Bachelorarbeit, 2022
58 Seiten, Note: 12
1 Einleitung
2 Darstellung der Forschungsliteratur
2.1 1945-1969
2.2 1970-1989
2.3 1990-2021
3 Diskussion
4 Fazit
5 Literaturverzeichnis
In der vorliegenden Arbeit werde ich mich mit der Forschungsliteratur über Gaius Julius Caesar (von jetzt an nur noch als Caesar bezeichnet) auseinandersetzen. Hierbei steht die Forschungsliteratur von 1945 bis heute zur Untersuchung. Es ist hierbei nicht mein Ziel, jeden Text über Caesar kurz zusammenzufassen. Vielmehr wird es das Ziel dieser Bachelorarbeit sein, herauszufinden, wie sich die Caesar-Forschung gewandelt hat und welche Trends in der Neueren Caesar-Forschung zu beobachten sind.
Zu Caesar hat sich über die Jahre eine gewaltige Menge an Forschungsliteratur angesammelt. Dies macht es unmöglich, jeden Text über Caesar zu lesen. Auch der vorgegebene Rahmen dieser Bachelorarbeit schränkt die Intensität der Auseinandersetzung mit einzelnen Werken, sowie die Anzahl an Werken, die in die Arbeit mit einfließen können, ein. Hierbei soll die Balance von Qualität und Quantität gehalten werden. Die Position einzelner Forscher wird deshalb so kurz wie möglich und so lang wie nötig dargestellt. Es sollen dementsprechend keine Reviews der einzelnen Texte geschrieben und aneinandergereiht werden. Vielmehr werde ich selektiv und beispielhaft vorgehen.
An dieser Stelle sei noch kurz definiert, wie ich die Begriffe Ältere und Neuere Caesar- Forschung verwende. Schließlich gibt es kein offizielles Jahr, in dem auf einen Schlag aus Älterer Caesar-Forschung die Neuere Caesar-Forschung wurde. Genau wie Geschichtswissenschaftler im Nachhinein künstlich Epochen voneinander abgrenzen (z.B. in Mittelalter und Frühe Neuzeit), ist auch die Einteilung in Neuere und Ältere Caesar-Forschung ein Konstrukt. Dennoch ist es für die vorliegende Arbeit von Vorteil, wenn mit den Begriffen klare Zeitrahmen verbunden sind. Deshalb sei an dieser Stelle definiert: Mit „Ältere Caesar-Forschung“ meine ich die Texte aus den 40ern, 50ern und 60ern; mit „Neuere Caesar-Forschung“ die Texte aus den 90ern, 2000ern und 2010ern. Wie und warum ich diese Einteilung getroffen habe, wird in der Diskussion erläutert, insbesondere auf Seite 44-45.
Noch ein kurzer Hinweis, um Verwirrung zu vermeiden: Wenn ich „Bellum Gallicum“ oder „Bellum civile“ schreibe, meine ich Caesars literarische Werke. Wenn ich „Gallischer Krieg“ oder „Bürgerkrieg“ schreibe, meine ich das faktische historische Ereignis.
Insgesamt habe ich 162 Texte gelesen.1 Aufgrund des vorgegebenen Rahmens der Bachelorarbeit konnten leider bei Weitem nicht alle Texte berücksichtigt werden. Doch die Trends, welche ich abschließend beschreiben werde, spiegeln sich auch in Texten wider, die nicht in der vorliegenden Arbeit erwähnt wurden. Die Erkenntnisse dieser Arbeit basieren demnach auf wesentlich mehr Literatur als nur der im Hauptteil vorgestellten.
Beim Finden der Literatur habe ich nicht nach spezifischen Themen gesucht. Vielmehr habe ich auf den Plattformen JUSTfind, JSTOR und Google Scholar nach dem Stichwort „Caesar“ gesucht und dadurch mehr als genug Literatur gefunden, über die ich entweder über das Internet oder die Gießener Universitätsbibliothek zugegriffen habe. Durch diese allgemeine Suche wollte ich sicherstellen, einen repräsentativen Ausschnitt der Literatur über Caesar zu erhalten. Diese Methode ist zwar z.B. im Vergleich zum Schneeballprinzip ineffektiv, um die gesamte Literatur zu einem Thema zu finden. Doch darum ging es mir schließlich nicht.
Die Arbeit folgt einer denkbar einfachen Einteilung: Begonnen wird mit der Darstellung der Positionen und Ansichten einzelner Texte, wobei noch nicht ausführlicher auf größere Zusammenhänge eingegangen wird. Hierbei wird chronologisch vorgegangen, also mit dem frühesten von mir gelesenen Text begonnen. Wenn mehrere Texte im selben Jahr veröffentlicht worden sind, werden diese alphabetisch geordnet. Nach dieser Darstellung der einzelnen Texte wird beschrieben, welche größeren Trends und Entwicklungen sich daraus schließen lassen. Abgeschlossen wird die Arbeit mit einem kurzen Fazit, in dem die Erkenntnisse zusammengefasst und reflektiert werden.
In Walters Biografie über Caesar lässt sich ein nationalistischer Gedanke erkennen. So schreibt er z.B.: „Dieses alte ruhmreiche Rom sollte nun, einer Laune des Diktators folgend, einem neuen, unförmigen, kosmopolitischen Reiche Platz machen, in dem es keine nationalen Belange mehr geben würde“.2 Militärich gesehen hält Walter Caesars Fähigkeit, sich Situationen blitzartig zunutze zu machen, für seine größte Stärke.3 Er sieht jedoch Caesars Heeresaufstellung an der Sambre als strategischen Fehler an.4 Walter geht zudem davon aus, dass Caesar der Intrigen in Rom satt war und als Reaktion, quasi als Flucht aus dem politischen Leben, den Partherfeldzug durchführte.5
Knoche setzt sich mit den Commentarii auseinander. Er hält unsere Bewertung der Commentarii als historisch wahr oder falsch für nicht zielführend. Er sieht sie vielmehr als eine Mischung aus objektivem Bericht und der persönlichen Perspektive Caesars.6 Bellum Gallicum habe Caesar nach dem Ende des Gallischen Krieges geschrieben und in einem Rutsch veröffentlicht.7
Collins beschäftigt sich in seiner Dissertation mit Bellum Gallicum und Bellum civile. Er stellt sich deutlich gegen die These, der zufolge Bellum Gallicum Propaganda sei. So schreibt er: „It is high literary art, not defensive propaganda, that gives the story its dramatic punch“.8 Wenn Caesar Propaganda betreiben wollte, machte er Collins zufolge einen fürchterlichen Job. Denn bereits in Buch I ließe er viele gute Gelegenheiten dafür aus, da er die eigentlichen Begründungen für seinen Feldzug gegen die Helvetier nicht einmal aufschreibt.9 Ebenso offen gestehe er, ohne Rechtfertigung in fremdes Gebiet einzufallen.10 Außerdem mache Caesar keinen Hehl aus seinen verübten Brutalitäten.11
Auf die These, Caesar verschleiere in Bellum Gallicum seine Brutalität, antwortet Collins somit mit sarkastischem Unterton: „What possible acts of violence and arbitrary power worse than those Caesar has recorded he may have hidden“.12 Collins führt gegen die Sichtweise, dass Caesar sich mit Bellum Gallicum rechtfertigen wollte, das Argument an, dass den Römer weniger Rechtmäßigkeit, sondern eher Erfolg wichtig war. Dementsprechend war es Collins zufolge in Bellum Gallicum nicht Caesars Hauptziel, den Krieg als gerechtfertigt, sondern vielmehr als erfolgreich darzustellen.13 Die Länge der Diplomatie in Buch I, welche ja als Ausdruck des Rechtfertigungsversuchs Caesars gesehen wird, könnte auch schlicht so lang sein, da Caesar seinen Leser zu Beginn in die Materie einführen wollte.14 Auch Caesars Beschreibung Ariovists als gefährlich und arrogant diene nicht dazu, den Krieg zu rechtfertigen, sondern sei eher Ausdruck des Überlegenheitsgefühls von Caesar als Römer.15 Caesar versuche eher zu zeigen, dem Gegner stets einen Schritt voraus zu sein.16 Bellum civile ist für Collins hingegen definitiv Propaganda und verfolgt vor allem das Ziel, den Krieg gegen römische Mitbürger zu rechtfertigen.17
Stevens hält Bellum Gallicum, wie schon der Titel „The ,Bellum Gallicum‘ as a work of propaganda“ deutlich macht, für Propaganda Caesars. Stevens zufolge stellt sich Caesar in Bellum Gallicum nicht nur als Verteidiger Roms, sondern auch als der Retter Galliens vor der Germanischen Bedrohung, die z.B. im ersten Buch durch Ariovist repräsentiert werde, dar.18 Stevens bietet uns zum Schluss seines Artikels einen sehr schönen Einblick in die Frage, warum in der Älteren Caesar-Forschung die These einer reinen Propaganda beliebt war. Denn er beendet seinen Aufsatz mit der Aussage, er habe selbst im 2. Weltkrieg Propaganda für die Briten betrieben und könne dementsprechend anerkennen, wie geschickt Bellum Gallicum propagandistisch aufgebaut ist.19 Der 2. Weltkrieg war geprägt von schärfster Propaganda beider Seiten. Wenn man diese selbst miterlebt/mitgestaltet hat, liegt der Schluss nahe, auch in vergangenen Aussagen über Kriege nur Propaganda zu vermuten.
Gutenbrunner nimmt in Bezug zur Forschungsfrage der Glaubwürdigkeit von Bellum Gallicum eine mittlere Position ein. Er sagt z.B. direkt zu Beginn seines Aufsatzes, Caesar dürfe in seinen Commentarii nicht offen lügen, aber genau so wenig irgendetwas „verraten, was das Vertrauen in die Überlegenheit des Feldherren erschüttern könnte“.20 Er betrachtet, wie später die Neuere Caesar-Forschung, Bellum Gallicum als ein Werk mit subtilen literarische Tricks statt offener Propaganda. Als Beispiel führt Gutenbrunner heran, dass Ariovists Zentrum in der Entscheidungsschlacht gegen Caesar ungeschlagen blieb, was Caesar jedoch nicht erwähne, sodass beim Leser der Eindruck entstehe, Caesar habe das gesamte Heer von Ariovist in die Flucht geschlagen.21
Gelzer betont Caesars politische Fähigkeiten. Caesar habe auch während des Gallischen Krieges an die Politik gedacht, da er dauerhaften Kontakt nach Rom hatte und außerdem in den Wintermonaten als Statthalter Recht sprach.22 Zudem habe Caesars Kolonisationspolitik bedeutsame Auswirkungen gehabt.23 Gelzer glaubt zwar nicht, dass Caesar eine feste Agenda besaß. Andererseits wäre es für römische Politiker ungewöhnlich, Agenden zu besitzen. Politik sei zumeist Tagespolitik gewesen, sodass Caesar keine Ausnahme, sondern die Regel darstelle.24 Gelzer schreibt aus diesen Gründen zusammenfassend: „Ich sehe nicht, warum wir ihn nicht für einen großen Staatsmann halten sollten“.25 In Bezug auf die Frage nach der Glaubwürdigkeit des Bellum Gallicum denkt Gelzer, Caesar habe Bellum Gallicum zu schnell und mit zu wenig Hintergedanken geschrieben, um subtile Propaganda einzubauen.26
Collins beschreibt in „Caesar and the corruption of power“, wie Caesar gegen Ende seines Lebens immer mehr von seiner Macht korrumpiert wurde.27 In Bezug auf den Partherfeldzug schreibt er: „It is difficult to avoid the feeling that Caesar was thinking about out-Alexandering Alexander“.28
Barwick vertritt als einer der wenigen Texte aus der Älteren Caesar-Forschung die (in der Neueren Caesar-Forschung beinahe zum Konsens gewordene) These, dass Caesar Bellum Gallicum in Teilen und nicht in Einem veröffentlichte und während des Gallischen Kriegs schrieb.29 Barwick hält Bellum Gallicum und Bellum civile für Propaganda. Er bringt das Argument, dass Caesars Darstellung des Ariovist ein Zeichen für die propagandistische Tendenz des Bellum Gallicum sei. So schreibt er: „Offenbar hat Caesar nur deshalb die iniuria des Ariovist erfunden, um einen Grund für die Klagen der Gallier und damit einen Vorwand für sein Eingreifen zu gewinnen“.30
Kayser beschäftigt sich mit der Frage, ob Caesar die Macht um ihrer selbst Willen, oder um etwas Konstruktives zu erreichen, erlangen wollte. Er vertritt hierbei eine deterministische Sichtweise. Er wirft z.B. Brutus und seinen Anhängern vor, die historische Entwicklung zu verkennen, obwohl deren Ausgang unweigerlich sei. Den Untergang der Republik hätten sie nicht mehr verhindern können, aber hätten dieser Tatsache nicht offen ins Auge blicken wollen.31 Für Kayser kann man zur Beantwortung der Fragestellung nicht die Jahre vor Caesars Diktatur zur Beantwortung der Frage heranziehen. In diesen sei Caesar tatsächlich ein Opportunist gewesen, was allerdings bei der Beantwortung der Forschungsfrage nicht weiterhelfe. Denn jeder Römer müsse zunächst Opportunist sein, um erfolgreich zu werden.32 Somit können laut Kayser nur die Jahre 46-44 herangezogen werden.33 Da dieser Zeitraum zu kurz sei, hält Kayser im Endeffekt die Fragestellung wegen Caesars frühem Tod für nicht beantwortbar.34
Russell sieht in seinem ausschließlich auf den militärischen Aspekt beschränkten Artikel hauptsächlich die Geschwindigkeit Caesars als entscheidend für seinen militärischen Erfolg an. So schreibt er, Caesar habe Italien nur durch seine schiere Schnelligkeit erobern können.35 Russell denkt, Alexander der Große sei der einzige Feldherr der Geschichte, der so gut wie Caesar in der Lage war, innovative Offensive und Defensive mit konventionellem Landfeldzug in Verbindung zu bringen.36 Russell vergleicht Caesars Feldherrentalent neben Alexander auch mit Napoleon, Scipio Africanus, Cromwell, Marlborough, Bedford Forrest und George Patton, da Caesars Kampagne von Brundisium bis nach Pharsalos auf dieselbe Stufe gestellt werden könne, wie alles, was all diese Feldherren je erreicht haben.37
Walsers Artikel wirkt eher wie ein Text aus der Neueren als der Älteren Caesar- Forschung, da er sich viel mit literarischen Mitteln beschäftigt. Walser erkennt bereits Caesars Vereinfachung in Bezug auf die Gründe für den Helvetierfeldzug. Caesar führt diesen ausschließlich auf das Machtstreben des Orgetorix zurück, um sein eigenes Eingreifen gerechtfertigt erscheinen zu lassen, obwohl es für Walser in Wahrheit sehr viel komplexere Gründe gegeben haben muss.38 Walser erkennt zudem, wie Caesar die Germanen unter Ariovist und die Germanen im Allgemeinen im 1. Buch als viel gefährlicher darstellt als im 6. Buch.39 Da Caesar von den 14 Kapiteln über den Feldzug gegen Ariovist 10 für Diplomatie verwendet40 , sieht Walser Großteile der Beschreibung des Ariovistfeldzuges als Versuch Caesars, sein Eingriff in germanische Angelegenheiten zu begründen.41 In Walsers Text finden sich demnach viele Argumente, welche denen der Neueren Caesar-Forschung sehr ähnlich sind.
Adcock schließt sich Caesars Urteil an, indem er anerkennt, Caesar würde zurecht die „Narrheit“ des Domitius Abenobarbus, den „Pessimismus“ des Afranius, die „rücksichtslose Heftigkeit“ des Petreius, Varros „Wankwelmut“, die „Treulosigkeit“ der Marseiller Bürger und die „Ängstlichkeit“ des Varus kritisieren.42 Adcock zweifelt zudem nicht daran, dass Caesar im Bürgerkrieg wirklich an seine eigene Rechtmäßigkeit glaubte.43 Er sieht Bellum Gallicum nicht als objektiv an. Dies spreche jedoch nicht gegen den Wahrheitsgehalt von Bellum Gallicum. Objektivität zu bewahren, wenn man an dem Ereignis, über welches man schreibt, teilnahm, sei nämlich unmöglich.44 Bellum Gallicum sei somit nicht objektive, sondern subjektive Wahrheit.45 Im Militärischen war es laut Adcock weniger Caesars Schnelligkeit an sich, sondern vielmehr das perfekte Timing, welches Caesar so erfolgreich machte. Denn er konnte auch lange geduldig warten, doch „wenn er schlug, traf er genau“.46 Adcock betont Caesars Fähigkeit, seine Soldaten an sich zu binden sowie die Zuneigung, die Caesar zu seinen Soldaten gehabt habe.47 Adcock kritisiert Caesars Heeresaufstellung vor der Schlacht an der Sambre.48 Er relativiert jedoch auf derselben Seite Caesars Fehler, indem er meint, Caesar habe (trotz der explizit erwähnten Kritik von Napoleon) aus der schlechten Ausgangslage noch das Beste gemacht. Adcock referiert nicht nur in Bezug auf die Schlacht an der Sambre, sondern auch an anderen Stellen auf Napoleon.49 Er vergleicht zudem Caesars „gelassenen Mut“ mit dem von Marlborough und Wellington.50 Weiterhin denkt Adcock, dass unter anderem Caesars persönlicher Mut in der Schlacht bei Alesia zu seinem Sieg führte.51
Cuff beschäftigt sich ausschließlich mit Caesar als Feldherr, wobei seine Bewunderung für Caesars militärische Fähigkeiten sehr offen durchscheint. Caesar habe in seinen Soldaten echte Loyalität auslösen können. Dadurch war er Cuff zufolge „no Lucullus, no talented general gone to waste because he did not know how to win the affection, and consequently the unqualified services of his men“.52 Cuff kritisiert allerdings Caesars Heeresaufstellung an der Schlacht an der Sambre.53 Er vergleicht Caesar als Feldherren mit Napoleon54 und mit Wellington.55
Sherwin-White stellt sich explizit gegen die These, dass Caesar in Gallien als Imperialist vorging. Er betont, dass Caesar nicht in die inneren Angelegenheiten der Stämme eingriff56 , den Galliern ihre Freiheit gewährt habe57 und selbst nach den Aufständen indirekte statt direkte Kontrolle ausgeübt habe.58 Sherwin-White betont zudem in Bezug auf die beiden Expeditionen nach Britannien, dass es eine normale römische Vorgehensweise gewesen sei, nach der Eroberung eines Landes (die Caesar abgeschlossen glaubte) Feldzüge gegen die Nachbaren durchzuführen, um diesen Respekt einzuflößen.59
Smith trifft in seinem auf die Caesarmörder und ihre Motive fokussierten Artikel die Aussage, dass die Mörder nicht mehr verurteilt werden sollten.60 Schließlich sei die Ermordung eines Tyrannen in der Antike durchaus gerechtfertigt gewesen.61 So denkt Smith, dass die Verschwörer von ihren Emotionen, genauer gesagt ihrer Liebe zur Republik, geblendet waren.62 Es ist Smith zufolge ohnehin schwer zu unterscheiden, was echte und was gefälschte Motive waren.63 Smith zufolge war nicht Caesars Macht an sich, sondern sein Auftreten störend.64 Weiterhin sieht er Caesar als Visionär an, der erkannt hat, wie veraltet und korrupt die Republik war.65 „He despised the republican machinery“.66 An Stelle der Republik hätte Caesar ein neueres und viel besseres System schaffen wollen, welches vor allem den Provinzen mehr Rechte eingeräumt und sich damit der gewaltigen Ausdehnung des Römischen Reichs angepasst bzw. dessen neuen Status als Weltreich anerkannt hätte.67 In Bezug auf die Forschungsfrage nach Caesars Zielen griff Smith der üblichen Einstellung der Neueren Caesar-Forschung vorweg, indem er schrieb, diese Fragestellung sei irrelevant, da man sie ohnehin nie beantworten könne.68
Taylor glaubt zwar, dass Caesar sich nicht um die Republik kümmerte und sie fast schon mutwillig zerstörte. Andererseits habe ihm das Wohlergehen des Volkes am Herzen gelegen: „in his statesmanlike measures, Caesar, with understanding of the problems of empire, manifested a deep concern for the welfare of the people of Rome, Italy, and also of the provinces“.69
Balsdon glaubt in seinem über die Iden des März geschriebenen Artikel, dass die Verschwörung vielleicht dadurch ausgelöst worden sei, dass Caesar nach der Schlacht von Munda seine Macht nicht niederlegte, obwohl es sich bei seiner Diktatur ja angeblich nur um eine „Übergangsregierung“ bis zum Ende des Bürgerkriegs handelte.70 In Bezug auf die Fragestellung nach Caesars Zielen nach seinem Tod betont er, dass die Deutschen und Franzosen eher an ein Gottkönigtum nach hellenistischem Vorbild glauben, während die Briten dies verneinen.71 Balsdon sieht Brutus als einen nach seinen Überzeugungen handelnden Mann an. Er führt als Beleg für diese These heran, dass Brutus unter Caesar eine hervorragende Karriere bevorstand und sich dennoch dafür entschied, gegen Caesar zu agieren.72 Balsdon denkt allerdings in Bezug auf die restlichen Verschwörer, dass ein Großteil von ihnen neidisch und egoistisch war.73 Balsdon geht davon aus, dass Caesar Bellum civile kurz vor seinem Tod schrieb und von seiner Ermordung im Schreiben unterbrochen wurde, was das plötzliche Ende von Bellum civile erkläre.74
Für Liebermann waren es Caesars Wissen, wann er zuschlagen musste, seine Schnelligkeit und seine Fähigkeit, Vorteile für sich zu nutzen, die ihn zu einem so guten Feldherren machten.75 Liebermann stellt Caesar als General auf dieselbe Stufe wie Napoleon, Alexander, and Hannibal.76 Weiterhin betont Liebermann, dass man aus der zur Verfügung stehenden Evidenz nicht schließen könne, ob Caesar wirklich eine klare Reformpolitik hatte.77
Oppermann macht in seiner Biografie seine Bewunderung für Caesar klar deutlich.So betont Oppermann die Fortschrittlichkeit der Pläne Caesars, die er aufgrund seiner Ermordung nicht mehr durchführen konnte, indem er aufzählt, wann sie erst verwirklicht werden konnten.78 Zudem war Oppermann zufolge der Name Caesar bis auf die Namen der großen Religionsstifter der bedeutsamste Name der Menschheitsgeschichte.79 Bei Oppermann lässt sich zudem ein nationalistischer Gedanke finden. Oppermann sieht Caesar nämlich generell als einen Vorreiter des Westens. Dementsprechend habe er eine effektive Regierungsform für ein Weltreich gesucht. Diese beruhe allerdings im Gegensatz zur hellenistisch geprägten Monarchie nicht „auf der sklavischen Unterwerfung des Menschen unter eine überirdische Macht, sondern auf der Größe des Menschen und seiner Würde. Deshalb ist sie europäisch“.80 Weiterhin wurde laut Oppermann durch die Eroberung Galliens die Ausdehnung des Reichs im Osten (welche durch Pompeius' Eroberungen zustande kam) ausgeglichen.81 Durch sie habe Rom seine „westliche“ Prägung behalten, was entscheidend für die Entstehung Europas gewesen sei.82 Oppermann folgt zudem einem deterministischen Geschichtsbild, wenn er z.B. den Caesarmördern vorwirft, sie würden die „Notwendigkeit der geschichtlichen Entwicklung“ verneinen.83 Weiterhin erkennt Oppermann keinen Grund, der gegen die Glaubwürdigkeit Bellum Gallicums sprechen würde. Er sieht es sogar als einen objektiven Text.84 Oppermann stellt zudem Caesar im Bürgerkrieg als den „Guten“ dar. Während Pompeius eher drohe, falle Caesar die Herrschaft mehr zu, als dass er diese angestrebt hätte.85 Dementsprechend wollte Caesar Oppermann zufolge das Blutvergießen vermeiden und „versagte seinem drängenden Heer die Schlacht, deren siegreicher Ausgang gewiss war, weil ihn Mitleid rührte mit den Bürgern, deren Tod er voraussah“.86 Mit Kriegsbeschreibungen hält sich Oppermann nicht allzu lange auf. Er erwähnt sogar explizit, Caesars Kriege nicht allzu ausführlich zu beschreiben, da Caesar dies selbst zur Genüge tue.87 Wenn er dies allerdings tut, hebt er auch bei diesen Caesars große Leistungen hervor. So bewertet er die „Schlacht“ bzw. den „Stellungskrieg“ in Dyrrhachium als beeindruckende Leistung.88 Oppermann denkt sogar, dass Caesar durch seinen persönlichen Mut und sein persönliches Eingreifen die Schlacht an der Sambre89 und die Schlacht von Munda90 entschieden hätte.
Collins zufolge schrieb Caesar Bellum civile 47 v. Chr. in Alexandria. Aus irgendeinem Grund konnte/wollte er dann nicht mehr weiterschreiben.91 Collins sieht im Bürgerkrieg relativ klar Pompeius Seite als die Verantwortlichen. Am deultichsten wird dies an seiner Aussage: „It was the stubbornness, suspicioness, and indictivness of the Pompeian- Catonian opposition [...] that drove matters to civil war“.92
Gelzer vertritt die in der Älteren Caesar-Forschung übliche These, dass Bellum Gallicum nach dem Ende des Gallischen Krieges geschrieben wurde.93 Gelzer sieht Caesar zudem als einen guten Politiker an. Er habe eine „hervorragende sozialpolitische Begabung“ besessen.94 Die Optimaten hätten seine guten Vorschläge aus reiner Halsstarrigkeit blockiert.95
Aus dem Artikel von Mary geht insbesondere ihre überaus große Verachtung für Caesar hervor. Sie gibt direkt zu Beginn des Textes zu, ein Anhänger Ciceros und „Feind“ Caesars zu sein96 , womit sie die Sphären wissenschaftlicher Neutralität verlässt. Dies wird auf der ersten Seite durch ihre Aussage über Caesar bestätigt: „Seeing him trough Cicero‘s eyes, I look upon him as the traitor and tyrant he was: ruthless, unscrupulous, ever intent on his own personal aggrandizement rather than on his country‘s welfare“.97 Diese Einstellung zieht sich durch den gesamten Text. So habe Cicero Caesar stets mit Leichtigkeit im „matching of wits“ besiegen können.98 Weiterhin geht Mary davon aus, dass Caesar Teil der Catilinarischen Verschwörung war, nach dem Scheitern der Verschwörung keinen Wert mehr in seinen Mitverschwörern sah und sie deswegen ohne Bedenken verriet.99
[...]
1 Zumindest wenn man die Texte aus Sammelbänden einzeln zählt. Zählt man einen gelesenen Sammelband als einen Text, ergibt dies 129 gelesene Texte.
2 Walter 1947, S. 558.
3 Walter 1947, S. 414.
4 Walter 1947, S. 200.
5 Walter 1947, S. 556.
6 Knoche 1951, S. 152.
7 Knoche 1951, S. 144.
8 Collins 1952, S. 30.
9 Collins 1952, S. 28f.
10 Collins 1952, S. 26.
11 Collins listet auf Seite 36-39 alle von Caesar selbst aufgeschriebenen Gräueltaten auf. 3
12 Collins 1952, S. 40.
13 Collins 1952, S. 35.
14 Collins 1952, S. 27.
15 Collins 1952, S. 31. Collins glaubt, Bellum Gallicum sei 51/50 v. Chr. geschrieben worden und bringt dementsprechend das Argument, dass sich zu dieser Zeit niemand mehr für eine Kriegsschuldfrage aus dem Jahre 58 interessiert habe (Collins 1952, S. 33f).
16 Collins 1952, S. 50.
17 Die unterschiedlichen Intentionen von Bellum Gallicum und Bellum civile zeigt Collins am Beispiel von Sabinus und Curio auf, welche die einzigen Offiziere Caesars waren, die eine schwere Niederlage verantworten mussten (Collins 1952, S. 87). Sabinus wird nun für seine Niederlage heftig kritisiert, während Curio verziehen wird. Diese unterschiedliche Behandlung resultiert laut Collins aus den unterschiedlichen Bildern, welche Caesar von sich in Bellum Gallicum respektive Bellum civile entwerfen wollte. Denn in Bellum Gallicum habe er sich vor allem als erfolgreich zeigen wollen. Durch seine Niederlage bei Atuaca habe Sabinus dieses Bild ruiniert, weswegen Caesar alle Schuld auf ihn hätte abwälzen müssen. In Bellum civile wollte Caesar sich Collins zufolge hingegen als nachsichtig und verständnisvoll zeigen, wohingegen Erfolg keine so wichtige Rolle mehr spiele, da Caesar seinen Erfolg schon zur Genüge gezeigt habe. Dementsprechend kann Caesar laut Collins Curios Fehler verzeihen (Collins 1952, S. 104f).
18 Stevens 1952, S. 178f.
19 Stevens 1952, S. 179.
20 Gutenbrunner 1953, S. 97.
21 Gutenbrunner 1953, S 98-100.
22 Gelzer 1954, S. 454.
23 Gelzer 1954, S. 466-468.
24 Gelzer 1954, S. 464f.
25 Gelzer 1954, S. 470.
26 Gelzer 1954, S. 453.
27 Besonders deutlich wird dies auf den Seiten 461-465, wobei Collins glaubt, dass Kleopatra einen großen Einfluss auf Caesars Korrumpierung hatte (Collins 1955, S. 462-464). Collins schreibt zudem bereits in seiner Dissertation, dass Caesars Genie ihn nicht vor moralischem Verfall geschützt habe (Collins 1952, S. 143f).
28 Collins 1955, S. 458.
29 Barwick 1955, S. 51 Barwick argumentiert, die Widersprüche von Caesars Darstellung des gegenseitigen Verhältnisses der Suebi, Sequani und Aedui im Vergleich von Buch I zu Buch VI lege das jährliche Schreiben nahe (Barwick 1955, S. 67).
30 Barwick 1955, S. 61f.
31 Kayser 1956, S. 22.
32 Kayser 1956, S. 20.
33 Kayser 1956, S. 21.
34 Kayser 1956, S. 22.
35 Russell 1956, S. 18.
36 Russell 1956, S. 19.
37 Russel 1956, S. 19.
38 Walser 1956, S. 6f.
39 Walser 1956, S. 16-19.
40 Walser 1956, S. 21f.
41 Walser 1956, S. 21f.
42 Adcock 1957, S. 36.
43 Adcock 1957, S. 35.
44 Adcock 1957, S. 21.
45 Adcock 1957, S. 20f.
46 Adcock 1957, S. 45.
47 Adcock 1957, S. 42-44.
48 Adcock 1957, S. 49.
49 Adcock 1957, S. 6, 25, 39 43, 45, 74.
50 Adcock 1957, S. 39.
51 Adcock 1957, S. 34.
52 Cuff 1957, S. 33.
53 Cuff 1957, S. 32.
54 Cuff 1957, S. 31.
55 Cuff 1957, S. 34.
56 Sherwin-White 1957, S. 42.
57 Sherwin-White 1957, S. 43.
58 Sherwin-White 1957, S. 44.
59 Sherwin-White 1957, S. 40.
60 Smith 1957, S. 58.
61 Smith 1957, S. 59.
62 Smith 1957, S. 67.
63 Smith 1957, S. 68.
64 Smith 1957, S. 62.
65 Smith 1957, S. 63.
66 Smith 1957, S. 61.
67 Smith 1957, S. 66.
68 Smith 1957, S. 62.
69 Taylor 1957, S. 17.
70 Balsdon 1958, S. 88.
71 Balsdon 1958, S. 87.
72 Balsdon 1958, S. 93.
73 Balsdon 1958, S. 94,
74 Balsdon 1958, S. 80.
75 Liebermann 1958, S. 62.
76 Liebermann 1958, S. 61
77 Liebermann 1958, S. 62.
78 So habe Caesar neben einem Buch, welches das gesamte römische Recht festhält (was natürlich mit dem codex Justiniani noch 509 unter Justinian und damit je nach Grenzziehung in der Spätantike oder dem Frühmittelalter durchgeführt wurde), die erst 1891-1893 ausgeführte Durchstechung der Korinthischen Landenge sowie die erst in den 1920ern durchgeführte Trockenlegung der Pontischen Sümpfe geplant (Oppermann 1958, S. 98).
79 Oppermann 1958, S. 7.
80 Oppermann 1958, S. 109.
81 Oppermann 1958, S. 63.
82 Oppermann 1958, S. 94.
83 Oppermann 1958, S. 109.
84 Oppermann 1958, S. 65.
85 Oppermann 1958, S. 74.
86 Oppermann 1958, S. 78.
87 Oppermann 1958, S. 48.
88 Oppermann 1958, S. 84.
89 Oppermann 1958, S. 62.
90 Oppermann 1958, S. 95.
91 Collins 1959, S. 115.
92 Collins 1959, S. 131f.
93 Gelzer 1960, S. 94.
94 Gelzer 1960, S. 72.
95 Gelzer 1960, S. 91.
96 Mary 1962, S. 76.
97 Mary 1962, S. 76.
98 Mary 1962, S. 77.
99 Mary 1962, S. 78.
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