne von Arbeitnehmer und Arbeitgeber, da der Arbeitsfluss nur kurz unterbrochen werden muss, demnach die Arbeitsproduktivität nicht reduziert wird (Bell & Burnett, 2009). Schon eine Trainingsdosis von circa zehn Minuten pro Tag kann laut Bell und Burnett (2009) genügen, um signifikante Verbesserungen von Rückenschmerzen herbeizuführen.
Eine kurze aber hoch effektive Methode des Ganzkörpertrainings stellt das Vibrationstraining dar. Durch die Stimulation funktioneller Muster muss eine große Anzahl an Muskeln zusammenarbeiten, um die erzwungene Bewegung durch die Vibration auszugleichen. Schon nach wenigen Minuten bekommen ganze Muskelketten viele hundert stimulierende Aufbaureize. Die hohe Wiederholungszahl und die relativ hohen Kräfte, die während des Vibrationstrainings auf den Körper einwirken, stimulieren daher eine Vielzahl von Sensoren in Haut, Sehnen, Muskeln und Bindegewebe (Burkhardt, 2006). Lange bevor der allgemein konditionierende und schweißtreibende Teil des üblichen Muskelaufbautrainings beginnt ist das Vibrationstraining ohne große subjektive Anstrengung und Zeitverlust abgeschlossen. Dies führt in der Regel zu einer hohen Adhärenz der trainierenden Personen. Aber auch Trainierende mit einem niedrigen Trainingsniveau, wie schwacher Muskelleistung, schlechter Koordination, Balance oder Ausdauer können von dieser Trainingsmethode profitieren (Marin & Rhea, 2010).
Für einen Einsatz des Vibrationstrainings im betrieblichen Umfeld sprechen die einfache und sichere Bedienbarkeit, der geringe Platzaufwand sowie die autonome Durchführung. Vibrationstrainingsmaßnahmen können laut diversen Studien Rückenschmerz reduzieren, die gesundheitsbezogene Lebensqualität sowie die körperliche Funktionsfä- higkeit verbessern (del Pozo-Cruz et al., 2011; Rittweger, Just, Kautzsch, Reeg & Felsenberg, 2002).
Die Arbeit gliedert sich in drei übergeordnete Teile. Nach der Formulierung der Zielsetzung der Arbeit wird im ersten Teil (Kapitel 3) der aktuelle Stand der Forschung zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität, der betrieblichen Gesundheitsförderung und des Vibrationstrainings dargestellt. aus welchem die Zielstellung abgeleitet wird. Im zweiten Teil (Kapitel 4 bis 6) wird die durchgeführte Untersuchung dargestellt, Ergebnisse präsentiert und diskutiert. Kapitel 7 enthält die Zusammenfassung der Arbeit. Im dritten Teil befindet sich der Anhang mit ergänzenden Ergebnissen und Materialien zur Studie.
Kapitel 3, der gegenwärtige Kenntnisstand, behandelt die Grundlagen zu allen benötigten Themengebieten. Nach der Begriffsbestimmung von Gesundheit und Lebensqualität wird der Einfluss von Bewegung auf die Lebensqualität sowie Messmethoden zur Erfassung der Lebensqualität erörtert. Kapitel 3.2 widmet dich der Begriffsbestimmung von Prävention und Gesundheitsförderung. Daraufhin folgt die Erklärung des betrieblichen Gesundheitsmanagements, der betrieblichen Gesundheitsförderung und hierauf bezogen wird eine Auswahl geeigneter Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung aufgezeigt. Kapitel 3.3 stellt das Thema Vibrationstraining ausführlich dar. Neben der Betrachtung unterschiedlicher Systeme werden die Funktionsweise sowie die wichtigen Trainingsparameter des Vibrationstrainings vorgestellt. Darauf folgt eine Darstellung der vielfältigen Anwendungsgebieten in Sport und Therapie sowie Rahmenbedingungen beim Training mit Vibrationstrainingssystemen, wie Kontraindikationen, Nebenwirkungen und Sicherheit. Zum Abschluss werden die Vorteile des Vibrationstrainings im betrieblichen Umfeld zusammenfassend dargestellt.
Nachfolgend behandelt Kapitel 4, der empirische Teil der Arbeit, die Methodik der Studie, welche Studiendesign, Stichprobe, Messinstrumente, Organisation der Intervention und die statistische Auswertung betrifft.
In Kapitel 5 werden die Ergebnisse berichtet, wobei zunächst die Merkmale der untersuchten Stichprobe und des Studiendesigns beschrieben werden. Es werden Analysen zu möglichen Störfaktoren erörtert sowie die Ergebnisse der einzelnen Dimensionen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität dargestellt.
Die Diskussion in Kapitel 6 fasst zu Beginn die wesentlichen Limitierungen der Untersuchung zusammen und erläutert deren Konsequenzen für die Interpretation der Ergebnisse. Danach werden Vor- und Nachteile der angewendeten Intervention sowie der Messmethodik diskutiert. Nach einer kritischen Betrachtung methodischer Einschränkungen der vorliegenden Studie, wird ihre Bedeutung für die Praxis diskutiert. Abschließende Bemerkungen befinden sich in Kapitel 7.
Bis heute liegen vor allem Studien zur indikationsspezifischen Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität vor. Diese beziehen sich auf bestimmte klinische Anwendungsgebiete und untersuchen die Lebensqualität von Patienten mit spezifischen Erkrankungen. Auch im Bereich des Vibrationstrainings sind vor allem Studien im klinischen Setting anhand von Patienten vorhanden. Um eine gesundheitsförderliche Maßnahme im betrieblichen Umfeld überhaupt einschätzen zu können ist es daher notwendig eine solche Intervention als arbeitsplatzbezogene Maßnahme zu evaluieren.
Das Ziel der Arbeit ist daher zu untersuchen inwieweit ein Vibrationstraining als gesundheitsförderliche Maßnahme die gesundheitsbezogene Lebensqualität im beruflichen Umfeld bei gesunden Probanden beeinflusst. Hier gilt zu prüfen, ob sich die gesundheitsbezogene Lebensqualität von überwiegend sitzend arbeitenden Angestellten verbessert, wenn die Möglichkeit zu einem kontinuierlichen Vibrationstraining angeboten wird. Hierfür wurde eine sechswöchige Intervention mittels Vibrationstraining in einem Unternehmen der Versicherungsbranche implementiert. Die Mitarbeiter des Unternehmens hatten die Möglichkeit drei Mal wöchentlich ein zwölf minütiges Training nach vorgegebenem Trainingsprogramm zu absolvieren.
Die Fragestellung lautet demnach:
Verbessert sich die gesundheitsbezogene Lebensqualität von überwiegend sitzenden Angestellten, wenn als gesundheitsförderliche Maßnahme ein kontinuierliches Vibrationstraining durchgeführt wird?
Gesundheit hat viele Dimensionen, die für Menschen aller Altersgruppen von Bedeutung sind. Die Differenzierung zur Krankheit scheint klar, doch sind die Überschneidungen häufig verschwommen und eine einheitliche Definition nicht eindeutig zuzuordnen. Gemäß der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Gesundheit „ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen.“ (WHO, 1946). Neben der Berücksichtigung medizinischer Faktoren wird Gesundheit auf alle Bereiche des täglichen Lebens angewendet. Hurrelmann, Lasser und Razum definieren die Gesundheit als „Stadium des Gleichgewichts, von Risikofaktoren und Schutzfaktoren, das eintritt, wenn einem Menschen eine Bewältigung sowohl der inneren (körperlichen und psychischen) als auch der äußeren (sozialen und materiellen) Anforderungen gelingt“ (Hurrelmann, Laaser & Razum, 2006, S.146).
Laut der International Classification of Functioning (ICF) der WHO sind für die Beurteilung des Gesundheitszustandes einer Person nicht nur körperliche und psychische Erkrankungen von Bedeutung, sondern auch subjektive Gesundheit und gesundheitsbezogene Lebensqualität, körperliche und seelische Funktionsfähigkeit sowie die Beeinträchtigung von Alltagskompetenz und gesellschaftliche Interaktion (Cieza, Bickenbach & Chatterji, 2008). Dieser Paradigmenwechsel in der Definition der Gesundheit bezieht in Anlehnung an die Definition der WHO auch die psychischen und sozialen Komponenten des Gesundheitsbegriffes mit ein (Morfeld, Kirchberger & Bullinger, 2011). Und damit auch wie sich eine Person fühlt, mit anderen Menschen Kontakt hat und im Alltag zurechtkommt (Bullinger & Ravens-Sieberer, 1995). Wie auch die WHO betonen Hurrelmann (2006) sowie Bullinger und Ravens-Sieberer (1995) die Einbettung der Gesundheit in die Bereiche des alltäglichen Lebens. Dieses soziale Wohlbefinden ist stark von äußeren Faktoren geprägt und hat Einfluss auf das psychische Wohlbefinden. In diesem Zusammenhang kann sich beispielsweise körperliche Aktivität positiv auf die psychische Gesundheit auswirken, das soziale Wohlbefinden verbessern und die gesundheitsbezogene Lebensqualität positiv beeinflussen (Pieper, Schröer, Haupt & Kramer 2015, S.16; Rütten, Abu-Omar, Lampert & Ziese, 2005, S. 7).
Doch was ist eigentlich Lebensqualität?
Der Versuch einer exakten Beantwortung dieser Frage gestaltet sich als schwierig. Trotz vielfältiger Forschung gibt es zu diesem Thema keine abschließende Antwort. Wohl auch aufgrund dessen, dass der Begriff häufig inflationär in Werbung und Politik sowie in verschiedensten wissenschaftlichen Bereichen, wie Medizin, Philosophie, Soziologie und der Sozioökonomie verwendet wird. Demnach existiert keine für alle Bereiche zutreffende einheitliche Definition.
Zwar taucht der englische Begriff „Quality of Life“ in der Forschung bereits 1924 durch den Ökonomen Arthur Cecil Pigou auf und Willy Brandt führt den Begriff mit seiner Rede im Jahr 1972, über die Lebensqualität als Ziel eines Sozialstaates in Deutschland ein, jedoch begann die Betrachtung der eigentlichen gesundheitsbezogenen Lebensqualität (HRQoL = Health Related Quality of Life) erst im Verlauf der 70er Jahre.
Im sozialwissenschaftlichen Gebrauch hat der Begriff eine starke materielle und politische Verankerung, wobei im medizinischen Bereich ein gesundheitsbezogener Aspekt des persönlichen Wohlbefindens gemeint ist. 1998 wurde durch die WHO folgende Definition festgelegt:
Gesundheitsbezogene Lebensqualität wird als die subjektive Wahrnehmung einer Person über ihre Stellung im Leben in Relation zur Kultur und den Wertesystemen, in denen sie lebt und in Bezug auf ihre Ziele, Erwartungen, Standards und Anliegen definiert. Es handelt sich hierbei um ein weitreichendes Konzept, das in komplexer Weise beeinflusst wird, durch die körperliche Gesundheit, den psychologischen Zustand, den Grad der Unabhängigkeit, die sozialen Beziehungen und die hervorstechenden Eigenschaften der Umwelt. (Renneberg & Lipp- ke, 2006, S. 29)
Dementsprechend erfasst die gesundheitsbezogene Lebensqualität verschiedene Bereiche der subjektiven Gesundheit. Anders als die Selbsteinschätzung des allgemeinen Gesundheitszustandes gilt die gesundheitsbezogene Lebensqualität als ein multidimensionales Konstrukt, welches verschiedene Komponenten des Wohlbefindens und der Funktionsfähigkeit beinhaltet und mit subjektiven Gesundheitsindikatoren gleichzusetzen ist. Hierbei ist das Konstrukt Gesundheit eine Komponente der Lebensqualität. Dies beinhaltet, dass die subjektive Gesundheit neben den körperlichen und psychischen Aspekten auch Aspekte der Zufriedenheit und der alltäglichen Funktionsfähigkeit, wie die Teilnahme an sozialen Aktivitäten, widerspiegelt. Dieses Konstrukt ist, wie in Abbildung Abb. 1 dargestellt, durch mindestens vier Komponenten operationalisiert: Psychisches Befinden, körperliche Verfassung, funktionale Kompetenz sowie soziale Beziehungen (Radoschewski, 2000, S. 176).
Diese Komponenten sind nicht erschöpfend und stellen keine Taxonomie dar. Damit ist die gesundheitsbezogene Lebensqualität keine statische oder feststehende Größe, sondern ein änderungssensitives Phänomen (Bullinger, Ravens-Sieberer & Siegrist, 2000).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Dimensionen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (in Anlehnung an Radoschewski, 2000, S. 176).
Die Erfassung des HRQoL und der subjektiven Gesundheit liefert relevante Daten um den Gesundheitszustand von Personen zu beschreiben. Diese Daten bilden das individuelle subjektive erleben der Gesundheit ab und lässt sich nicht mit objektiven medizinischen Parameter bestimmen. Der objektive Gesundheitszustand kann sich demnach deutlich von dem subjektiven Gesundheitszustand unterscheiden (Wurm, Lampert & Menning, 2009). Schwerwiegende Erkrankungen haben direkten Einfluss auf die HRQoL und die subjektive Gesundheit. Inwiefern sich die HRQoL beeinflussen lässt zeigen zahlreiche Studien in unterschiedlichsten Fachgebieten.
Die heute vermutlich größte Gefahr für die gesundheitsbezogene Lebensqualität geht von einem anhaltenden Verlust von Antrieb und Energie aus. Der klinischen Depression liegt ein Geflecht aus Ursachen aus der sozialen Umwelt und der persönlichen Lebenssituation zugrunde (Wittchen, Jacobi, Klose & Ryl, 2010). Durch mehrere Studien wurde nachgewiesen, dass ein schlechter psychischer Gesundheitszustand eine geminderte Lebensqualität sowie eine Minderung von Alltagskompetenz nach sich zieht (Rose et 12/94 al., 2005; Riedel-Heller & Luppa, 2013). Laut Wieland (2009) ist die psychische Gesundheit „grundlegend für die Lebensqualität und für ein stabiles und freundliches Lebensumfeld.“ (S. 50).
In der 2013 von Ellert & Kurth durchgeführten Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) zeigt sich eine Abnahme der HRQoL im Altersverlauf. Ältere Menschen leiden vor allem an Krebserkrankungen, chronischen Lungenerkrankungen, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Diabetes und muskuloskelettalen Erkrankungen. Diese Krankheiten können die HRQoL ausschlaggebend einschränken (van den Buschee, Koller & Kolonko, 2011). Zudem können Stürze und sogar die Angst vor einem Sturz die HRQoL stark beeinträchtigen (Scaf-Klomp, Sanderman, Ormel & Kempen, 2003; Suzuki, Ohyama, Yamada & Kanamoti, 2002).
Gerade chronische Erkrankungen und die jeweiligen Spätfolgen können durch Schmerz und Einschränkungen der körperlichen Funktionen, die Mobilität sowie sozialen Interaktion einschränken und demnach die HRQoL drastisch reduzieren. So führen schon degenerative Gelenkerkrankungen wie eine Arthrose zu einem erheblichen Verlust an Lebensqualität (Hackenbroch, 2002). Während Erkrankungen wie Arthrose mit zunehmenden Alter häufiger auftreten, betreffen Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems meist schon junge Menschen. Die Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) sind weltweit die größte Ursache von chronischen Schmerzen, der Verschlechterung der körperlichen Verfassung und dem damit verbundenen Verlust an HRQoL (Woolf, Erwin & March, 2002). Daher gehören diese Erkrankungen auch weiterhin zu den kostenträchtigsten Erkrankungen in Deutschland. Sie verursachen noch immer viele Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage) und führen zu langfristigen Arbeitsausfällen sowie vorzeitiger Berentung.
Inzwischen gilt es als belegt, dass durch einen gesunden, aktiven Lebensstil mit ausreichend körperlicher Aktivität die Lebenserwartung gesteigert, die HRQoL verbessert und Erkrankungen hinausgeschoben werden können (Hubert, Bloch, Oehlert & Fries, 2002). Nach Neumann, Pfützner & Berbalk (2001) wird dem Training der allgemeinen aeroben Grundlagenausdauer neben positiven Wirkungen auf lokaler Ebene, wie beispielsweise die bessere Heilung einer Verletzung eine allgemeine gesundheitsfördernde Wirkung zugesprochen. Das Grundlagenausdauertraining verbessert die Leistungsfähigkeit und bewirkt eine Zunahme der HRQoL bei gleichzeitiger Verlängerung der Lebenserwartung (Neumann et al., 2001).
Pieper et al. (2015) konnten innerhalb eines Reviews wissenschaftlicher Studien der Jahre 2006 - 2012 hinsichtlich Wirksamkeit und Nutzen betrieblicher Prävention zusammenfassend feststellen, dass Programme zur Förderung körperlicher Aktivität neben einer geringen Steigerung der Fitness auch mentale Zielparameter wie Stimmung und Lebensqualität positiv beeinflussten. Weitere erfolgversprechende Maßnahmen neben körperlichen Übungsprogrammen waren häufiges Treppennutzung oder das Mitführen eines Schrittzählers. „Körperliche Bewegungs- und Kräftigungsprogramme zur Steigerung der physischen Belastbarkeit, Verbesserung der Beweglichkeit und Erhöhung der Fitness von Beschäftigten zeigen in den evaluierten Interventionsformen die deutlichsten Effekte“ (Pieper et al., 2015, S. 61).
Aufgrund der demografischen Entwicklung muss in der Gesundheitsförderung verstärkt den älteren Menschen Beachtung geschenkt werden. Um Krankheiten zu vermeiden und die Pflegebedürftigkeit hinauszuzögern sollte bis ins hohe Alter Gesundheit, Lebensqualität sowie Selbständigkeit und Mobilität erhalten werden. Eine gesundheitsbewusste Lebensführung hat Auswirkungen auf die HRQoL im Alter. So kann mittels ausreichender Bewegung, sozialer Interaktion, funktionaler Kompetenz sowie geistiger Aktivität das Risiko im hohen Alter an Demenz zu erkranken verringert beziehungsweise hinausgezögert werden (Elwood et al., 2013). Generell besteht ein breiter Konsens darüber, dass körperliches Training das Wohlbefinden, die Gesundheit und HRQoL im mittleren und höheren Alter steigert (Eyigor, Karapolat & Durmaz, 2007).
Da Gesundheit zunehmend durch chronische Erkrankungen und Beschwerden bestimmt wird, helfen subjektive Bewertungen des Gesundheitszustandes auch bei der Einschätzung, ob bestimmte Maßnahmen oder Interventionen einen positiven Effekt auf die HRQoL von Bevölkerung und Personen haben (Kohl & Strauss, 2010).
Hintergrund für die Hinwendung zu der personenbezogenen Beschreibung des Gesundheitszustandes sind drei Entwicklungen. Zum einen der oben beschriebene Paradig- menwechsel der Definition von Gesundheit. Zum anderen die Veränderung der Bevölkerungsstruktur hin zu einem größeren Anteil älterer Menschen mit vermehrt chronischen und langfristig behandlungsbedürftigen Erkrankungen und welchen Einfluss diese auf den Lebenszusammenhang der Personen haben. Als dritter Aspekt besteht ein Zweifel gegenüber der Aussagekraft klassischer klinischer Parameter, wie Mortalität oder reduzierter Symptomatik (Morfeld et al., 2011).
Da eine auf reine klinische Parameter bezogene Bewertung präventiver Interventionsmaßnahmen häufig nicht ausreicht, um tatsächliche Effekte des Nutzens darstellen zu können, ist darüber hinaus die Selbstauskunft über das Befinden und die Funktionsfähigkeit von großer Bedeutung. Man verspricht sich von diesen Messungen ein besseres Verständnis auf die Effekte von Therapien, Behandlungsprogrammen oder Präventionsansätzen, vor allem aus Sicht des Probanden (Miksch, Ose & Szecsenyi, 2011). Entsprechende Ansätze finden zunehmend Einzug im Bereich der gesundheitsökonomischen Evaluation sowie im Bereich der Public Health. Hierzu haben sich unterschiedliche Ansätze entwickelt. Gemein haben diese Ansätze die Einigkeit darüber, dass subjektiv wahrgenommene Bewertungen bessere Parameter für Gesundheit und Lebensqualität bieten als objektive Bewertungen. Die Autoren Perrig-Chiello, Perrig, Stähelin, Krebs-Roubicek und Ehrsam (1996) verdeutlichen dies anhand des monatlichen Einkommens. Nicht das eigentliche objektive Einkommen ist wesentlich für die Zufriedenheit der Person, sondern die subjektive Beurteilung. Um Aussagen über die Lebensqualität einer Population sowie eines Individuums zu treffen wird diese Zufriedenheit in verschiedenen Settings letztlich als Messmittel für Gesundheit angesehen.
Zur Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität liegt eine Vielzahl krankheitsübergreifender aber auch krankheitsspezifischer Methoden vor. Meist kommen standardisierte Fragebögen zum Einsatz, welche vom Probanden selbst auszufüllen sind. Neben der Erfassung der allgemeinen Lebensqualität wird zunehmend die Lebensqualität in bestimmten Erkrankungsgruppen untersucht. Eingesetzt werden diese Fragebögen vor allem bei chronisch erkrankten Menschen.
Aufgrund der erwähnten Vielfalt an Testverfahren wird nicht weiter auf die einzelnen Methoden eingegangen, jedoch gilt es unabhängig von der Wahl des Instrumentes auf ausreichend Testnormierung und psychometrische Validität zu achten.
Der für diese Abhandlung verwendete und weit verbreitete SF-36 Fragebogen (Short Form 36-Questionnaire) ist einer der am häufigsten in der Medizin genutzten Fragebögen zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (Ellert & Bellach, 1999). Der Short-Form-36 Health Survey dient als Standartmessinstrument zur Erfassung der HRQoL und wurde in Deutschland bereits 1995 von Bullinger, Kirchberger & Ware aus dem amerikanischen für den deutschen Sprachraum entwickelt und erfolgreich getestet (Ellert & Bellach, 1999).
Der Fragebogen besteht aus 36 Items, die mehreren Themenbereichen untergeordnet sind. Jedes Item ist hierbei Teil einer Subskala oder thematisiert selbst eine Subskala. Die Antwortmöglichkeiten variieren von binären Ja-, Nein-Antworten, sowie sechs stufigen ordinalen Antwortskalen (trifft ganz zu - trifft überhaupt nicht zu).
Die acht Subskalen erfassen acht Dimensionen der subjektiven Gesundheit mittels zwei bis sechs Items (Bullinger et al., 1995, S. 23). Zudem wird eine Subskala miteinbezogen, die sich mit der HRQoL zum Befragungspunkt, im Vergleich zur HRQoL in der vergangenen Woche beschäftigt. Auf der untersten Ebene der Items werden Fragen zu (körperlichen) Leistungseinschränkungen im alltäglichen und beruflichen Leben gestellt, z. B. beim Treppensteigen, weniger schaffen aufgrund der körperlichen Gesundheit, Behinderung durch Schmerz und zum allgemeinen Gesundheitszustand. Psychosoziale Aspekte werden durch Aussagen untersucht, wie z. B. voller Energie sein, Kontakte beeinträchtigen, weniger schaffen aufgrund seelischer Probleme sowie ruhig und gelassen sein. Von den insgesamt 36 Fragen werden 35 Fragen zu Skalen und Summenskalen aggregiert, davon ausgenommen ist ein Item, welches die Gesundheitsveränderung erfragt. Die acht Subskalen, oder auch Dimensionen genannt können in eine körperliche sowie eine psychische Summenskala (KSK, PSK) aufgeteilt werden. Die Summenskalen stellt die höchste Ebene der. Die Subskalen sowie Summenskalen werden in Tab. 1 dargestellt.
Tab. 1: Die 8 Subskalen des SF-36 (in Anlehnung an Morfeld et al., 2011, S. 11)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auf der mittleren Ebene der Skalen werden die folgenden Aspekte der Körperlichen Summenskala (KSK) zugeordnet: Körperliche Funktionsfähigkeit (KÖFU), Körperliche Rollenfunktion (KÖRO), Körperlicher Schmerz (SCHM) und allgemeine Gesundheitswahrnehmung (AGES). Der Psychischen Summenskala (PSK) werden hingegen die folgenden Bereiche zugerechnet: Vitalität (VITA), Soziale Funktionsfähigkeit (SOFU), Emotionale Rollenfunktion (EMRO) und Psychisches Wohlbefinden (PSYCH). Die Dimensionen Vitalität, allgemeine Gesundheitswahrnehmung und zum Teil auch soziale Funktionsfähigkeit können nicht hundertprozentig einer von beiden Summenskalen zugeordnet werden und beschreiben die Gruppe der sogenannten Misch-Kategorien (Ware, Konsinski, Dewey & Gandek, 2000). Tab. 2 fasst die Bedeutung der einzelnen Subskalen des SF-36 abschließend zusammen.
Tab. 2: Bedeutung der Subskalen (in Anlehnung an Morfeld, Kirchberger & Bullinger, 2011, S. 12)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei dem Fragebogen handelt es sich um die krankheitsübergreifende Erfassung des subjektiven Gesundheitszustandes verschiedener Populationen in Bezug auf psychische, körperliche und soziale Aspekte. Ziel der Erfassung ist es unabhängig vom aktuellen Gesundheitszustand und Alter einen Selbstbericht der HRQoL zu erhalten.
Heute sind wir in der Lage uns mit geeigneten Mitteln aus Programmen von Präven- tions- und Gesundheitsförderung geistig und körperlich gesund zu erhalten. Dabei sind Prävention und Gesundheitsförderung nicht ein und dasselbe. Das nachfolgende Kapitel Beschäftigt sich mit der begrifflichen Abgrenzung von Prävention und Gesundheitsförderung. Darüber hinaus wird der Begriff des betrieblichen Gesundheitsmanagements sowie der betrieblichen Gesundheitsförderung und des betrieblichen Arbeitsschutzes erläutert. Abschließend wird auf die Auswahl geeigneter Maßnahmen in der betrieblichen Gesundheitsförderung eingegangen.
Der lateinische Begriff „praevenire“ bedeutet zuvorkommen und beschreibt im Bereich des Gesundheitswesens Handlungen, die dazu dienen, einer Krankheit zuvorzukommen. Prävention umfasst alle Aktivitäten mit dem Ziel Erkrankungen zu vermeiden, zu verzögern oder weniger wahrscheinlich zu machen. Somit gilt es Strategien zur Senkung von Belastungsfaktoren (Stressoren) und sogenannte Risikofaktoren zu etablieren. Dabei spielt das Erkennen von Risikofaktoren, die verantwortlich für Entstehung und Verlauf einer Krankheit sind eine wichtige Rolle. Sind diese identifiziert kann durch Präventivmaßnahmen der Krankheitseintritt oder Krankheitsverlauf verändert werden (Hurrelmann, Klotz & Haisch, 2010).
Präventionsmaßnahmen unterscheiden sich hinsichtlich der zeitlichen Perspektive im Krankheitsverlauf. Die Differenzierung nach dem zeitlichen Verlauf orientiert sich von gesund nach krank. Somit kann in die primordiale Prävention, die Primärprävention, Sekundärprävention sowie Tertiärprävention untergliedert werden (Slesina, 2007). Werden Präventionsmaßnahmen in Hinblick auf die Methoden kategorisiert wird zwischen Verhältnis- und Verhaltensprävention unterschieden. Ziel von Verhältnisprävention ist es vermeidbare Stressoren gar nicht erst entstehen zu lassen und vorhandene Belastungsfaktoren soweit möglich abzubauen und Entlastungsfaktoren (Ressourcen) zu erweitern. Die Maßnahmen einer Verhaltensprävention konzentrieren sich auf den Aufbau oder die Verbesserung von Wissen und Kompetenzen im Umgang mit Belastungsfaktoren und stärken individuelle Ressourcen (Hurrelmann, 2010).
Vor mehr als 60 Jahren legte die WHO mit ihrer Definition von Gesundheit den Grundstein für die Gesundheitsförderung. Obwohl damit bereits 1946 der Begriff Gesundheitsförderung (GF) etabliert wurde, dauerte es einige Jahre bis ein entsprechendes Konzept vorgelegt wurde. Erst auf der WHO Konferenz 1986 konnte ein Konzept zur Gesundheitsförderung verabschiedet werden. Im Unterschied zur Prävention orientiert sich die Gesundheitsförderung im Sinne der Ottawa Charta an dem Konzept der Saluto- genese nach Antonovsky (1997). Dieses Konzept beschäftigt sich mit der Frage, was Menschen trotz Stressoren gesund erhält oder wieder gesund werden lässt. Im Kontrast zur Salutogenese steht die Pathogenese (Antonovsky, 1997). Beiden Ansichten liegen gegensätzliche Vorstellungen über Gesundheit und Krankheit zugrunde. In der pathogenetischen Perspektive ist Krankheit die Abweichung vom Normalfall der Gesundheit, während in der salutogenetischen Perspektive Gesundheit und Krankheit die beiden Enden eines Kontinuums, des Gesundheits-Krankheits-Kontinuums, darstellen. Damit lassen sich Gesundheit und Krankheit nicht voneinander abgrenzen. Während der Lebenszeit eines Menschen bewegt sich dieser zwischen den beiden Endpunkten und nimmt unterschiedliche Positionen ein. Hierbei wirken Ressourcen als gesundheitsfördernd und Stressoren als krankheitsverstärkend (Hurrelmann, 2010).
Die GF zielt darauf ab, personale, soziale und materielle Ressourcen für die Gesunderhaltung zu stärken. Sie verfolgt das Ziel, den gegenwärtigen Gesundheitszustand zu verbessern, indem sie versucht, Menschen zu befähigen, ihre Gesundheit durch die positive Gestaltung der Lebensbedingungen zu stärken und zu verbessern. Zudem sollen die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die sozialen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen und vor allem gesundheitsrelevante Lebenswelten, sogenannte Settings, wie das Arbeitsumfeld, gesundheitsförderlicher gestaltet werden (Altgeld & Kolip. 2010). GF umfasst damit alle Maßnahmen und Handlungen, die der Stärkung der Gesundheitsressourcen und der individuellen Fähigkeiten dienen.
Die Begriffe Prävention und Gesundheitsförderung werden zumeist durch Pathogenese versus Salutogenese gekennzeichnet. Während sich Prävention hauptsächlich auf die Vermeidung von Risiken bezieht, bezieht sich die Gesundheitsförderung überwiegend auf die Stärkung personaler und sozialer Gesundheitsressourcen, beziehungsweise Schutzfaktoren (Hurrelmann, 2010).
Unter dem betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) versteht man ein planmäßiges zusammenfügen aller Bemühungen eines Unternehmens in den Bereichen Prävention und Gesundheitsförderung und damit eine „bewusste Steuerung und Integration aller betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Beschäftigten“ (Wienemann, 2002).
BGM ist demnach erforderlich um Gesundheit und gesundheitsbezogene Lebensqualität am Arbeitsplatz, damit einhergehend die Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter sowie das Erbringen von Leistungen herzustellen, zu erhalten und zu fördern (Jancik, J. & Jancik, J. M., 2002). Denn nur ein gesunder Mitarbeiter wird bereit sein seine Ressourcen in einem Unternehmen optimal einzusetzen. Gesundheit ist eine Voraussetzung für das verlangte Leistungsvermögen ohne die sich die Herausforderungen der Arbeit nicht bewältigen lassen (Braun, 2003).
Ziel eines umfassenden BGM ist die Erhaltung und Förderung der Gesundheit, Motivation und Produktivität im Unternehmen. BGM bezeichnet alle strategischen Managementmaßnahmen, die darauf abzielen, „die betriebliche Gesundheitspolitik ... durch Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle von strukturellen und prozessbezogenen Gesundheitsmaßnahmen zu verwirklichen“ (Pfaff & Slesina, 2001, S. 32). Demnach hat BGM die Zielsetzung verschiedene gesundheitsorientierte Maßnahmen in einem Unternehmen zu planen, zu adressieren, zu organisieren und synergetisch untereinander zu implementieren. Zu den strukturellen und prozessbezogenen Maßnahmen zählen Interventionen zum Zwecke der Gesundheitsförderung und des Arbeitsschutzes. Die Bereiche des BGM sind in Abbildung 2 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Bereiche des BGM (in Anlehnung an Pfaff & Slesina, 2001, S. 32).
Der betriebliche Arbeitsschutz (BAS) konzentriert sich auf die Beseitigung gesundheitsgefährdender Arbeitsbedingungen und die Vermeidung von Krankheit, Unfall und Gefahr. Damit gilt der BAS als belastungsorientiert. Psychische oder soziale Belastungen werden sekundär betrachtet. Gesundheitsförderliche Ressourcen überhaupt nicht 20/94 behandelt. Hauptaufgabe des BAS besteht somit in der Kontrolle zur Einhaltung von Sicherheitsvorschriften damit Arbeitsunfälle sowie berufsspezifische Krankheiten verhindert werden können (Ducki, 2000; Rudow, 2004)
Das betriebliche Setting ist ein zentraler Ort, um Maßnahmen zur Prävention und Gesundheitsförderung durchzuführen. Gerade weil durch dieses Setting ein sehr großer Teil der Gesellschaft erreicht werden kann. Im Jahresdurchschnitt 2016 waren in Deutschland rund 43,4 Millionen Personen erwerbstätig (Statistisches Bundesamt, 2017). Dies entspricht in etwa der Hälfte der Bevölkerung. Diese Personen wären demnach theoretisch über den Arbeitsplatz für präventive und gesundheitsförderliche Maßnahmen zu erreichen.
In Ergänzung zum betrieblichen Arbeitsschutz (BAS) berücksichtigt die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) neben den körperlichen auch die psychosozialen Aspekte der Arbeitnehmer. Im Sinne der Ottawa-Charta der WHO zielt Gesundheitsförderung „auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen.“ (WHO, 1986). Seitdem werden für die betriebliche Gesundheit nicht mehr nur das individuelle Verhalten der Arbeitnehmer betrachtet, sondern auch die betrieblichen Strukturen. Nach der Luxemburger Deklaration umfasst BGF demnach „alle gemeinsamen Maßnahmen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz“ (Europäisches Netzwerk für Betriebliche Gesundheitsförderung, 2014).
BGF schafft und erhält gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen und betrachtet die salutogenen Anteile. Neben den Belastungen fokussiert die BGF auch Ressourcen der Arbeit (Ducki, 2000). Die Umsetzung der BGF ist vielfältig und reicht von verhaltensorientierten Interventionen bis hin zu umfänglichen Umstrukturierungen der Unternehmensorganisation.
BGF lässt sich auf verschiedene Art und Weise umsetzen. Diese ergeben sich zumeist aus der Frage nach der Interessenlage sowie der Zielsetzung des Unternehmens (Faller, 2012) . Das zentrale Anliegen von Maßnahmen ist die Gesundheit der Beschäftigten zu erhöhen, die Ressourcen zu fördern und das Wohlbefinden zu steigern. Zudem sollen gesündere Mitarbeiter mit höherer Motivation im eigenen Interesse der Unternehmen, Absentismus und Präsentismus vermeiden und Kooperation, Motivation sowie Produktivität verbessern. (Neuner, 2016).
Die Möglichkeiten der Interventionen sind breit gefächert. Um arbeitsbezogene Belastungen und deren Folgen zu reduzieren beziehungsweise die persönlichen Kompetenzen der Beschäftigten zu stärken, sollten verhaltens- und verhältnisorientierte Maßnahmen in den Unternehmen implementiert werden. Zur erfolgreichen Umsetzung sind einerseits die systematische Planung und Integration der Maßnahmen durch die Führungskräfte erforderlich, andererseits das Bewusstsein der Beschäftigten hinsichtlich ihrer Eigenverantwortung und der persönlichen Ressourcen für ihre Gesundheit.
Maßnahmen zur Prävention und Gesundheitsförderung gibt es in Deutschland zahlreich. Die meisten werden aufgrund der eingeschränkten Finanzierung nur einmalig umgesetzt, dabei handelt es sich zumeist um die Reduktion einzelner verhaltensbezogener Risikofaktoren. Angesichts der Vielfalt kann es für die einzelnen Unternehmen schwierig sein eine Auswahl zu treffen (Altgeld, 2012).
Welche Maßnahmen am wirkungsvollsten sind, hängt neben der Branche von der Besonderheit des Betriebes, der Zielgruppe sowie der Betriebsgröße ab. Nicht jede Maßnahme ist für jeden Bereich geeignet und meist verpflichten bereits die begrenzten finanziellen Mittel zu einer adäquaten Auswahl an Interventionen und Maßnahmen. Vor dem Hintergrund begrenzter finanzieller Ressourcen ist es wichtig Maßnahmen durchzuführen, welche die Mitarbeitergesundheit tatsächlich verbessern können. Um einen Nachweis über Nutzen und Wirksamkeit von Interventionsmaßnahmen erbringen zu können, ist eine Evaluation nötig. (Tempel et al., 2013; Wright, Lüken & Grossmann, 2013) .
In der praktischen Umsetzung müssen sie im jeweiligen Setting umsetzbar und wirksam sein. Zusätzlich sollten sie zu keinen unerwünschten Nebenwirkungen bei gesunden Mitarbeitern führen. Durch eine Evidenzbasierung der Maßnahmen muss demnach sichergestellt werden, dass diese Maßnahmen bevorzugt werden, deren Konzeption und Durchführung sich als wirksam erwiesen hat (Craig et al. 2008).
Nur wenn sich Maßnahmen als effektiv und effizient erweisen besteht eine realistische Chance, dass der Weg zu einem gesundheitsförderlichen Arbeitsplatz langfristig verfolgt werden kann. Doch nicht nur die harten Fakten spielen eine wichtige Rolle. Auch die subjektiv empfundenen, positiven Auswirkungen auf die persönliche Leistungsfähigkeit, Motivation und gesundheitsbezogene Lebensqualität. Selbst nicht messbare Effekte wie die stärkere persönliche Bindung zum Unternehmen, ein höherer Grad der Identifikation oder sogar Stolz auf den Arbeitgeber, der sich aktiv für das Wohlbefinden seiner Mitarbeiter engagiert, haben erheblichen Einfluss auf das Betriebsergebnis.
Der nachhaltige Erfolg betrieblicher Maßnahmen zur Gesunderhaltung wird maßgeblich durch die erfolgreiche Kommunikation im Vorfeld der Intervention aber auch durch Motivationsfaktoren des einzelnen Mitarbeiters bestimmt. Angebote des Arbeitsgebers, die in der Regel auf freiwilliger Teilnahme basieren, müssen unkompliziert in den Arbeitsalltag integrierbar sein und zwar unabhängig von der Art der Beschäftigung und dem Leistungsstandes oder Gesundheitszustandes des Mitarbeiters. Die jeweilige individuelle Praktikabilität ist von großer Bedeutung. Laut Meyer, Klose & Schröder (2015, S. 7) sollte „der Zugang zu den Präventionsangeboten ... für die Beschäftigten in ihren jeweiligen Alltagsablauf integrierbar sein“.
Eine bundesweite Befragung von Erwerbstätigen aus dem Jahr 2008 stellte fest, dass die Teilnahme der Arbeitnehmer an BGF Maßnahmen deutlich geringer waren, als bei diagnostischen Instrumenten des Arbeitsschutzes, wie beispielsweise Gesundheitsuntersuchungen (Zok, 2009). Während sich die Anzahl von BGF-Maßnahmen im Vergleich zweier Erhebungen 2006 und 2012 um sechs Prozent erhöhte stieg die Zahl der teilnehmenden Beschäftigten nur um zwei Prozent (Nöllenheidt, Wittig & Brenscheidt, 2014) . Meist erreichen die BGF-Maßnahmen nur die bereits motivierten Beschäftigten. Dies variiert nach Alter, Geschlecht oder Bildung (Dragano & Wahl, 2015).
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