Bachelorarbeit, 2022
59 Seiten, Note: 1,0
1 Einleitung
1.1 Forschungsstand
1.2 Fragestellung
2 Fallauswahl
3 Der organisierte Hochleistungssport in Deutschland
3.1 Sport und Hochleistungssport
3.2 Strukturen des organisierten Sportes in Deutschland
3.2.1 Sportpolitische Zuständigkeiten der Bundesregierung
3.3 Grundprinzipien der Bundesstaatlichen Sportförderung
3.3.1 Autonomie
3.3.2 Subsidiarität
3.3.3 Partnerschaftliche Zusammenarbeit
3.4 Inhalte und Ziele der bundesstaatlichen Sportförderung
3.5 Zusammenfassung & Problemstellung
4 Politische Steuerung im modernen Staat
4.1 Akteurszentrierter Institutionalismus
4.1.1 Akteure
4.1.2 Institutionelles Zusammenspiel
4.1.3 Politische Steuerung im Akteurszentrierten Institutionalismus
4.2 Politische Steuerung im Hochleistungssport
5 Methode
5.1 Forschungsdesign
5.2 Qualitativelnhaltsanalyse
5.2.1 Auswertungseinheit
5.2.2 Kontexteinheit
5.2.3 Codiereinheit
5.3 Quantitative Auswertung
5.3.1 Korrelationen
5.4 Qualitative Auswertung
5.4.1 Steuerung: Regularien und Zuweisungen
5.4.2 Nutzen: Politisierung und Identifikation
5.4.3 Grundprinzipien: AutonomieundZusammenarbeit
5.5 Interpretation der Auswertung
6 FazitundAusblick
7 Literaturverzeichnis
8 Abbildungsverzeichnis
9 Tabellenverzeichnis
10 Anhang
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Vermerk:
In dieser Bachelorarbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf die gleichzeitige Verwendung weiblicher und männlicher Sprachformen verzichtet und das generische Maskulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beide Geschlechter und grenzen explizit keine Geschlechter aus.
Die Olympischen Sommerspiele 2021 brachten das schlechteste Medaillenergebnis seit 1990 für den deutschen Hochleistungssport. Auch wenn das Fazit des DOSB Präsidenten Alfons Hörmann für die Organisation ein klar positives ist, lag der deutsche Medaillenspiegel unter dem formulierten Anspruch des DOSB (DOSB, 2021a). Ebenso zieht die Bundesregierung unter Berücksichtigung der pandemischen Lage das Fazit von einem „recht ordentlichen Ergebnis“, doch moniert, dass das Medaillenresultat nicht zufriedenstellend ist (Welt.de, 2021). Der sich andeutende fallende Medaillenspiegel hatte in den vergangenen Jahren zu Reformprozessen im Sport und der Anhebung der staatlichen Subventionen geführt. Gegenüber dem DOSB titelte so die Süddeutsche Zeitung: „Der Staat will die Kontrolle über den Spitzensport" (Aumüller, 2021). Zudem hat Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Sportausschusses der 19. Legislaturperiode, ebenfalls die Subventionen des Staates in Frage gestellt (DPA, 2021). Es zeigt sich, dass der Staat wie auch der Dachverband des Sportes, der DOSB, gemeinsame Ansprüche am Erfolg des Spitzensportes bei den Olympischen Spielen haben. Dabei ist nicht nur die Ausrichtung auf den Erfolg deutscher Spitzensportler auf den internationalen Bühnen gleich, sondern beide Akteure sind in der Gestaltung des Spitzensportes voneinander abhängig (Fechner etal., 2014).
Der Staat hat Ziele, die er durch die gestiegenen Subventionen des Hochleistungssportes vermehrt erfüllt sehen möchte. Daraus resultiert die Annahme, dass der Staat, bei Verknüpfung von Interessen an finanzielle Mittel versucht, mit seinen definierten Normen und Werten auf die Organisation des Hochleistungssportes Einfluss zu nehmen und ihn dadurch politisch zu seinen Gunsten zu steuern. Die politische Einflussnahme auf den Hochleistungssport steht im Konflikt mit den Grundprinzipien der Autonomie und Selbstverwaltung des organisierten Sportes. Daraus ergibt sich die Frage, ob der Hochleistungssport nicht bereits ein „staatlicher Sport“ ist(Vgl. Heinemann, 1996, S. 195).
Die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit sportpolitischen Themen sind sowohl in der Sportwissenschaft als auch in der Politikwissenschaft eher selten (Vgl. Lüschen & Rütten, 1996, S. 3). Die Gründe dafür liegen wohl darin, dass in Deutschland sowohl die Politikwissenschaft, als auch Sportwissenschaft die Sportpolitik als Rand- oder Nebenaspekte nationalstaatlichen Handelns betrachten, jedoch nicht als eigenständiges Politikfeld, das durch eigene Strukturen, Akteure oder Entscheidungsprozesse geprägt ist (Tokarski et al., 2010, S. 7). Im deutschsprachigen Raum sind deshalb auch Stimmen zu hören, die eine eigenständige Sportpolitikwissenschaft als wichtig betrachten, um aus dem „Eigensinn“ des Sportes Analyse- und Begriffsinstrumentarien zu entwickeln, die der „Eigenweltlichkeit“ des Sportes gerecht werden (Güldenpfennig, 2002, S. 65; Meier, 2018, S. 4).
Diese Arbeit nimmt somit Bezug auf verschiedene wissenschaftliche Publikationen aus der Sport- und Politikwissenschaft, die sich mit der staatlichen Steuerung von gesellschaftlichen Teilsystemen im Allgemeinen und speziell mit dem Sport beschäftigen.
Die Analyse von staatlicher Steuerung beginnt mit der Erörterung, was Steuerung meint und wie der Staat dabei als Akteur agiert. Der Steuerungsbegriff wird in der Wissenschaft aus verschiedenen wissenschaftlichen Ansätzen diskutiert. Bußhoff (1992, S. 7) versucht dabei in dem Sammelband: Politische Steuerung, Steuerbarkeit und Steuerungsfähigkeit, Beiträge zur Grundlagendiskussion-, die fundamentalen Fragestellungen nach Steuerbarkeit und Steuerungsfähigkeit und ihrem Verhältnis zueinander einzugrenzen. Aus diesem Sammelband geht auch die Determination sozialer Steuerung- akteurstheoretisch betrachtet. Ein Themenkatalog; von Uwe Schimank (1992) hervor, der sich mit seiner Darstellung von der steuerungstheoretischen Perspektive trennt. Seine Publikation leitet dabei ab, dass Steuerungshandeln in einem strukturellen Kontext stattfindet und in die Dimensionen: gesellschaftliche Teilsysteme, institutionelle Regelungen und Akteurskonstellationen unterteilt werden kann (ebd. S. 165). In der wissenschaftlichen Arbeit für das Max-Plank-Institut für Gesellschaftsforschung: Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung präzisieren Renate Mayntz und Fritz Scharpf (1995) im Kontext der „gesellschaftlich staatsnahen Sektoren“ (Schimank, 2007, S. 165), die politische Steuerung von Wissenschaft, Gesundheitswesen und Telekommunikation. Für die Analyse der staatsnahen Sektoren distanzieren sich die beiden Autoren vom soziologischen Neo-Institutio- nalismus und bilden über die Theorie des Rational-Choice-Institutionalismus und des historischen Institutionalismus den Ansatz des Akteurszentrierten Institutionalismus (AzI) (Scharpf, 2004, S. 288; Schimank, 2004, S. 164). Mayntz und Scharpf betonen selbst, dass dieser Ansatz „keiner gegenstandsbezogen inhaltlichen Theorie“ entspricht, sondern sich auf eine „Forschungsheuristik“ bezieht, die handlungstheoretisch, korporativ formale Institutionen betrachtet (Mayntz et al., 1995, S. 45; Schimank, 2007, S. 171).
Einen Überblick über das wissenschaftliche Feld der Sportpolitik bietet das Handbuch Sportpolitik, wo Tokarski und Petry (2010) die Sportpolitik über Theorien, Strukturen und Steuerung einordnen. Michael Groll (2005) geht in seiner Dissertation: Transnationale Sportpolitik, Analyse und Steuerungsansatz sportpolitischer Interaktion nach, wie Nationalstaaten, Wirtschaft und Medien mit dem organisierten Sport agieren. So wird dort, wie auch im Sammelband: SportpolitikSozialwissenschaftlicheAnalysen (Lüschen & Rütten, 1996), die Relevanz der nationalstaatlichen Steuerung im Sport aufgegriffen und in den Kontext der nationalstaatlichen Ziele gesetzt. Bei der inhaltlichen Präzisierung der staatlichen Sportpolicies erörtert Lösche (2010, S. 14) in seinem Beitrag: Sportpolity, Sportpolitics und Sportpolicy als theoretische Annäherung an eine Sportpolitikwissenschaft, die intendierten Ziele staatlichen Handelns aus den Politik- und Programmformulierungen. Für den Staat ist der Sport ein Instrument nationaler Identifikation (Meier, 2018, S. 12). Bei der Untersuchung zu sportlichen Erfolgen mit der Steigerung nationaler Identifikation, konnte ein positiver Zusammenhang festgestellt werden1 (Kavetsos, 2012; Mutz, 2012; Pawlowski et al., 2014). Dem schließt sich auch Ronge (2010) an, der den Spitzensport im Verhältnis zum Staat als „ein Medium und ein Instrument, der nationalen Identitätsstiftung, der Integration und internationalen Konkurrenz“ sieht. Neuere Publikationen entfernen sich von der Rolle des internationalen Sportes, als Arena fundamentaler Konflikte (Meier, 2018, S. 12). Vielmehr zeigt sich, dass mit dem Sport die Überzeugung anderer Akteure über „Soft Power“ angestrebt wird, z. B. Ziele wie: „image building“, die Schaffung einer Dialogplattform, Vertrauensbildung, Versöhnung, Integration und Antirassismus definiert werden (Meier, 2018; Nygärd & Gates, 2013; Pigman & Rofe, 2014). Sofern die politische Steuerung in Verbindung mit dem Sport steht, zeigt sich, dass die Autonomie des Sportes gefährdet ist. Darauf bezogen erfasste Klaus Heinemann (1996) in: Staatliche Sportpolitik und Autonomie des Sportes, die Abhängigkeit des organisierten Sportes von den staatlichen Subventionen kritisch und verweist auf die Problematiken, die aus dieser Abhängigkeit resultieren. In dem Verhältnis zwischen Staat und Sport bestehen Konflikte - eher zeichnen sich Spannungsverhältnisse ab - die zwischen gesellschaftspolitischen Zielen des Staates und den Eigeninteressen des organisierten Sportes stehen (Heinemann, 1996, S. 195). Für den Sport bedeutet dies, dass die Mittel, die der Staat zur Verfügung stellt, immer weniger Hilfe zur Selbsthilfe sind. Die finanziellen Mittel werden bei der staatlichen Vergabe mit den eigenen Zielen verknüpft und setzen diese auch gegen die Interessen des Sportes durch (ebd.). Beim Hochleistungssport ist die Abhängigkeit vom Staat besonders bemerkbar, da dieser hauptsächlich staatlich gefördert wird und nach Heinemann (1996, S. 195): „längst zu einem staatlichen Sport geworden [ist]“. Daraus lässt sich schließen, dass der Staat versuchen wird seinen Einfluss im Sport allgemein und bei dem Hochleistungssport im Besonderen zu erhöhen, um die zweckgebundenen Sportziele im Sinne des Staates zu beeinflussen.
Dieses einleitende Kapitel hat die tagesaktuelle Greifbarkeit der Sportpolitik in der Bundesdeutschen Debatte aufgefasst und die forschungsrelevanten Problemstellungen für den weiteren Verlauf dieser Arbeit konkretisiert. Zusammen mit dem dargestellten Forschungsstand, ergibt sich die forschungsleitende Fragestellung:
„Wie hat sich die staatliche Einflussnahme unter der steuerungstheoretischen Perspektive des Akteurszentrierten Institutionalismus anhand der Sportberichte der Bundesregierung auf den Hochleistungssport in Deutschland seit 1990 entwickelt?“
Für die Beantwortung dieser Fragestellung wird zunächst im Kapitel Fallauswahl begründet, welche Dokumente zur Analyse mit der geeigneten Methode und der passenden Theorie angewendet werden. Das 3. Kapitel zeigt die Organisationsstrukturen des deutschen Sportes auf, wo weiter auf die Ziele und die Interessen der Bundesregierung im Hochleistungssport eingegangen wird. In dem 4. Kapitel werden die Problemstellungen der bundestaatlichen Förderung beleuchtet, die weiter auf die Theorie verweist, die im 5. Kapitel näher erklärt wird. Aus der Theorie des AzI und den Strukturen des deutschen Hochleistungssportes folgt die Erklärung der Methode, mit der die Sportberichte der Bundesregierung von 1990 bis 2019 analysiert werden (6. Kapitel). Die Interpretation der Auswertung findet sich im 7. Kapitel wieder. Diese Arbeit schließt inhaltlich mit dem 8. Kapitel ab, worin die Fragestellung beantwortet und diese Arbeit resümiert wird.
Jene Dokumente, welche am geeignetsten zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der politischen Steuerung im deutschen Hochleistungssport scheinen, sind die Sportberichte der Bundesregierung. „Mit dem Sportbericht werden in erster Linie die vielfältigen Maßnahmen der Bundesregierung zur Förderung des Sportes [innerhalb von vier Jahren], insbesondere des Hochleistungssportes [...] dargestellt. Ferner werden Instrumente der mittelbaren Sportförderung durch die Ressorts der Bundesregierung beschrieben. Der Bericht beschränkt sich damit bewusst auf die Maßnahmen des Bundes [...]“ (Bundestag, 1990, S. 10). Die Bedeutung von Berichten liegt darin, dass sie neben ihrer „programmatisch-propagandistischen“ Funktion eine instrumentelle Planungs- und Koordinationsfunktion haben, die mit der Selbstbindung der Regierung einhergehen und ein Kontrollmedium sind, an denen sich die Planungen der Bundesregierung nachvollziehbar kontrollieren lassen. (Derlien, 1975, S. 42-47). Da der Hochleistungssport im Verbund mit den Bundesfachverbänden organisiert wird, zeigen sich in den Sportberichten auch die Aufgaben und Funktionsweisen der integrierten Sportverbände (siehe Abb. 1). Dadurch wird das gegenseitig anerkannte Regelsystem transparent. Die Bundesregierung legt damit indirekt fest, mit welchen sportpolitischen Akteuren sie zusammenarbeitet undjene Normen, die sie in dem Regelsystem akzeptiert oder auch nicht. Gestützt wird die Annahme dadurch, dass die Bundesregierung den Hochleitungssport nahezu voll finanziert und bei nichtakzeptierten Regelungen die Gelder zurückbehält, auf die der organisierte Sport fürs Überleben angewiesen ist (Heinemann, 1996, S. 194). Aus den Berichten können somit Tendenzen zur Fragestellung der staatlichen Steuerung des Hochleistungssportsystems analysiert werden.
1990 ist das Jahr nach der Wiedervereinigung Deutschlands und schließt damit auch die staatlichen Anstrengungen ein, die das Sportsystem der DDR, mit dem der BRD vereinigen. Dementsprechend bietet der 7. Sportbericht der Bundesregierung aus ebenjenem Jahr einen geeigneten Anfang, der zugleich die gesamtdeutsche sportpolitische Repräsentanz einschließt.
Die qualitative Inhaltsanalyse ist im Umfeld von Textanalysen ein probates Mittel der Sozialwissenschaften und deshalb Bestandteil der methodischen Analyse der forschungsleitenden Fragestellungen (Vgl. Mayring, 1994). Als theoretischer Ausgangspunkt der Forschung wird die politische Steuerung mit dem AzI nach Mayntz und Scharpf einbezogen. Der AzI betont den Einfluss von Institutionen auf die Wahrnehmung, Präferenzen und Fähigkeiten der individuell-korporativen Akteure und ihre Interaktionsformen (Scharpf, 2000, S. 76). Diese wird deutlich bei der politischen Steuerung gesellschaftlicher Gruppen der dritten und staatsnahen Sektoren (Mayntz et al., 1995; Schimank, 2007, S. 165). Genau diese Voraussetzungen erfüllt der organisierte Sport und speziell die bundesstaatliche Förderung des Hochleistungssportes (Krimmer, 2012,S. 12-16).
In diesem Kapitel wird die Organisation des deutschen Hochleistungssportes beschrieben. Im ersten Kapitel 3.1 wird der Sport definiert und wie sich Hochleistungssport dazu abgrenzt. Es folgen im Kapitel 3.2 die Strukturprinzipien des deutschen Hochleistungssportes, ehe im Anschluss im Kapitel 3.3 die Grundprinzipien der staatlichen Zusammenarbeit mit dem Sport beschrieben werden. Über das Kapitel 3.4 der bundesstaatlichen Interessen und Ziele am Hochleistungssport, endet dieser Abschnitt mit der Zusammenfassung und der Problemstellung, die sich aus dem Spannungsverhältnis zwischen Staat und Sportverbänden im Hochleistungssport ergibt.
Den Sport als allumfänglichen Begriff zu definieren, erscheint in seiner Gänze nicht möglich, da sich Sport als Begriff seit Beginn des 20. Jahrhunderts umgangssprachlich weltweit entwickelt hat und sollte daher forschungsleitend definiert werden (Röthig et al., 2003). So wird der Sport als kulturelles Phänomen erfasst, dass unter den Bedingungen der üblicherweise sozial anerkannten Regelungen, mit körperlicher Bewegung stattfindet (Lösche, 2010, S. 12f). Enger charakterisiert sich der Sport in spielerischen Grundzügen sowie durch Wettkampf, als auch Leistung (ebd.). Der Sport ist dabei in eigene unterschiedliche Handlungsfelder mit mehr oder minder festen Organisationsformen eingebunden, die wiederum die gesellschaftliche Eigenständigkeit sichern (Klaus et al., 1984, S. 5-7; Röthig et al., 2003, S. 420-422). Den politischen Rahmen definieren die Verflechtungen mit anderen Gesellschaftssystemen und den Macht- und Einflussstrukturen innerhalb der Sportorganisationen (Lösche, 2010, S. 13). Dies inkludiert auch die spezifische Interessenartikulierung gegenüber dem Staat oder in Bezug auf den Staat (ebd.).
Im Kern kann die Definition von Leistungssport aus dem Brockhaus (2021) gewählt werden, da hieraus in Anlehnung an die allgemeine Definition des Sportes der Leistungssport präzisiert wird. Zudem wird die Charakteristik der bundesstaatlichen Förderung einbezogen, die von Hochleistungssport spricht (Bundestag, 1995, S. 2). So definiert sich Hochleistungssport als: „dem Ziel der Erbringung und Darstellung einer bestimmten relativen oder absoluten Leistung verbundene Sport, wobei diese Leistung nach festgelegten Regeln [des Zugangs- und Durchführungsprinzip] unter [nationalen und internationalen] Wettbewerbsbedingungen erbracht wird“.
Die Organisation des Sportes folgt in Deutschland einer langen Tradition. Schon seit dem 19. Jahrhundert gilt für den organisierten Sport, die Unabhängigkeit von staatlichen Instanzen, die Selbstverwaltung durch demokratisch legitimierte Vorstände, sowie die unlimitierten Zugangsvoraussetzungen für die Inklusion der Mitglieder, womit die Sportvereine die Bedingungen erfüllen, die sie nach wie vor als zivilgesellschaftliche Organisationen auszeichnen (Hartmann- Tews, 1996; Pahl & Zimmer, 2019, S. 364). Diese Vereinsstrukturen schlossen sich zeitgleich auch den sportartenspezifischen Organisationen der Fach- und Dachverbände an (Zimmer et al., 2011, S. 278). Unter dem Nationalsozialismus wurden die bürgerlichen Verbände gleichgestellt und der vereinsmäßige Sport ordnete sich der Parteipolitik unter (Haring, 2010, S. 37; Klages, 2008, S. 186). Nach dem 2. Weltkrieg wurde wieder an die Organisation gesellschaftlicher Gruppen durch Vereine sowie Fach- und Dachverbände angeknüpft und spiegelbildlich an den föderalen Aufbau Deutschlands mit angepasst. Dies hatte den Effekt der horizontalen Zuordnung der „Sportverbände und -bünde als Sportübergreifende Dachverbände der Vereine“ (Pahl & Zimmer, 2019, S. 364) (Abb. 1).
Aus den Strukturen des organisierten Sportes in Deutschland ergibt sich das Verhältnis zwischen Staat und Sport und den politischen Interdependenzen (Heinemann, 1996, S. 180). Der Staat und der organisierte Sport treten damit in ein besonders Verhältnis, woraus die Beteiligung des organisierten Sportes zu allgemeinen staatlichen Aufgaben und Interessen resultiert und somit wiederum gesellschaftspolitische Relevanz vom Staat erhält (ebd.). Der organisierte Sport tritt als Vertreter der Interessen des Sportes gegenüber dem Staat als alleiniger Akteur auf, bzw. wird vom Staat so akzeptiert und sportpolitisch allumfänglich einbezogen, daher „be- sitztder organisierte SporteineMonopolstellungf (Heinemann, 1996, S. 181). Der Sportdachverband DOSB nimmt dabei die Rolle der Institution ein, die zwischen Staat und Sport, als auch innerhalb der Sportverbände Interessen artikuliert und als Ansprechpartner fungiert. Die Struktur des Sportes ist idealtypisch für die Charakterisierung des Dritten Sektors und kann durch die vorangegangenen Punkte nach Heinemann, sowie seinen Einfluss in den Bereichen der Bildung, Gesundheit und Erziehung als staatsnaher Sektor aufgefasst werden (Krimmer, 2012, S. 16-26).
Bei der unterschiedlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen liegt eine Besonderheit auf der Bundesebene. Der Bund hat, laut Art. 30 des Grundgesetzes, keine expliziten Kompetenzen und handelt somit auf Grundlagen von Vereinbarungen, die im Interesse der internationalen Außendarstellung Deutschlands stehen, um die Chancengleichheit bei internationalen Wettkämpfen zu gewähren (Groll, 2005, S. 182; Heinemann, 1996). Somit ergeben sich folgende Fallgruppen für die Förderungsbefugnisse, welche daraus resultierend imHochleistungssportliegen(Bundestag, 1990, S. 14):
- Gesamtstaatliche Repräsentation durch den Sport bei Welt- und Europameisterschaften oder Olympischen Spielen.
- Außenpolitische Diplomatie (deutsche Entwicklungshilfe mit Sport).
- Die Förderung von nicht-staatlichen Vereinen und Verbänden die bundespolitische Relevanz haben.
In der Geschichte der Bundesrepublik sind es hauptsächlich finanzielle Unterstützungen die der Sport über die Kommunen, Länder oder den Bund erfährt. Doch werden zugleich dem organisierten Sport auch indirekte Erhaltungssubventionen gewährt:
- Steuerverzicht bei Vereinen der Gemeinnützigkeit.
- Kostenlose oder preisgünstige Bereitstellung von Sportstätten für Vereine.
- Bundesfreiwilligendienst im Sport.
- Verteilung von 25% der Lotterieeinnahmen an gemeinnützige Vereine, wovon wiederum 50% an Sportorganisationen fließen (Vgl. Lösche, 2010, S. 24).
Der Sport findet, wie bereits erwähnt, keine Erwähnung im Grundgesetzt und hat deswegen auch keine klare ministeriale Zuordnung, wie z. B. die Ministerien der Finanzen, Justiz oder Verteidigung. Doch hat es sich über die Jahre etabliert, wie die Bundesländer, das Bundesministerium des Innern (BMI) mit den sportpolitischen Aufgaben zu betrauen und den „Sportminister“ zu ernennen.
Vor den Olympischen Spielen 1972 in München wurde die Bundesregierung vom deutschen Bundestag ersucht: „[...] die Bemühungen um ein Gesamtsportförderungsprogramm, besonders im Hinblick auf die Olympischen Spiele, nachhaltig zu unterstützen sowie bisherige Bemühungen und Vorstellungen deutlich zu machen" (Bundestag, 1970). Das BMI ist in Vertretungen der Bundesregierung dem Ersuchen weiter nachgekommen und publizierte seitdem insgesamt 14. Sportberichte der Bundesregierung. Auch andere Bundesministerien haben Berührungspunkte mit dem Sport, sindjedoch sportpolitisch nicht so stakt Eingebungen wie das BMI. Dem BMI fällt auch die Finanzierung des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp) zu. Auf der Bundesebene setzt sich der Sportausschuss zusammen, der sich auf folgende Aufgaben konzentriert (Bundestag, 2021): „Die Förderung und Finanzierung effektiver und nachhaltiger Rahmenbedingungen für den Spitzensport - natürlich auch im Bereich des Sportes für Menschen mit Behinderungen - ist Kernarbeit der sportpolitischen Arbeit des Ausschusses. Zu den
Aufgaben gehören ebenso wirksame Regelungen zur Bekämpfung von Doping und Manipulation im Sport. Der Sportausschuss beschäftigt sich aber auch mit der gesellschaftlichen Bedeutung des Sportes für andere Lebensbereiche wie Bildung, Gesundheit, Integration und Wirtschaft. Der Ausschuss hält Kontakt zu Sportverbänden, lässt sich von einer Vielzahl unterschiedlicher Organisationen informieren und zieht regelmäßig den Rat von externen Sachverständigen hinzu, um sportpolitische Impulse zu setzen und Gesetzgebungsverfahren einzuleiten“.
Die Realisierung der Vorstellungen und Bemühungen gehen mit Grundprinzipien einher, die zwischen dem organisierten Sport und der Bundesregierung beschlossen wurden.
Die sportpolitischen Förderungen obliegen den Grundsätzen der Autonomie, Subsidiarität und partnerschaftlicher Zusammenarbeit (Bundestag, 2019, S. 21; Fahrner, 2012; Gieseler, 1972, S. 110).
Der erste Grundsatz der staatlichen Förderung ist die Anerkennung der Autonomie des Sportes, die auf die fachlich-organisatorische und finanzielle Selbständigkeit der Sportvereine und Sportverbände abzielt (Fahrner, 2012, S. 145). Das beinhaltet die Formulierung und Überwachung sportspezifischer Regeln sowie die Koordination von Wettkämpfen (ebd.). Die Dokumentation von Siegen und Rekorden fällt ebenfalls in diesen Bereich der Autonomie (ebd.). Ein weiterer wichtiger Teil ist die eigene Interessenvertretung der Sportakteure gegenüber gesellschaftlichen Akteuren, wie Politik, Wirtschaft oder Medien (Vgl. ebd.). „Je höher die teils gewährte, teils gegen Widerstand erkämpfte Selbststeuerungsfähigkeit der Sportverbände für ih- renjeweiligen Aufgabenbereich ist, desto größer ist die gesellschaftliche Autonomie des Sportes“ (Schimank, 1995, S. 68-69). Für politische Maßnahmen bedeutet dies, dass die „in Anerkennung der Unabhängigkeit und des Selbstverwaltungsrechts des Sportes erfolgen, der sich selbst organisiert und seine Angelegenheiten in eigener Verantwortung regelt“ (Bundestag, 2010, S. 17).
Hilfe zur Selbsthilfe ist der prägende Charakter, der der öffentlichen Sportförderung unter dem Prinzip der Subsidiarität zugesprochen wird (Heinemann, 1996, S. 179-180). Die Bewilligung der Mittel setzt voraus, das der organisierte Sport selbst Eigenmittel generieren muss und erst 14 wenn diese Mittel nicht mehr ausreichen der Staat weitere Mittel gewährt (ebd.). Eigene Mittel schließen nicht nur die Finanzen mit ein, auch der Einsatz ehrenamtlicher Tätigkeiten werden inkludiert. Besonders große Bedeutung erfährt dieses Verfahren beim Sportstättenbau oder der Unterhaltung und Nutzung von Sportanlagen durch Vereine des Sportes (Hockenjos, 2018, S. 17). „Staatliche Eingriffe im Sinne etwa einer finanziellen Unterstützung sind damit zwar nicht generell ausgeschlossen“ (Fahrner, 2012, S. 145), sie erfolgen aber nur dann, wenn „die Organisationen des Sportes die [...] im politischen Interesse liegenden Maßnahmen nicht oder nicht vollständig aus eigenen Mitteln finanzieren können“ (Bundestag, 2010, S. 17). Die staatlichen Rahmenbedingungen erlauben es dem Sport seine Angelegenheiten sowie die Organisation in Selbstverwaltung oder -organisation eigenverantwortlich zu regeln und darüber autonom zu entscheiden. Bei der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel oder anderen staatlichen Subventionierungen greifen wiederum gesetzliche Vorschriften (ebd.).
Aus diesen beiden Grundsätzen hat sich die partnerschaftliche Zusammenarbeit der öffentlichen Hand mit den Sportvereinen und -verbänden entwickelt (Vgl. Fahrner, 2012, S. 145). Trotz der Autonomie ist der Staat ein bedeutsamer Förderer des organisierten Sportes in Deutschland (ebd.). Dies wird politisch dadurch gerechtfertigt, dass Sportvereine und Sportverbände öffentliche Aufgaben übernehmen, „die, würde es den organisierten Sport nicht geben, vom Staat in anderer Form erfüllt werden müssten [...] Der Staat stellt rechtliche Absicherung und Geld für die Erfüllung von Aufgaben zur Verfügung, die Vereine oft auch aufgrund anderer Lohnstrukturen und des ehrenamtlichen Engagements billiger und letztlich auch .unbürokratischer als der Staat sichern können“ (Heinemann, 1996, S. 192).
Die bundessportpolitischen Ziele und Inhalte werden in den Sportberichten der Bundesregierung festgehalten. Die staatlichen Interessen erstrecken sich über die Fachbereiche von Gesund- heits-, Bildungs-, Jugend-, Umwelt-, Sozial-, Struktur-, oder Arbeitsmarktpolitik. Die Sportpolitik definiert sich im Kontext als Aufgabe der öffentlichen Hand in der Daseinsführsorge, die zugleich als Teil der wohlfahrtstaatlichen Sozialpolitik und gleichsam als Baustein des deutschen Sozialmodells erfasst werden kann (Bundestag, 2019; Heinemann, 1996, S. 180; Lösche, 2010, S. 22f.).
Aus bundespolitischer Sicht liegt die Förderung des Breitensportes in dem Ziel der körperlichen Ertüchtigung der „Staatsbürger“ (Ronge, 2010, S. 162). Weitere Aspekte sind in der 15 Integrationspolitik zu finden, wo der Sport positiv auf die ethische Vielfalt wirken kann. Besonders ist der Bereich des Schulsportes zu betonen, der im Fächerkanon der Schulen aufgenommen ist oder weitere staatliche Schulverwaltungen wie Sportgymnasien ermöglichen. Auch im Bereich staatlicher Institutionen, wie Militär oder Polizei, findet sich die Anerkennung und Förderung der körperlichen Ertüchtigung wieder (ebd.). Der Staat impliziert in seinem Interesse an den Sport auch intentionale Ziele, die sich an den Zielen des politischen Systems orientieren und in Deutschland entsprechend mit der Förderung von: Demokratie, Identifikation, Integration, Einübung sozialen Verhaltens, Anerkennung des Leistungsprinzips, Gesundheit und Lebenshilfe in Verbindung stehen (Bundestag, 1999, S. 190; Groll, 2005, S. 100). Im Hochleistungssport werden die Ziele erweitert, in dem der Erfolg des deutschen Spitzensportes bei internationalen Wettkämpfen unter Wahrung der Chancengleichheit sichergestellt werden soll (Vgl. Bundestag, 1990, S. 14; Heinemann, 1996, S. 192). Die Förderschwerpunkte, die die Bundesregierung im Hochleistungssport setzt und in seinen Sportberichten unter dem Kapitel Förderung des Hochleistungssportes zusammenfasst sind: Jahresplanung derFachverbände, Förderung von Leistungssportlern mit und ohne Behinderung (Deutsche Sporthilfe), Organisation von Veranstaltungen in Deutschland, Unterhaltung der Bundesleistungszentren, Unterhaltung der hauptamtlichen Führungskräfte und der Bundestrainer, sportmedizinische Untersuchungen, Projekte vom DOSB im Hochleistungssport, Vertretung in den internationalen Föderationen, Sportstättenbau - überwiegend für Bundesleistungszentren, Bundesstützpunkten und Olympiastützpunkten, Dopingbekämpfung und Sportwissenschaft (z. B. BISp, IAT und FES) (Bundestag, 2019).
Aus den vorangegangenen Kapiteln sollten die wichtigsten Grundstrukturen der deutschen Sportorganisation ersichtlich geworden sein. Die Sportstruktur wird vom Dachverband DOSB geleitet der sich als Vertreter des gesamten Sportes in Deutschland sieht. Als Ansprechpartner für die Bundesregierung arbeitet der DOSB mit den verschiedensten Ministerien zusammen, die bundessportpolitisch einbezogen werden. Der bundespolitische Hauptakteur im Sport ist das BMI. Mit dem BMI und den sportbeteiligten Akteuren wird der Hochleistungssport koordiniert und gefördert. Der organisierte Sport, der durch Verbände geprägt ist, übernimmt für den Staat die Aufgabe der Kommunikation zwischen Administration und Akteuren und entlastet dadurch wiederum den Staat (Vgl. Heinemann, 1996, S. 192). Die Rolle des Staates liegt damit in der Aufstellung rechtlicher Absicherungen und der Zuweisung von Geldern für die Erfüllung der bundespolitischen Aufgaben und Ziele (ebd.). Die daraus entstandenen strukturen haben korporatistischen Charakter (ebd.).
[...]
1 Allerdings wird von van Hilvoorde et al. (2010) und Von Scheve und Salmella (2014) darauf hingewiesen, dass diese Effekte nur kurzfristig sind und eher als Voraussetzung gelten, der mit dem Stolz auf die nationalen Athleten in Verbindung steht.
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