Bachelorarbeit, 2020
60 Seiten, Note: 1,3
I. Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Forschungsgegenstand und Methode
3 Asymmetrie der bewaffneten Konflikte im 21. Jahrhundert
3.1 Technische und taktische Dimension der Drohnentechnik
3.2 Targeted Killings
4 Analyse der Targeted Killings auf Grundlage des Völkerrechts
4.1 Souveränität der betroffenen Staaten
4.1.1 Gezieltes Töten auf der Grundlage zwischenstaatlicher Absprachen
4.1.2 Gezieltes Töten auf der Grundlage staatlicher Selbstverteidigung
4.2 Individuelle Rechte der Betroffenen im Kontext des Rechts auf Leben
4.2.1 Im Rahmen eines bewaffneten Konflikts als Methode der Kriegsführung
4.2.2 Außerhalb bewaffneter Konflikte
5 Ethische Bewertung der Targeted Killings durch Drohnen
5.1 Bewaffnete Drohnen aus der Perspektive der Technikfolgenabschätzung
5.2 Die Problematik des Schutzbegriffes im Kontext bewaffneter Drohnen und gezielter Tötungen
5.3 Targeted Killings aus der Perspektive der Risikoethik
5.4 Bewertung der Targeted Killings auf der Grundlage von Immanuel Kants Werk Zum ewigen Frieden
5.4.1 Kants Friedensschrift als Werk der deontologischen Ethik?
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Am 03. Januar 2020 wird der iranische Divisionskommandeur Qasem Soleimani, bei einem gezielten Luftschlag durch eine US-Drohne vom Typ MQ-9-Reaper, am Flughafen Bagdad im Irak getötet.1 Bei dem Angriff werden mindestens fünf weitere Menschen, darunter ein irakischer Politiker, Soleimanis Schwiegersohn und ein ziviler Flughafenangestellter getötet. Das US-Verteidigungsministerium bestätigt, dass der Angriff auf Anweisung des Präsidenten Donald Trump erfolgte, um geplante Angriffe auf amerikanische Diplomaten und Einsatzkräfte zu verhindern.2
Der Drohnenangriff auf Soleimani ist die Eskalation eines Konflikts, der bereits eine Woche zuvor begann. Am 27. Dezember 2019 wurde der US-Stützpunkt bei Kirkut, im Nordirak, mit Raketen beschossen. Für diesen Angriff war die irakische Kataib Hisbollah verantwortlich, welche von der iranischen Revolutionsgarden gesteuert wird. Qasem Soleimani war Kommandeur der Al- Kuds-Brigaden, einem Verband innerhalb der Revolutionsgarde und gilt als Strippenzieher hinter den Angriffen auf die amerikanischen Streitkräfte.3 Doch rechtfertigt dieser Umstand eine gezielte Tötung Soleimanis? Der US- Außenminister Mike Pompeo begründet die Vorgehensweise im Kontext der drohenden Gefahr für US-Bürger und bezeichnet den Angriff als Akt der Selbstverteidigung.4
Aus dieser Argumentation ergeben sich mehrere explizite Fragen: Sind gezielte Tötungen (durch Drohnen) in militärischen Konflikten vom Völkerrecht gedeckt? Inwiefern verletzen diese Praktiken die Souveränität betroffener Staaten und die Rechte der betroffenen Personen? Zudem stellt sich die Frage, ob diese Praktik mit der Moral vereinbar ist und welche möglichen Risiken deren Anwendung mit sich bringt. Ziel dieser Arbeit ist es, die Praktik der gezielten Tötungen durch Drohnen, im Kontext des Völkerrechts und der Ethik zu untersuchen und diese Fragen zu beantworten.
Der Umstand, dass die Forschungsfrage aus zwei Elementen besteht wirkt sich auch auf die Struktur dieser Arbeit aus. Daher wird die Forschungsfrage im ersten Teil der Arbeit im Kontext des Völkerrechts und im zweiten Teil der Arbeit in Hinblick auf die ethischen Gesichtspunkte untersucht. Das erste inhaltliche Kapitel dieser Arbeit kann als Einführung verstanden werden, um eine Grundlage zu schaffen, die zum weiteren Verständnis dieser Arbeit unabdingbar ist. Dort wird erläutert, was unter asymmetrischen bewaffneten Konflikten zu verstehen ist und welchen Platz Drohnen und gezielte Tötungen in diesem Konstrukt einnehmen. Zudem wird ein kurzer Überblick über die militärhistorische Entwicklung der Drohnen gewährt.
Darauf aufbauend folgt der Einstieg in das erste Schwerpunktthema dieser Arbeit, die völkerrechtliche Bewertung gezielter Tötungen durch Drohnen. In diesem Kapitel wird zuerst die zwischenstaatliche Ebene bezüglich der Souveränitätsrechte betrachtet. Der Fokus dieser Analyse liegt einerseits auf Militäreinsätzen die im Rahmen zwischenstaatlicher Absprachen erfolgen und andererseits auf Militäreinsätzen, die auf der Grundlage des staatlichen Selbstverteidigungsrechts durchgeführt werden. Diesbezüglich soll die Frage beantwortet werden, in welchen Fällen Verletzungen des Souveränitätsrechts mit dem Völkerrecht vereinbar sind. Im Anschluss an dieses Kapitel verlagert sich der Schwerpunkt, weg von den Rechten der betroffenen Staaten, hin zu den Rechten der betroffenen Personen. Auf der Grundlage des Völkerrechtes wird in diesem Kapitel zwischen gezielten Tötungen innerhalb und außerhalb bewaffneter Konflikte unterschieden. Der Fokus liegt dort auf der Frage, unter welchen Voraussetzungen gezielte Tötungen mit dem Völkerrecht, insbesondere mit dem Recht auf Leben, vereinbar sind.
Im Anschluss an dieses Kapitel folgt der zweite Teil dieser Arbeit, die ethische Bewertung gezielter Tötungen durch Drohnen. Dort wird im ersten Abschnitt eine Analyse der bewaffneten Drohnen aus der Perspektive der Technikfolgenabschätzung vorgenommen. Der Fokus liegt dabei vor allem auf den Risiken, die durch den Ausbau dieser Technologie entstehen. Im zweiten Abschnitt liegt der Fokus auf einer Untersuchung des Spannungsfeldes zwischen den gezielten Tötungen und dem Schutz durch Drohnen. Die Argumentation, dass Drohnen eine wichtige Technologie zum Schutz der Einsatzkräfte darstellen, wird dort genauer analysiert.
Der dritte Abschnitt beschäftigt sich mit gezielten Tötungen aus der Perspektive der Risikoethik. Der Schwerpunkt liegt in diesem Kapitel darauf, die Komplexität von Entscheidungsprozessen anhand eines Gedankenexperiments zu veranschaulichen. Im vierten und letzten Abschnitt der ethischen Analyse wird die Praxis der gezielten Tötungen durch Drohnen, auf ihre Vereinbarkeit mit den Präliminarartikeln in Immanuel Kants Werk Zum ewigen Frieden geprüft. Kants Friedensschrift gilt als wegweisend für die politische Philosophie und kann als Grundstein für die Formulierung des Völkerrechts verstanden werden. Eine Prüfung der Praxis auf der Grundlage dieses Werkes ist daher besonders relevant. Die Frage, ob Kants Friedensschrift der für in typische deontologische Ethik, oder der teleologischen Ethik zuzuordnen ist, wird im Anschluss an dieses Kapitel geklärt.
Im letzten Kapitel dieser Arbeit, dem Fazit, wird die Forschungsfrage im Kontext der einzelnen Ergebnisse betrachtet. In diesem Zuge wird dort sowohl die Frage der völkerrechtlichen als auch der ethischen Vertretbarkeit gezielter Tötungen durch Drohnen abschließend beantwortet. Die Arbeit endet mit einem kurzen Appell an die Politik.
Die Fragestellung dieser Arbeit richtet sich auf drei Dimensionen die im Kontext gezielter Tötungen durch Drohnen besondere Relevanz haben. Einerseits soll die Legitimität gezielter Tötungen aus gesetzlicher Perspektive geprüft werden. Diese Prüfung zielt insbesondere auf die Frage der Legalität und die Frage der Vereinbarkeit gezielter Tötungen mit den verschiedenen Normen des Völkerrechts ab. Andererseits sollen gezielte Tötungen aus der Perspektive verschiedener philosophischer Disziplinen betrachtet werden. Dabei ist insbesondere eine ethische Analyse relevant, diese untersucht gezielte Tötungen auf deren Vereinbarkeit mit moralischen Normen und Werten. Die Forschungsfrage beinhaltet jedoch noch eine weitere Komponente, die Drohne als Werkzeug, mit dem diese Tötungen ausgeführt werden. Aufgrund der technischen Natur der Drohnen, müssen diese aus der Perspektive der Technikphilosophie untersucht werden, besonders hinsichtlich der möglichen Folgen, die deren Einsatz mit sich bringt.
Das Ziel dieser Arbeit ist es in ein möglichst detailliertes Bild dieser Dimensionen darzustellen und auf der Grundlage dieses Bildes, sowie den daraus abgeleiteten Argumenten, die Forschungsfrage zu beantworten. Die Arbeit beruht auf einer umfangreichen Literaturrecherche und einer draus abgeleiteten Interpretation der Literatur in Bezug auf die Forschungsfrage. Dabei sollen Pro- und Contra-Argumente einander gegenübergestellt und auf ihre Plausibilität geprüft werden, um ein möglichst klares Bild der Risiken und Möglichkeiten zu erhalten, die von der Praxis (gezielter Tötungen durch Drohnen) ausgehen. Die Fragestellung und das Forschungsfeld lassen, zumindest aus aktueller Sicht, nur eine qualitative Forschung zu. Dies ist auf den Umstand zurückzuführen, dass es erstens wenig sinnvoll scheint, eine Frage, die auf die Moralität einer Handlung abzielt, mit quantitativen Daten hinsichtlich ihrer Umsetzung zu beantworten. Zweitens existieren kaum belastbare quantitative Daten zu gezielten Tötungen durch Drohnen und selbst wenn Daten vorhanden sind, muss deren Vollständigkeit und Aussagekraft, aufgrund ihrer Herkunft in Frage gestellt werden.
Im Anschluss erfolgt ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand und die wichtigsten Veröffentlichungen in diesem Forschungsfeld, auf welche im weiteren Verlauf dieser Arbeit eingegangen wird.
Bill Yenne beschreibt in seinem Buch 2012, die militärhistorische Entstehung und Entwicklung der Drohne. Er beschreibt detailliert deren Entwicklung von Aufklärungsdrohnen während des Vietnam-Krieges, über deren Zweckentfremdung durch die IDF während des Yom-Kippur-Krieges und dem erneuten Einsatz durch die USA im Kosovokrieg, bis hin zur Umrüstung zu bewaffneten Drohnen zu Beginn des Afghanistan-Krieges.
Christian Schaller und Peter Rudolf befassen sich in ihrer Publikation im Rahmen einer SWP-Studie 2012, mit der völkerrechtlichen und ethischen Legitimität gezielter Tötungen. Ihre Arbeit bezieht sich insbesondere auf die völkerrechtlichen Aspekte. Christin Schaller kommt dort zu dem Schluss, dass gezielte Tötungen, im Rahmen bewaffneter Konflikte und im Rahmen staatlicher Selbstverteidigung, mit dem Völkerrecht vereinbar sind. Er kritisiert jedoch deren Anwendung im Rahmen von Polizeieinsätzen, durch staatliche Organe, die nicht zu den Streitkräften gehören. Peter Rudolf untersuchte die ethischen Aspekte gezielter Tötung. Er hält die Praxis der institutionalisierten Tötungen durch die USA und die sehr weite Auslegung des Völkerrechts für ethisch bedenklich. Vor allem in Hinblick darauf, dass sich der Kreis der potenziellen Zielpersonen durch diese großzügige Auslegung immer weiter ausdehnt. Zudem kritisiert er die Intransparenz in Bezug auf die Auswahlkriterien.
Anna Goppel greift in Ihrer Dissertation zum Thema der Moralität und Legalität der Tötung von Terroristen 2013, ähnliche Punkte auf wie Christian Schaller und Peter Rudolf. Sie kommt zu dem Schluss, dass gezielte Tötungen in bewaffneten Konflikten rechtlich und ethisch vertretbar sind. Allerdings hält sie die Leichtfertigkeit, mit der Konflikte, vor allem in Bereich der Terrorismusbekämpfung, heutzutage zu kriegerischen Auseinandersetzungen erklärt werden, für sehr bedenklich.
Auch die Vorrausetzungen, unter welchen Personen durch Handeln einer terroristischen Vereinigung zugerechnet werden (und damit infolgedessen deren Tötung legitimiert wird), kritisiert sie.
Grégoire Chamayou entwickelt in seinem Buch 2013, eine umfassende Theorie der bewaffneten Drohnen und der damit einhergehenden Gewalt. Er beschreibt die geschichtliche Entstehung der Drohnen in Anlehnung an Yennes Buch. Er gibt einen Überblick über verschiedene Kritikpunkte aus ethischer Perspektive. Dabei geht er besonders auf die grundsätzliche Problematik des Rechts zu töten ein, vor allem in kritisiert er dabei die Idee des Tötens, ohne sich selbst dem Risiko auszusetzten, getötet zu werden.
Corinna Dau beschäftigt sich in Ihrer Dissertation 2017, mit der Frage inwiefern das in der UN-Charta verankerten Selbstverteidigungsrecht auf nicht-staatliche Akteure anwendbar ist. Dabei nimmt Sie sowohl eine Normanalyse der völkerrechtlichen Bestimmungen (vor allem in Bezug auf Art. 51 UN-Charta) als auch eine genaue Betrachtung der Staatenpraxis vor. Sie kommt zu dem Schluss, dass der Gewaltausübende im Sinne der Selbstverteidigung in Art. 51 (der Staat) sehr genau definiert ist, das Opfer der Gewalt jedoch nicht genauer definiert ist. Dies ermöglicht es das Selbstverteidigungsrecht auch gegen nicht-staatliche Gewaltakteure auszuüben.
Reinhard Grünwald und Thomas Petermann untersuchen in ihrem Bericht 2011, im Rahmen ihrer Tätigkeit beim Büro für Technikfolgen-Abschätzung im Deutschen Bundestag, den aktuellen Stand, die Perspektiven und die Risiken in Hinblick auf den militärischen Einsatz unbemannter Systeme. Der Bericht wurde durch den Verteidigungsausschuss in Auftrag gegeben. Inhaltlich befasst sich der Bericht mit den technischen, ökonomischen und militärischen Aspekten unbemannter Systeme. Dabei wird sowohl eine völkerrechtliche Betrachtung, als auch eine Betrachtung hinsichtlich möglicher sicherheits- und kontrollpolitischer Folgen vorgenommen.
Grünwald und Petermann gehen dabei auf drei mögliche Risiken ein: die Gefährdung der Stabilität, das Risiko eines qualitativen Wettrüstens und die Möglichkeit einer gesteigerten Bedrohungswahrnehmung.
Bernhard Koch und Bernhard Rinke analysieren in Ihrem Artikel, in der Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis aus dem Jahr 2018, das Spannungsverhältnis zwischen der Schutzleistung für Soldaten und den gezielten Tötungen. Dabei stellen sie die Wertung der bewaffneten Drohnen als ethisch neutrales Mittel in Frage. In diesem Zusammenhang beschäftigen sie sich ausführlich mit dem Begriff des Schutzes, der in der politischen Diskussion häufig von Befürwortern, des Einsatzes bewaffneter Drohnen, als Argument verwendet wird. Koch und Rinke treffen in diesem Kontext eine Unterscheidung hinsichtlich der Art von Bedrohung. So kann eine Schutzleistung auf eine direkte möglicherweise tödliche Bedrohung durchaus gerechtfertigt sein, den Schutz gegen Bedrohungen, die aufgrund ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit eher diffuser Natur sind, gilt es jedoch kritisch zu hinterfragen. Zudem greifen sie das Problem auf, dass sich durch die Verfügbarkeit technischer Geräte der normative Kontext ändern kann. Diese Hypothese wenden sie auf die bewaffneten Drohnen an und kommen zu dem Schluss, dass bewaffnete Drohnen nicht als ethisch neutrales Mittel betrachtet werden könne.
Jahrhundert
Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs hat sich eine grundlegende Veränderung in der Erscheinungsform bewaffneter militärischer Konflikte manifestiert. Aber nicht nur die Art und Weise wie diese Konflikte bestritten werden hat sich verändert, gleichzeitig hat eine örtliche Verlagerung stattgefunden. So lagen die Austragungsorte der militärischen Konflikte, während des ersten und zweiten Weltkrieges primär auf dem Territorium nördlicher Industrienationen und deren Kolonien. Heute zeichnet sich ein anderes Bild ab. In den Ländern des globalen Nordens finden kaum noch Kriege statt und die Konfliktgebiete verlagern sich in den Süden. Es muss jedoch erwähnt werden, dass mehrfach Interventionen in Drittstaaten, durch eben diese Industrienationen stattgefunden haben.5 Die Industrienationen sind also nach wie vor an vielen Konflikten beteiligt, diese werden aber nichtmehr auf deren Territorium, häufig nicht mal auf deren Kontinent ausgetragen.
Ein Beispiel für diese Tendenz liefert der erste Irakkrieg im Jahr 1991, dieser Krieg sollte der Befreiung Kuwaits dienen und war durch ein UN-Mandat gedeckt. Bei diesem Konflikt handelte es sich nach wie vor um einen zwischenstaatlichen Krieg, es wurde aber auf eine neue Form der Kriegsführung gesetzt. Durch zielgesteuerte Waffensysteme wurden bereits vor dem Einmarsch der Truppen, Luftabwehrstellungen und die Führungszentrale des irakischen Militärs zerstört.6 Dieser Einsatz war die Basis für das Konzept der sogenannten Revolution in Military Affairs. Dabei handelt es sich um eine militärtheoretische Hypothese, die auf weitreichende Präzisionsschläge sowie leistungsfähige Aufklärungs-, Kommunikations- und Informationssysteme setzt.
Durch die Vernetzung aller Wirkmittel ermöglicht dieses Konzept eine netzwerkzentrierte Kriegsführung mit dem Ziel, den Gegner effektiv aus der Distanz zu bekämpfen und dabei möglichst wenige eigene Verluste zu erleiden.7 Ein Mittel dieser Kriegsführung sind gezielte Tötungen (Targeted Killings) durch bewaffnete Drohnen. Feindliche Ziele, sowohl Personen als auch Infrastruktur, können so gezielt aufgeklärt und bekämpft werden.
Die Reaktion auf diese Kriegsführung, die Martin Shaw als „New western way of war“8 bezeichnet, ist sowohl eine Veränderung in der Art und Weise wie Akteure innerhalb dieser Konflikte agieren, als auch eine Veränderung der Akteurskonstellation selbst. Grundsätzlich geht die Entwicklung weg von dem klassischen Krieg zweier legitimer Staaten, hin zu Bürgerkriegen und Kriegen zwischen Staaten und nichtstaatlichen Gewaltakteuren. Der offensichtlichen technischen Überlegenheit der Industriestaaten begegnen nichtstaatliche Gewaltakteure ebenfalls mit asymmetrischer Kriegsführung in Form von Guerilla-Taktiken. Im Afghanistankrieg veränderte sich die Vorgehensweise, weg von offenen Konflikten, hin zu dem Einsatz von improvisierten Sprengsätzen (IED) und Selbstmordattentätern.9
Bei der Beschreibung militärischer Konflikte in der heutigen Zeit, kann also von einer grundsätzlichen Asymmetrie in beide Richtungen gesprochen werden. Einerseits aufgrund der technischen Überlegenheit von Industriestaaten, andererseits durch den Einsatz von Guerilla-Taktiken seitens nichtstaatlicher Gewaltakteure.
Die US- Armee definiert eine Drohne als ein „aus der Entfernung oder automatisch gesteuertes Fahrzeug, Schiff oder Flugzeug“10. Der Begriff umfasst demnach nicht nur Fluggeräte, wie der umgangssprachliche Gebrauch vermuten lässt. Grégoire Chamayou bezeichnet dem Begriff Drohne als einen Laienausdruck. Im militärischen Bereich werden jene unbemannten Fluggeräte als UAV (Unmanned Aerial Vehicle) oder UCAV (Unmanned Combat Air Vehicle) bezeichnet, abhängig davon ob sie mit einem Waffensystem ausgestattet sind oder nicht.11
In dieser Arbeit werde ich, um den Lesefluss nicht negativ zu beeinflussen, den Begriff Drohne als Synonym für UCAV's, also die unbemannten bewaffneten Fluggeräte benutzen. Der Fokus der Arbeit wird auf dieser Drohnenart liegen, da diese im Kontext der Targeted Killings besondere Relevanz haben. Aufgrund des Umstands, dass bewaffnete Drohnen als Evolutionsprodukt aus den unbewaffneten Drohnen hervorgegangen sind, möchte ich die Geschichte der Drohnen dennoch allgemein schildern.
Das erste herkömmliche Drohnenprogramm wurde während des Vietnamkrieges von der U.S. Air Force finanziert. Mithilfe von Aufklärungsdrohnen wollte man die Gefahr durch sowjetische Boden-LuftRaketen, für die Piloten von Aufklärungsflugzeugen, umgehen. Nach Kriegsende verlor man jedoch das Interesse an den Fluggeräten. Erst im Jahr 1973 kam das Interesse an der Technik wieder auf. Zu diesem Zeitpunkt sah sich die Israel Defense Force (IDF) mit einem vergleichbaren Problem, den ägyptischen Boden-Luft-Raketen, konfrontiert. Innerhalb der ersten Stunden des Yom-Kippur-Krieges verlor die IDF auf diese Weise dreißig Militärgeräte.
Infolgedessen änderte die israelische Luftwaffe ihre Taktik und sendete dem Angriff eine Welle von Drohnen voraus, um die ägyptische Boden-Luft-Abwehr abzulenken. Während der Nachlade-Pause auf ägyptischer Seite folgte dann der tatsächliche Angriff durch israelische Kampfflugzeuge. Es folgten weitere Einsätze zur Ablenkung und Aufklärung des Feindes in den folgenden Jahren. Von diesen erfolgreichen Drohneneinsätzen inspiriert, wurde das Drohnenprogramm der U.S. Air Force in den 1980er-Jahren wiederaufgenommen. Allerdings waren auch die im Rahmen dieses Programms entwickelten Drohnen, noch nicht als Waffensystem, sondern zu Aufklärungszwecken konzipiert. Diese Weiterentwicklung ereignete sich zwischen dem Kosovo- und dem Afghanistan-Krieg.12 Die Offiziere, die den Einsatz der Aufklärungsdrohnen vom Typ Predator im Kosovokrieg beobachtet hatten, kamen auf die Idee, diese testweise mit Panzerabwehrraketen auszustatten. Die Idee wurde umgesetzt und bereits am 16. Februar 2001 konnte bei einem Test, ein Ziel durch eine Hellfire-Rakete, die von einer Predator Drohne gestartet wurde, erfolgreich bekämpft werden.13
Wenige Monate später, am 11. September 2001, fand mit dem Angriff auf das World Trade Center, der bisher verheerendste Terroranschlag in der westlichen Welt statt. Dabei starben 2753 Menschen.14 Die radikal islamistische Terrorgruppe Al-Qaida unter der Führung von Osama bin Laden war für diesen Anschlag verantwortlich. Da dieser sich, unter dem Schutz der Taliban-Regierung, in Afghanistan aufhielt, entschloss sich die US-Regierung zu einer militärischen Intervention im Rahmen staatlicher Selbstverteidigung auf afghanischem Territorium.
Innerhalb dieses Konflikts wurden die neu entwickelten Drohnen sowohl zum Zwecke der Aufklärung als auch zur gezielten Tötung militärischen Führungsfiguren eingesetzt. Dabei belief sich deren Einsatz jedoch nicht nur auf das afghanische Territorium, sondern wurde auch auf Nachbarländer, unter anderem Pakistan, ausgedehnt.
Bei Targeted Killings oder im Deutschen, gezielten Tötungen handelt es sich um einen Ausdruck für eine militärische Praktik, deren Anwendung in letzten zwanzig Jahren weltweit zugenommen hat.
Erste Bekanntheit erlangte die Methode durch die israelische Politik der gezielten Tötungen während der zweiten Infada, sowie durch die Anti-TerrorPolitik der USA infolge der Anschläge vom 11. September 2001. Doch was genau ist unter der Begrifflichkeit der gezielten Tötung zu verstehen? Hier muss zwischen der wörtlichen Bedeutung und der Bedeutung in der Praxis unterschieden werden. Die wörtliche Bedeutung des Begriffs impliziert erstens, dass tödliche Gewalt gegen ein spezifisches Ziel ausgeübt wird. Mit anderen Worten entscheidet der Angreifer, wer attackiert werden soll und leitet dann die Gewalt gegen das Ziel ein. Zweitens lässt sich aus dem Begriff der Tötung ableiten, dass es sich bei dem Ziel um ein Lebewesen handelt. Um was für ein Lebewesen lässt sich aus dem Begriff jedoch nicht ableiten. Zuletzt impliziert der Begriff, dass eine Tötung die grundlegende Intention dieser Handlung ist. Sie geschieht also nicht zufällig oder als Nebenprodukt der Handlung, sondern ist das Hauptziel. Die Bedeutung der gezielten Tötung in der Praxis widerspricht der wörtlichen Bedeutung nicht, denn tödliche Gewalt kann auch in der Praxis nur als gezielte Tötung bezeichnet werden, wenn die Intention zu Töten vorangeht. Die Nutzung des Begriffs in der Praxis ergänzt die Definition jedoch um einige Punkte, welche die wörtliche Bedeutung offenlässt. Erstens wird der Begriff gezielte Tötung nur im Kontext von Tötungen durch Staaten oder Organisationen gebraucht, die im Auftrag von Staaten handeln. Vergleichbare Handlungen von nichtstaatlichen Akteuren werden als Mordanschläge bezeichnet. Zweitens sind mit gezielten Tötungen ausschließlich Tötungshandlungen an Menschen gemeint. Dabei kann es sich sowohl um staatliche als auch um nicht staatliche Akteure handeln. Der Begriff wird jedoch hauptsächlich im Kontext der tödlichen Gewalt gegen nichtstaatliche Akteure, die in Terrorismus verwickelt sind, genutzt. Drittens handelt es sich bei gezielten Tötungen und geplante tödliche Gewalt.15
[...]
1 Vgl.: Crowley, Michael: US-Strike in Iraq Kills Qassim Suleimani, Commander of Iranian Forces.
2 Vgl.: Zeit Online: US-Militär tötet Iranischen General.
3 Vgl.: Baumgarten, Reinhard: Tod eines Schattenmanns - und die Folgen.
4 Vgl.: Zeit Online: Soleimani hätte „vor vielen Jahren“ getötet werden müssen.
5 Vgl.: Erhard, H.-G. (2017). Krieg im 21. Jahrhundert. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, S. 12.
6 Vgl.: Toffler, A. (1994). Überleben im 21. Jahrhundert. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt, S. 96.
7 Vgl.: (Erhard, 2017), S. 13.
8 Shaw, M. (2005). The New Western Way of War, Risk-Transfer War and its Crisis in Iraq. Cambridge: Polity Press.
9 Vgl.: (Erhard, 2017) S. 14.
10 Department of Defense. (2011). Dictionary of Military and Associated Terms. Joint Publication, S. 109.
11 Vgl.: Chamayou, G. (2013). Ferngesteuerte Gewalt Eine Theorie der Drohnen. Wien: Passagen Verlag, S. 23.
12 Vgl.: (Chamayou, 2013), S.37-40.
13 Vgl.: Yenne, B. (2004). Attack oft the Drones: A History of Unmanned Aerial Combat. St. Paul: Zenith, S. 85.
14 Statista. (01. September 2014). Kennzahlen zum Terroranschlag am 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York
15 Vgl.: Goppel, A. (2013). Killing Terrorists: A Moral and Legal Analysis. Berlin: De Gruyter, S.10-13.
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