Bachelorarbeit, 2021
50 Seiten, Note: 2,0
1. Einleitung
2. Die Historia Augusta - Problematiken
3. Das literarische Porträt
4. Die Interdependenz der literarischen Porträts des Verus und des Marcus
4 .1. Struktur der vita marci
4.2. Struktur der vita veri
4.3. Die Rolle des einen in der vita des anderen
4.3.1 Lucius Verus in der vita marci
4.3. 2 Marcus in der vita veri - 21 -
4.4. Die Wertung der Themenbereiche in den viten
4.4 .1 Abstammung, Adoption und die Vorherbestimmung zur Herrschaft
4.4.2 Kindheit, Jugend und Ausbildung
4.4.3 Verhältnis zum Volk
4.4.4 Feldherrenrolle, das Militär und Sieghaftigkeit
4.4.5 Politik, Beziehung zu Senat und Höflingen
4.4.6 Tod und Vergöttlichung
4.4.7 Unmittelbare Darstellung
5. Intention und Wirkung
6. Fazit
Literaturverzeichnis
Quellen
Die erste Doppelherrschaft im römischen Kaisertum, begründet durch die Augusti Lucius Verus und Marcus Aurelius im Jahre 161 n. Chr., führte zur tiefgreifenden Verflechtung beider Leben. Ihre Errungenschaften sowie Krisen, das Verhältnis zum Staat, dem Militär, dem Volk und die damit einhergehende öffentliche Wahrnehmung teilten sich Lucius und Marcus von nun an. Münzprägungen sollten in dieser Hinsicht der Öffentlichkeit suggerieren in welcher Harmonie die beiden Herrscher das Imperium Romanum zu führen ge- dachten.1
So wie Münzprägungen und öffentliche Auftritte die Wahrnehmung der beiden Kaiser damals wirksam darstellten, so haben in den Jahrhunderten danach vor allem literarische Zeugnisse, welche die Handlungen der Kaiser und Ereignisse während ihrer Herrschaft beschreiben, den größten Einfluss auf die Formung unserer Wahrnehmung genommen.2 Hinsichtlich der Doppelherrschaft Lucius‘ und Marcus‘ gilt die Historia Augusta, oder HA, als eines dieser literarischen Zeugnisse. Jedoch scheint diese Quelle dem genannten Bestreben einer harmonischen Darstellung dieser Doppelherrschaft konträr gegenüberzustehen.
Die Historia Augusta selbst, ihre vita marci sowie die vita veri, welche besonders abträglich auf Lucius Rolle im Doppelprinzipat wirken, provozierten verschiedene Interpretationen der tatsächlichen Umstände. Hierbei kam es zu vielfältigen Ansätzen, welche die Angaben der Quelle mit weiteren Zeugnissen abglichen und sie hinsichtlich ihrer Historizität prüften, um Aussagen zu bestätigen, zu relativieren oder zu kritisieren.3 Die aktuelle Forschung bezüglich dieser beiden Augusti nutzt die HA somit immer wieder als Vergleich oder Ansatzpunkt, um Argumente zu finden, welche der eigenen Schilderung der tatsächlichen Ereignisse dienen. Jedoch wird durch diesen Ansatz allzu häufig das literarische Spiel und die hieraus entwachsenen literarischen Porträts der beiden Kaiser übergangen oder nicht angemessen aufgearbeitet. Diesem Defizit zu begegnen, begründet somit die Relevanz der folgenden Arbeit.
Diese Arbeit wird sich insbesondere der literarischen Darstellung der beiden Kaiser in der HA annehmen, um in der Folge die beiden entstandenen Porträts und deren Wirkung auf den Leser herauszuarbeiten. Im Zuge dieser Aufgabe ergibt sich somit die Frage nach inhärenten Tendenzen, welche mittels einer gewählten Struktur der Biografien, sich auftuender Dynamiken oder angesichts vorgenommener Vergleiche, direkt wie indirekt, die literarischen Porträts der beiden Kaiser formen.
Um diese Wirkungsweisen, ihre Einflüsse und das konsequente Resultat des literarischen Spiels, die Portierung beider Kaiser, welches uns in der HA und ihren Biografien begegnet, aufzuzeigen, erfolgt zunächst eine knappe Einordnung der Hauptquelle, der HA, da sie den Hauptarbeitsgegenstand bildet. Daraufhin wird eine Definition des Begriffs des literarischen Porträts vorgestellt und interpretiert, um einen Konsens hinsichtlich dieses zentralen Terminus zu schaffen. Im Hauptteil erfolgt dann eine Strukturanalyse der vitae, die Aufarbeitung wechselseitiger Wirkung der Augusti in beiden Biografien und die Betrachtung und Beurteilung einer vermuteten inhärenten Wertigkeit hinsichtlich der Charaktere und ihrer Eigenschaften im Kontext verschiedener Themenbereiche. Im Zuge dessen sollten genug Anhaltspunkte ausgearbeitet worden sein, um eine Beurteilung der Darstellungsabsicht des Autors, seiner Intention, sowie der konsequenten Wirkung der entstandenen Porträts auf den Leser aufzuzeigen.
Als Hauptquelle dient, wie bereits erwähnt, die Historia Augusta. In der folgenden Arbeit wird diesbezüglich die Übersetzung von Ernst Hohl den Forschungsgegenstand bilden. Des Weiteren bilden neben einigen weiteren Autoren, vor allem die Literatur von Jörg Fündling, G.W Adams, Ronald Syme und Andrea Scheithauer ein Fundament dieser Arbeit, welches notwendig ist, um die Quelle, ihre Tendenzen sowie ihre Wirkungsweisen verständlich nachvollziehen zu können.
Da die Historia Augusta den unmittelbaren Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit bildet, ist es unumgänglich, sich mit den inhärenten Problematiken des Werkes auseinanderzusetzten und in der Folge, ein Bewusstsein für die Präsenz jener zu etablieren. Die besagten Probleme umfassen insbesondere die offenen Fragen nach dem wahren Autor sowie nach der genauen Entstehungszeit dieser Schriften. In Anbetracht dieser Aufgabe sei bemerkt, dass bereits der renommierte Althistoriker R. Syme die HA zum „[...] most enigmatic work that Antiquity transmitted [...]”4 proklamierte und Jörg Fündling im Umgang mit der HA von „[.] einer beinahe ins Unübersehbare gewachsene Forschung [.]“5 spricht. Daher wird das folgende Kapitel lediglich einen Umriss des Forschungsstands darbieten können, die benannten Problematiken der HA jedoch in Bezug auf den Arbeitsgegenstand, die vitae des Lucius und Marcus, erkenntlich hervortreten lassen und einen passenden Umgang mit jenen ausarbeiten.
Die Historia Augusta umfasst dreißig Kaiserbiografien, von Hadrian bis Carnius, welche von sechs Autoren zwischen 284. - 337 n. Chr verfasst worden sind. Die moderne Forschung zur HA begründete Hermann Dessau 1889 mit seinem epochenmachenden Aufsatz „ Zeit und Persönlichkeit der Sciptores historiae Augustae “. Dessau konnte erstmals stichhaltig nachweisen, dass die Historia Augusta weder von sechs Autoren verfasst wurde, noch in der Zeit Konstantins und Diokletians entstand, sondern während der Zeit Theodosius von einem einzelnen Autor geschrieben wurde.6 Nach anfänglichen Widersprüchen, vor allem seitens seines Förderers, Theodor Mommsen, welcher weiterhin die von der HA proklamierte Entstehungszeit verteidigte, schlossen sich mit der Zeit viele Historiker der Auffassung Dessaus an.7
Vor allem die Annahme, dass nur ein Autor anstatt sechs verschiedener das Schriftbild und die Zusammenstellung des Werkes bestimmte, zählt mittlerweile zur communis o- pinio. 8 Bisweilen gibt es Computerstudien, welche die Satzstruktur oder den verwendeten Wortschatz der HA analysieren, sowie ausführliche Diskussionen und Aufsätze, welche die Theorie eines einzigen federführenden Autors bestärken.9
Deutlich umfangreicher als die Autorenfrage wird die Entstehungszeit und mit ihr die Frage nach der Tendenz und den verwendeten Quellen diskutiert. Wie bereits erwähnt, datierte Dessau in seinem Aufsatz die Entstehung des Werkes auf das späte 4. Jh. Dieser Meinung pflichteten zunächst Otto Seek, später auch R. Syme, A. Chastagnol und J-P. Callu bei.10
Ein Gegengewicht zur Datierung um 400 n. Chr. findet ihren Ursprung in der Veröffentlichung des Buches „ The Historia Augusta. Its Date and Purppose “ von N. Baynes 1929. Baynes begründete seine Aussage, die HA sei zur Zeit Julians 362/63 als eine Form der Propaganda entstanden, auf der von ihm vernommenen heidnischen Tendenz in der HA und der Nutzung der Epitome de Cesaeribus des Aurelius Victor.11
Zwischen diesen beiden konträren Meinungen bildet die konservative, ursprüngliche Auffassung Mommsens, die letzte bedeutende Richtung. Unterstützt wird diese durch A. Lippold und A. Momigliano. Sie verlassen sich bei der Frage nach der Entstehungszeit auf die Widmungen des Autors an die Herrscher Diokletian und Konstantin (284-337.) und verweisen auf eine unzureichende Beweislast, welche versucht die Datierung in das späte 4. Jh, zu legen. Hierbei klagen sie die Methode vieler Kollegen an, aufgrund einer scheinbar offensichtlichen Tendenz des Autors oder einer vermuteten Übereinstimmung mit anderen Quellen den vermeintliche Entstehungszeitraum jener Schrift bestimmen zu wollen.12
Projiziert man den genannten Forschungsstand und seine Richtungen auf die Biografien des Marcus und des Verus, stünde man zumindest bei der Autorenfrage augenscheinlich vor weniger Problemen, da hinsichtlich dieser Frage ein gewisser Konsens besteht und der genannte Autor der beiden Biografien Iulius Capitolinius ist.13 Zwar bleibt der wahre Autor dieser Biografien unbekannt, doch die Singularität der Verfasserschaft scheint somit sehr wahrscheinlich und wir daher im weiteren Verlauf der Arbeit angenommen.
Ein Versuch der zeitlichen Einordnung der vita marci oder der vita veri stellt sich hingegen als deutlich komplizierter dar. Obwohl es gute Argumente für eine Verortung der Schriften in das späte 4 Jh. gibt, erscheint es sinnvoll, ohne eine klare Positionierung bezüglich der zeitlichen Verortung fortzufahren und sich ausschließlich auf den literarischen Inhalt zu konzentrieren, welcher im Rahmen der Biografien die Portäts formt, ohne Interpretationsmöglichkeiten zu berücksichtigen, welche sich auf äußere, Einflüsse zurückführen ließen, die den Autor umgeben haben.
In der Absicht einen Konsens der Terminologie zu schaffen, widmet sich das folgende Kapitel der Definition des literarischen Porträts als Begriff und anschließend einer kurzen Interpretation dieser Definition.
Eine allgemein gültige Definition des Begriffs „Porträt“ im Kontext der Literaturwissenschaften gibt es bisweilen nicht.14 Selbst bekannte Standardlexika wie das Reallexikon der Literaturwissenschaft oder das 2013 erschienene Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie weisen keine Definition dieses Begriffes auf.15 Abhilfe bei diesem Problem leistet derweil eine Definition aus dem Metzler Lexikon Gender Studies :
„Das literarische Porträt ist eine literarische Gattung, die sich, historisch gesehen, unterschiedlicher Beschreibungsverfahren bedient, um eine (historische) Person in ihrer Ganzheit zu erfassen. [...] Als literaturwissenschaftlicher Begriff ist das Porträt ehr assoziatives Konzept [...]“16
Das Porträt als „assoziatives Konzept“ kann in diesem Fall so verstanden werden, dass die Begrifflichkeit des Porträts ihren Ursprung in der Malerei fand und nun, dem literaturwissenschaftlichen Zweck dienlich, Verwendung findet, indem die Transition des Begriffes in besagtes Feld mittels Assoziation erfolgt. Folglich schafft der Autor einen „Rahmen“, die „Leinwand“ und wählt die „Farben“, indem er die Handlungen, das Aussehen und die Charakterzüge der dargestellten Person beschreibt.
Doch ebenso ist darauf hinzuweisen, dass ein „assoziatives Konzept“ im Begriff selbst liegt. Dieses Konzept ist zum einen das Wissen von der Beziehung zwischen dem Dargestellten und dem Autor, zum anderen die Wirkung des Dargestellten auf den Rezeptanten und dessen Impression des Wahrgenommenen. Hierbei ist zu bedenken, dass der Autor auf eine bestimmte Darstellungsweise abgezielt haben könnte, um der Darstellung eine gewisse Tendenz oder Funktion zu verleihen. Ob und wie deutlich eine vermeintliche Intention des Verfassers zu erkennen ist, liegt wiederum im Auge des Betrachters.
Im konkreten Beispiel der vita veri und ihrem Zusammenspiel mit der vita marci könnte der Autor mittels einer intendierten Negativabbildung des Lucius Verus, die Leistungen des Mitregenten Marcus Aurelius im Sinne einer Polarisierung in hochstilisierter Weise hervorgehoben haben. Gegensätzlich den Erwartungen des Autors, könnte dieser Fall dazu führen, dass der Leser diese Intention erkennt, oder auch nur vermutet, und somit im Umkehrschluss, aufgrund der ungerechtfertigten negativen Charakterisierung des Verus, Sympathien für den Dargestellten aufbringt, wodurch das literarische Porträt in positiver Weise geformt werden würde. Ebenso ist es möglich, dass die Darstellung ihre Wirkung beim Betrachter genauso entfaltet, wie es der Autor beabsichtigte, als er die Porträts erschuf.
Die Berücksichtigung und Einbindung beider assoziativer Konzepte (Autor-Werk u. Werk-Leser) für die Charakterisierung und das Porträtieren der beiden Kaiser ist essenziell. Letzendlich ist die empfundene Wirkung auf die subjektive Wahrnehmung des Betrachters zurückzuführen.
Im folgenden Kapitel, dem Hauptteil dieser Arbeit,soll dieAnalyse der Struktur, den Aufbau der jeweiligen vita darlegen und verdeutlichen, wie die Schilderung der Lebensläufe sowie die Implementierung gewisser Passagen die Wahrnehmung der literarischen Porträts formen. Im Anschluss wird diesbezüglich noch auf den Einfluss eingegangen, welcher einem der beiden Kaiser in der vita des jeweilig anderen zuzusprechen ist und inwiefern dies die Struktur und somit die Darstellung desjenigen beeinflusst.
Abschließend wird die Darstellung der beiden Augusti im Kontext verschiedener Themenbereiche hinsichtlich inhärenter Wertigkeit untersucht. Hierbei soll hervortreten, ob der Autor durch die unterschiedliche Beurteilung und Darstellung der beiden Kaiser ein Ziel, wie etwa die Schaffung eines ergänzenden oder polarisierenden Dualismus der Co- Herrscher verfolgt.
Dieses Kapitel behandelt in der Folge die Struktur der vita marci und umfasst somit den Aufbau und Schlüsselpassagen in der vita, welche hinsichtlich der Formung des literarischen Porträts besondere Relevanz vorweisen.
Der Aufbau des Texts der vita marci setzt sich aus neunundzwanzig Kapiteln zusammen. Fünf dieser Kapitel (15-19) heben sich hierbei in besonderer Weise heraus, indem sie einen klaren Bruch im Verlauf der vita erzeugen.17 Diese sogenannte Interpolation führt in Hinblick aufden Aufbau der vita dazu, dass sich konsequent drei große Sektionen ergeben. Hierbei überschneiden sich Sektion II (die Interpolation) und Sektion III inhaltlich und folgen einem ähnlichen Verlauf hinsichtlich ihrer Chronologie.
Die Kapitel 1-14 bilden Sektion I. Sie ist durchweg positiv und reicht von Marc Aurels Familie und seiner Abstammung über seine Kindheit, die Ausbildung unter verschiedenen Lehrern, verschiedene Ämter und Ehren, welche er innehatte, seine Adoption durch Antoninus Pius und seinen Herrschaftsantritt, sowie Anekdoten, welche seinen vorbildlichen Charakter und den gerechten Umgang mit Volk, Provinzen und den Senatoren beschreiben, bis hin zum Tod des Mitkaisers Lucius Verus.18
Dieser Teil ist chronologisch aufgebaut wird aber selbst noch einmal durch eine, in diesem Fall organisch wirkende, Einschiebung unterteilt. Diese Einschiebung innerhalb der Sektion I reicht von 9.7 bis 12.6. Sie behandelt Marc Aurels Aufgaben und sein Handeln als Kaiser in der Rechtsprechung sowie der Verwaltung. Auch sein Verhältnis zum Senat wird thematisiert und es entsteht ein Bild von Harmonie zwischen den senatorischen Repräsentanten des „Alten“, der Republik, und der Verkörperung des „Neuen“, dem Prinzipat, personifiziert durch Marc Aurel.19 Diese Harmonie wird besonders herausgestellt indem Aurel viel mehr als „[.] Erneuerer des alten als Schöpfer des neuen Rechts [.]“20 bezeichnet wird und ihm zugutegehalten wird, dass „[.] kein Kaiser je dem Senat weiter entgegengekommen (ist) ].]“21. Auch im weiteren Verlauf dieser Einschiebung zeigt sich, ein Bestreben Harmonie zu erzeugen und Marc Aurels Handeln in besonders positiver Weise darzustellen. Dieses Bestreben sticht dann hervor, wenn der Autor von Angelegenheiten spricht, welche zu den alltäglichen Aufgaben eines Kaisers zählten, bei Marc Aurel jedoch durch Beifügung „[.] besonderer Aufmerksamkeit [.]“22 und Führsorge ausgesprochen positiv erscheinen.23 So schenkt der Kaiser der Rechtspflege „besondere Aufmerksamkeit“ während ihm die Getreideversorgung zugleich „[.] besonders am Herzen [.]“24 liegt. Zusätzlich verbessert Marc Aurel auch noch die rechtliche Struktur und Verwaltung in den Provinzen, übt Sparsamkeit, erschafft Neuerungen im Fürsorgewesen, setzt die Infrastruktur in Stand und „[.] hielt in jeder Hinsicht das rechte Maß [.]“25.26 Im Konzept dieser Biografie, welche der Feder eines „anonymen Suetons“27 entsprang und vermutlich in der Tradition De vita Caesarum Suetons steht, dient ein solcher Teil zweckgebunden der tiefgreifenderen Charakterisierung.28
Hinsichtlich der Struktur der vita marci ist dieser Teil die Realisierung seines Wesens, welches der Autor im Verlauf der Kapitel 1-9 aufbaut.29 Zuvor genannte positive Eigenschaften kommen in dieser Passage zur vollen Entfaltung und lassen Provinzen, Volk und Senat von diesem Herrscher profitieren. Der sukzessive Aufbau der vita, welche keine nennenswerten negativen Facetten aufweist bildet bis zu diesem Punkt die Grundlage für die Darstellung Marc Aurels als einen princeps bonus.30
Nach diesem ausführlichen Exkurs führt der Autor ab 12.7 wieder den chronologischen Verlauf innerhalb der vita fort. Im Abschnitt 12.7-14.7 wird die Rückkehr Verus und der gemeinsame Triumphzug thematisiert, gefolgt von einer knappen Umschreibung der „An- toninischen Pest“31. Zuletzt werden der kommende Markomannenkrieg, das gemeinsame Entgegentreten der beiden Kaiser gegen die Germanen, der kurze Frontaufenthalt sowie die geplante Rückkehr nach Rom und der darauffolgende Tod des Lucius bei Aquileia abgehandelt. Hiernach kommt eine kurze, ungewöhnliche Unterbrechung des chronologischen Verlaufs durch eine Anekdote, welche den Beginn der Sektion II markiert.
Die Sektion II bildet die bereits genannte Interpolation, welche sich aus den Kapiteln 15-19 ergibt. In chronologischer Reihenfolge behandelt dieser Abschnitt Marc Aurels Herrschaft nach dem Dahinscheiden des Lucius bis zum eigenen Tod.
Unmittelbar zu Beginn von Kapitel 15 erinnert der Autor an Marcus Gepflogenheit sich im Circus mit Verwaltungsangelegenheiten zu beschäftigen. Interessanterweise bildet diese Stelle, an welcher der Autor Marc Aurel als „[...] Zielscheibe des Volkswitzes [...]“32 bezeichnet, den ersten Kommentar mit negativer Tendenz in Bezug auf die Handlungen des Kaisers. Zwar ließe sich aus dieser Erwähnung einerseits schlussfolgern, dass der Arbeitseifer des princeps unermüdlich war, andersseits ließe sich hier auch eine Begrenzung der Beliebtheit beim Volke vernehmen, welche durch Übereifer hervorgerufen wurde.
[...]
1 Vgl. BÖRNER 2012, S. 159-161.
2 Vgl. MEIßNER 2017, S. 271.
3 Bestätigend: Vgl. BARNES 1967, S. 65-79, Verus als „Playboy“ S.69. Relativierend: Vgl. LAMBRECHTS 1979. S.25-57.; FÜNDLING 2009.
Kritisierend: Vgl. Bishop 2018. S.127-132, Verus als „administrative (...) Emperor“.
4 SYME 1971, S.147.
5 FÜNDLING 2006, S. 6.
6 Vgl. DESSAU 1889.
7 Vgl. MOMMSEN 1890.; SEEK 1890, S. 609-639; BAYNES 1926; SYME 1983, S. 74-75, 98-107;
8 Mommsen ging derweil von einer nachträglichen Überarbeitung der Texte durch einen „Redaktor“ aus. Vgl. MOMMSEN 1890.; Lippold unterstützt diese These, vgl. LIPPOLD 1998, S.3; Jörg Fündling behandelt die Frage: „Autor oder Redaktor?“ ausführlich, vgl. FÜNDLING 2006, S. 31-40.
9 Vgl. MARRIOTT 1979, S. 65-77; STOVER & KESTEMONT 2016, S. 140-157.; ADAMS 1972, S.186-194. Ein Gegengewicht zu diesen Studien bilden: MEIßNER 1992; SANSONE 1990. S. 174-177.
10 Hierbei sei jedoch anzumerken, dass die Datierungsansätze teilweise um wenige Jahre differieren; Vgl. CHASTAGNOL 1963, S.63ff.; CALLU 2006, S. 650-673.; STRAUB 1963, S.1 ff; SYME 1983, S. 12 ff.
11 Vgl. BAYNES 1924; E. Hohl, bis dahin ein Verfechter der Annahmen Dessaus, bekannte sich auch zur Meinung Baynes; HOHL 1976, S.18-19
12 Vgl. MOMIGLIANO 1998, S.340-341; LIPPPOLD 1998, S. 5-14.
13 In bemerkenswerter Weise sorgt eine Interpolation in der vita marci hier für Zweifel an der Verfasserschaft eines einzelnen Autors. Vgl. ADAMS 2012, S. 161 ff, bes. 162.
14 Vgl. ZEMANEK 2010, S. 23.
15 Ebd.
16 BROSCH 2002, S. 313.
17 Diese Interpolation spielt auch in die Forschungsdebatten ein, welche sich mit dem Entstehungszeitraum und der Verfasserschaft der Historia Augusta beschäftigen.
Vgl. Adams 2012, S. 155-185; Fündling 2008, S. 180; Callu 2006, S. 653; Lambrecht 1984.
18 Vgl. HA Marc 1-14.
19 Hierzu: In HA Marc 12. 1 verweist der Autor darauf, dass das Volk nicht anders als noch zu Zeiten der Republik behandelt wird.
20 HA Marc 11.10.
21 Vgl. HA Marc 10.2.
22 Vgl. HA Marc 10.10.
23 Vgl. bzgl. „alltäglicher Aufgaben“ des Kaisers: SOMMER 2010, S. 92-97.
24 Vgl. HA Marc. 11.5.
25 Ebd. 12.2.
26 Ebd. 9.8, 10.10, 11.1-3,11.5.
27 CALLU 2006, S. 658.
28 Vgl. bzgl. der Tradition Suetons: SCHEITHAUER 1987,S. 21-28.;CALLU 2006, S. 658, FÜNDLING 2008, S.5-6., ADAMS 2012, S. 24-26.: Vgl. zum Zweck dieser Einschiebung: CALLU 2006, S.653; SCHWARTZ 1964, S. 135-164.
29 Erste Charakterisierung Aurels als: genügsam (HA Marc 2.6), großzügig (Ebd. 3.9); eifrig (3.7, 6.5); vorherbestimmter Regent (Ebd. 4.3); gerecht und ernsthaft (Ebd. 4.10); sparsam (5.8).
30 Vgl. Scheithauer 1987, S. 36-39.
31 Vgl. hinsichtlich der tatsächlichen Auswirkungen und der Wertigkeit des Begriffs im historischen Kontext: KLINKOTT 2017, S. 285-306.
32 HA Marc. 15.1; Es sei anzumerken, dass der Autor hierbei wohlmöglich eine Parallele zu Suetons Caesar zieht. Dieser bemühte sich ebenfalls Briefe und Bittschriften auch bei öffentlichen Auftritten zu beantworten (SUET. AUG. 45.1).
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