Akademische Arbeit, 2019
47 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2. Methodik
3. Slums
4. Armut in Deutschland
5. Deutschlands Wohnungen und der Neubaubedarf
6. Welche Wohnungen fehlen in Deutschland?
6.1. Mindestgröße der Wohnungen
6.2. Leistbarkeit einer Wohnung
6.3. Versorgungsbedarf in Deutschland
6.4. Wohnungsversorgungspotential
6.5. Vergleich von Versorgungsbedarf und Versorgungspotential
6.5.1. Soziale Wohnungsversorgung für Haushalte mit weniger als 100 Prozent des Bundeseinkommens
6.5.2. Fazit der sozialen Wohnungsversorgung
7. Modularisierung
7.1. Raummodule aus Holz
7.2. Wohnhaus Treet in Bergen (Norwegen); ARTEC
7.3. Studentenwohnheim Woodie in Hamburg
8. Fazit und Ausblick
9. Literaturverzeichnis
9.1. Quellenangaben Abbildungen
9.2. Quellenangaben Tabellen
Auf der ganzen Welt wächst seit Jahren der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum. Die Folgen für die betroffenen Menschen sind meist wachsende Armut und ein ständiger Kampf ums Überleben. In vielen Regionen entwickeln sich deswegen Elendsviertel, in denen die Ärmsten der Bevölkerung ihre einzige Chance sehen, nicht auf der Straße leben zu müssen. Aber auch in Deutschland ist die Knappheit an leistbarem Wohnraum längst als Problem erkannt worden. Aufgrund des starken Bevölkerungswachstums durch die Flüchtlingströme in den letzten Jahren, ist die Not so groß wie schon lange nicht mehr. Hohe Mieten und Wohnungen, die nicht zu den Bedürfnissen der Haushalte passen, sind die Folge. Durch schnelle Maßnahmen wie zum Beispiel Mietpreisbremsen versucht man dem Trend entgegenzuwirken jedoch konnte bisher keine wirksamen Maßnahme entwickelt werden, um den zukünftigen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Aus diesem Grund beschäftigt sich diese Arbeit mit der Wohnungsbedarfsermittlung in Deutschland. Zunächst wird die aktuelle Wohnungsweise der Deutschen untersucht, um eine mögliche Entwicklung sowie der Wohnungsbedarf für Deutschland im Allgemeinen zu definieren Anschließend erfolgt die Ermittlung für die 77 größten Städte in Deutschland, da dort meist der Brennpunkt der Wohnungsprobleme liegt und um präzise Zahlen für unterschiedliche Einkommensklassen und Haushaltsgrößen zu erhalten. Der Wohnungsbedarf wird mit den Potentialen abgeglichen, um so die Versorgungslücke in den Großstädten Deutschlands festzustellen.
Da der Staat mit Hilfe des konventionellen Wohnungsbaus nicht in der Lage ist, eine vernünftige Lösung für die Wohnungsentwicklung in Deutschland zu finden, muss über andere Vorgehensweisen nachgedacht werden. Der konventionelle Bau muss sich weiterentwickeln, um in Zukunft marktgerechte Optionen zu liefern.
Eine solche Lösung kann eine Serienfertigung von Modulen oder Raummodulen sein. Viele Industriezweige nutzen schon lange die Serienfertigung für ihre Produkte, um auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben. Erste Großprojekte wurden mit Hilfe von Raummodulen bereits verwirklicht. Diese Bauvorhaben haben gezeigt, dass ein Gebäude mit Raummodulen, die in einer Fabrik vorgefertigt wurden, viele Vorteile im Vergleich zum konventionellen Bau aufweist. Die Kostenreduzierung und die Zeitersparnis sind nur zwei der vielen Vorteile.
The demand for affordable living space has been growing all over the world for years. The consequences for the people affected are growing poverty and a constant struggle for survival. In many regions, slums are developing in which the poorest of the population see their only chance of not having to live on the streets. in Germany, too, the shortage of affordable housing has been recognised as a problem. Due to the strong population growth caused by the influx of refugees in recent years, the need is greater than it has been before. High rents and apartments that do not fit the needs of households are the results. By quick measures such as rent brakes one tries to counteract the trend but by now no effective measure could be developed to meet the future needs.
For this reason, this work concerns itself with the housing requirement determination in Germany. First the current dwelling way of the Germans is examined, in order to define a possible development and the housing need for Germany in general. Then, the 77 largest cities in Germany are determined, as they are the focus of most housing problems and the starting point to obtain precise figures for different income classes and household sizes. The housing demand is compared with the potentials in order to determine the supply gap in the large cities of Germany.
Since the state is not able to find a reasonable solution for housing development in Germany with the help of conventional housing construction, other approaches must be considered. Conventional construction must continue to develop in order to provide market-oriented options in the future.
Such a solution could be the series production of modules or room modules. Many industry branches have been using series production for their products in order to remain competitive on the world market. The first major projects have already been realised with the help of room modules. These construction projects have already shown that a building with room modules prefabricated in a factory has many advantages over conventional construction. Cost reduction and time saving are just two of the many advantages.
Abbildung 1: Anteil der Slumbewohner an der Weltbevölkerung
Abbildung 2: Armenviertel in Detroit auf Grund wirtschaftlicher Krisen
Abbildung 3: Federal Slum in China
Abbildung 4: Typische Erscheinungsbild eines Slums in Indien
Abbildung 5: Armutsgefährdungsquote in Deutschland von 2008 bis 2017
Abbildung 6: Ausgewähle Armutsgefährdungsquote nach erhalten Sozialleistungen in Deutschland
Abbildung 7: Mittlere jährliche Neubaunachfrage 2015-2030
Abbildung 8: Zahl der Haushalte von 2000 – 2017 nach Haushaltsgrößen
Abbildung 9: Wohnstatus der Haushalte und Gebäudetypen nach siedlungsstrukturellen Kreistypen
Abbildung 10: Versorgungsbedarf nach Mietpreisklasse und Haushaltsgröße
Abbildung 11: Versorgungspotential nacch Mietpreisklasse und Haushaltsgröße
Abbildung 12: Bedarf und Potential nach Einkommen und Leistbarkeit
Abbildung 13: Vergleich von Versorgungsbedarf und Versorgungspotential nach Wohnungsgröße
Abbildung 14: Modultypen und deren Nutzungsanwendungen
Abbildung 15: Transportbreiten und damit verbundene Auflagen für den Transport
Abbildung 16: Modelhafte Darstellung des Bauvorgangs für das Wohnhochhauses „Treet“ in Bergen
Abbildung 18: Gebäudeschnitt des „Treet“
Abbildung 17: Nord-Ost Ansicht des „Treet“
Abbildung 19: Modelhafte Darstellung des Bauvorgangs für das Studentenwohnheim „WOODIE“ in Hamburg
Abbildung 20: Ansicht auf die Süd-West Fassade des „WOODIE“ in Hamburg
Abbildung 21: Gebäudeschnitt durch das „WOODIE“
Abbildung 22: Regelgrundriss des „WOODIE“
Tabelle 1: Mittlere jährliche Neubaunachfrage 2015 bis 2030
Tabelle 2: Mindestgrößen der Wohnungen nach Haushaltsgrößen
Tabelle 3: Bundesmedianeinkommen und leistbare Wohnkosten (Bruttowarmkosten) nach Haushaltsgrößen
Tabelle 4: Einkommensklassen nach Haushaltsgrößen
Tabelle 5: Leistbarkeitsgrenzen nach für Haushaltseinkommen
Tabelle 6: Leistbarkeitsgrenzen vom Quadratmeterpreisen (nettokalt) nach Einkommen und Haushaltsgrößen, bei angemessenen Wohnungsgrößen
Tabelle 7: Versorgungsbedarf nach Einkommen
Tabelle 8: Versorgungsbedarf nach Einkommen (prozentual)
Tabelle 9: Versorgungsbedarf nach Haushaltsgrößen (anteilig)
Tabelle 10: Versorgungsbedarf aller Haushalte nach Mietpreisklassen (nettokalt)
Tabelle 11: Versorgungspotential nach Einkommen und Wohnungsgrößen
Tabelle 12: Versorgungspotential nach Einkommen und Wohnungsgrößen (anteilig)
Tabelle 13: Versorgungspotential nach Mietpreisklassen (nettokalt)
Tabelle 14: Versorgungslage für Haushalte mit Einkommen von 80 – 100% des BME in den Großstädten
Tabelle 15: Versorgungslage für Haushalte mit Einkommen von 60 – 80% des BME in den Großstädten
Tabelle 16: Versorgungslage für Haushalte mit Einkommen unter 60 % des BME in den Großstädten
Tabelle 17: Versorgungslage aller Einkommensklassen bis zum BME in den Großstädten
Der weltweite Bedarf an günstigemWohnraum nimmt stetig zu. Faktoren für dieses Phänomen sind in den meisten Fällen ein Anstieg der Bevölkerung und die zunehmende Urbanisierung sowie der daraus resultierende Platzmangel, um sich bedafsgerecht ausbreiten zu können. Gerade arme Menschen sind besonders von den Folgen des mangelhaften Wohnungsmarktes betroffen, sodass diese meist gezwungen sind, eigene Lösungen zu finden, um nicht auf der Straße leben zu müssen. Besonders Länder wie Indien, China, Brasilien und Teile Südostasiens sind von den Auswirkungen betroffen. Die Armutsviertel, die dort entstehen, werden als Favelas oder Slums bezeichnet. Diese Elendsviertel enstehen, weil es der Staat über einen langen Zeitraum nicht geschafft hat, auch für den armen Teil der Bevölkerung, ausreichend und leistbaren Wohnraum zur Verfügung zustellen. Betrachtet man allerdings die Situation in Deutschland, werden auch dort die Mieten immer teurer und damit immer häufiger zur Armutsfalle für viele Menschen. Seit Jahren verpasst es der Wohnungsmarkt sich an die neuen Anforderungen der Haushalte anzupassen. Durch Mietpreisbremsen versucht die Regierung die stetigen Preisanstiege einzudämmen und zögert damit nur das Unumgängliche hinaus. Das das Vorgehen keine erfolgsversprechende Antwort darstellt, zeigt bereits die Geschichte der Mietpreisbremse. Nach der Einführung 2015 hielt sich die Wirkung erst in Grenzen. Die Regelungen wurden dann verlängert und anschließend verschärft. Die Aufgabe des Staates muss es allerdings sein, die Probleme langfristig zu lösen und nicht nur einzudrosseln. Die wirkliche Problemursache scheint jedoch zu sein, dass der konventionelle Wohnungsbau der Nachfrage nach günstigem Wohnraum nicht mehr gewachsen ist. Deswegen ist es Zeit, dass man neue Methoden und Herangehensweisen entwickelt, um der Wohnungsnot wirkungsvoll entgegenzutreten, damit auch den Einkommensschwachen angemessener und leistbarer Wohnraum zur Verfügung steht und Zustände wie in Indien oder Brasilien vermieden werden.
In dieser Hausarbeit wird zunächst allgemein auf das Thema Slum bzw. Elendsviertel auf der Welt eingegangen und die Entwicklung der anteiligen Slumbevölkerung analysiert, um Aufschluss darüber zu bekommen wie sich der Trend weltweit weiterentwickelt. In den darauffolgenden Kapiteln wird explizit auf die aktuelle Situation in der deutschen Einkommens- und Wohnungsverteilung und deren Entwicklung für den zukünftigen Wohnungsmarkt eingegangen. Dabei wird der Wohnungsbedarf für einzelne Einkommensklassen und Haushaltsgrößen ermittelt und mit dem aktuellen Bestand und der Mietpreisentwicklung abgeglichen. Zur Lösungsfindung wird speziell auf die Bedürfnisse der unteren Einkommensschichten Wert gelegt, da diese es am schwierigsten haben, eine leistbare und angemessene Wohnung zu finden. Im letzten Abschnitt wird eine mögliche Lösung vorgestellt, in welche Richtung sich der zukünftige Wohnungsmarkt entwickeln könnte, damit Wohnungspotential und Wohnungsbedarf wieder ausgeglichen sind und der Anteil der Armen auf Grund zu hoher Wohnkosten nicht weiter steigt.
In vielen Städten weltweit leben Millionen von Menschen auf engstem Raum unter den schwierigsten Bedingungen zusammen, während andere Landstriche wie ausgestorben wirken. Heute leben circa 1,4 Milliarden Menschen in Slums (vgl. UN-Habitat, statista). Wie Abbildung 1 zeigt nehmen die absoluten Zahlen und sogar der Anteil der Slumbewohner zur Gesamtbevölkerung stetig zu. Nach Prognosen der UN-Habitat soll im Jahr 2050 sogar jeder dritte Mensch in einem dieser Elendsviertel dieser Welt leben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Anteil der Slumbewohner an der Weltbevölkerung
Slums gibt es seit es Metropolregionen auf dieser Erde gibt und speziell dort wo sich die Armut von dem Reichtum in der Bevölkerung spaltet. Es wird angenommen, dass die irische Phrase ’S lom é, die Herkunft des Wortes Slum ist. Übersetzt heißt dies so viel wie „düsterer und mittelloser Ort“. (vgl. Cassidy, 2007, S. 267). 1820 wurde dann das englische Wort Slum in London bekannt, das zunächst für sehr einfache Wohnungen und später für die Siedlungen der armen Arbeiter benutzt wurde. (vgl. wtw-Film, 2016). Die früheren Werke in England und Amerika verwenden Definitionen, in denen der Slum als eine „schmutzige Hinterstraße einer Stadt mit einer schmutzigen und einer bösartigen Bevölkerung“ (vgl. Ford, 1936, S. 3 ff.) beschrieben wird. Andere Werke bezeichnen Slums auch als eine niedrige und schmutzige Nachbarschaft und drücken damit ihre Distanz zu diesem Gebiet aus. Weitere Definitionen neigen dazu besonders die dort lebenden Menschen, die Bevölkerungsdichte, die Überlastung der Bevölkerung und die Überbelegung der Räume zu betonen. (vgl. Ford, 1936, S. 3 ff.).
Folgende Faktoren dienen in den zur Bestimmung eines Slums:
- Minderwertige Wohnungen mit unsicheren Besitzverhältnissen
- Licht- und Frischluftmangel
- Fehlen einer oder mehrerer städtischer Dienstleistungen und Infrastrukturen wie die Abwasserbehandlung, sauberes Trinkwasser, Abfallmanagment, Strom
- Fehlen von befestigten Wegen und Straßen
- Dichte Bebauung
- Vorkommen von Schmutz
Die oben genannten Merkmale haben zudem erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Bewohner, des Gebäudes oder des Viertels und werden diesen auf kurze oder lange Sicht schädigen. (vgl. Davis, 2006)
Während nur sechs Prozent der Stadtbevölkerung der entwickelten Länder unter Slumbedingungen leben, macht die Slumbevölkerung in weniger entwickelten Ländern 78,2 Prozent der städtischen Bevölkerung aus.
Je nach Region, Kultur und dem Grund der Entstehung, muss zwischen drei verschiedene Arten von Slums unterschieden werden:
a) Eine Art sind Slums, die das Ergebnis einer länger andauernden wirtschaftlichen Krise sind. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Durch Rezession im Land verlieren viele Menschen ihren Job. Diejenigen, die es sich leisten können, verlassen die Gegend. Zurück bleiben die Armen und Arbeiterfamilien, die sich ihren bisherigen Lebensstil nicht mehr leisten können. Besonders in den USA sind diese Art von Slums häufig zu finden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Armenviertel in Detroit auf Grund wirtschaftlicher Krisen
b) Sogenannte Federal Slums werden bewusst in der Nähe von unattraktiven Gebieten aus öffentlicher Hand errichtet. Die UN-Menschenrechtscharta schreibt unter anderem vor, dass jeder Mensch das Recht auf eine Wohnung besitzt. Aus diesem Grund wird sozialer Wohnungsbau meist an ungünstigen Standorten, die in unmittelbarer Nähe zu umweltbelastenden Industrien, Vieh- und Schlachthöfen, Eisenbahnarealen oder Autobahnen errichtet, da sich diese Gegenden für den Wohnungsbau ohnehin nur schwer verkaufen lassen. In diesen Vierteln ist die Arbeitslosigkeit hoch und das öffentliche Interesse besonders gering, sodass Verbesserungen nur schwer umsetzbar sind. Im Gegensatz zu Typ a ist diese Art von Slum nie Teil der Mittelschicht gewesen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Federal Slum in China
c) Die bekannteste Form der Slums entsteht meist in Entwicklungsländern am Rande von Ballungsgebieten, wie zum Beispiel die Favelas in Brasilien und die großen Slums in Indien. Der Ursprung beruht meist auf einer illegalen Landnahme. Durch Bevölkerungszuwachs verdichtet sich das bebaute Gebiet, was einen gravierenden Mangel an infrastrukturellen Einrichtungen zur Folge hat. Errichtet aus einfachsten Baumaterialien gleichen die Gebäude einer Baracke aus Blech und Holz oder sehr einfachen Hütten aus Ziegelsteinen. Die Bewohner dieser Elendsviertel betreiben überwiegend Schattenwirtschaft, die der Überlebenssicherung dient. Dies hat zur Folge, dass das Einkommen nur sehr gering und unsicher ist. (vgl. Prof. Dr. Schneider-Sliwa, 2001)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Typisches Erscheinungsbild eines Slums in Indien
Egal wo man auf der Welt eine slumartige Bebauung findet die Ursache der Bildung von Slums ist überall dieselbe. Solange man keine formelle Beschäftigung in den Städten schaffen kann, kann man nicht mit den Slums umgehen. Nur der Staat kann Ressourcen in einem Umfang mobilisieren, der groß genug ist, um etwas zu bewirken. Der Weg aus dem Slum erfolgt mit dem Ende der Armut. Die alarmierende Botschaft lautet jedoch, dass die Armen mit ihrer minimalen Menge an Ressourcen keine eigenen Lösungen finden. Der Staat muss demnach die Hilfe bereitstellen, um dem Strudel Slum entkommen zu können.
Wenn man von Slums spricht, würde wohl niemand auf die Idee kommen dabei an Deutschland zu denken. Wer in Deutschland lebt, muss keine Angst davor haben in einer Wellblechhütte hausen zu müssen oder in seiner Unterkunft kein fließendes Wasser, Strom, eine Kanalisation oder eine Müllabfuhr vorzufinden.
Im Sozialstaat Deutschland boomt die Wirtschaft und die Arbeitslosigkeit ist mit unter fünf Prozent historisch niedrig (vgl. statista, 2019).
Slums sind in Deutschland dank dem dichten Netz staatlicher, kommunaler oder kirchlicher Hilfen kein vorrangiges Thema.
Dies war jedoch nicht immer der Fall. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges waren 21 Millionen Menschen obdachlos. Aus diesem Grund entschied sich die junge Bundesregierung im Jahr 1950 das erste Wohnungsbaugesetz zu verabschieden. Der soziale Wohnungsbau war geboren. Das wichtigste Ziel des Projektes bestand darin, Wohnungen für die breite Masse der Bevölkerung zu bauen. Dies versuchte man zu erreichen, indem man durch die Vergabe von unverzinsten Baudarlehen mit einer Tilgungsfrist von 30 bis 35 Jahren sowie durch hohe Subventionen, den privaten Anteil in der Bautätigkeit förderte. 1950 betrug der private Anteil an der Bautätigkeit bereits Zweidrittel und stieg bis 1980 auf einen Anteil von 91%. Im Gegenzug für die unverzinsten Darlehen, waren die privaten Bauträger für die Dauer des Darlehens dazu verpflichtet, die erbauten Wohnungen nur an Haushalte zu vermieten, die eine festgesetzte Einkommensschwelle nicht überschritten. Zudem wurde festgelegt wie sich die Miete zusammensetzen musste. Mit dem Zurückzahlen der Darlehen entfiel allerdings die Bindung an diese Vereinbarungen. Die Beschränkung des Investors war auf das erste Drittel der Lebensdauer einer Wohnung beschränkt, in welchem keine Kapitalverwertung stattfinden durfte. Danach dürfen die Investoren die Wohnungen zu marktüblichen Preisen verkaufen. Grund für diese Regelung liegt dem Gedanken zugrunde, dass der Eingriff in die Marktkräfte nur aufgrund von Notsituationen erfolgen solle. (vgl. Dr. Münch, 2006). Der soziale Wohnungsbau ist ein Mittel, um eine schnelle Lösung für den Mangel an Wohnungen zu finden, sollte aber ein zeitlich begrenzter Kompromiss zwischen einer marktwirtschaftlich orientierten und einer an der Schaffung dauerhaft gebundenen Bestände interessierten Wohnungsversorgung sein. Zurzeit sinkt die Zahl von Sozialwohnungen , denn den aus der Bindung wegfallenden Wohnungen, werden nicht ausreichend viele Sozialwohnungen nachgebaut. Zwar verkaufen die Länder und Städte neues Land für den Bau neuer Wohnungen an private Investoren, für die sich der Bau von teuren Wohnungen jedoch nicht mehr lohnt. Die vergebenen Flächen fehlen daher der öffentlichen Hand, um Sozialwohnungen zu errichten. Zudem obliegt der Wohnungsbau seit der Föderalismusreform 2006 den Ländern. Er wird dennoch weiterhin vom Bund gefördert, im Jahr 2017 mit 1,5 Milliarden Euro.
Dem Paritätischen Wohlfahrtsverband zufolge wären jedes Jahr 80.000 neue Sozialwohnungen nötig, um den tatsächlichen Bedarf zu decken. Im Jahr 2017 sind allerdings nur gut 26.000 neue Sozialwohnungen entstanden. Die Folge: Viele Menschen können sich durch die steigenden Mietpreise keine Wohnung in den Ballungsräumen leisten. Die steigenden Wohnkosten werden zum Armutsrisiko. (vgl. Beitzer, 2018). Der Grund für Armut kann vielschichtig sein und wird später noch genauer erläutert. Zunächst sollen jedoch die nachfolgenden Zahlen und Fakten eine grobe Übersicht darüber geben, wie sich die aktuelle Situation in Deutschland gestaltet (vgl. Wagener, 2017):
- Die Zahl der Wohnungslosen hat sich seit 2014 verdoppelt. Im vergangen Jahr hat die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) rund 860.000 Menschen registriert, die kein eigenes Zuhause hatten. Die wenigsten davon müssen auf der Straße leben, denn 93 % kommen entweder bei Freunden oder in Notunterkünften unter.
- Wirklich obdachlos sind in Deutschland circa 52.000 Menschen.
- Mehr als die Hälfte der 860.000 Wohnungslosen sind Flüchtlinge, was den enormen Anstieg zum Teil erklärt. Jedoch sind auch unabhängig des Flüchtlingszuwachs die Zahlen der Wohnungslosen von 335.000 auf 420.000 gestiegen.
- Vielen Menschen droht immer häufiger der Verlust der eigenen vier Wände - wenn auch nur auf Mietbasis.
- Durch den Rückzug des Staates aus dem sozialen Wohnungsbau existieren immer weniger Sozialwohnungen. Innerhalb der letzten 30 Jahre ist die Zahl der Sozialwohnungen von rund vier Millionen in der BRD vor der Wiedervereinigung auf heute nur noch 1,3 Millionen gesunken.
- In Deutschland wächst die Zahl der Einzelhaushalte. Momentan gibt es rund 17 Millionen Einzelhaushalte in Deutschland. Das aktuelle Angebot an Ein- oder Zweizimmerwohnungen entspricht dagegen nur 5,2 Millionen. Die Folge sind extreme Mietsteigerungen.
Wenn die Menschen mehr Geld für das Wohnen ausgeben müssen fehlt ihnen folglich das Geld an anderer Stelle. So können sie sich unerwartete Kosten nicht mehr leisten und verfallen damit in immer größere Armut. Die Definition von Armut ist jedoch in der Sozialforschung breit gefächert. Der entscheidende Aspekt ist, zu wenig Geld zum Überleben zu besitzen Aber Armut reicht darüber hinaus auch bis hin zur sozialen Ausgrenzung. Die Entwicklung in Deutschland wird durch das Diagramm in Abbildung 5 deutlich.
Es zeigt den Verlauf der Armutsgefährdungsquote bzw. den Anteil der von relativer Einkommensarmut betroffenen Personen in Deutschland in den Jahren 2008 bis 2017. Die Armutsgefährdungsquote ist der wichtigste amtliche Indikator zur Ermittlung der relativen Einkommensarmut eines Landes und gibt den Anteil an armutsgefährdeten Personen an einer Gesamtgruppe wieder. Als armutsgefährdet gilt man mit einem Äquivalenzeinkommen von weniger als 60 Prozent des gewichteten nationalen mittleren Einkommens (Median). Dieser Schwellenwert wird in allen EU-Ländern angewendet, um die Armut in der EU miteinander vergleichbar zu machen. Oberhalb dieses Wertes soll ein angemessenes Leben in den jeweiligen Ländern möglich sein. Die Einkommen der unterschiedlichen Gruppen werden bei der Auswertung separat betrachtet. Die verschiedenen Haushaltsstrukturen bewirken unterschiedliche Einspareffekte, die beim Zusammenleben entstehen. So werden gemeinsam genutzter Wohnraum, der Energieverbrauch pro Kopf oder Haushaltsanschaffungen bei der Bewertung berücksichtigt. Das daraus entsprechende Äquivalenzeinkommen wird auf der Basis des Haushaltsnettoeinkommens der einzelnen Haushaltsmitglieder berechnet, indem es durch einen Gewichtungsschlüssel (OECD-Äquivalenzskala) geteilt wird, um die Einkommen unterschiedlich großer Haushalte vergleichbar zu machen. Die Armutsgrenze liegt bei 60 % des mittleren bedarfsgewichteten Nettoeinkommens der Bevölkerung in Privathaushalten. Am Diagramm ist zu erkennen, dass der Anteil in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen ist . Im Jahr 2017 betrug die Armutsgefährdungsquote in Deutschland 15,8 %.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Armutsgefährdungsquote in Deutschland von 2008 bis 2017
Nach den Ergebnissen der Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) war 2008 rund jede 7. Person in Deutschland armutsgefährdet; 2017 galten bereits 13,32 Millionen Menschen und damit fast jede sechste in Deutschland lebende Person als armutsgefährdet. Da Armut in unterschiedlichen Formen auftritt, muss man bei der Betrachtung der Armutsgefährdungsquote jedoch zwischen unterschiedlichen Gruppen unterscheiden, um die Ursachen der Armut zu finden und daraus entsprechende Konzepte zur Bekämpfung der Ursachen ableiten zu können. Zudem lässt sich die Armut dadurch national und international besser vergleichen. Der Schwellenwert für Armutsgefährdung in Deutschland lag 2008 noch bei 10.986 Euro für Alleinlebende pro Jahr. 2017 muss ein Einpersonenhaushalt bereits 13.152 Euro im Jahr zur Verfügung haben, um nicht armutsgefährdet zu sein. Ähnlich verhielt es sich bei zwei Erwachsenen mit zwei Kindern unter 14 Jahren. 2017 mussten diese nach Einbeziehung staatlicher Transferleistungen ein Einkommen von 27.620 Euro pro Jahr überschreiten, um nicht als armutsgefährdet zu gelten. 2008 lag der Schwellenwert noch bei 23.070 Euro pro Jahr.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Ausgewähle Armutsgefährdungsquote nach erhaltenen Sozialleistungen in Deutschland
Die Statistik zeigt eine solche Auswahl an Armutsgefährdungsgruppen in Deutschland. Es fällt auf, dass die Arbeitslosigkeit der größte Indikator für Armutsgefährdung ist. 2017 waren 70,6 % der Arbeitslosen armutsgefährdet. Auch der Unterschied zum Jahr 2008 ist bei dieser Gruppe am höchsten. 2008 waren 56,8% der Arbeitslosen armutsgefährdet. Im Vergleich zu den Erwerbstätigen ist dort die Gefährdung mit 9,1 % deutlich geringer. Aber auch andere Gruppen haben ein hohes Risiko in die Armut zu geraten. So sind Menschen in Deutschland ohne deutsche Staatsangehörigkeit deutlich gefährdeter in Armut zu geraten als Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit. 33,2 % der Alleinerziehenden waren im Jahr armutsgefährdet. Im Vergleich zu 2008 mit 35,9 % ist dieser Wert zwar leicht zurück gegangen, zeigt aber dennoch einen überdimensionalen hohen Wert an. Auch die alleinlebenden Haushalte weisen mit einer Quote von 32,1 % im Jahr 2017 einen sehr hohen Wert auf. Auffallend ist auch, dass die jungen Leute zwischen 18 und 25 Jahren mit 26 % im Vergleich zu anderen Altersgruppen deutlich höhere Risiken aufweisen (vgl. bpb, 2018).
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