Masterarbeit, 2021
91 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2. Erkenntnisse zum Humor
2.1 Begriffsannäherung Humor
2.2 Das Lächeln und Lachen – Ergebnisse der Gelotologie
2.3 Humorarten
3 Humoranregende Angebote in Krankenhäusern
3.1 Entwicklung von Humor im Akutkrankenhaus
3.2 Dachverband Clowns in Medizin und Pflege Deutschland e.V.
3.3 Stiftung „Humor hilft heilen“ (HHH)
4 Praxisforschender Zugang zur Kliniksozialarbeit
4.1 Beschreibung des empirischen Zugangs
4.2 Beschreibung der deskriptiven Analysemethodik
4.3 Nutzung der Beobachtungsprotokolle
5 Praxis der Kliniksozialarbeit im Akutkrankenhaus
5.1 Beschreibung des Arbeitsauftrags
5.2 Beschreibung der Patient*innenkontakte
5.3 Erleben und Emotionen im Akutkrankenhaus
6 Eine Handreichung für den Kliniksozialdienst
6.1 Was beim Lachen zu beachten ist…
6.2 (Humor-)Haltung
6.3 Beispiele von Humorinterventionen
6.4 Selbstfürsorge
7 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung
Seit April 2019 betreue ich als Sozialarbeiterin mehrere somatische Stationen in einem Akutkrankenhaus in Thüringen. Im Arbeitsalltag beobachte ich oft Situationen in denen Patient*innen1 sowie das multiprofessionelle Team gemeinsam lachen können, jedoch auch im nächsten Moment gemeinsam tragische Krankheitsverläufe betrauern. Ein ähnliches Auf und Ab erlebe ich bei Telefonaten mit Angehörigen, die sich bei humorvollen Kommentaren sofort entschuldigen, „denn die Situation sei ernst“. Meist reagiere ich verwundert, da ich doch selber gerne scherze, um den grauen Alltag zu erhellen.
So entstand mein persönliches Interesse daran, die verschiedenen Gesichter des Humors und deren Wirkungsweisen näher kennen zulernen – und damit den Menschen hinter den humorvollen Aussagen besser verstehen zu können. Bereits mehrere Studien beweisen positive Effekte bei Humoranwendungen u.a. in palliativen Situationen2 . In dieser Lebenslage stehe ich Patient*innen auch oftmals beratend zur Seite.
Die Master-Thesis beleuchtet den Zusammenhang zwischen der psychosozialen Beratung von Erkrankten und deren Familien in Rahmen des Sozialdiensts und dem Humor. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Beantwortung der Forschungsfragen: Wie kann eine mit Humor unterstützte Beratung in kurzen Beratungssequenzen für Patient*innen hilfreich sein? Was sollte bei der Beratung mit Humor beachtet werden, um Patient*innen nicht zu schaden oder zu kränken?
Die Erkenntnisse aus diesen Fragen werden als eine Handreichung gebündelt und mit Praxishinweisen verdeutlicht. Diese Handreichung soll Sozialdienstmitarbeiter*innen in einem Akutkrankenhaus helfen, humorvoll mit Patient*innen sowie mit sich selbst und mit den stressigen Situationen im Arbeitsalltag umgehen zu können.
Die Thesis gliedert sich inhaltlich in zwei Teile. Zuerst wird der theoretische Hintergrund zum Humor behandelt und im Weiteren die Handreichung mit dem Handlungskonzept dargelegt.
Der theoretische Teil beleuchtet die verschiedenen Arten und Funktionen von Humor und stellt die Wissenschaft des Lachens (Gelotologie) sowie eine Stiftung und einen Dachverband vor, der sich für humorvolle Interventionen in Kliniken und in der Pflege ausspricht. Im Anschluss folgt eine Beschreibung des Feldes der Kliniksozialarbeit, bezüglich dessen Definition, Aufgaben und Patient*innenkontakte. Zudem wird auf das Erleben der Patient*innen im Akutkrankenhaus eingegangen und mit humorvollen Interaktionen in Relation gestellt.
Mit diesen Kenntnissen wird, wie bereits beschrieben, im zweiten Teil eine Handreichung erarbeitet. In dieser wird darauf eingegangen, wie Humor im Krankenhaus explizit angewendet werden kann, nach welchen Richtlinien gehandelt werden sollte, mit welchen Effekten und Nachteilen zu rechnen ist und wie die Sozialarbeiter*innen eine eigene Haltung zum Thema entwickeln können. Es werden Tipps zur humorvollen Alltags- und Freizeitgestaltung an die Hand des/der Leser*in dieser Thesis gegeben, unabhängig seiner/ ihrer beruflichen Stellung im Krankenhaus. Diese Hinweise sollen helfen, eine bessere Psychohygiene betreiben zu können und damit gesünder mit sich selbst umgehen zu können.
Als zusätzliche Eigenleistung habe ich Patient*innengespräche in anonymen Gedächtnisprotokollen aufgenommen, die humorvolle Gedanken und Aussagen dokumentieren. Es wurden auch abwehrende Reaktionen auf Späße erfasst, um annährend das Gesamtbild zum Humor-Erleben darstellen zu können. Dabei erhebe ich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Angesichts der festen Formerfordernisse der Master-Thesis möchte ich für den Einblick in konkrete Forschungen auf die o.g. Studie verweisen.
Die gesammelten Patienten*innenaussagen werden im Laufe der Arbeit und im Handbuch aufgegriffen und zur Verbildlichung genutzt. Eine Übersicht aller Situationen sowie eine kurze anonyme Patient*innenbeschreibung folgt im Anhang der Arbeit. Da diese deskriptive Erhebung ausschließlich der Illustrierung dient, folgt keine weitere Auswertungsmethode.
„Vielleicht lässt sich aber der Humor nicht in einer umfassenden Theorie abbilden, sondern bedarf der Vielfalt, der Ebenen und auch der Unvollkommenheit. Man stolpert in den Theorien. Das ist komisch. Und Komik führt zum Humor. Es sollte einen daher nicht abhalten, Theorien zum Humor zu studieren, um sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen“ (R. D. Hirsch 2019, 42).
Durch verschiedene Begrifflichkeiten erfolgt zunächst eine Abgrenzung der allgemeinen Verwendung des Begriffs Humor, sowie des Lachens und des Lächelns, um der Thematik gerecht zu werden. In den Erläuterungen werden Scherze zur Illustration beigefügt, um den Bedenken eines unbekannten Autors vorzubeugen: „Humor zu analysieren, ist wie einen Frosch zu sezieren. Kaum jemand interessiert sich dafür und der Frosch stirbt dabei."
Die Frage nach einer Begriffsdefinition von Humor gestaltet sich sehr verständlich, als auch im selben Moment als sehr kompliziert. So hat wohl jeder Mensch eine Antwort darauf, was er unter Humor versteht, jedoch werden diese Antworten auch unterschiedlich lauten.
Schinzilarz und Friedli (2018) gehen auf den Ursprung des Begriffs ein. Der lateinische Begriff "umor" bedeutet demnach Flüssigkeit/ Feuchtigkeit und wird an die Lehre der vier Körpersäfte angelehnt. Demnach ist ein gesunder Mensch "im Humor", hat also ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Blut, Schleim, gelber und schwarzer Galle (Schinzilarz und Friedli 2018, 13–14). Weiterführend weisen die Autoren auf die angelehnten Begriffe "Humus" (Erdboden) und "Humanus" (menschlich) hin. Mit dieser Wortverbindung schaffen sie zum Humor ein Sinnesbild. Humor ist dabei wie eine vielschichtige Landschaft, die "in ausgewogener Art und Weise mit all dem bestückt ist, was sie sowohl spannend als auch eintönig, sowohl fruchtbar als auch wüstenreich, sowohl chaotisch als auch harmonisch, sowohl ausgewogen als auch widersprüchlich macht" (Schinzilarz und Friedli 2018, 14).
Doch was genau macht diese Landschaft so vielschichtig? „Gemeinhin verstehen wir unter Humor eine besondere Fähigkeit, einen Gemütszustand, eine Lebenseinstellung, die jedem Menschen auf etwas andere Art eigen ist. Neben diesem Verständnis als nach innen gerichtetem Persönlichkeitswert stellt Humor darüber hinaus eine aktive Äußerung in der zwischenmenschlichen Kommunikation dar“ (Schönhusen 2015, 7). Demnach ist Humor eine innere Haltung, wie der Mensch sich mit dem Leben auseinander setzte, aber auch eine Art der Interaktion. „Humorvolle Personen sind demgemäß jene Personen, die es schaffen, andere Menschen zum Lachen zu bringen oder komische Aspekte einer Person bewusst herausarbeiten“ (Lohmeier 2018, 16).
Welche Kriterien es braucht, damit Humor als Interaktionsmittel bei dem/der Gesprächspartner*in verstanden wird, hat Lohmeier zusammengefasst:
- Die Adressat*innen sollten unbekannt sein. „Blondinenwitze (…) waren vor Jahren aktuell, man kann einen Witz hundert mal hören, wird aber nicht hundert mal darüber lachen“ (Lohmeier 2018, 31).
- Das Grundgerüst eines guten Witzes ist die Pointe, die der Erwartungshaltung des Gegenübers widerspricht. Je mehr er über die Pointe überrascht ist, desto größer der Effekt.
- Der Inhalt sollte der Allgemeinheit verständlich sein. Zu komplizierte oder zu spezifische Inhalte verlangen eine zu lange Erklärung, sodass die Spannung des Zuhörenden sinkt und die Pointe verflacht.
- Ein gelungener Witz sollte daher auch unabhängig von der Zeit handeln, um langen kulturellen Erklärungen zu umgehen.
- Es ist wichtig, dass der/ die Zuhörer*innen nicht durch den Inhalt des Witzes gekränkt, beleidigt und sich religiös oder sexuell diskriminiert fühlt (Lohmeier 2018, S. 30–32).
Jedoch gibt es kein „Grundrezept“ für ein gelungenes humorvolles Gespräch. Viele Rahmenbedingungen, die auf die Gesprächspartner*innen negativ einwirken (bspw. Stress, Konflikte, Sorgen) können die Heiterkeit der Situation beeinflussen. „Eine Sache oder Situation wird erst durch eine bestimmte soziale Situation bzw. durch eine spezifische Betrachtungsweise ´komisch´, genau wie eine lustige Sache ´ernst´ werden kann, je nachdem, in welchen Kontext sie steht oder gestellt wird. Einer Sache oder Situation, die per se nichts Lustiges oder Komisches an sich hat, eine heitere Seite abzugewinnen, ist die Leistung des Humors“ (Schwarz 2015, S. 16).
Dass die genannten Definitionen allein von der Betrachtungsweise recht unterschiedlich sind, lässt zusammenfassend darauf hinweisen, dass es keine einheitliche Bedeutung des Begriffs Humor gibt.
Der Fokus der vorliegenden Master-Thesis liegt bei der humorvollen Kommunikation zwischen Sozialarbeiter*innen und Patient*innen im stationären Krankenhaus-Setting, wobei Humor als Ressource zur Krankheitsbewältigung angeregt werden soll. Um das Verständnis von Humor zu erweitern, wird im folgenden Punkt auf die verschiedenen Arten von Humor eingegangen.
Wenn wir Menschen lachen sehen, ist es leicht zu denken, dass sie gerade etwas Lustiges gehört haben, also miteinander humorvoll agiert haben. Aber ist das so richtig? Ist jedes Lächeln oder Lachen auf Humor zurückzuführen? Mündet jeder Humor in ein Lachen?
Ein Lächeln auf den Lippen ist, verglichen zum Lachen, eine weniger explosive Reaktion - geradezu zurückhaltend und diskret. Wenn jedoch etwas wirklich lustig ist, kommt das Lachen meist unwillkürlich, sodass der Versuch des Zurückhaltens in unpassenden Situationen fast unmöglich erscheint. Der Mensch kann es kaum kontrollieren (Hirsch 2019, 4).
Dabei sind das Lächeln und das Lachen tragende Elemente in der Evolution der homo sapiens. Das gemeinsame Lachen ist ein effektives Instrument der Gleichschaltung. Das bedeutet, dass sich die Individuen, die über einen ähnlichen Humor verfügten, auch andere Lebenssituationen ähnlich bewertet haben und darauf ähnlich reagiert haben. Der Humor hat also die Individuen zusammen gebracht, damit sie in einer Gruppe überlebensfähiger waren (Schwarz 2015, 13).
Noch heute nutzt der Mensch das Lächeln als eine Überlebensfunktion. So können Kleinkinder ab dem dritten Monat lächeln, was sich stabilisierend auf die Mutter-Kind-Beziehung auswirkt. Außerdem stiftet es Wohlwollen und signalisiert eine Schutzbedürftigkeit bei Empfänger*innen. Ein Lächeln hemmt Aggressionen bei denjenigen, die dem Kind schaden wollen (vgl. Frittum 2009, 50).
Die psychische Entwicklung im Umgang zum Lachen währt ein Leben lang, so „folgen dem ersten Lachen Schritt um Schritt das Lächeln der Verlegenheit, das freundliche Lachen, Lachen über komische Situationen, das Lachen in der Gruppe, das aggressive Lachen über einen Außenseiter und schließlich […] das Lachen der Schadenfreude (vgl. Berger 1998, 58 in Frittum 2009, 50). Es ist bemerkenswert, dass jede Kultur sich mit dieser Entwicklung auseinandersetzt (Hirsch 2019, 4). Es bemühen sich Wissenschaften, dieses Phänomen zu untersuchen.
Die Gelotologie ist die Wissenschaft zu den körperlichen und psychischen Auswirkungen des Lachens. Erstmals wurde dieses Forschungsgebiet 1964 durch den Psychiater William F. Fry an der Standford University (USA) benannt. Heutzutage bildet es sogar einen bedeutenden Anteil in der Psychoneuroimmunologie, die die Wirkung eines positiven Gemütszustandes bei der Selbstheilung von Erkrankungen untersucht. Führende Gelotologen sind neben Fry auch Paul Ekman, Robert Provine und Willibald Ruch. In Deutschland ist Dr. Michael Titze, der Gründungsvorsitzende von HumorCare e.V., auf dem Gebiet bekannt (vgl. humor.ch 2020).
Doch was passiert beim Lächeln eigentlich? Die Mundwickel gehen nach oben. Die Augenmuskeln werden angespannt – die Augen beginnen zu strahlen. Durch die Muskelanspannung zwischen Wange und Auge wird ein Nerv mobilisiert, der im Gehirn Glückshormone produziert (Schinzilarz und Friedli 2018, 30). Die Physiologie des Lachens ist etwas komplexer, sodass viele Körperbereiche eingebunden sind. Es kommt zu muskulären Veränderungen, wie beispielsweise Bewegungen in Kopf und Rumpf und einer verstärkten Respiration. Im kardiovaskulären Bereich sind unter anderem eine erhöhte Herzfrequenz, ansteigenden Blutdruck und Veränderungen des peripheren Blutvolumens. Das Lachen hat zudem Einfluss auf die Pupillendilatation und den exokrinen Sekretionen. Die innerlichen Prozesse beeinflussen dabei die nonverbale Kommunikation in der humorvollen Interaktion, was bspw. durch schnellere Kopf- und Handbewegungen, Kurzatmigkeit, veränderte Mimik erkennen lässt. Im Austausch einer lustigen Anekdote o.ä. wirkt diese nonverbale Kommunikation wesentlich eindringlicher, als die Vokalisation, also die Aussprache des Lachens, wie „hihi“, „haha“ (Hirsch 2019, 5).
Dabei gibt es verschiedene Formen des Lachens, die durch die unterschiedliche Vokalisation der Sender*innen gebildet wird. Die Unterscheidung obliegt der individuellen Interpretation der Empfänger*innen. So kann unterschieden werden zwischen
- dem aggressiven, zynischen und skeptischen Lachen
- dem ironischen, verzweifelnden und verlegenen Lachen
- dem rätselhaften und gemeinen Lachen
- dem gelangweilten, verklemmten und höflichen Lachen,
- dem schallenden, impulsiven und spontanen Lachen,
- und dem entwaffnenden, befreienden und fröhlichen Lachen (Hirsch 2019, 6).
Eben letzteres hat eine stark motivierende Wirkung auf Menschen. Das gibt den Autoren Schinzilarz und Friedli den Anlass im Buch „Humor im Coaching, Beratung und Training“ (2018) eine tägliche Lachroutine zu empfehlen. Sie raten an jedem Morgen bewusst für einige Minuten zu lächeln. Wem das schwer fällt, kann auch für eine gewisse Zeit auf einen Stift beißen, sodass er von den Eckzähnen gehalten wird. Die Endorphine werden mit der Gesichtsanspannung aktiviert, gleichzeitig werden die Stresshormone Adrenalin und Cortisol abgebaut - es entsteht ein inneres, warmes Gefühl. Spätestens der Anblick im Spiegel ermöglicht einen heiteren Start in den Tag (Schinzilarz und Friedli 2018, 30). „Gerade in Momenten, in denen wir meinen, dass alles todernst und tieftraurig ist, können wir unser Wohlgefühl mit einem Lächeln oder Lachen steigern. Die Situation bleibt die gleiche, sie fühlt sich einfach ein bisschen besser an und ist dadurch leichter zu bewältigen“ (Schinzilarz und Friedli 2018, S. 23). Gerade der zuletzt beschriebene Effekt lässt sich gut für die psychosoziale Gruppenarbeit verwenden. Das gemeinsame Lachen fördert das Gemeinschaftsgefühl und verbessert die Kommunikation untereinander. So können Gruppenmitglieder Meinungsübereinstimmungen finden, von denen sie zuvor noch nichts wussten. Das präveniert Spannungen und Aggressionen (Hirsch 2019, S. 3). In zähen Phasen einer Gruppenarbeit kann Humor als Pausenangebot genutzt werden. Durch das „Querdenken“ wird Körper und Geist gelockert, was oftmals mit einem Motivationsschub in Kreativität und Motivation belohnt wird. Zudem können humorvolle Spiele eingesetzt werden, um ein Gruppentreffen einzuleiten oder zu beenden (Schinzilarz und Friedli 2018, 34).
Auch im Einzelsetting bietet es sich an, die Klient*innen, aber auch sich selbst zum Lachen zu bringen. Wenn der/die Berater*in selbst zu Beginn einer Sitzung lächelt, bereitet es ihm/ihr einen motivierten inneren Zustand. Das überträgt sich auf die Beziehungsebene, sobald der/die Klient*in den Raum betritt – „Ich finde es schön, dass Sie da sind. Willkommen!“. Wie letztendlich der/die Klient*in das Lachen für sich bewertet, ist meist abhängig von der affektiven Situation und der vorangegangenen Beziehung der beiden. Der/Die Sozialarbeiter*in braucht Sensoren, um die jeweilige Interpretation zu erspüren. Es kann auch zu Verunsicherung kommen, wenn das Gegenüber das Lachen als ein Auslachen interpretiert und sich dadurch unsicher und nicht ernst genommen fühlt. Um dieses Risiko zu umgehen, verbieten diktatorische Staaten generell Humor (wie Parodien) gegenüber der Staatsmacht zu verwenden. Sie sehen das gemeinsame Lachen über politische Geschehnisse als Machtverlust. Die Machtinhaber*innen wollen nicht Gegenstand von Parodien werden (Hirsch 2019, 7).
In anderen Ländern ist der Umgang mit dem Lächeln und Lachen gänzlich anders. So wird u.a. die Humortherapie bereits in vielen europäischen Ländern als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen finanziert. Beispielsweise findet diese Therapie bei Patient*innen mit Zustand nach Myokardinfarkt (Herzinfarkt) Anwendung, wobei das Lachen als positiver Stresszustand genutzt wird. Wie in den bereits beschriebenen Körperreaktionen, weiten sich die Arterien nach einem „Lachanfall“ und der Blutdruck sinkt. Die Arterien sind „freigeblasen“. „Durch die schnellere Atmung erhöht sich der Gasaustausch um ein Dreifaches. Das Zwerchfell spannt sich, dadurch dehnen sich die Lungenflügel. Wenn wir dann lauthals loslachen, pressen wir den Atem stoßartig mit bis zu 100 km/h aus der Lunge heraus. […] Ein ausgiebiges Lachen bewegt allein im Gesicht 17 verschiedene Muskeln. Im gesamten Körper werden sogar bis zu 300 Muskeln in Bewegung versetzt“ (HeilungDurchBewegung. 2020). Bei der Vaskularisation (Gefäßversorgung) ist die Humortherapie dienlich, indem die Muskelbewegungen Verspannungen lösen können und die Verdauung angeregt werden kann. Ein Abend voller humorvollen Ereignissen kann sich dabei am darauffolgenden Tag durch den Muskelkater im Bauchbereich wie ein absolvierter Leistungssport anfühlen (ebd.).
Ein weiterer Effekt der Lachtherapie ist die Schmerzbekämpfung, sowie die Stärkung der Abwehrkräfte. Patient*innen können so ihren Fokus auf die humorvolle Unterhaltung legen, weswegen das Schmerzempfinden weniger intensiv wahrgenommen wird. Aber eben diese Unterhaltung anzuregen, bedarf es in Krankenhäusern für erwachsene Patient*innen meist externe Anleitung durch die Therapeut*innen. Laut der Forschung lachen Erwachsene 15- bis 20-mal täglich für jeweils einige Sekunden, Kinder hingegen 200- bis 400-mal täglich (ebd.).
Dabei bietet der Alltag verschiedene Anreize im Umgang mit anderen Personen. Kulturell wird in Deutschland bei folgenden Aktivitäten gelacht (Hirsch 2019, 4):
- das Erleben von komischen Situationen bei Beruf, Schule, Freizeit oder beim Ansehen von Videos (die über das Internet geteilt werden)
- beim Weitersagen und Hören von Anekdoten oder Witzen
- bei Vertuschung einer Beschämung oder Kränkung
- bei Begrüßungen, Verabschiedungen, Flirt oder bei lockeren Unterhaltungen
- als Ausdruck von Glück und Freude, aber auch von Schmerz und Hilflosigkeit, im Zuge einer „Siegerposition“ nach einem Erfolg
- als „Ansteckung“, wenn die gegenüberstehende Person lacht (aufgrund der Spiegelneuronen)
- um Stress und Belastung abzubauen
- als Reaktion, wenn ein anderer Jemanden kitzelt
- nach Kant: „Es muss in allem, was ein lebhaftes, erschütterndes Lachen erregen soll, etwas Widersinniges sein, woran der Verstand an sich kein Wohlgefallen finden kann. Das Lachen ist ein Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts“ (Kant 1790/2001, 228 ff. in Hirsch 2019, 5).
Zudem besteht auch die Möglichkeit, aufgrund von neurologischen und psychischen Erkrankungen ein unkontrolliertes, krankhaftes Lachen – das sogenannte pathologische Lachen, zu entwickeln, wie es bspw. aus dem Film „Jocker“ vom Regisseur Todd Phillips aus dem Jahr 2019 bekannt ist. Das mimische Verhalten entkoppelt sich, das Lachen hält für einige Momente an. Diese Form prägt sich unter anderem bei Psychosen mit schizophrenen Formen, Intoxikationen, Pseudobulbärparalyse oder Multiple Sklerose aus. Das Lachen passiert dabei unwillkürlich, ohne dass es für Außenstehende einen adäquaten Auslöser gibt (Hirsch 2019, 9).
Glücklicherweise gibt es viele verschiedene Möglichkeiten einen humorvollen Gedanken zu enzwickeln. Welche diese u.a. sind und was dabei dem menschlichen Denken zugutekommt, fassen der Organisationsberater Dr. Gerhard Schwarz und der Sozialarbeiter Markus Frittum in den folgenden Ausführungen zusammen.
Witz und Komik
Doktor: "Ich fürchte, Sie haben einen Tumor im Bauch!"
Patientin: "Ich bin schwanger, Sie Blödmann!"(witze.net 2020)
Ein Witz, wie sie in Witze-Büchern o.ä. gesammelt werden, wird unter den Punkt 2.1 genannten Kriterien „künstlich erzeugt“. Das Gegenüber wird zum Lachen gebracht, wenn der Witz vorgelesen und die Widersprüchlichkeit verstanden wird. Der Mensch erfreut sich, in dem von Situationen gesprochen werden, die offensichtlich keinen Zusammenhang haben. Diese vermeintliche Verbindung zueinander dann doch zu erkennen, löst das Lachen aus. Freud hat die Motivation, Witze zu hören als „Lust auf Erleichterung“ genannt. Es ist gesund, regelmäßig diese Widersprüchlichkeit zu erfahren, da sie die Gefahr von „geistiger und affektiver Erstarrung“ mindert (Frittum 2009, 35 f.). Es trainiert das Denken auf Perspektivwechsel und hilft so, die eigene Lebenslage reflektiert relativieren zu können.
Auch die Komik verfolgt diesen Effekt. Dabei ist jedoch das Komische nicht unbedingt vorgelesen und weitergegeben, sondern mit vielfältigen Möglichkeiten inszeniert oder konstruiert. Komiker wie Helge Schneider oder Otto Waalkes stellen somit Filme, Musik und Bühnenauftritte dar, um „intellektuelles Raffinements“ zum Ausdruck zu bringen (Frittum 2009, 35).
Der Medizinstudent übt eine Zangengeburt. Klopft ihm der Professor auf die Schulter: „Großartig, wenn Sie jetzt noch dem Vater die Geburtszange über den Kopf hauen, dann haben Sie die ganze Familie ausgerottet.“(witze.net 2020)
Wenn etwas Ironisches geäußert wird, ist es …
- … das Gegenteil von dem, was eigentlich gemeint ist.
- … eigentlich ein anderer Sachverhalt, auf den die Person hinweisen möchte.
- … ein Tadel durch falsches Lob bzw. lobt damit einen vergeblichen Tadel.
- …. eine Art des Lustigmachens (vgl. Knox 1973 in Frittum 2009, 36).
Dabei gilt die Ironie als gelungen, wenn das Gegenüber die Überlegung dahinter verstanden hat und die eben genannten Aspekte im Sachverhalt einordnen kann. Es gilt als eine „positive Erkenntnisanstrengung“, da der/die Empfänger*in anregt wird, aktiv kritisch über ein Thema nachzudenken und das Handeln neu zu überdenken. So kann der/die Empfänger*in der Botschaft, die der Medizinstudent im oben genannten Beispiel erhalten hat, abwägen, eventuell den Umgang mit der Geburtszange zu üben.
Eine besondere Art der Ironie ist die Selbstironie, wobei derjenige, der die Ironie äußert, sich kritisch, aber auch wertschätzend mit einer vergangenen Handlung reflektiert (Frittum 2009, 36 f.) .
Der Oberarzt merkte nicht, dass noch etwas Aufstrich seines Frühstückbrotes an seinem Bart klebt, als er zur Visite kam. Als seine Kollegen ihn darauf hinweisen, antwortet er: „Oh ja, ich habe mir etwas zum Nachtisch aufgehoben.“
Schwarz beschreibt, dass der/die Sender*in der Ironie eine Art „Sensorium“ beweisen muss, ob derjenige die humorvolle Antwort im Gespräch verstanden hat. Es soll sich lohnen, wenn im Gesprächsverlauf „der Groschen fällt“ (Schwarz 2015, 30).
Als der unbeliebte Oberarzt, der den Chef mit jedem Preis positiv beeindrucken möchte, zur wichtigen Videokonferenz etwas zu spät und zudem auch noch mit einem offensichtlichen Kaffeefleck auf dem Hemd kam, kann sich der Assistenzarzt das Grinsen nicht verkneifen.
Obwohl die Schadensfreude in der eben geschriebenen Situation durch den Alltag wohl bekannt ist, wird diese Form des Humors eher als destruktiv angesehen. Dabei wird in dem Moment, wenn etwas einer Person, die man kaum kennt bzw. ohnehin schon unsympathisch findet, etwas Unangenehmes widerfährt, reflexartig ein Lachen ausgelöst. Das archaische Muster, welches in dem Moment gilt, wird dadurch gebrochen. Das aufkommende Rachegefühl wird dabei im Belohnungszentrum des Gehirns (Nucleus Accumbens) als Genugtuung empfunden. Teilweise nutzen Medien auch diesen Effekt, um Zuschauer*innen zu werben. So nutzt beispielsweise die TV-Plattform „Das Dschungelcamp“ mäßig bekannte Promiente, die ihre Bekanntheit erhöhen wollen. Durch die Schadensfreude während des „Dschungel-Alltags“ soll wieder Interesse an ihnen geweckt werden. Ist jedoch eine Person betroffen, zu der eine empathische Neigung besteht, wird für die Situation Mitleid empfunden (vgl. Rassek 2019).
Der im Sozialsystem positiv erlebbare Effekt ist dabei, die „Relativierung absoluter Ansprüche hoheitsvoller oder erhabener Zumutungen“ (Schwarz 2015, 32). So werden angesehene Prominente, die von Medien als unantastbar und makellos perfekt darstellt werden, bei einem Malheur auf dem roten Teppich als „menschlicher“ empfunden. Es gilt das Motto: „Ein Missgeschick passiert jedem einmal“. Diese Wirkung lässt sich bei gruppendynamischen Konfliktinterventionen nutzen. So kann die Gruppenleitung auf ein Missgeschick, dass mittlerweile jedem Gruppenmitglied bekannt ist, auf sympathische-humorvolle Weise berichten, um den „Beschädigten des Missgeschicks“ positiv in die Gruppe zu reintegrieren (Schwarz 2015, 30–33).
Krankenhausparodie von Helene Fischers Lied „Atemlos“:
Strophe: „Wir ziehen durch die Klinik, Stethoskop in der Hand.
Die Schwestern haben grade einen Notfall erkannt. (woho, woho)
Gerade erst Examen, Erfahrung hab' ich nicht.
24 Stunden und kein Ende in Sicht! (woho, woho)
Eben noch geträumt von dir, ich wünsche mir du wärst jetzt hier.
Mein Oberarzt der ist Zuhaus' und es gibt kein' Weg hier raus!
Refrain: Atemnot in der Nacht. Die Schicht geht noch bis früh um acht.
Atemnot in der Nacht. Bin durch den Melder aufgewacht.
Atemnot, in der Nacht, ein Herzinfarkt in Zimmer acht.
Atemnot, was kann das sein? Lasst mich durch, ich muss da rein!
Hyperventiliert er in die Alkalose oder ist es nur 'ne Pneumonie?
Vielleicht ist es ja auch von der Kurznarkose oder doch 'ne Lungenembolie?“
(Antonia W., Lukas S. und Kristina Bach 2014, https://youtu.be/Kp51XLL0x0M)
Die Humorform von Parodie und Satire stellen eine Art „Spottgesang“ dar. Durch Ironie, Spott und Hohn werden Aussagen oder Zustände in ein lächerliches Licht gestellt. Das kann zum einen öffentlichen Personen aus Kunst und Medien, aber auch Politikern in den Rücken fallen, wenn deren Handlungen bspw. in Talkshows oder Berichten überzogen oder untertrieben werden, um etwas Komisches darzustellen (Schwarz 2015, 34 f.).
Diese Humorform kann jedoch auch als kreative Auseinandersetzung zu einem kritischen Thema genutzt werden, wie etwa im o.g. Beispiel, um auf die unzureichende Anleitung von Assistenzärzt*innen oder auch Personalnot in Kliniken hinzuweisen.
Auch in psychosozialen Gruppen kann Parodie und Satire genutzt werden, indem der/die Gruppenleiter*in auf eine humorvolle, aber auch respektvolle Art Aussagen von bestimmten Gruppenmitglieder mit verstellter Stimme wiedergibt. Wenn die Gruppe diese Humorform versteht, gelingt es ihnen durch das Spiegeln, ihre Außenwirkung zu erkennen und reflektiert für sich zu bewerten (Schwarz 2015, 35).
Liegt einer im Krankenhaus. Neben ihm liegt einer, der stöhnt und stöhnt, als ob er's nicht mehr lange macht. Als die Schwester kommt, sagt er zu ihr: "Sagen Sie mal, können Sie den denn nicht ins Sterbezimmer legen?" Darauf die Schwester: "Was meinen Sie denn, wo Sie hier liegen?"(witze.net 2020)
Wer mit bloßer Ironie scherzt, wirkt meistens auf dem Gegenüber noch auf eine Art charmant und freundlich. Wird jedoch Sarkasmus verwendet, wirkt die Person unsympathisch, bis hin als bösartig. Das ist darin begründet, dass der Ironie eine sehr dominante und eine aggressive Komponente an Spott und Hohn beigefügt wird. Aussagen, die mit Sarkasmus verfasst werden, sollen den/die Empfänger*in denunzieren (Frittum 2009, 37).
Diese Art des Humors unterscheidet sich darüber hinaus auch von bloßer Ironie und Spott, da Sarkasmus oftmals auf Konsequenzen der angespielten Handlung hinweist. Der daraus schließende Handlungsappell deutet in der Regel nicht auf eine angenehme oder vom/von der Empfänger*in unerwartete Handlung hin (Schwarz 2015, 35). Im o.g. Beispiel teilt die Krankenschwester mit, dass der Patient bereits in einem Zimmer der Palliativstation sei. Er ist überrascht, dass er auch auf der Station ist.
Ich habe den Rettungssanitätern die falsche Blutgruppe für meine Ex-Freundin genannt. Jetzt wird sie am eigenen Leib erfahren, wie es sich anfühlt, abgelehnt zu werden.(witze-paradies.de 2020)
Aussagen, die mit schwarzem Humor verfasst sind, karikieren in der Regel unangenehme, hoffnungslose und traurige Situation. Die Art des Humors ist eine Art Abwehrmechanismus, den angsteinflößenden Umständen, wie den Tod, das Voneinander-Abschiednehmen, das Scheitern auf rebellische Art den Fokus vom Traurigen nimmt. Das lässt sich nutzen, um in aussichtlosen Situationen, in der keine intellektuelle Lösung wirksam ist, „bei Laune“ und motiviert zu bleiben, um schwierige Situation überwinden zu können (Frittum 2009, 38).
Der Sozialarbeiter Frittum berichtet von dem Werk „Gefährliches Lachen. Schwarzer Humor im Dritten Reich“ von Ralph Wiener aus dem Jahr 1994. Darin werden „Flüsterwitze“ aus dem Dritten Reich beschrieben. Sie trugen die Verachtung gegen die nationalsozialistische Diktatur in sich und dienten dazu eine Distanz zu finden.
„Was gibt’s für neue Witze?“ – „Drei Monate Dachau.“
Die damalige politische Regelung sah es laut „Wehrkraftzersetzung“-Gesetz vor, das Flüstern eines solchen politischen Witzes mit der Todesstrafe zu ahnden (Frittum 2009, 38).
Das Land leidet an einer wachsenden Zahl von Rentnern, denn es gibt immer mehr Alte und immer weniger Junge, die deren Rente stemmen können. Man könnte das Problem in den Griff kriegen, wenn man den Alten die medizinische Versorgung verweigert, um so die Sterblichkeitsrate auf ein normales Maß zu reduzieren und die Greise in Zaum zu halten. Das würde zur Entlastung unserer Generation führen.(wortwuchs.net 2020)
Die Art des Zynismus hat weniger mit der frohen Seite von Humor zu tun, sondern ist vielmehr eine „psychologische Verteidigungs- und Angriffshaltung in zwischenmenschlichen Beziehungen“ (Fry 2006, 67 in Frittum 2009, 37). Zynische Aussagen beachten keine Moral und keine sittlichen Umgangsformen. Sie demaskieren Unausgesprochenes und verlächerlichen damit menschliche Ideale und Werte. Hinter den Botschaften stecken Enttäuschung, Verbitterung und Resignation gegenüber der Ungerechtigkeit einer bestimmten Situation, so wird bspw. im o. g. Beispiel die Unverhältnismäßigkeit des Generationsvertrages kritisiert. Zynismus stellt also einen Bewältigungsmechanismus dar, der eine bestimmte Kränkung unterbewusst befriedigt. In der psychosozialen Beratung bietet sich damit die Möglichkeit, diese Kränkung zu finden und zu thematisieren (Frittum 2009, 38).
Zudem polarisieren zynische Aussagen. Das Gegenteil der zynischen Äußerung kann also der Realität entsprechen oder eben der Antithese (Schwarz 2015, 36).
Neben der Darstellung der verschiedenen Arten, wie Humor aufgebaut werden kann, ist es von großer Bedeutung, wie Humor bei der jeweils einzelnen Person überhaupt zugelassen werden kann. Dazu hat der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Hirsch drei Stufen entwickelt. In der Darstellung der drei Stufen stellt er die Humorfähigkeit gleich mit der „Fähigkeit zu Lachen“.
1. In der ersten Stufe kann der Mensch nicht lachen. Hierbei ist zu unterscheiden, ob er situativ oder aus physiologischen Gründen nicht lachen kann oder will.
2. Der Mensch hat die Fähigkeit über andere Menschen in seinem Umfeld zu lachen. Dabei zählen die o. g. Formen. Er erhebt sich gegenüber den anderen, indem er sie auslacht, sie neckt, sich lustig macht und sich über Missgeschicke freut.
3. Bei der dritten Stufe kann die Person über sich selbst lachen, indem sie durch Reflexion und Selbsterkenntnis die vergangenen Tätigkeiten und Aussagen für sich auf humorvolle Weise kritisch prüft. Diese Humorstufe ist durch die Reflexionsfähigkeit erst im Erwachsenenalter möglich.
4. Die höchste Stufe des Humors verlangt gemeinsam mit anderen über sich selbst lachen können. Das ist das höchste Niveau des Humorprozesses, in dem mit anderen über die selbst erlebte Peinlichkeit gelacht wird, ohne dass das Selbstbild Schaden nimmt (Hirsch 2019, 290).
2 Humoranregende Angebote in Krankenhäusern
Beim Betreten eines Krankenhauses, ob als Besucher*in oder als Patient*in, fallen viele helle, blank geputzte Flure auf, die scheinbar ins Endlose führen. Hinweisschilder mit Farben, Zahlen und irreführenden Abkürzungen sollen eine Orientierung geben. Auf den Fluren sind Menschen, die viel zu beschäftigt sind, um sie um Hilfe fragen zu können. Zwar gibt es augenscheinlich kein Verbot zu lachen, dennoch wird der Eindruck erweckt, dass humorvolle Einwürfe nur den geregelten Ablauf der Patientenaufnahme, -behandlung und -entlassung stören werden. Warum wird ein solcher Eindruck erweckt und wie kann dieser verbessert werden?
Bereits vor Christus war bekannt, dass Humor der Gesundung beiträgt. Allerdings brauchte es noch einige Zeit, bis diese Erkenntnis aktiv in das Krankenhausgeschehen mit eingebunden wurde. So erkannte der englische Arzt Thomas Sydenham, der im 17. Jahrhundert als praktisch orientiert galt und auf Selbstheilungskräfte der Patient*innen vertraute, dass wohl etwas Humor bei Patient*innen mehr helfe, als mehrere Esel mit Medikamenten (vgl. de.scio.pw 2020; Hirsch 2014, 66).
Wegbereiter des therapeutischen Humors im 20. Jahrhundert gilt jedoch der US-Amerikanische Wissenschaftsjournalist und Friedensaktivist Norman Cousins (*1915, † 1990). Er beschreibt in seinem Werk „Anatomy of an Illness as Perceived by the Patient“ wie er sich durch Humor bei einer unheilbaren, progressiven Kollagenose (eine Autoimmunerkrankung) therapierte. Zunehmende Schmerzen und Lähmungserscheinungen hat er durch sein Lachen abgelenkt. „He obtained a movie projector, nos mall feat in those days, and a pila of funny movies inclusing the Marx Brothers and „Candid Camers“ shows. He spent a great deal of time watching these films and laughing. And he didn´t just laugh. In spite of being in a lot of constant pain, he made a point of laughing until his very stomach hurt from it“ (Parrowsmith 2017). Er gründete an der Universität von Los Angeles die erste Forschungseinrichtung zur Gelotologie (vgl. Gesellschaft für medizinische Intensivpflege mbH 2020). Doch wie kann eine Klinik das Lachen eines/ einer Patient*in anregen?
Neben Gesprächen mit humorvoll gestimmten Krankenhauspersonal oder einer anregenden Raumgestaltung bieten manche Kliniken gezielte „Humorinterventionen“ an, um ihre Patient*innen „bei Laune zu halten“. Diese sind unter anderen die Arbeit mit einem Lachkoffer, der freie Zugang zu einem Humorzimmer, therapeutische Stunden in einer Humorgruppe oder die Zeit mit Klinikclowns. Diese eben genannten Methoden werden nachfolgend genauer vorgestellt.
Der Lachkoffer wird durch das Pflegepersonal zusammengestellt. Im Koffer sind viele fantasie- und humoranregende Gegenstände, wie Scherzmasken, Luftballons, Flummis, aber auch Bücher, Cartoons oder einfache lustige Sprüche. Der Inhalt des Koffers kann von Patient*innen, aber auch vom Klinikpersonal erforscht und ergänzt werden.
Das Humorzimmer ist ein speziell eingerichteter Raum auf einer Station oder in einer zentralen Position in der Klinik, welcher zum gemeinsamen Treffen von Pfleger*innen oder Patient*innen einladen soll. Ähnlich zum Lachkoffer befinden sich auch dort eine Vielzahl „komischer“ Dinge. Der Ort kann für regelmäßige Partys, Spieleabende oder Veranstaltungen für Künstler*innen genutzt werden.
Therapeutische Humorgruppen werden vorwiegend in psychiatrischen Kliniken veranstaltet. Ziel ist es dabei, dass sich die Gruppenmitglieder gegenseitig von lustigen Alltagserlebnissen berichten lernen, gemeinsam über Witze lachen, zusammen Grimassen schneiden und zusammen Rollenspiele oder Sketche ausprobieren, die sie später eventuell vorführen können. Zwischen den einzelnen Treffen werden Hausaufgaben mitgegeben, um den Humor während der Zwischenzeit im Fokus zu behalten. Das Angebot richtet sich vor allem an Patient*innen mit depressiven, narzisstischen Anteilen oder auch psychosomatische Erkrankte (vgl. Gesellschaft für medizinische Intensivpflege mbH 2020).
Klinikclowns sind seit 1986 in amerikanischen Pädiatrien unterwegs. Anfang der 90er Jahre kam der Trend als „Clowndocs“ mit Clownsvisiten nach Europa, in Deutschland im Jahr 1993. Menschen, die Erkrankten auf diese Art helfen, sind professionell ausgebildete Clowns, die zusätzlich über die Spezifik des Krankenhausalltags ausgebildet sind. So verfügen sie über ein breites Repertoire an typischen Situationen aus dem Pflegealltag, die sie mit Überraschungsmomenten oder unsinnigen und verrückten Elementen schmücken. Zuvor bespricht der Klinikclown die derzeitige Situation der Patient*innen auf der Station mit dem Pflegepersonal, um die Interaktion anzupassen (vgl. Schmidt 2010, 847).
Derzeit ist eine Humortherapie in Akutkrankenhäusern eher selten, aber dennoch bundesweit verbreitet. Der Verein Dachverband der Clowns in Medizin und Pflege hat dazu eine Übersicht der Einsatzorte erstellt, wobei bereits neun Kliniken als fester Einsatzort beschrieben sind (zuzüglich der Zahlen der geriatrischen Kliniken und der Kinder- und Jugendkrankenhäuser, vgl. Dachverband Clowns in Medizin und Pflege Deutschland e.V. 2020). Eine Ursache, warum in deutschen Kliniken nicht mehr gescherzt wird, liegt an der Unsicherheit des Personals. Dieses muss geschult werden, um adäquat individuell und sensibel auf die Patient*innen einzugehen, ohne sie in der ohnehin physischen und psychischen belastenden Situation zu verletzen (ebd.). Mit Fingerspitzengefühl muss im Gespräch geprüft werden, wie die Person reagiert und welche Gedankenanstöße für sie eventuell nützlich sind. "Das bedeutet für Humor als Heilmittel: Es ist ein zufallsabhängiges Mittel. Es kann nicht wie ein Medikament zu einer festen Zeit verabreicht werden und wirkt zu einem bestimmten Zeitpunkt“ (vgl. Schmidt 2010, 846). In den nachfolgenden Abschnitten werden ein Dachverband und eine Stiftung vorgestellt, die Klinikclowns in Deutschland fördern.
Als einziger bundesweiter Zusammenschluss aller 16 Clowns-Vereine, die therapeutischen Humor in Kliniken und Pflegeheimen verbreiten, ist der Dachverband „Clowns in Medizin und Pflege Deutschland e.V.“ seit der Gründung 2006 der erste Ansprechpartner, um für eine Station eine Clownerie zu organisieren. Beispielsweise ist der Clownsnasen e.V. Leipzig für den Thüringer Raum zuständig und besuchten die Kinderstation des Helios Klinikums in Erfurt. Gemeinsam mit den anderen Vereinen ermöglichen die Clownsnasen über 16 000 Einsätze im Jahr bei Kindern in Krankenhäusern, Senior*innen in Pflegeheimen, geriatrische und gerontopsychiatrische Patient*innen, sowie Menschen aus Hospizen und der Palliativmedizin. Neben dem Ziel für die therapeutische Clownerie eine organisatorische Struktur zu schaffen, möchte der Dachverband Professionalität und eine Qualitätssicherung in dem sensiblen Arbeitsbereich bieten. So gibt es feste Aufnahmekriterien für die Vereine, um sich mit dem Dachverband identifizieren zu dürfen. Es ist vorgesehen, dass einmal jährlich alle Mitglieder ein Coaching und zusätzlich eine Fortbildung absolvieren. Jede Einrichtung, mit der der Verein kooperiert, muss mindestens einmal monatlich besucht werden. Die Künstler*innen müssen für ihre Arbeit bezahlt werden. Es wird erwünscht, dass die Künstler*innen professionell ausgebildet sind und bei Einrichtungen zu zweit (idealerweise als Männer-Frauen-Paar) erscheinen. Innerhalb des Verbandes findet in jedem Jahresquartal ein Austausch statt. Es ist unabdingbar dem ethischen Codex zu befolgen. Dieser besteht in abgekürzter Form aus folgenden Punkten:
1. Der Verein bildet die Künstler*innen für das besondere Umfeld der Kranken- und Altenpflege mit theoretischem Wissen, wie medizinisches Vokabular, verschiedene Krankheitsbilder, Umgang mit Schmerz und Tod und Entwicklung des Kindes, aus.
2. „Die Aufgabe des Clowns im Krankenhaus besteht darin, Patienten und deren Angehörige dabei zu unterstützen, besser mit dem Aufenthalt in der jeweiligen Einrichtung umzugehen und somit den Genesungsprozess zu fördern. Die Clowns integrieren Humor, Lebensfreude, Phantasie und Spiel in den Klinikalltag und müssen sich bewusst sein, dass sie nicht nur das Wohlbefinden des Patienten, sondern auch das der Angehörigen und des Klinikpersonals fördern“ (Dachverband Clowns in Medizin und Pflege Deutschland 2020)
[...]
1 In der vorliegenden Arbeit wird die gendersensible Schreibweise mit Sternchen benutzt. Diese Schreibweise soll alle Geschlechter mit einbeziehen und darüber hinaus auf die Vielfalt der Geschlechter verweisen.
2 Die Studie „Humor Assessment and Interventions in Palliative Care: A Systematic Review“ (Juli 2018) von Lisa Linge-Dahl, Willibald Ruch, Sonja Heintz und Lukas Radbruch erarbeiteten einen systematischen Überblick aus bis dato 13 vorliegenden Studien, sowie eigenen Erkenntnissen aus der Palliativversorgung.
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