Bachelorarbeit, 2014
35 Seiten, Note: 1.7
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Problemstellung
3. Monte-Carlo-Simulation von Aktienkursen
3.1. Allgemeines
3.2. Was ist eine Monte-Carlo-Simulation
3.3. Aktienkurse als stochastischer Prozess
3.4. Aktienkurssimulation aus historischen Renditen
3.4.1. Generieren von Zufällig-Realverteilten-Rendite
3.4.2. Simulation der Aktienrenditen
4. Die Bewertung von Optionsscheinen
4.1. Begriffsabgrenzung
4.2. Struktur und Eigenschaften von Optionsscheinen
4.3. Erste Bewertungsgrenzen
4.4. Bewertung mittels Monte-Carlo simulierter Aktienkurse
4.4.1. Vergleich mit dem Black-Scholes-Merton Model
4.4.2. Vergleich mit dem Wiener-Prozess
4.4.3. Vergleich mit am Markt gehandelten Optionsscheinen
5. Kritische Beurteilung
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
Abbildung 1 Simulation der Allianz SE Aktie als Wiener Prozess mit Markov- Eigeschaften
Abbildung 2 Vergleich der Verteilung von Aktienrenditen am Beispiel der Allianz SE
Abbildung 3 Vergleich zwischen 253 Einzelrenditen und 1527 Einzelrenditen
Abbildung 4 Kumulierte Dichtefunktion der realverteilten Renditen
Abbildung 5 90-Tägige Kurssimulationen der Allianz SE
Abbildung 6 Vergleich der Kursrenditen der Simulation realverteilter Renditen vs. Wiener-Prozess
Abbildung 7 Klassifizierung der unterschiedlichen Termingeschäfte
Abbildung 8 Verteilung von 10.000 Optionsscheinpreisen
Abbildung 9 Auszug aus dem Excel Arbeitsblatt "Black-Scholes-Merton Model"
Abbildung 10 Verteilung von 10.000 Optionsscheinpreisen mittels Wiener-Prozess ...
Derivative Finanzprodukte, allen voran Optionsscheine, sind in den letzten Jahren vor allem für Privatanleger zu beliebten Spekulationsobjekten geworden. Blieben sie bis in die 1990er vornehmlich großen Unternehmen als Mittel der Finanzierung vorbehalten, listet die EUWAX heute eine Anzahl von über 400.000 Optionsscheinen1 . 2010 waren es noch knapp über 180.000 Werte2 . Eine Standardisierung der Produkte und die Listung an Börsen, welche auch für den Privatkunden zugänglich waren, führte zu einer weiteren Verbreitung.
So gebräuchlich diese Produkte im Börsenalltag mittlerweile auch sind, stellt die Bewertung solcher Finanzprodukte eine komplexe Herausforderung dar. Im speziellen wird für Optionsscheine versucht die Frage zu beantworten, welchen Wert ein Finanzprodukt hat, dessen zugrunde liegende und damit wertgebende Transaktion noch überhaupt nicht fest steht. Wie also bewertet man ein solches ,vielleicht Geschäft'?
Eine mögliche Antwort auf diese Frage gaben schon in den 1970ern Fischer Black, Myron Scholes und Robert Merton. Das von ihnen entwickelte Black-Scholes- Merton-Model ist wohl das bedeutendste Model zur Bewertung von Optionsscheinen europäischen Typs und hat bis heute einen großen Einfluss auf die Bewertung und das Absichern von Derivaten durch die Marktteilnehmer. Wenngleich das Model neue Standards in der Bewertung von europäischen Optionsscheinen und anderen Derivaten setzte, ist eine wesentliche Bedingung, dass die relativen Änderungen des Aktienkurs in einer kurzen Zeitspanne normalverteilt sind3 . Dies ist in der realen Welt bekanntermaßen nicht der Fall.
Einen anderen Lösungsweg bieten da numerische Verfahren wie die Monte-Carlo- Simulation. Obwohl die Monte-Carlo-Methode unter Mathematikern eher als „letztes Mittel“4 oder „rohe Gewalt“ angesehen wird, da „sie uns der Finesse und Eleganz der Mathematik“5 beraubt, haben Fortschritte in den Simulationstechniken für eine weitreichende Akzeptanz beigetragen, vor allem in jenen Bereichen der Mathematik, wo elegante Formeln nicht weiter führen.
Für Probleme mit derart komplexen Zusammenhängen, wie sie am Kapitalmarkt herrschen, scheinen sie ideal zu sein. Jedoch stellt die richtige Modellierung eines Zufallsexperiments - oder für den Kapitalmarkt besser gesagt die eines stochastischen Prozesses - vor ebenfalls große Herausforderungen. Schließlich wird versucht ein realitätsnahes Bild der Zukunft dazustellen, für das es aus heutiger Sicht kein richtig oder falsch gibt.
Ohne Abstrahierung von tatsächlichen Zuständen und Vorgängen lässt sich eine solche Simulation jedoch auch kaum modellieren. Doch je modellhafter die Simulation, desto ferner liegt das Ergebnis von der Realität und wird damit unbrauchbar für die Auswertung und das Verständnis der Zusammenhänge am Kapitalmarkt.
Die Frage nach der Bewertung ist in der Finanzwirtschaft immer auch eine Frage nach den Paradigmen, aus welchen man den Markt beschreibt. Spiegelt die Verteilung der historischen Renditen deren zukünftige Verteilung? Wie sinnvoll ist bei Simulationen die Normalverteilte Entwicklung? Geht man wie bei der ,Random- Walk' Theorie davon aus, dass sich Kurspfade absolut unvorhersehbar entwickeln oder wird der Markt durch die vergangenen Kursverläufen geprägt und reagiert auf Muster?
In dieser Bachelorarbeit zur Monte-Carlo-Simulation von Aktienrenditen zur Bewertung von Optionsscheinen soll versucht werden, so wenig wie möglich Vorgaben und Annahmen darüber zu treffen, welchen Eigenschaften und Funktionsweisen der Kapitalmarkts unterliegt, um kein zwar elegantes, aber grundsätzlich falsches Model zu kreieren. Dies gilt insbesondere für die Verwendung von Normalverteilungen. Ebenso wird keine Aussage darüber getroffen, ob der Kapitalmarkt effizient ist oder nicht. Ähnliches soll auch für die Existenz von risikolosen Renditen gelten.
Wie also simuliert man einen stochastischen Prozess ohne die Verwendung von normalverteilten Wahrscheinlichkeitsfunktionen? Und eignen sich die Ergebnisse zur Bewertung von Optionsscheinen?
Hauptschwierigkeit bei der Modellierung eines solchen Prozesses ist die Zufallsverteilung der zukünftigen Renditen. Bedingung ist dabei, dass für diese Simulationen vor allem mit Preisen und Daten gearbeitet werden soll, wie sie jederzeit am Kapitalmarkt zu entnehmen sind. Dabei spielen historische Daten eine wesentliche Rolle, mit Hilfe derer versucht wird, eine geeignete Zufallsverteilung der zukünftigen Renditen in den stochastischen Prozess zu modellieren.
Als das offizielle Geburtsjahr der Monte-Carlo-Simulation ist aus heutiger Sicht wohl das Jahr 1949 anzusehen. In diesem Jahr veröffentlichen die amerikanischen Mathematiker und Physiker Nicholas Metropolis und Stanislaw Ulam ihre Arbeiten zur Anwendbarkeit von Monte-Carlo-Simulationen auf auch deterministische Probleme. Der Name bezog sich dabei auf die im weltbekannten Kasino von Monte-Carlo regelmäßig ausgehängten Listen der Ergebnisse des Roulette Spiels. Davor schon forschten sie während des zweiten Weltkriegs im Zusammenhang mit der Herstellung der Atombombe an der Simulation von Zufallsprozessen für die Verteilung von Neuronen im spaltbaren Material. Eine größere Verbreitung fand die Monte-Carlo-Methode jedoch erst mit der Verfügbarkeit moderner Rechner, mit welchen eine größere Zahl von Zufallsberechnungen in wesentlich schnellerer Zeit erreicht werden konnten.6
„Bei der Monte-Carlo-Methode handelt es sich um ein numerisches Verfahren, bei dem zuerst ein einem gegebenen Problem angepasstes stochastisches Modell aufgestellt wird und dann die entsprechenden Zufallsgrößen mit Hilfe von Zufallszahlen simuliert werden.“7 Es dient somit „zur näherungsweisen Bestimmung von mathematischen Größen, die abhängig vom Zufall [oder] Verteilungsfunktionen sind.“8
Ist ein geeignetes Zufallsmodell aufgestellt, lässt es sich mit Hilfe von Programmen beliebig oft simulieren und erzeugt so eine künstliche Stichprobe auf der Grundlage des Modells. Die Monte-Carlo-Methode kehrt damit eine übliche Vorgehensweise der empirischen Stochastik um, indem es nicht die auftretenden Häufigkeiten einer natürlichen Verteilung mit Aufstellen eines Modells beschreibt, sondern erst ein Modell erstellt, um daraus eine Stichprobe zu simulieren. Erst der Vergleich der simulierten Stichprobe mit den Erscheinungen der Realität lässt dann Rückschlüsse über die Brauchbarkeit des Modells zu.
Theoretische Basis bildet dabei das Gesetz der großen Zahlen, welches besagt, dass mit steigender Zahl der Durchführungen eines Zufallsexperiments die größere Menge der Ergebnisse zum wahrscheinlichsten bzw. zum wahren Wert konvergieren. Anders ausgedrückt, es gibt eine „Analogie zwischen Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit“9 . Eine weitere Beschreibung ist, dass das arithmetische Mittel aller Ergebnisse sich dem Erwartungswert annähert. So lassen sich theoretische Aussagen über Wahrscheinlichkeiten oder Verhältnisse in der Praxis bestätigen, für die es noch keine oder nur sehr komplizierte Lösungsverfahren gibt, aber auch neue Erkenntnisse aus der praktischen Durchführung von schon bekannten Experimenten gewinnen.
Ein bekanntes Beispiel für die Anwendung von Monte-Carlo-Methoden ist die näherungsweise Bestimmung der Kreiszahln.Dabei werden auf einem Quadrat, in dem ein größtmöglicher Kreis eingezeichnet ist, zufällig Punkte verteilt. Das Verhältnis der Punkte in dem Kreis zu allen Punkten auf dem Quadrat entspricht dabei dem vierfachen der Zahln.Je mehr Punkte dafür zufällig verteilt werden, desto genauer lässt sich die Kreiszahl bestimmen - wie es das Gesetz der großen Zahlen beschreibt.
Aber nicht nur im rein mathematischen Bereich wird die Monte-Carlo-Simulation zur Problemlösung angewandt. In finanzmathematischen Themengebieten wie Risikomanagement oder Financial Engineering findet die Monte-Carlo-Simulation dank ihrer Vielseitigkeit breite Verwendung. Dort ist sie ein beliebtes Mittel zur Risikobewertung von Marktpositionen und Bewertung von Derivaten. Und genau dafür soll sie auch in dieser Arbeit eingesetzt werden.
Zur Simulation von Aktienkursen und vor allem um dem Problem der irgendwie zufälligen Preisentwicklung am Kapitalmarkt nun ein geeignetes Model entgegen
stellen zu können, bedarf es einer Beschreibung derer Prozesse, welche an den Börsen zu beobachten sind.
Als Stochastischer Prozess kann „jede Variable, deren Wert sich im Lauf der Zeit in unsicherer Weise verändert ... aufgefasst werden.“ [10] „Je nachdem ob diese stochastische Variable sich nur zu bestimmten Zeitpunkten oder jederzeit ändern kann, unterscheidet man zwischen zeitdiskreten oder zeitstetigen stochastischen Prozessen“[11]. Bei Prozessen, deren Variablen sich nicht auf unsichere Weise verändern, spricht man von sicheren Prozessen.
Die Preisänderungen verschiedenster Produkte, wie sie täglich am Kapitalmarkt passieren, lassen sich also gut mit stochastischen Prozessen vergleichen, obwohl diese streng genommen weder nur zeitstetig noch zeitdiskret sind.
Speziell dem Wiener-Prozess kommt für die Simulation von Aktienkurse eine bedeutende Rolle zu. Dessen Zufallsvariable entwickelt sich im Laufe des Prozesses normalverteilt und folgen den Eigenschaften eines stetigen Markov-Prozesses. Die Markov-Eigenschaft besagt, dass sich jede Variable unabhängig von ihrer vorherigen ändert.
Genauer ausgedrückt unterliegt bei einem Wiener-Prozessco,die Variableconormalverteilten Änderungen im Intervall At mit einem Mittelwert von 0 und einer Varianz von At d.h. von einer Standardabweichung von VÄt.
Das für die Simulation von Aktienkursen gebräuchlichste Model des WienerProzesses für zeitdiskrete Zeitpunkte, auch geometrische Brownsche-Bewegung bezeichnet, ist
Dabei ist Sder Aktienpreis, bzw — die relative Veränderung des Preises jW die erwartete Rendite auf den Aktienanlage, adie Volatilität als Standardabweichung.
e ist eine Zufallszahl aus einer Standardnormalverteilung.
Die rechte Hälfte der Gleichung lässt sich in zwei Teile gliedern. Zum einen in ^At, was sich mit einer Driftrate beschreiben ließe. Diese bleibt über den Prozess konstant und entspricht, wie schon erwähnt, der Renditeerwartung auf die Aktie pro Zeiteinheit. Zum anderen in aeVÄt, welches die stochastische Komponente der Renditen wiedergibt und der Volatilität entspricht.12
Um diesen Prozess zu simulieren, müsste man lediglich aus der historischen Aktienrendite den Erwartungswert ermitteln und die Standardabweichung bzw. die Volatilität über einen vergangenen Zeitraum errechnen. Beides ist leicht aus historischen Kursdaten zu ermitteln. e lässt sich durch einen zufällig generierten Wert aus einer Standardnormalverteilung ersetzen. So ließe sich ein einzelner Aktienwert für einen beliebigen Zeitpunkt in der Zukunft simulieren. Dabei soll die Monte-Carlo-Simulation eines solchen Prozesses zum einen als Verfahren dienen, welches ein zufälliges Ergebnis für einen solchen Prozess erzeugt13 , zum anderen eine Vielzahl dieser Zufallspfade erzeugen, um eine Aussage über deren Verteilung zuzulassen. Dieses gilt es viel male zu wiederholen, um ein aussagekräftiges Bild über den Wahrscheinlichen Wertebereich der Aktie zu erlangen.
Dass für die Ermittlung von undohistorische Daten verwendet werden, soll dabei an dieser Stelle nicht der Markov-Eigenschaft widersprechen. Damit ist nämlich vielmehr der absolute Aktienpreis gemeint, welcher an sich keinen Einfluss auf den nächsten Preis haben soll. Zudem bleibt auch die Unvorhersehbarkeit des simulierten Kursverlauf erhalten, der so genannte „Random Walk“.
[...]
1 (Börse Stuttgart AG, 2014)
2(HSBC Trinkaus & Burkhardt AG, Matthias Hüppe (v.i.S.d.P.), 2010)
3 Vgl. (Hull, 2012, S. 382)
4(Rubinstein, 1981, p. 6)
5(Taleb, 2008, S. 91)
6 (Hengartner & Theodorescu, 1978, S. 17)
7 (Hengartner & Theodorescu, 1978, S. 11)
8 Prof. Dr. Marco Lübbecke, Gabler Wirtschaftslexikon, Online
9 (Glasserman, 2003, p. 1)
10 (Hull, 2012, S. 358)
11 (Welcker, Kloy, & Schindler, 1992)
12 (Hull, 2012, S. 366)
13 Vlg. (Hull, 2012, S. 367)
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