Bachelorarbeit, 2021
46 Seiten, Note: Drei
Didaktik für das Fach Deutsch - Pädagogik, Sprachwissenschaft
1 Einleitung
2 Zweck der Sprache in einer Diktatur
3 Kennzeichen der Sprache
3.1 Allgemeine Kennzeichen
3.2 Stilistik
3.3 Häufige Verwendung von Vokabeln
3.4 Einsatz von Metaphern:
3.4.1 Dynamische Metaphern
3.4.2 Kriegsausdrücke
3.4.3 Metaphern des Kampfes
3.4.4 Metaphern der Technik
3.4.5 Metaphern aus der Biologie
3.4.6 Sportmetaphern
3.5 Umdeutungen und Umwertungen
3.6 Superlativischer Stil
3.6.1 Der grammatische Superlativ
3.6.2 Superlativische Zahlenangaben
3.7 Religiöse Stilelemente
3.8 Kompositionen, Derivationen
3.9 Euphemismen
3.9.1 Krisenvokabular
3.9.2 Exekutionsvokabular
3.10 Neologismen
3.11 Schwulst und Pathos
3.12 Diskussion um die NS-Sprache
4 Verbrannte Wörter
5 Goebbels Ansprache
5.1 Einleitende Überlegungen zu Goebbels Ansprache
5.2 Analyse der Rundfunkansprache von Joseph Goebbels, 19.04.1945
6 Zusammenfassung der Ergebnisse
Literatuverzeichnis:
Anhang:
1 Vollständige Zitate
2 Goebbels Ansprache
Im Kriegsjahr 1945 ist der Krieg praktisch schon verloren. Die Alliierten haben bereits die Grenzen Deutschlands erreicht. Dennoch sind die Reden der Größen des Nationalsozialismus weiterhin geprägt von Euphorie und Siegesgewissheit. Hitler befindet sich kurz vor Kriegsende mit seinen Vertrauten im Bunker der Reichskanzlei. Diese halten weiter vorbehaltlos zu ihm und sind bereit, mit ihm in den Tod zu gehen. Wie konnte es so weit kommen? Wie kann ein einzelner Mann eine solche Überzeugungskraft haben, Menschenmassen zu begeistern und mitzureißen, und sie dazu bringen, mit ihm in den Tod zu gehen? Welcher sprachlichen Mittel bedienen sich Hitler und seine Anhänger, allen voran der Propagandaminister Joseph Goebbels? Wie können sie allein durch Worte eine solche Überzeugungskraft ausüben? Diese Fragen soll diese Arbeit beantworten.
Die vorliegende Arbeit befasst sich deswegen mit der Sprache und sprachlichen Mitteln der Nationalsozialisten. Zuerst wird geklärt, warum die Sprache in einer Diktatur eine große Rolle spielt, was ihre Auswirkungen sind und wie sie gezielt eingesetzt wird, um die Menschen zu manipulieren. Danach wird auf typische Merkmale der NS-Sprache eingegangen und diese werden anhand von Beispielen belegt. Zur genauen Analyse kommt eine eher untypische Ansprache: Goebbels letzte Rundfunkansprache. Untypisch, weil sie vergleichsweise weniger des typischen Nazi- Vokabulars und der Sprechweise aufweist als frühere Reden der Nazi- Größen. Trotzdem oder gerade deswegen wird diese Ansprache analysiert, da sich so ein Vergleich zwischen den früheren (siegesgewissen) Sprechweisen der Nazis, die bis zur vorletzten Ansprache in allen Reden zu finden sind, und der Sprechweise dieser letzten Ansprache ziehen lässt. Außerdem werden die sogenannten „Verbrannten Wörter“ behandelt. Dabei handelt es sich um Wörter, die ihren Ursprung entweder in der NS- Zeit haben, oder aber um Wörter die durch die Häufigkeit ihres Gebrauchs den Nationalsozialisten zugeordnet werden.
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit und sprachlichen Einheitlichkeit wird in der nachfolgenden Arbeit die gewohnte männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Dies impliziert keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts, sondern soll als geschlechtsneutral zu verstehen sein.
Eventuelle als positiv zu verstehende Äußerungen beziehen sich auf die Sprache und Rhetorik der Nationalsozialisten. Sie sind nicht als Verherrlichung oder Zustimmung ihrer Ideologie zu werten.
Neben physischer Gewalt, die gegen jeden (potenziellen) Gegner eines Regimes eingesetzt wird, ist die Sprache eines der wichtigsten Werkzeuge in jeder Phase einer Diktatur. Zunächst müssen sich radikale Minderheiten, zu denen die NSDAP zunächst zählt, gesellschaftlich etablieren und eine Anhängerschaft aufbauen, was auch mithilfe sprachlicher Mittel geschieht. Auf der Höhe ihrer Macht ist es der Sinn der Sprache den Anschein zu erwecken, zwischen den Maßnahmen sowie den Zielen ihrer Herrschaft und den Meinungen des Volkes, beziehungsweise der Unterdrückten, herrsche eine vollständige Übereinkunft. Vor allem aber, wenn eine Diktatur sich bereits in der Phase des Niedergangs befindet, reicht physische Gewalt alleine nicht mehr aus, um die Herrschaft aufrechtzuerhalten. In dieser Phase werden sprachliche Mittel vermehrt eingesetzt, um die Anhänger weiter zu ermutigen und die Herrschaft nicht aufzugeben. Die Diktatur der Nationalsozialisten ist dafür bekannt, sprachliche Mittel gekonnt einzusetzen um ihre Macht zu erringen und zu erhalten. (vgl. Schlosser 2013: 9) Als Hitler im Jahr 1933 an die Macht kommt, hat er mit seinem Werk „ Mein Kampf“ bereits die Basis einer Kampagne geschaffen, welche nur einen Zweck hatte: Die Massen für sich zu gewinnen. Die spezielle Sprache, welche später als NS - Sprache klassifiziert wird, so zum Beispiel in „LTI-Lingua Tertii Imperii“ von Klemperer, findet sich bereits dort in Grundzügen. Die gewollte „Gleichschaltung“ der Sprache geht über den politischen Lebensbereich hinaus und ist in allen Lebensbereichen zu finden, so sollen sie auch alle Gruppen der Bevölkerung benutzen. Um ihre volle Wirkung entfalten zu können, muss die Sprache allen Gruppen der Bevölkerung verständlich sein, und so auch die unteren Schichten erreichen und ansprechen. (vgl. Müller 1994: 28) Damit entspricht sie Hitlers volksnaher Propaganda, welche er in „Mein Kampf“ folgendermaßen darlegt:
Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen nach der Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen, an die sie sich zu richten gedenkt. Damit wird ihre rein geistige Höhe um so tiefer zu stellen sein, je größer die zu erfassende Masse der Menschen sein soll. (Zitat nach Müller 1994:29)
Die Volkstümlichkeit geht so weit, dass sie sich der Vulgärsprache annähert, welche bei Propagandazügen großen Erfolg verbucht. (vgl. Müller 1994: 29) Wie wichtig die Rolle der Sprache, gerade in totalitären Systemen, ist, macht nicht zuletzt die Angst vor dem freien Wort deutlich. Somit ist das freie Wort oft die einzige Waffe der Opposition. (vgl. Schlosser 2013: 9) Laut Siegfried Bork ist die Sprache sogar ein Mittel zur Weltbeherrschung: „Weil die Sprache als >>wirkende Kraft<< direkten Anteil an der Bewußtseinsbildung und an der Wirklichkeit hat, erscheint die Sprachbeherrschung als ein Mittel der Weltbeherrschung.“ (Bork 1970: 11) Da die Sprache eine so große Rolle für die Diktatur Hitlers spielt, ist es nicht verwunderlich, dass die Nationalsozialisten selbst versuchen, eine neue Variante des Deutschen zu schaffen. So wird ab 1933 den Gymnasiasten nicht nur die NS-Ideologie, sondern auch den korrekte Gebrauch der Terminologie gelehrt. Die Grundlage dafür liefert das von NS-Funktionären verfasste Wörterbuch: „Poltisches ABC des neuen Reiches“ von Carls Haensel und Richard Strahl weiteres „ Das ABC des Nationalsozialimsus“ von Curt Rosten und das „Taschenwörterbuch des Nationalsozialismus“ von Hans Wagner. Ein Zitat von Goebbels aus dem Jahr 1933 macht das Ziel der NS-Diktatur noch einmal deutlich: „Das Volk soll anfangen, einheitlich zu denken, einheitlich zu reagieren.“ (Zitat nach Schlosser 2013:9) Um dieses Vorhaben zu verwirklichen, werden neben den erwähnten Werken auch die bereits etablierten Wörterbücher mit NS-Terminologie versehen. In der 11. Auflage des Duden aus dem Jahr 1934 finden sich bereits etliche Ausdrücke mit nazistischem Hintergrund. So zum Beispiel das Wort „Zinsknechtschaft“. Die 12. Ausgabe aus dem Jahr 1941 ist noch weit stärker mit nationalsozialistisch geprägtem Wortschatz gespickt. Hier finden sich bereits etliche der für die NS-Sprache typischen Neubildungen. (vgl. Heine 2019: 6-7) Diese werden im folgenden Kapitel noch genauer erläutert.
Eine scharfe Zäsur bedeuten diese Änderungen in der Zeit des Dritten Reichs allerdings nicht, da das politisch-kommunikative Klima in den 1930ern den Nationalsozialisten in die Hände spielt. Ein radikaler Bruch mit dem politisch-kommunikativen und allgemeinen Klima der Weimarer Republik wäre nur schwer möglich. 1918/19 ist der Versuch dieses Bruchs, zugunsten der Demokratie und Republik, gescheitert. Die NSDAP sieht sich somit in den 1930ern idealen Bedingungen, politscher, sozialer und kommunikativer beziehungsweise sprachlicher Art für den Aufstieg gegenüber. Wenn auch nicht zu einer Zäsur, so kommt es in Folge des Aufstiegs der NSDAP zu vermehrten Bedeutungsänderungen und einer erhöhten Frequenz bestimmter sprachlicher Muster. Diese werden zuerst nur von einer Minderheit genutzt, etablieren sich aber schließlich zu einer allgemeinen benutzten Sprachform. Laut Schlosser wirkt sich die Herrschaft der Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1945 auf 3 jegliches Schreiben und Sprechen, also auf jeglichen Sprachgebrauch, aus. (vgl. Schlosser 2013: 9-10)
Bevor die spezifischen Kennzeichen erläutert werden, ist es nötig, die allgemeinen Merkmale der NS-Sprache zu erläutern, welche sich durch die meisten der spezifischen Merkmale ziehen. Wie eingangs bereits erwähnt, werden häufig volkstümliche Vokabeln verwendet. Da Hitler die Auffassung vertritt, dass das Niveau der Sprache sich immer an den Dümmsten ihrer Adressaten orientieren soll, kommt es vor allem in der Rede zu häufigen Wiederholungen. Der Sprecher will damit der Flüchtigkeit des gesprochenen Textes entgegenwirken, deswegen wiederholt er sich, bis es wirklich jeder verstanden hat. Aber nicht nur die rhetorischen Formen kennzeichnen die nationalsozialistische Sprache, es gibt ebenfalls eine typische Satzzeichenverwendung. Anführungszeichen werden verwendet, um Begriffe ins Lächerliche zu ziehen, welche als positiv gesehen werden, solange sie Begriffe der NS bezeichnen. Durch Anführungszeichen werden sie allerdings zum Gegenteil, was verwendet wird, sobald sich die Begriffe auf den Feind beziehen. Ebenfalls beliebt ist der exzessive Gebrauch von Satzzeichen. Die vom Propagandaminister Goebbels herausgegebene Zeitung „Parole der Woche“, hat bis zu drei Ausrufezeichen an den unmöglichsten Stellen im Text. So geschieht es auch bei anderen Reden. Bei einer Rede von Hitler aus dem Jahr 1942, finden sich ebenfalls mehrmals drei Rufzeichen im Text.
Die Stunde wird auch diese Mal kommen, in der wir antworten werden!!! Mögen dann die Generalverbrecher dieses Krieges und ihre jüdischen Hintermänner nicht zu winseln und zu flennen anfangen, wenn das Ende für England schrecklicher sein wird als der Anfang!!!“ (Zitat nach Heine 2019:20)
In dem offiziellem Manuskript der Rede, welches die Zeitungen druckten, hatten diese beiden Sätze nur ein Rufzeichen am Schluss. Dieser verschwenderische Umgang mit Ausrufezeichen hat zur Folge, dass sogar Sätze, die grammatisch gesehen keine Befehle waren, die Gestalt einen Befehls annehmen. (vgl. Heine 2019:18-20) Um das Gesprochene noch leichter verständlich zu machen, ist die Satzstruktur einfach, der Wortschatz begrenzt, die Frequenz sprachlicher Muster wird erhöht und emotional besetzte Redewendungen und Vokabeln werden benutzt. Es handelt sich dabei um alltägliche Wörter der deutschen Sprache, die durch eine gezielte ideologische Verwendung, sowie die Häufigkeit ihrer Benutzung dem Nationalsozialismus zugeordnet werden können. (vgl. Müller 1994:28-29)
Das wesentlichste Merkmal des NS-Stils ist, dass er rhetorisch ist. Der Sprecher ist in diesem Fall nicht als klassischer, juristischer oder philosophischer Sprecher zu verstehen, sondern als Volkredner. Das heißt, bei der Rede wird nicht wissenschaftlich vorgegangen. Es wird keine These aufgestellt, die dann belegt oder widerlegt wird, sondern eine einhämmernde massenwirksame Propagandarede gehalten. Diese Rede appelliert nicht an den Verstand, sondern der Hörer soll an einen bestimmten Punkt gebracht werden. Er soll, ohne rational überzeugt zu werden, geistig übereinstimmen. Der Hörer soll zum Glauben gebracht werden. Die Rede nimmt daher eine geradezu beschwörende Form an, etwaige Kritikpunkte oder Ablehnung des Hörers werden von dem Schwall an Worten „überrannt“. Wobei auch die Sprechweise, der Klang, die Gestik und Mimik des Redners eine Rolle spielen. Sie dienen dazu, das Gesagte zu verstärken. (vgl. Seidel/Seidel-Slotty 1961:1)
Einige der sprachlichen Phänomene lassen sich in mehrere Kapitel einordnen. Diese werden nicht doppelt angeführt, es erfolgt lediglich ein Hinweis auf den Zusammenhang.
Laut Seidel und Seidel-Slotty ist die „Häufung des Ausdrucks“ eines der deutlichsten Merkmale der Sprache des Nationalsozialismus. Konkret gemeint ist damit eine Aneinanderreihung von Wörtern, welche das vorherige Bezugswort nicht präzisieren, sondern betonen sollen. Als Beispiel wird folgendes angeführt: „Wertvollste künstlerische Hingabe“(Zitat nach Seidel/Seidel-Slotty 1961:1) als Präzisierung und „ man muss hart und unerbittlich sein“ “(Zitat nach Seidel/Seidel-Slotty 1961:1) als Verstärkung. Ein weiteres Beispiel ist: „Die SS hat diesen Stolz...als eigenstes und totales Erlebnis erst durch das Dritte Reich kennen gelernt.“ (Zitat nach Seidel/Seidel-Slotty 1961:1) Das Wort „total“ tritt hier nur hinzu, da es eine emotionale Komponente hat, es weckt eine Assoziation an die Ideologie. Es werden nicht nur Adjektive gehäuft, es kommt ebenso zu einer Aneinanderreihung von Adverbien und Substantiven. (vgl. Seidel/Seidel- Slotty 1961:1-2) Was sich damit erklären lässt, dass in der nationalistischen Sprache auch geredet wird, wenn es nichts mehr zu sagen gibt. (vgl. Bork 1970:51) Denn „Diktatoren sind nie sprachlos.“ (Schlosser 2013: 9) Darum überrascht es auch nicht, dass weiter gesprochen wird, auch wenn die Sachgrundlage für den 5 Redner, beziehungswiesen für den Schreiber, nicht mehr gegeben ist. In der Folge komme es dann zu Wiederholungen, Füllwörtern, Pleonasmen und Tautologien. Dadurch entartet eine Rede zu sinnlosem Geschwafel, welches zur Regel wird. Als Füllwörter werden häufig Epitheta ornantia gebraucht. Diese verleihen den Reden mehr Pathos. Bork bringt ein Beispiel aus dem „Völkischen Beobachter“ in dem es über die junge Generation heißt: „Die sich so kämpferisch, männlich, schlicht aber groß und würdig in der brauen Armee Adolfs Hitlers dokumentiert.“ (1970:52) Diese Beobachtungen werden unter dem Titel Redundanz zusammengefasst. (vgl. Bork 1970:51-52)
Zu den Wörtern, welche wegen ihrer häufigen Benutzung ebenfalls dem nationalsozialistischen Vokabular zugeordnet werden, gehören: „Volk“, „Reich“, „Rasse“, „Jude“, „Arier“, „Blut“ und „Kampf.“ Sie zählen dabei zu den Substantiven, die in fast jedem Propagandatext des Dritten Reichs vorkommen. Adjektive haben die Funktion, diese Substantive zu „schmücken“ und zu verstärken. Zu diesen Adjektiven gehören: „Rein“, „heldenhaft“, „deutsch“, „hart“ und „arisch“, als positive und „jüdisch“, „bolschewistisch“, „ausländisch“ und „feige“ als negative. Einige Texte erscheinen durch diesen exzessiven Gebrauch von Füllwörter wie eine Aneinanderreihung von Schlagwörtern. Als Einzelwörter haben die genannten Wörter keine politische oder ideologische Zugehörigkeit. Sie können außerhalb eines Kontextes nicht eindeutig dem nationalsozialistischem Wortschatz zugeordnet werde. (vgl. Müller 1994:38)
Der Gebrauch von Metaphern steigt in der NS-Zeit stark an. Sehr beliebt sind Metaphern aus dem Militär. Damit wird an die seelische Einstellung der Menschen appelliert, indem man ihnen durch diese Metaphern das Gefühl gibt, Teil des militärischen Geschehens zu sein. Die freudige Teilnahme am deutschen Heer wird dabei vorausgesetzt. Bildhafte Darstellungen haben gegenüber der nüchternen Ausdrucksweise den großen Vorteil, dass sie eine steigernde Funktion haben und so zum Beispiel gesteigerte Anteilnahme bewirken können. Dieser steigernden Funktion ist es zuzuschreiben, dass der Gebrauch von Metaphern im Dritten Reich, erheblich zunimmt. Die Metapher spricht außerdem nicht die Vernunft des Menschen an, sondern wendet sich direkt an die Gefühlsebene. Was, wie im Punkt Stilistik bereits dargelegt, eine beliebte Sprechweise der Nationalsozialisten ist. Die Metapher ist „leicht in den Dienst des Verschwommenen zu stellen“. (Seidel/Seidel-Slotty 1961:9) Die Bereiche, aus denen die Bilder entlehnt werden, werden durch die Ideologie bestimmt. Wobei der größte Teil aus dem Militärwesen kommt. Ebenfalls zahlreich sind Bilder dynamischer Art aus der Technik und Bilder aus der Blut und Boden-Ideologie. Wobei fast alle diese Bilder in Verbindung mit Gewalt verwendet werden. Einige der verwendeten Wörter sind nicht kongruent, so beispielweise blutvoll und gemeißelt. Über die Art der Bilder, die Verwendung finden, wird allerdings keine Rechenschaft abgelegt. Das führt zu einer Häufung von Erscheinungen, welche als Stilblüten bezeichnet werden. Teilweise sind die so entstandenen Metaphern nicht mehr anschaulich. Aus dieser mangelnden Anschaulichkeit verschwindet das Gefühl für Wörter, vor allem, wenn diese aus dem gleichen Bereich entstammen. Wenn Wörter aus verschiedenen Bereichen vermischt werden, kann die Bildhaftigkeit auch ins formelhafte abgleiten. Das ist meist in der Blut und Boden-Terminologie der Fall. Durch die ausschweifende Verwendung von emotional aufgeladenen bildhaften Ausdrücken verblasst die Präzision des sprachlichen Ausdrucks zusehends. Es wird angenommen, dass diese Entwicklung begrüßt wird, da das Streben nach einem unpräzisen Ausdruck eine der für die NS-Sprache typischen Komponenten ist. (vgl. Seidel/ Seidel-Slotty,1961: 9-11)
Ebenfalls gebräuchlich sind Metaphern aus der Sturm-, Kriegs und Kampfsprache. Diese teilen sich in drei Kategorien.
Begriffe aus Militär und Technik werden oft mit Bewegung verbunden. Die Dynamik in Verbindung mit Metaphern ist bei Bork ein weiteres Merkmal der NS-Sprache. Der Nationalsozialismus ist eine Bewegung, die sich unter anderem durch eine „erst handeln, dann denken“ Mentalität auszeichnet. Im Sinne dieser epimetheischen Haltung sieht Hitler im „Gefühlsüberschwang und in der Aktion“ (Zitat nach Bork 1970:19) das Heil der Nation. Das Handeln, teils aus irrationalen Motiven, ist die gewünschte Einstellung. Darum ist der Nationalsozialismus auch mehr eine Bewegung, als eine Parteiorganisation. Die Bedeutung, die das Wort „ Bewegung“ für die Nationalsozialisten hat, zeigt sich darin, dass dieses Substantiv kurz nach der Machtübernahme zum Monopolwort der NSDAP wird. Das geht soweit, dass sie der Bewegung eine ganze Stadt widmen. Die Stadt München, die als Ursprungsstadt der NSDAP einen besonders hohen Stellenwert hat, wird fortan mit dem Ehrentitel „Hauptstadt der Bewegung“ versehen. Wörter, die Bewegung suggerieren, erfreuen sich großer Beliebtheit. Zu ihnen gehören zum Bespiel die Wörter: „Blitzmarsch“, „Volksturm“ oder „Sturmschritt“. Diese schwungvollen Begriffe, die Bewegung, aber auch Hektik in sich vereinen, haben den Zweck, der Bevölkerung die Zeit zum Denken zu nehmen. Die häufige Verwendung des Wortes „Sturm“, gepaart mit einem Wort der Bewegung, soll Individuen dahingehend manipulieren, leichter zur Aktion getrieben zu werden. (vgl. Bork 1975:19)
Ein weiteres Kennzeichen der NS-Sprache ist die zunehmende Verrohung. Womit die sprachliche Vorbereitung für die Bereitschaft zur Gewalttätigkeit gemeint ist. Deshalb bemüht sich die nationalsozialistische Sprech- und Schriftweise bereits vor Kriegsbeginn um eine wehrhafte und militärische Ausdrucksart. Durch die bewusste kriegerische Ausdruckweise soll den Menschen eine gewalttätige und kriegerische Haltung antrainiert werden. Mit dem Ziel, eine Soldatisierung der Gesellschaft zu erreichen. „Nationalsozialistisches Mannestum im Spiegel einer soldatischen Persönlichkeit“ (Zitat nach Bork 1970:20), lautet die Parole. Diese Ausdruckweise birgt zwei große Gefahren in sich. Zum einen geht im Zuge einer Abhärtung gegen diese Ausdrücke das Gefühl dafür verloren, wo und wann diese Ausdrücke angebracht sind. Zum anderen folgen den Kriegsmetaphern bald Taten nach. (vgl. Bork 1975:20-21)
Die Machtträger des Nationalsozialismus sind bedingungslose Anhänger der sozialdarwinistischen These vom „Kampf ums Dasein“. Der Kampf und die Leidenschaft dazu werden geradezu verherrlicht und so werden sie zum dynamischen Element der Bewegung erklärt. Außerdem wird der Kampf eines der wichtigsten Schlagwörter. So ist vom „Kampf aufnehmen gegen das Lügenverbrechen“, „Kampf gegen die Gefahr der rassischen Vermischung“ und „Der Kampf um den deutschen Lebensraum die Rede“. (Zitate nach Bork 1975: 22) Nicht umsonst nennt Hitler sein Buch „ Mein Kampf“, das offizielle Parteiorgan der NSDAP wird nicht Zeitung genannt, es heißt „Kampfblatt“. So wird das deutsche Volk mit sprachlichen Mitteln dahingehend manipuliert, dass die physische Gewaltbereitschaft, die Bereitschaft zum Kampf, steigt, indem dieser immer wieder propagiert wird. Das Wort Kampf hat auch einen euphemistischen Einschlag, es wird als weniger entlarvend als Krieg angesehen. Die Assoziationen zu Krieg gehen meistens in die Richtung Blutvergießen, also der eigene Tod oder der von Söhnen, Brüdern, Männern, Vätern, Freunden etc. Während das Wort Kampf eher mit Sport und Spiel, höchstens aber Gegenwehr verbunden wird. (vgl. Bork 1970:21-23)
Nicht aus der Kriegssprache, aber ebenfalls sehr beliebt, sind Metaphern mit einem technischen Hintergrund.
Mit dem technischen Fortschritt werden auch technische Wörter vermehrt verwendet. Diese an sich unbedeutende Verwendung technischer Begriffe kann aber durchaus problematisch werden. Was der Fall ist, wenn die Begriffe in Bezug auf eine Terminologie genannt werden, die nicht mehr in einer Analogie zu ihrem eigentlichen Verwendungsbereich stehen. Im Nationalsozialismus werden technische Metaphern als sachlich und zugleich anschaulich gesehen. So werden die Begriffe: „eingliedern“, „eingesetzten“, „erfassen“, „gleichgeschalten“, „organisieren“, „prägen“, „formen“, etc. auch auf den Menschen bezogen angewandt. Vor allem das Wort „gleichschalten“ lässt die Absicht erkennen, alles Menschliche zu automatisieren. Einen besonderen Stellenwert hat ebenfalls das Wort „Einsatz“, das aus der Kriegssprache kommt und im Nationalsozialismus einen technischmechanischen Sinn bekommt. Sätze mit dem Wort „Einsatz“ wurden dementsprechend oft verwendet. „Der Volksgenosse hat sein sittliches Können zur Höchstleistung für die Volksgemeinschaft zu entwickeln und einzusetzen.“ (Zitat nach Bork 1970:18) Zu unterscheiden ist das Wort „Einsetzung“ gegenüber „Einsatz“. Bei „Einsetzung“ stehen die Tätigkeit und die Personen im Vordergrund, während „Einsatz“ materieller und fassbarer ist. Verwendet man die Bezeichnung der eingesetzten Personen oder Gegenstände, so steht dabei die passive Bedeutung im Vordergrund. Bevor die Menschen eingesetzt werden können, müssen sie erfasst werden. „Erfassen“ ist gutes Beispiel für ein Wort, welches zunächst nur auf Sachen und Dinge bezogen ist und im Zuge der Technisierung für Menschen verwendet wird. Menschen werden zunehmend als organisierbares Material gesehen. Hitler selbst gebraucht häufig den Ausdruck „Menschenmaterial“. Wobei Menschenmaterial auf makabre Weise an den Ausdruck „Kanonenfutter“ erinnert. Analog dazu gibt es ebenfalls den Ausdruck „Volksmaterial“. Im Dritten Reich werden die genannten Ausdrücke als „ termini technici“ bezeichnet. Menschen werden nicht mehr qualitativ beurteilt, sondern quantitativ. Diese Technisierung des Menschen wird durch die Technisierung der Sprache ermöglicht. (vgl. Bork 1970:17-19)
Die Nationalsozialisten sind allerdings nicht die ersten, die technische Begriffe zweckentfremdet haben. Diese Erscheinung gab es bereits 1920, aber ab 1933 nimmt die Tendenz zur Technifizierung in auffälligem Maß zu. (vgl. Müller 1994:45-46).
Die Terminologie der NS-Rassenkunde beinhaltet eine große Anzahl von Schimpfworten, welche vornehmlich für die Bezeichnung von Juden verwendet werden. Auffallend dabei ist die große Anzahl von biologisierenden Begriffen, die den Zweck haben, den Feind zu diffamieren.
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