Masterarbeit, 2020
68 Seiten, Note: 1,7
1. Einleitung
2. Recherche
3. Entwicklung des Zwei-Geschlechter-Modells
4. Anwendung des Zwei-Geschlechter-Modells im Sport
5. Intersexualität
5.1 Definition und Ausprägungen
5.2 Geschichte der Intersexualität im Spitzensport
6. Geschlechtertests im Spitzensport
6.1 Hintergrund und Unsicherheiten
6.2 Biologische Konstruktion von Geschlecht
6.3 Inspektionen und Tests
7. Der Fall Caster Semenya
7.1 Karriere
7.2 Das Dilemma um Intersexualität
7.3 Herausforderungen der Intersexualität damals und heute
8. Fazit
9. Literaturverzeichnis
10. Internetquellenverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Sport stellt ein zentrales Kulturelement unserer Gesellschaft dar und ist ein probates Mittel, um sich zu vergleichen. Der Leistungsvergleich ist evolutionsbiologisch tief verwurzelt und die Suche nach dem schnellsten, stärksten und besten Individuum ist für die breite Öffentlichkeit von großem Interesse. Die SpitzenathletInnen erhalten Ruhm, Anerkennung und häufig auch Reichtum. Ein zentrales Strukturierungsprinzip ist dabei das Geschlecht, weil die körperlichen Voraussetzungen von Männern und Frauen divergieren und eine Trennung genutzt wird, um niemanden zu diskriminieren. Die Vorstellung von zwei Geschlechtern ist soziokulturell verankert und auf den ersten Blick unproblematisch. Weist ein Individuum männliche Geschlechtsteile auf, darf es bei den Männern starten und umgekehrt mit weiblichen Geschlechtsteilen bei den Frauen. Innerhalb der Geschlechtsklasse gewinnt dann oft die Person, die vorteilhafte Körpermerkmale besitzt und gute Leistungen abrufen kann. So simpel ist es jedoch nicht. Das Geschlecht eines Menschen besteht nicht nur aus bipolaren Fortpflanzungsorganen, sondern wird durch viele verschiedene Faktoren beeinflusst. Einige dieser Faktoren verbessern die sportliche Leistungsfähigkeit, was in der Frauenklasse zu Problemen führt.
Intersexuelle sind Personen, die von Geburt an nach biologisch-medizinischen Maßstäben zwischen den beiden Geschlechtern stehen. Das bedeutet, dass sie je nach Ausprägung männliche und weibliche Merkmale besitzen. Äußerlich sind sie relativ offensichtlich einem Geschlecht zuzuordnen, doch man kann Mithilfe von medizintechnischen Verfahren verborgene, rudimentäre Anteile des oppositionellen Geschlechts feststellen, die dann die Frage aufwerfen, ob diese Anteile unfaire Leistungsvorteile ermöglichen. Das stellt den internationalen Spitzensport vor ein Problem: Kann man Personen zu Frauenwettkämpfen zulassen, die neben den sichtbaren weiblichen Geschlechtsmerkmalen auch männliche Geschlechtsteile besitzen? Schließlich können innenliegende Testikel Testosteron produzieren, das der jeweiligen Person männliche Charakteristika verleihen kann. Ist der Leistungsvorteil durch männliche Hormone so groß, dass der Wettbewerb dadurch verzerrt wird? Wann ist eine Frau eine Frau und wer bestimmt darüber? Die vorliegende Arbeit versucht, Antworten aufzuzeigen und will anhand eines Fallbeispiels die Sondersituation intersexueller SportlerInnen im Spitzensport darstellen. Dazu wird der Blick in die Vergangenheit gerichtet, um nachzuvollziehen, welche gesellschaftlichen Entwicklungen zu dem Geschlechtersystem geführt haben, das aus der Intersexualität eine Herausforderung für den Sport macht. Zunächst soll die weltweite, gesamtgesellschaftliche Entwicklung des Zwei-Ge- schlechter-Modells betrachtet werden. Dabei sollen historische Einflüsse aus Religion, Recht, Medizin, (Entwicklungs-)Psychologie, Soziologie und Politik aufgelistet werden, die schließlich zu dem dichotomen Geschlech- terverständnis führten. Aus dieser Entwicklung heraus werden die wichtigsten Begriffe im Zusammenhang mit Geschlecht aufgegriffen und erklärt. Dann wird anhand der historischen Frauensportbewegung nachvollzogen, wie sich die Trennung nach Geschlechtern in der Leichtathletik ergab und welche Hürden die Frauen in der Vergangenheit überwinden mussten, um uneingeschränkt Sport zu treiben. Dieser Schritt ist wichtig, weil die Geschichte der weiblichen Emanzipation aufzeigt, dass der Sport wandelbar ist und dass bereits lange vor dem Intersexualitätsdiskurs ein Geschlecht für sein Startrecht eintrat. Darauffolgend wird Intersexualität definiert und ihre biologischen Ausprägungen vorgestellt. Dies dient dazu, ein Verständnis für die Schwierigkeiten und Besonderheiten zu entwickeln und nachzuvollziehen, wie facettenreich die genetischen Dispositionen sind, vor allem auch für die Leistungsfähigkeit eines Organismus. Intersexuelle AthletInnen kennt die Sportgeschichte schon seit den 1930ern. Diese Fälle werden vorgestellt und in ihren jeweiligen zeitlichen Kontext eingebettet. Daraus ergibt sich ein Gesamtbild der politischen und gesellschaftlichen Umstände, aus denen fallspezifische Herausforderungen und Probleme abgeleitet werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den 1960ern, in denen flächendeckende Geschlechtertests eingeführt wurden. Die Zeit des Kalten Krieges war geprägt von Systemkämpfen, Betrugsversuchen und Vorwürfen. Aus der Angst vor Betrug durch Männer, die sich in Frauenwettkämpfen einschlichen, erwuchs der Wunsch nach Aufklärung durch die eindeutige Feststellung der Weiblichkeit. Um zu verstehen, worauf die AthletInnen getestet wurden respektive welche Möglichkeiten zur Geschlechtsbestimmung bestanden, wird die biologische Konstruktion von Geschlecht vorgestellt. Daraus leiten sich die Inspektionen und Testverfahren ab, die über drei Jahrzehnte genutzt wurden. Außerdem soll dargelegt werden, wie einseitig die Auffassung von Geschlechtlichkeit war, wie der Einfluss neuer Verfahren aus der Medizintechnik diese Auffassung veränderte und was sich Sportfunktionäre und AthletInnen von den Ergebnissen erhofften. Die Arbeit verfolgt chronologisch die Implementierung verschiedener Diagnostikverfahren, angefangen mit den visuellen und gynäkologischen Kontrollen über die Barr-Body-Tests bis zur PCR-Untersuchung auf das SRY- Gen. Dabei werden jeweils die Bedeutung und Folgen für intersexuelle AthletInnen herausgestellt.
In einem zweiten Teil wird ein aktuelles Fallbeispiel hinzugezogen, dass die heutige Situation der Intersexuellen nachvollziehbar macht. Caster Se- menya, zweifache Olympiasiegerin aus Südafrika, düpierte ihre Konkurrenz bei ihrem ersten, internationalen Auftritt in Berlin 2009. Im Alter von 18 Jahren wurde sie Weltmeisterin über 800m. Anstatt die Leistung anzuerkennen, wurden Spekulationen über ihre Geschlechtszugehörigkeit angestellt. Ihr von der Öffentlichkeit zugeschriebenes „androgynes Wesen“, ihr „maskulines Verhalten“ und ihr rasanter Leistungszuwachs ließen Interpretationsspielraum bezüglich ihres Geschlechts. In den Folgejahren rissen die Vorwürfe nicht ab und führten zu einem Diskurs über Intersexualität im Spitzensport, der bis heute anhält. Diese Arbeit stellt den Fall in seinen Einzelheiten vor, führt Stimmen aus der Presse und ihres Umfeldes an und synchronisiert den Verlauf ihrer Karriere mit den Entscheidungen des IOC, der IAAF und des internationalen Sportgerichtshofs. Darüber hinaus wird die problematische Situation des internationalen Spitzensports geschildert, die intersexuelle AthletInnen verursachen. Darauf bezugnehmend, werden mögliche Lösungen für den fairen Umgang mit intersexuellen Athletinnen diskutiert. Abschließend wird ein Vergleich zwischen Caster Semenya und intersexuellen AthletInnen der Vergangenheit gezogen, um Kontinuitäten und Diskontinuitäten festzustellen.
Intersexualität ist kein Phänomen der jüngsten Medizinforschung. Weitreichende Analysen der geschlechtsdeterminierenden, biologischen Parameter lagen der medizinischen Forschung bereits vor der Einführung systematischer Geschlechtertests vor. Die Abhandlung von Prof. Claus Overzier (1961) gilt als Standardwerk zur Intersexualität. Er verweist in seiner Publikation auf die Vielfalt der Geschlechter und stellt chromosomale, hormonelle, gonadale, morphologische und zerebrale Geschlechtsdeterminanten vor. Außerdem betont er die diagnostische Spannweite des Oberbegriffs „Intersexualität“, die in verschiedenen Ausprägungen die fünf Geschlechtsdeterminanten beeinflusst. Trennscharfe Definitionen bietet das „Klinische Wörterbuch“ von Pschyrembel (2007). Zur Historie der Ge- schlechtertests orientiert sich die vorliegende Arbeit an den Publikationen von Krämer (2020), Pieper (2016) und Wiederkehr (2008; 2012). Sie gehen in ihren Ausführungen nicht nur auf die Intersexualität im Sport ein, sondern zeigen auch die notwendigen Hintergrundinformationen der gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten auf. Darüber hinaus gehen sie auf Beispiele der Leichtathletik ein, ziehen eine Verbindung zwischen dem Medien- und Medizindiskurs, kritisieren Deutungshoheiten der Sportfunktionäre bezüglich chromosomaler Merkmale und äußern erkenntnistheoretische und ethisch begründete Bedenken zum Umgang mit Geschlecht. Zur Aufarbeitung des Fallbeispiels Caster Semenya stützt sich die Arbeit primär auf Presseberichte, Veröffentlichungen der IAAF sowie des IOC und Kommentare von Semenya in Interviews und auf ihren Social-Media-Ka- nälen.
Aufgrund der aktuellen Ausnahmesituation durch die COVID-19-Pande- mie stützt sich die vorliegende Arbeit stärker auf Internetquellen und Publikationen, die online verfügbar sind.
Zwitterwesen kennt die Kulturgeschichte seit der Antike in vielen bildlichen Darstellungen. Dennoch wird unsere Gesellschaft nach festen Strukturierungsprinzipien in zwei Geschlechter aufgeteilt, die sich vor allem am äußeren Erscheinungsbild orientieren (Stahnisch & Steger, 2005). Hintergrund dieser Struktur ist unter anderem die religiöse Prägung der abraha- mitischen Weltreligionen:
„Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.“ (1. Mose 1,27)
„O ihr Menschen, fürchtet euren Herrn, Der euch erschaffen hat aus einem einzigen Wesen; und aus ihm erschuf Er seine Gattin, und aus den beiden ließ Er viele Männer und Frauen entstehen.“ (Koran 4:1)
Die Thora, die Bibel und der Koran definieren zwei Geschlechter: Mann und Frau. Die tradierte Importanz der Religionen bedingt die Verankerung einer Zweigeschlechtlichkeit in unserer Gesellschaft und wird durch die evolutionsbiologische Reproduktionsfähigkeit legitimiert und allgemeinhin nachvollzogen. Dieser binären Konzeption von Geschlecht werden verschiedene kulturelle und theologische respektive eschatologische Funktionen zugewiesen. Sexualität, Geschlechtlichkeit und Fortpflanzung korrelieren mit der Sterblichkeit des Menschen. Sie sind Anfang und Ende des Lebenszyklus. Nach Braun (2006) wird durch die sexuelle Differenz von Mann und Frau einerseits die Unvollständigkeit des Menschen festgesetzt und andererseits in der Verbindung beider die Regeneration und Kontinuität einer Gemeinschaft symbolisiert. Letzteres spende Trost über die Vergänglichkeit des Menschen. Sie hat darüber hinaus eine soziale Funktion: Die Ausbildung eines unanfechtbaren, kohärenten Geschlechts ermöglicht eine gesellschaftliche Identifikation. Bipolare Geschlechtsmodelle konstruieren zwei Subjektpositionen, die es ermöglichen, kulturell intelligibel zu sein und sich sozialen Normen zuzuordnen. Dadurch wird die Integration in eine Gesellschaft und die Akzeptanz durch ebendiese bekräftigt und eine gesamtgesellschaftliche Geschlechtsidentität konstruiert (Engel, 2002). Die Wahrnehmung einer subjektiven Geschlechterrolle wurde bereits durch Studien in der Entwicklungspsychologie zur frühen differentiellen Wirksamkeit der Geschlechtsrollenvorbilder nachgewiesen. In der Arbeit von Bauer et. al. (1993) spielte man Kleinkindern im Alter von drei Jahren typisch männliche, typisch weibliche und geschlechtsneutrale Handlungssequenzen vor und untersuchte die verzögerte Nachahmung bei beiden Geschlechtern. Die Ergebnisse zeigen eine Fokussierung der Informationsverarbeitung auf das eigene Geschlecht und implizieren damit eine aktive Orientierung an biologischen Gegebenheiten wie Stimme und Erscheinung, die infolgedessen das eigene Handeln nachhaltig beeinflussen (Natour, 2005).
Die Ausbildung geschlechtstypischer Verhaltensmuster wird auch in der Medizin berücksichtigt. Man unterscheidet die Geschlechtsentwicklung in somatosexuell und psychosexuell. Eine gesunde, normale Geschlechtsentwicklung unterliegt demnach verschiedenen Faktoren. Ein eindeutiges biologisches Geschlecht ist an eine altersangepasste Ausbildung primärer und sekundärer Geschlechtsmerkmale gekoppelt. Sie werden während der Schwangerschaft chromosomal determiniert und durch die Einwirkung der Geschlechtshormone (vor allem der Androgene wie Testosteron) beeinflusst. Je nachdem werden dann von den Keimdrüsen Hormone ausgeschüttet zur Ausbildung von Hoden und Penis respektive Eierstöcken, Scheide, großer und kleiner Schamlippen sowie einer Klitoris. Jede Abweichung dieser normativen, somatosexuellen Entwicklung wird als Krankheit oder Störung deklariert. Das psychosexuelle, oder auch psychosoziale, Geschlecht besteht aus drei Komponenten: Geschlechtsidentität, Geschlechtsrolle und sexuelle Orientierung.
Die Geschlechtsidentität meint das subjektiv empfundene Erleben von Geschlecht. Die Geschlechtsrolle bezieht sich auf geschlechtstypisches Verhalten im Sinne einer stereotypen Expression des Geschlechts. Unter sexueller Orientierung versteht man das sexuelle Begehren eines Menschen (Flöck, 2017). Differieren die drei Komponenten von dem biologisch determinierten Geschlecht, kann es nach Schweizer, Binswanger und Si- gusch (2012) zu psychischem Leid kommen. Geschlecht wird in der internationalen Fachliteratur der Sozialwissenschaften seit dem Ende des 20. Jahrhunderts unterschieden in sex und gender. Sex stellt das biologische Faktum dar, also eine Geschlechtsdefinition durch biologische Determinanten. Gender ist ein Produkt kultureller und sozialer Prozesse und meint die gesellschaftliche Geschlechterrolle, die durch stereotype Geschlechtsmerkmale wie Verhalten, Kleidung oder Beruf bedingt wird (Cahill, 2000; Ember & Ember, 2003; Fausto-Sterling, 2012; Lips, 1993).
Neben den medizinischen, gibt es auch rechtliche Aspekte, durch die unsere Infrastruktur normativ geordnet wird1. Im 18. Jahrhundert war es Hermaphroditen2 in Deutschland noch möglich, ihr Geschlecht selbst zu wählen, weil es keine gesetzliche Regelung oder Verpflichtung gab, ein Geschlecht wählen zu müssen (Klöppel, 2015). Das Allgemeine Landrecht für Preußen (ALR) leitete 1794 eine richtungsweisende Veränderung ein: Neben der Geschlechtsbestimmung durch die Eltern oder die Person selbst, wurde im Falle eines Rechtsstreits die Möglichkeit eines Sachverständigenurteils eingeführt. Dieses Urteil wurde bei Medizinern eingeholt und übergab erstmals die Kontrolle über die Geschlechtszuweisung an diesen Fachbereich. Dadurch wurde eine „Medikalisierung der Gesellschaft“ (Flöck, 2017, S. 70) eingeleitet, die eine neue sexuelle Ordnung herstellte. Nach der Gründung des Deutschen Reiches wurde 1876 der Passus des ALR gestrichen und durch eine verpflichtende Eintragung des männlichen oder weiblichen Geschlechts in das staatliche Register verordnet. Seither galt der Grundsatz, dass das BGB keine Zwitter kenne (Klöppel, 2015). Die gesellschaftliche Geschlechtsbestimmung wird mittlerweile von diversen Gesetzen und Verordnungen tangiert und dennoch gilt das Geschlecht als unbestimmter Rechtsbegriff, weil eine trennscharfe, juristische Definition nicht möglich ist. Trotz des undefinierbaren Charakters der Geschlechter schrieb das Personenstandsrecht bis Oktober 2013 vor, das Geschlecht vom Standesamt im Geburtsregister eintragen zu lassen. Bis dato waren nur zwei Eintragungen möglich - männlich und weiblich (Flöck, 2017). Wie kann es jedoch sein, dass ein juristisch unbestimmbarer Begriff trotzdem in zwei klar definierte Geschlechter eingeteilt werden musste? Klett (2012, S. 131 in Flöck, 2017, S. 256) vermutet pragmatische Hintergründe: „[es ist] nur damit zu erklären, dass diejenigen, die das Recht anzuwenden haben, sich nichts anderes vorstellen konnten, und dadurch diese Interpretation in das Recht Einzug gehalten hat.“
Die Vorstellung von Geschlecht unterliegt Einflussfaktoren wie Kognition und Sozialisation. Demnach ist ein fundamentales, soziokulturelles Merkmal unserer Ordnungsprozesse die Unterscheidung zwischen Mann und Frau. Das soziale Geschlecht, das einem Menschen durch das Auftreten und die Verhaltensweise zugewiesen wird, beeinflusst die Chancen und den Status in der Familie, der Religion, der Erwerbsarbeit, sowie der Erziehung und korreliert demnach mit den politischen und ökonomischen Möglichkeiten und Strukturen. Es beeinflusst die Persönlichkeitsentwicklung und die Interaktion mit anderen Menschen. Obwohl ein drittes Geschlecht in Deutschland anerkannt ist, wurde die Gesellschaft durch das Zwei-Ge- schlechter-Modell bereits so tief geprägt, dass es wie ein unanfechtbares Axiom akzeptiert wird und Personen danach strukturell klassifiziert werden (Kessler & MacKenna, 2001). Freud sprach bereits 1938 in seinem Werk ,Abriss der Psychoanalyse‘ von einer „Unterscheidung mit unbedenklicher Sicherheit“ (Freud, 2015, S. 120) als erstes Ordnungsprinzip in persönlichen Interaktionen. Die Typisierung in männlich oder weiblich folgt einer binären Logik trotz fehlender biologischer Gewissheit oder historischer Invarianz (Kolip, 1997).
Historisch betrachtet ist das Zwei-Geschlechter-Modell ein Produkt der Aufklärung. Die Vorstellung zweier Geschlechter, die sich in der Fortpflanzung ergänzen aber als eigenständige Parteien betrachtet werden, ist verhältnismäßig jung. Bis zum 18. Jahrhundert ging man von einem Ein-Ge- schlecht-Modell aus, das im Kontext der damaligen Ideologie den Körper einer Frau als „Spielart des männlichen“ (Laqueur & Bußmann, 1992, S. 87) betrachtete und ihn nach christlichen Vorstellungen der Schöpfungsgeschichte als Ebenbild des Mannes dachte. Erst durch anatomische Erkenntnisse der Medizin und Biologie des beginnenden 18. Jahrhunderts wurden Unterschiede in der Körperkomposition als sich separat entwickelnde Körper verstanden (Kolip, 1997).
Im Gegensatz zur heutigen Situation wurde die Gesellschaft vor dem 18. Jahrhundert nicht nach Geschlechtern strukturiert. Der Begriff „Geschlecht“ wurde im Kontext der Genealogie verwendet und bezog sich auf die Abstammung und die immanente Standeszugehörigkeit. Erst durch die Erkenntnisse der Medizin wurde Geschlecht mit der biologischen Differenz von Mann und Frau konnotiert. Diese Differenz wurde fortan untersucht, um allgemeingültige Charakteristika der beiden Geschlechter festzustellen. Demnach wurden Männer mit Stärke, Mut, Rationalität und Tapferkeit und Frauen mit Schwäche, Angst, Emotionalität und Unterwürfigkeit attri- buiert. Infolgedessen wurde die Bipolarität der Geschlechter als primäres soziales Strukturierungsprinzip in die Gesellschaft implementiert und aktive sowie passive Rollen verteilt. Durch den Fokus auf die Unterschiede wandelte sich auch die medizinische Ausrichtung auf Geschlechtlichkeit. Zur Legitimation des Zwei-Geschlechter-Modells wurden die Körper auf Merkmale überprüft, die die körperlichen Differenzen herausstellten. Messungen des Muskel- und Knochenapparates sollten schließlich eine Ge- schlechterhierarchie beglaubigen, die die Frau evolutionsbiologisch hinter den Mann stellte. Die Vorstellung, dass Männer durch größere Körper und letztendlich größere physikalische Kraft überlegen waren, wurde erwartungsgemäß wissenschaftlich und gesellschaftlich akzeptiert (Müller, 2009). Weil Frauen auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe stünden, sahen sich Männer aufgrund des Naturrechts in einer biologisch begründeten Vormachtstellung. Die naturwissenschaftliche Betrachtung wurde der sozialwissenschaftlichen vorgezogen (Becker, 2010). Laqueur (1992) verweist auf die damals vorherrschende Vorstellung, dass weibliche Genitalien lediglich nach innen gestülpte, männliche Genitalien seien. Im Zuge der Industrialisierung wurden Heim- und Erwerbsarbeit strikt voneinander getrennt und die Aufgabenbereiche den beiden Geschlechtern zugewiesen. Aufgrund qualitativer Leistungsunterschiede wurde Frauen die Erwerbsarbeit untersagt (Becker, 2010).
Der internationale, olympische Sport wird heutzutage in verschiedene Leistungsklassen eingeteilt. Neben den sportartspezifischen Gewichtsklassen der Kampfsportarten und des Gewichthebens wird sportartübergreifend zwischen Männern und Frauen getrennt. Was heute selbstverständlich erscheint, war in der Geschichte des Frauensports ein Meilenstein und ist gegenwärtig ein Spannungsfeld der Genderdebatte. Im Folgenden soll die geschichtliche Entwicklung des Sports seit der Aufklärung vorgestellt und mit der Frauenrolle verbunden werden. Daraus soll im Anschluss die heteronormative, dichotome Geschlechterordnung des Spitzensports erschlossen und erste Überlegungen zu Fairness und Chancengleichheit angestellt werden.
Sport spiegelt historisch gesehen die gesellschaftlichen Strukturen der jeweiligen Zeit wider. Er korreliert mit den kulturellen, spirituellen, sozialen und wirtschaftlichen Konditionen einer Gesellschaft. Betrachtet man die geschichtliche Entwicklung des Sports, so erkennt man, dass sich soziale Prozesse der Emanzipation auch im sportlichen Geschehen wiederfinden lassen. Als Teilsystem des Sozialgefüges durchlief der Sport ähnliche Entwicklungsstadien. War der organisierte Sport bis zum 18. Jahrhundert noch der Elite als Zeitvertreib vorbehalten, brachten neue Sportarten, gesellschaftlicher Wandel und Wohlstand ein Sportsystem hervor, der der breiten Masse zugänglich war (Küchenmeister & Schneider, 2011). Aufgrund der Korrelation von soziokulturellen und biologischen Merkmalen mit den Rechten der Frau war die Teilhabe am Sport jedoch weit eingeschränkt. Die Bedeutung sportlicher Ertüchtigung für Frauen wurde zwar anerkannt, nichtsdestotrotz wurden zu starke Belastungen, wie sie im leistungsorientierten Sporttreiben auftreten, kritisiert und untersagt. Die Hegemonie des Mannes wird aus Meinungen des 19. und 20. Jahrhunderts ersichtlich. Mediziner und Politiker Rudolf Virchow (1821-1902) sprach sich für kräftigende Bewegungsspiele sowie Frei- und Handgeräteübungen aus, um auf die schwere Haus- und Feldarbeit vorzubereiten, jedoch sei die Weiblichkeit abhängig von den Funktionen des Eierstocks und ein „[...] Weib ist eben nur Weib durch seine Generationsdrüse“ (Diem, 1980, S. 113). Die vorherrschende Meinung, die Fruchtbarkeit und Gebärfähigkeit einer Frau sei ihr höchstes Gut und Grundlage ihrer Daseinsberechtigung, spiegelt das öffentliche Frauenbild um die Jahrhundertwende wider (Otto, 2007). Daher wurde aus Sorge um die Fähigkeit zur Fortpflanzung propagiert, dass unnatürliche Arten von Bewegung und zu hohe Belastungen die Kräfte der Frau übersteigen und schließlich irreversible Schäden an weiblichen Geschlechtsteilen verursachen würden (McCrone, 2014). Der Ausschluss aus sportlichen Wettkämpfen lenkte den Fokus auf den Männersport und reproduzierte die Attribuierung männlicher Stärke und Aktivität. Sport wurde zur Wehrhaftmachung instrumentalisiert und Frauen schlussendlich weiter ausgegrenzt (Hartmann-Tews, 2004). Auch auf internationaler Ebene war die patriarchale Meinung diskriminierend. Pierre de Coubertin, der Initiator der Olympischen Spiele 1896, sprach sich gegen Frauensport aus und verwies auf das „law of nature“ - die naturgegebene Vorrangstellung des Mannes (Müller, 2006, S. 396). Dennoch starteten erstmals 1900 Frauen bei Olympia und erkämpften in den darauffolgenden Jahrzehnten immer mehr Rechte. Diese Entwicklung ging mit Frauenrechtsbewegungen und gesellschaftlichen Emanzipationsbestrebungen einher (Hartmann-Tews, 2004). Der DOSB veröffentlichte 2011 zu Ehren des 100-jährigen Frauensportjubiläums eine Publikation über die historischen Entwicklungen und Hürden des Frauensports, die im Folgenden kurz angerissen werden sollen.
Sittlichkeit und Schicklichkeit standen zu Beginn des 20. Jahrhunderts über der Anstrengung und Leistung, so wurde leichtes Reigenturnen unter Auflagen geduldet. Oberste Prämisse war die Vermeidung männlicher At- tribuierung und eine feminine Anmut. Wettkämpfe und öffentliches Zur- Schau-Stellen der Weiblichkeit wurden tabuisiert. Nach dem ersten Weltkrieg wandelte sich die Mode, die Sittenhaftigkeit brach auf und freizügigere Sport- und Freizeitkleidung trug zu einem androgynen Frauenbild bei, das auch durch Personen wie Marlene Dietrich gesellschaftsfähig wurde. Auch wenn das Vereinsturnen der Weimarer Republik mehr als einer Million Frauen zugänglich war, so wurden dennoch aus medizinischen und sittlichen Gründen die Teilnahme an den meisten Sportarten und -wettkämpfen untersagt. Der Wunsch nach Frauenleichtathletik, dem das IOC und die IAAF nicht nachgeben wollten, führte 1921 zur Gründung der Fédération Sportive Féminine Internationale (FSFI) und somit zur ersten Lobby für Frauensport. Eigene internationale Wettkämpfe wurden von 1922 bis 1934 ausgeführt, ab 1928 wurden Leichtathletinnen auch bei Olympischen Spielen zugelassen. Im Kurz- und Mittelstreckenlauf, im Hochsprung und im Diskuswurf wurden die ersten Wettkämpfe ausgetragen. Nichtsdestotrotz war der Phallogozentrismus richtungsweisend und Männergremien für die Organisation zuständig, die unter anderem den 800m Lauf verbaten, weil er für Frauen zu anstrengend sei, nachdem zwei Athletinnen 1928 im Ziel zusammenbrachen. Diese Disziplin fand erst wieder 1960 statt. Der Nationalsozialismus brachte ambivalente Ergebnisse für die emanzipatorische Frauensportbewegung. Einerseits wurden die Frauen bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin gefördert, um durch Medaillensiege die Überlegenheit des Regimes zu belegen. Andererseits wurde im Sinne der Ideologie der Sport gleichgeschaltet, Vereine und Verbände aufgelöst und die Leibesertüchtigung auf die Wehrhaftmachung der 15
Männer und Gebärfähigkeit der Frauen reduziert. In der Nachkriegszeit stagnierte die Reorganisation des Frauensports aufgrund neuer Ge- schlechterrollen. Männer, die im Krieg gefallen waren oder verschleppt wurden, hinterließen ein Vakuum, das Frauen als Allein-Ernährerin ausfüllen mussten. Der Mangel an Nahrung und Wohnraum drängte die Familien an Existenzminima, sodass weder Zeit noch Platz für Sport blieb. Die temporäre Führung durch Frauen wurde in den Zeiten des Wirtschaftswunders wieder von Rückkehrern und jüngeren Männergenerationen übernommen und Frauen systematisch, vor allem in Führungsgremien und Verbandsvorständen, ausgeschlossen und bevormundet. Bis in die späten 1950er Jahre galt Sport als schädlich (DOSB, 2011, S. 16):
„Gewarnt wurde vor der Vermännlichung des Frauenkörpers, verwelkenden Unterleibsorganen, verlagerter Gebärmutter, zu straffer Beckenbodenmuskeln oder eines für die Geburt zu engen Beckens. Sport würde zudem den begrenzten Energievorrat verschwenden, den jede Frau für die Mutterschaft reservieren sollte, oder die chemische Zusammensetzung des Körpergewebes verändern. Psychologen bescheinigten Frauen fehlende Sporttauglichkeit, geringere Intelligenz, ein minderwertiges Nervensystem und Willensschwäche.“
Die Begründung fußt auf medizinischen Publikationen der 1920er und 1930er Jahre und wurde durch die soziokulturelle Stellung der Frau weder angezweifelt noch hinterfragt, obwohl zeitgenössische Befunde die gesundheitsfördernde Wirkung von Sport auf Frauen längst belegten. Im Zuge der 1960er Jahre wuchs der Frauenanteil in Sportverbänden rasant an, was sich aus den emanzipatorischen Aufständen der 68er-Bewegung ergab. In der Folge entkoppelte sich der Frauensport von männlichen Maßstäben und führte zu einer unisexuellen Freiheitsbewegung, die das Stigma des unterlegenen Geschlechts abzulegen versuchte und mit gesellschaftlichen Konventionen und Mythen brach. Frauen konnten fortan in nahezu allen Sportarten und -disziplinen starten. 1981 wurde die erste Frau, die Finnin Pirjo Häggmann, in das IOC berufen und legte so den Grundstein für weitere Frauen in Führungsgremien der großen Sportdachverbände. Die Resolution mündete schließlich in einem stetig steigenden Anteil von Sportlerinnen bei Olympischen Spielen und einer Olympischen Charta, die ausdrücklich Gleichberechtigung fordert und fördert (DOSB, 2011).
Die Aufarbeitung der Geschichte des Frauensports soll zwei Dinge prägnant herausstellen: Einerseits war es ein fortwährender Kampf um Freiheit, Gleichstellung und der Entkopplung von maskulinen Stigmata, in welchem die Frauen seit dem Beginn des organisierten Sports systematisch diskriminiert wurden. Andererseits hat der Sport eine Schlüsselrolle gespielt als internationale Bühne für die „feministische Dekonstruktion [einer] biologischen Argumentationsweise“ (Wiederkehr, 2012, S. 31). Sport und Gesellschaft stehen in ständiger Wechselwirkung, sodass Zugeständnisse im Sport die gesellschaftliche Position und umgekehrt politische und gesellschaftliche Demonstrationen und Entscheidungen die Rolle der Frau im Sport beeinflusst haben. Gleichstellung und Gender Mainstreaming ist im Sport heutzutage dennoch kein Selbstläufer. Gleichberechtigung im Sport bleibt ein Paradoxon zwischen Persistenz und Wandel geschlechtlicher Verhältnisse (Heckemeyer, 2018). Gendering im Spitzensport ist nach wie vor ein strikt binäres System dichotomer Geschlechtervorstellungen und heteronormativer Sexualität3. Er ist gekennzeichnet durch die Leistungsorientierung, Messung und Vergleichung sportlicher Bestleistungen (Cachay & Thiel, 2000). Das disjunktive Zwei-Geschlechter-Modell schreibt daher eine Trennung in unterschiedliche Leistungsklassen vor, um die Integrität und Fairness des Sports zu wahren. Dadurch werden einerseits alle Menschen ausgeschlossen, die keinem der beiden Geschlechter eindeutig zugewiesen werden können und andererseits wird durch vorgeschriebene Reglements das Bild der Frau als schwaches Geschlecht reproduziert. So wird durch die niedrigeren Anforderungen impliziert, dass Frauen nicht die gleichen Leistungen zuzutrauen sind wie Männern. Beispiele aus der
Leichtathletik sind die Siebenkämpfe der Frau versus Zehnkämpfe der Männer oder die Gewichte der Wurfgeräte (Wiederkehr, 2012).
Konzepte der Fairness knüpfen an Gleichheit und Gerechtigkeit an. Gleiche Startbedingungen und ein nahezu homogenes Leistungsniveau sorgen für Vergleichbarkeit und Spannung, die letzten Endes einen Sieg hervorbringen, der nicht durch Leistungsdiskrepanzen prädestiniert ist. Es steht daher außer Frage, dass ein direkter Vergleich von Männern und Frauen im vorherrschenden Wettkampfsystem unsinnig ist. Es gilt grundsätzlich zu hinterfragen, ob dieses System vor dem Hintergrund der Genderdebatte um Intersexualität im Spitzensport zukunftsträchtig bleibt. Die Umsetzung eines alternativen Wettkampfsystems ist zum jetzigen Zeitpunkt undenkbar, könnte jedoch aufgrund eventueller Notwendigkeit zur zentralen Aufgabe der Zukunft werden.4
Ein Sieg ist nur legitim, sofern alle Regeln eines fairen Wettkampfs eingehalten wurden. Nach dem bestehenden Regelwerk ist eine Einteilung in Alters-, Geschlechts- und Gewichtsklassen fair, um die Athletinnen und Athleten vor einer leistungs- und konditionsbedingten Ausgrenzung zu schützen. Eine Trennung kaukasischer und afroamerikanischer Sportlerinnen und Sportler aus demselben Grund wäre vor dem Hintergrund der aktuellen Rassismusdebatten nicht realistisch. So spricht sich der ehemalige Präsident des DOSB Thomas Bach für einen Verhaltenskodex aus, der Solidarität, Respekt, Toleranz und Fairness propagiert und niemanden aufgrund seiner Rasse, Religion oder Geschlecht diskriminiert (DOSB, 2011). Dennoch führt das bestehende System der Zweigeschlechtlichkeit zu einer Asymmetrie der Geschlechter, zu einer sozialen Hierarchisierung und zur Exklusion intersexueller Menschen (Fröhling, 2013). Der Hintergrund ist der Konsens geschlechterspezifischer Vorstellungen im Sport und in der Gesellschaft. Da die Genderdebatte in den vergangenen Jahren bereits Auswirkungen auf die gesellschaftliche Wahrnehmung hatte und in diversen Staaten ein drittes Geschlecht bereits anerkannt wurde, ist zu erwarten, dass sich die gesellschaftlichen Prozesse in der weiteren Gestaltung von Sport manifestieren. Bourdieu (1998, S. 175) fasst es zusammen:
„Da die Wahrnehmungs- und Bewertungsstrukturen im wesentlichen [sic!] ein Produkt der Inkorporierung der objektiven Strukturen sind, erweist sich die Struktur der Distribution des symbolischen Kapitals im allgemeinen [sic!] als sehr stabil. Und symbolische Revolutionen setzten eine mehr oder weniger radikale Revolution der Erkenntnisinstrumente und Wahrnehmungskategorien voraus.“
Dementsprechend sollte der Maßstab überdacht werden, mit dem Geschlecht im Sport gemessen beziehungsweise festgesetzt wird. Dem Gender könnte demnach eine größere Rolle zuteilwerden als dem biologischen Geschlecht. Diese praxeologische Herangehensweise erlaubt es, mikrostrukturelle, individuelle Erfahrungen und makrostrukturelle, überindividuelle Voraussetzungen in einen Zusammenhang zu bringen.
Nach Heckemeyer (2018) werden Körperliche Leistungen direkt mit Annahmen über geschlechtliche Leistungsfähigkeit verbunden. Dadurch wird die vom Sport angestrebte Leistungsordnung unbewusst zu einer Ge- schlechterordnung und somit zum zentralen Zugangskriterium für Leistungssport. Die reproduzierte Geschlechterhierarchie erschwert die Gleichstellung der Frau und ist daher noch lange nicht abgeschlossen. Weiterhin bemängelt Heckemeyer, dass Frauen, die in männerdominierten Sportarten und -disziplinen starten, heute noch Vorbehalten hinsichtlich ihrer Eignung, ihrer Sexualität und ihres Status als „normale“ Frau begegnen. Zudem unterliegen sie der Vorstellung einer natürlichen, männlichen Überlegenheit und müssen ihre Leistungen stets relativieren. Heckemeyer (2018, S. 171) spitzt es zu: „Ein Weltmeister innen titel ist kein Weltmeistertitel.“
[...]
1 Die juristische Entwicklung eines Zwei-Geschlechter-Modells bezieht sich nur auf die deutsche Geschichte. Eine Aufarbeitung globaler Entwicklungen wäre dieser Arbeit abträglich, weil sie den Rahmen sprengen würde. Ziel dieses Kapitels ist es, einen Wandel nachzuvollziehen, der sich auf die meisten Gesellschafts- und Rechtssysteme extrapolieren lässt.
2 Der Terminus „Hermaphrodit“ wurde aus der Quelle entnommen und bezieht sich auf den biologischen Fachbegriff. Die politisch korrekte Beschreibung ist „intergeschlechtlich“ oder „intersexuell“.
3 Sexualität, vor allem homosexuelle Präferenzen, werden im Sport nach wie vor tabuisiert. Nur wenige Athletinnen und Athleten haben sich bisher öffentlich zu ihrer Sexualität bekannt und die mediale Aufarbeitung bleibt aus. Die heteronormative Maxime im Sport sollte jedoch an anderer Stelle aufgearbeitet werden, weil sie den Rahmen dieser Arbeit sprengen und den Fokus zielentfremden würde.
4 Wie so ein Wettkampfsystem aussehen sollte, unterliegt einer Vielzahl von Faktoren, die zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu antizipieren sind und den Kompetenzbereich eines Einzelnen übersteigt. Etwaige Lösungen zur Behandlung von Handi- und Procaps bietet der Behindertensport, der federführend für die universale Integration aller Geschlechter werden könnte. Der Fokus sollte grundsätzlich auf Inklusion und Anti-Diskriminierung liegen anstelle der Chancengleichheit und Fairness, die selbst innergeschlechtlich nach Heckemeyer (2018) kaum umsetzbar sind.
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